Ausgleichsfondsgesetz

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Im Juni 2015 verabschiedete der Bundesrat seinen Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Anstalt zur Verwaltung der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO (AHV-, IV- und EO-Ausgleichsfondsgesetz) und schickte diesen in die Vernehmlassung. Der Gesetzesentwurf soll einerseits dazu dienen, die rechtliche Situation des Ausgleichsfonds zu klären, andererseits soll damit eine neue öffentlich-rechtliche Anstalt mit dem Namen „compenswiss Ausgleichsfonds AHV/IV/EO" gegründet werden, welche ins Handelsregister eingetragen werden soll. Letzteres erleichtert der Anstalt die Ausführung internationaler Finanzgeschäfte. Eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen sei notwendig geworden aufgrund der angestiegenen Komplexität der Verwaltungsaufgaben des Fonds und der Ausweitung der Richtlinien für Good Governance, so der Bundesrat. Insbesondere soll die neue Anstalt den Regeln des öffentlichen Beschaffungswesens unterstellt werden, was bis anhin für den Ausgleichsfonds nicht der Fall war. Zudem regelt der Vorentwurf die weitere Schuldenrückzahlung der Invalidenversicherung an die AHV nach dem Ablauf der Zusatzfinanzierung der IV per Anfang 2018.

Die Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Anstalt zur Verwaltung der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO dauerte bis September 2015. Der Rücklauf war unterschiedlich: Während sich fast alle Kantone zum Entwurf äusserten, gaben nur fünf der zwölf angeschriebenen Parteien eine Stellungnahme ab. Insgesamt wurde der Vorentwurf von nahezu allen Vernehmlassungsteilnehmern begrüsst. SVP und Gewerbeverband stellten jedoch die Notwendigkeit der Schaffung eines eigenen Gesetzes zur Regelung des Gegenstandes infrage.

In der Wintersession 2016 behandelte der Ständerat den Entwurf zum Ausgleichsfondsgesetz. Dieser hat die Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt – der Compenswiss – zur Verwaltung der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO zum Inhalt. Als Kommissionssprecher erklärte Pirmin Bischof (cvp, SO), dass die SGK-SR einen Zusatzbericht zu drei offenen Fragen verlangt hatte. Dabei habe sich insbesondere gezeigt, dass der zu behandelnde Gesetzesentwurf für eine gesetzliche Regelung der Rückzahlung der IV-Schuld ab 2018 dringend sei. Zudem solle gemäss Zusatzbericht die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS) nicht in die Compenswiss integriert werden, da dies einen unverhältnismässigen Aufwand mit sich bringen würde. Schliesslich klärte der Bericht, dass in Zukunft anstelle der drei Ausgleichsfonds die neue Anstalt mit ihrem Gesamtvermögen gegen aussen hafte.

In der Detailberatung beabsichtigte die SGK-SR – abweichend vom Bundesrat – nicht die Eidgenössische Finanzkontrolle, die diese Aufgabe bisher übernommen hatte, als Revisionsstelle zu beauftragen, sondern diesen Auftrag durch den Verwaltungsrat der Compenswiss vergeben zu lassen. Dies sei, so Hans Stöckli (sp, BE), aus dem Blickwinkel der Compliance schwierig. Entsprechend beantragte er mit einer Kommissionsminderheit, in diesem Punkt dem Bundesrat zu folgen. Kommissionssprecher Bischof entgegnete diesbezüglich, dass sich der Bund zwar mit fast CHF 12 Mrd. an der Finanzierung der AHV beteilige, aber eben nicht als Einziger beteiligt sei. Die Frage der Unabhängigkeit der Revisionsstelle gelte als wichtiges Erfordernis und eine Loslösung von der EFK trage dem Einwand Rechnung, der Staat solle nur dann Dienstleistungen anbieten, wenn der private Markt dies nicht zufriedenstellend tue. Da es aber gerade im internationalen Umfeld genügend entsprechende Firmen gebe, andere Unternehmen wie zum Beispiel die SUVA eine ähnliche Regelung kennen und die Oberaufsichtskompetenz der Bundesversammlung erhalten bleibe, sei die Lösung der SGK-SR zu bevorzugen. Dies überzeugte eine äusserst knappe Mehrheit des Ständerats: Mit 21 zu 20 Stimmen (0 Enthaltungen) wurde der Antrag der Mehrheit angenommen.

Ebenfalls diskutiert wurde auf Antrag von Liliane Maury Pasquier (sp, GE), ob der Bund auch über das Jahr 2017 hinaus und bis zur definitiven Entschuldung den jährlichen Zinsaufwand auf dem IV-Verlustvortrag übernehmen solle. Paul Rechsteiner (sp, SG) begründete diese Forderung damit, dass man diese Übernahme der Schulden durch den Bund 2010 beschlossen hatte, weil nicht die AHV für die Schulden verantwortlich war, sondern der Bund. Entsprechend solle man auch heute nicht die AHV dafür büssen lassen. Durch die Übernahme dieser Zinsen wäre die Entschuldung der IV bei der AHV nach heutigen Prognosen ein Jahr früher möglich. Wiederum entgegnete Pirmin Bischof, dass die Entschuldung unter anderem aufgrund des Tiefzinsumfelds schneller vorangehe als geplant. Dass der IV-Ausgleichsfonds seine Schulden verzinsen müsse, sei richtig, jedoch solle die Übernahme dieser Zinsen durch den Bund nur temporär sein und daher wie geplant Ende 2017 enden. Anschliessend solle der IV-Ausgleichsfonds dem AHV-Ausgleichsfonds den entsprechenden Zins bezahlen. Dies halte auch den Druck zur Sanierung der IV weiter hoch. Der Ständerat nahm diesen Antrag der Mehrheit mit 28 zu 13 Stimmen (0 Enthaltungen) an und sprach sich anschliessend in der Gesamtabstimmung einstimmig für das Ausgleichsfondsgesetz aus.

Als Zweitrat beschäftigte sich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2017 mit dem Ausgleichsfondsgesetz. Dabei wurde die Frage gestellt, ob die Schaffung eines neuen Gesetzes wirklich nötig sei oder ob man auf ein Eintreten verzichten solle. Im Namen der SVP-Fraktion erklärte Thomas de Courten (svp, BL), dass die erforderlichen Ergänzungen auch innerhalb des bestehenden Gesetzes möglich seien. Durch das neue Gesetz könne aber mittelfristig die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der drei Fonds auf dem Spiel stehen. Des Weiteren seien entsprechende Forderungen internationaler Geschäftsbanken alleine kein Grund, ein neues Gesetz zu erlassen. Das Gesetz erhöhe die Regulierungsdichte und erweitere die Kompetenzen der Bundesverwaltung. Vergleichsweise knapp sprach sich die grosse Kammer mit 99 zu 83 Stimmen für ein Eintreten aus, wobei die SVP-Fraktion dieses geschlossen, die FDP-Fraktion teilweise ablehnte.

In der Detailberatung standen ähnliche Punkte im Zentrum wie bereits im Ständerat: Beraten wurden insbesondere die Ernennung der Revisionsstelle sowie die Tilgung der Schulden der IV beim AHV-Fonds. Zur Frage der Revisionsstelle pflichtete die SGK-NR dem Ständerat bei, dass nicht mehr die EFK diese Aufgabe übernehmen solle, sondern ein externer, privater Anbieter. Dabei verstosse es aber gegen allgemeine Corporate-Governance-Grundsätze, wenn der Verwaltungsrat die Vergabe dieses Auftrags übernehme. Entsprechend solle mangels Alternativen der Bundesrat als entsprechendes Wahlorgan walten. Diesen Vorschlag hiessen 114 Nationalrätinnen und Nationalräte gut, 68 Parlamentarierinnen und Parlamentarier vor allem aus der SP-, Grünen- und SVP-Fraktion lehnten ihn ab (0 Enthaltungen). Auch im Nationalrat brachte eine Minderheit Gysi (sp, SG) den Antrag ein, die Übernahme der Zinsen der IV gegenüber dem AHV-Fonds durch den Bund fortzusetzen und so die IV nicht stärker zu belasten. Wie bereits im Erstrat fand dieser Vorschlag jedoch auch im Nationalrat keinen Anklang und wurde mit 136 zu 47 Stimmen abgelehnt, wobei der Vorschlag ausschliesslich bei Personen des linken Lagers Unterstützung fand.

Überdies beantragte Thomas de Courten, dass zur Verstärkung der Sicherheit der Fonds Anlagen in Fremdwährungen nicht mehr als 30 Prozent des Fondsvermögens betragen dürfen. Zwar sei Diversifizierung sinnvoll, jedoch sei das Vertrauen in den Finanzplatz Schweiz hoch und zudem habe man die Möglichkeit, hier von politischer Seite selbst für Stabilität zu sorgen. Schliesslich soll das Schweizer Volksvermögen auch mehrheitlich in der Schweiz investiert werden. Mehrere anschliessende Wortmeldungen wiesen auf den Widerspruch hin, wenn diejenige Partei, die aufgrund der Überregulierung gar kein Gesetz wollte, dieses jetzt noch weiter aufblähe. Zudem könne eine solche Regelung kontraproduktiv sein und die Sicherheit der Fonds sogar verringern. Der Antrag fand entsprechend ausserhalb der SVP-Fraktion kaum Anklang und wurde mit 120 zu 65 Stimmen (1 Enthaltung) abgelehnt. Von weiteren Minderheitsanträgen de Courtens wurde lediglich die Forderung, dass das Organisationsreglement als Aufgabe des Verwaltungsrates dem Bundesrat nicht zur Genehmigung vorgelegt werden müsse, vom Nationalrat äusserst knapp mit 95 zu 95 Stimmen und positivem Stichentscheid von Nationalratspräsident Jürg Stahl (svp, ZH) angenommen. Bei der Gesamtabstimmung sprach sich der Nationalrat mit 121 zu 68 Stimmen für das neue Ausgleichsfondsgesetz aus, ablehnend zeigte sich die SVP-Fraktion sowie vereinzelte Mitglieder der FDP-Fraktion.

Die meisten Differenzen im Ausgleichsfondsgesetz bereinigte der Ständerat bereits in der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens. So pflichtete er dem Nationalrat bei, dass es aus Sicht der Corporate Governance richtig sei, dass der Bundesrat und nicht der Verwaltungsrat die Wahl der Revisionsstelle vornehme. Auch bezüglich zweier falscher, respektive unnötiger Formulierungen stimmte er dem Nationalrat zu. Einzig bei der Frage, ob der Bundesrat das Organisationsreglement der Anstalt genehmigen müsse oder nicht, entschied sich die kleine Kammer für Festhalten. Als Kommissionssprecher wies Pirmin Bischof (cvp, SO) darauf hin, dass der Bund mehr als 10 Milliarden Franken pro Jahr zum AHV-Fonds beitrage und es sich bei den Fonds um eine ausgegliederte öffentlich-rechtliche Aufgabe handle. Entsprechend sei es angebracht, dass der Bundesrat die Genehmigung vornehme.
In diesem letzten Punkt lenkte der Nationalrat gegen eine starke Minderheit aus SVP und teilweise FDP.Die Liberalen mit 118 zu 70 Stimmen (0 Enthaltungen) ein. In den Schlussabstimmungen hiess der Ständerat das Ausgleichsfondsgesetz einstimmig gut, während sich die Fronten im Nationalrat kaum verändert hatten (129 zu 67 Stimmen, 0 Enthaltungen).