Die Tessiner Stimmberechtigten wählten im April eine neue Regierung. Zur Wahl der fünf Regierungsräte nach dem Proporzsystem liessen sich 40 Kandidatinnen und Kandidaten auf zwölf Listen aufstellen. Mindestens zwei der fünf Sitze mussten durch die Wahlen neu besetzt werden. Alex Pedrazzini (cvp) wollte sich beruflich neu orientieren und gab seinen Rücktritt bekannt. An seiner Stelle kandidierte CVP-Präsident Luigi Pedrazzini, der sich laut Wahlbeobachtern ohne nennenswerte Konkurrenz auf sicherem Pfad befand. Die CVP konzentrierte sich denn auch auf den Erhalt ihres bisherigen Sitzes. Weniger klar war die Nachfolge von Pietro Martinelli (sp), der sich auf Wunsch seiner Partei nach zwölf Jahren nicht mehr zur Wahl stellte. Die beiden Vertreter der FDP, die Finanzdirektorin Marina Masoni und Erziehungsdirektor Giuseppe Buffi schienen ungefährdet, obwohl man letzterem nach 13 Jahren Amtszeit verschiedene Male den Rücktritt nahe gelegt hatte. Die Lega stützte sich im Wahlkampf ganz auf die Popularität ihres Baudirektors Marco Borradori. Das sozialistische Lager schwächen und damit dem bürgerlichen Lager zu besseren Wahlchancen verhelfen konnte letztlich noch die durch den ehemaligen SP-Parteipräsidenten und Regierungsrat Rossano Bervini neugegründete Liberal-sozialistische Partei. Die SP hatte ausserdem Listenverbindungen mit der PdA oder den Grünen abgelehnt, währenddem die Lega mit der neugegründeten SVP eine solche eingegangen war.

Die Wahlen bestätigten die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung. Mit der Wahl der Sozialdemokratin Patrizia Pesenti verdoppelte sich die Frauenvertretung in der Exekutive. Dabei galt die Locarneser Jugendrichterin Pesenti als Aussenseiterin auf der SP-Liste. Sie wird dem liberalen Flügel der SP zugerechnet. Der als Favorit gehandelte Noseda vertrat dagegen den von den Tessiner Sozialdemokraten angestrebten linken Kurs. Ein wider Erwarten gutes Ergebnis erzielte die Lega, die durch verschiedene hängige Strafverfahren angekratzt schien. Stimmenverluste verzeichnete hingegen die CVP, die damit den Krebsgang von 1995 fortsetzte. Sie blieb jedoch zweitstärkste Partei und konnte Alex Pedrazzini durch Luigi Pedrazzini ersetzen. Keine Chance hatte die SVP, die auf einen Stimmenanteil von 2% kam. Gescheitert ist auch das Comeback von Rossano Bervini. Der frühere SP-Staatsrat erreichte mit seiner neu gegründeten Liberal-sozialistischen Partei nicht einmal den Wähleranteil der SVP.

Dossier: Kantonale Wahlen - Tessin
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 1999