Aufgrund zweier Rücktritte wurden 2016 im Kanton Bern Regierungsersatzwahlen nötig. Gleich zwei der drei SP-Regierungsräte wollten das Amt niederlegen. Der Bernjurassier Philippe Perrenoud (BE, sp) war 2006 in die Regierung gewählt worden und hatte fortan die Gesundheits- und Fürsorgedirektion geleitet, die seit 1976 in SP-Hand war. Perrenoud wurde eine gewisse Amtsmüdigkeit nachgesagt, musste er doch in seiner Regierungszeit auch immer wieder mit viel Kritik umgehen. Andreas Rickenbacher (BE, sp), ebenfalls seit 2006 Regierungsrat, erklärte, er trete zurück, weil er neue Herausforderungen angehen wolle. Der Seeländer hatte als Volkswirtschaftsdirektor bei allen Parteien Respekt genossen.
Zur Ersatzwahl traten sechs Kandidaten an. Für die SP wollte Christoph Ammann Rickenbacher beerben und sollte Roberto Bernasconi (BE, sp) im Berner Jura den garantierten «Jura-Sitz» verteidigen. Die SVP schickte mit Lars Guggisberg (BE, svp) und Pierre Alain Schnegg (BE, svp) zwei Herausforderer ins Rennen, die beide im grossen Rat sassen. Schnegg galt als linientreuer SVP-Politiker mit intakten Aussichten, den Jura-Sitz erobern zu können. Aus der Mitte gab es eine EVP-Kandidatur: Grossrat Patrick Gsteiger (BE, evp) sollte ebenfalls versuchen, den Sitz im französischsprachigen Teil des Kantons zu erobern. Als chancenlos galt in den Medien die Kandidatur des parteiosen Bieler Ökonoms Bruno Moser, der bei den Ständeratswahlen 2015 dafür gesorgt hatte, dass es nicht zu stillen Wahlen gekommen war, und damit nicht wenige Bernerinnen und Berner verärgert hatte.

Die SVP-Kandidierenden traten mit dem Slogan «Wir beleben Bern» an. Sie wurden von der FDP und der EDU sowie den Wirtschaftsverbänden zur Wahl empfohlen. Die BDP unterstützte zwar Schnegg, nicht aber Guggisberg, gegen den sich auch zahlreiche FDP-Mitglieder aussprachen. Da ein Sitz für die bürgerliche Wende genügte, kritisierten viele Bürgerliche, dass die SVP mit zwei Kandidaten antrat. Die Volkspartei verfügte über ein Wahlkampfbudget von einer Viertelmillion, wobei die beiden Kandidierenden selber zusammen noch einmal rund CHF 50'000 einbrachten. Von den beiden SP-Kandidierenden galt insbesondere Christoph Ammann auch bei den Bürgerlichen als wählbar, sassen doch auch Vertreterinnen und Vertreter von BDP und FDP in seinem Unterstützungskomitee. Amman wurde von den Jungfreisinnigen gar offiziell empfohlen. Die SP versuchte mit dem Slogan «Erfahrung wählen» bei den Wahlberechtigten zu punkten. Mit einem Wahlkampfbudget von CHF 55'000 wollte auch die EVP – unterstützt von GLP und CVP – ein Wörtchen mitreden.
Zentrales Thema im Wahlkampf war die Finanzpolitik. Würden die Bürgerlichen die Regierungsmehrheit zurückerobern, dann würden wohl Steuersenkungen und Sparprogramme vorangetrieben. Dies wurde von den Bürgerlichen gutgeheissen, während die Linke nicht müde wurde, davor zu warnen. Häufiger Diskussionspunkt in den Printmedien war zudem die Qualität der Kandidierenden. Beide Parteien seien mit wenig bekannten Köpfen angetreten, was insbesondere der SP den Vorwurf einbrachte, mindestens einen der beiden Sitze kampflos preiszugeben.

Der erste Wahlgang Ende Februar 2016 brachte lediglich einen Sieger hervor: Christoph Ammann konnte mit 182‘476 Stimmen nicht nur seinen ersten Verfolger Lars Guggisberg (176'219 Stimmen) distanzieren, sondern er erreichte als einziger Kandidat das absolute Mehr (181'084 Stimmen). Einen Sitz hatte die Linke damit erfolgreich verteidigen können. In den Medien wurde gemutmasst, ob auch die Durchsetzungsinitiative zu diesem Ergebnis beigetragen habe, über die am gleichen Wochenende abgestimmt wurde und die vor allem linke Kreise mobilisiert habe. Die Wahlbeteiligung betrug denn auch vergleichsweise hohe 52.7 Prozent. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen hatten sich Pierre Alain Schnegg (154'217 Stimmen) und Roberto Bernasconi (152'081 Stimmen) geliefert. Sie lagen mit nur 2000 Stimmen Unterschied auf den Rängen drei und vier. Erwartet wenig mit dem Wahlausgang zu tun hatten Patrick Gsteiger (43'192 Stimmen) und Bruno Moser (16'147 Stimmen). Damit stand in einem zweiten Wahlgang der Sitz im Berner Jura zur Disposition; die Deutschschweizer Kandidaten Lars Guggisberg und Bruno Moser schieden folglich aus dem Rennen aus. Weil auch Gsteiger nicht mehr antrat und allgemein angenommen wurde, dass dessen Mitte-Stimmen eher an die Linke gehen würden, schien das Rennen um den «Jura-Sitz» völlig offen. Die Medien machten leichte Vorteile für die SVP aus, war doch die «bürgerliche Wende» nach wie vor das erklärte Ziel der bürgerlichen Parteien. Folglich unterstützte die CVP Pierre Alain Schnegg, während sowohl die EVP als auch die GLP Stimmfreigabe beschlossen. Bernasconi wurde hingegen von den Benrjurassischen Autonomisten unterstützt.

Der im April stattfindende zweite Wahlgang versprach also einiges an Spannung. Entscheidend würde sein, wer den besseren Rückhalt im Wahlkreis Berner Jura erhalten würde, weil diese Stimmen ein höheres Gewicht haben, damit die französische Sprachminderheit möglichst gut repräsentiert wird. Die Ermittlung des Wahlsiegers über das so genannte «geometrische Mittel» erübrigte sich dann jedoch, da Pierre Alain Schnegg sowohl im Berner Jura als auch im gesamten Kanton Bern mehr Stimmen erhielt (111'657) als Roberto Bernasconi (107'755). Bernasconi konnte seine Anhängerinnen und Anhänger sowohl im ganzen Kanton wie auch im Berner Jura anscheinend weniger gut mobilisieren als der Vertreter der SVP, der in der französischsprachigen Region 57.1 Prozent der Stimmen erzielte. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung mit 30.4 Prozent mehr als 20 Prozentpunkte unter derjenigen im ersten Wahlgang.
Der «Jura-Sitz» war damit auch 2016 entscheidend für die Mehrheitsverhältnisse in der Berner Regierung, die fortan wieder bürgerlich geprägt war. Die seit 2006 herrschende «Cohabitation» – das Nebeneinander einer linken Regierung und eines rechts-bürgerlich geprägten Parlaments – wurde damit im Kanton Bern beendet. In den Printmedien wurde die bürgerliche Wende als Chance für den Kanton Bern beschrieben, der wieder zum Normalfall werde. Allerdings würden die Karten bei den Gesamterneuerungswahlen 2018 wohl wieder neu gemischt werden.

Dossier: Kantonale Wahlen - Bern
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 2016