Année politique Suisse 1992 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen
Kulturpolitik
Bund, Kantone und Gemeinden spielen in der Kulturförderung nach wie vor die Hauptrolle, doch wird rund jeder sechste Franken von Unternehmen und Stiftungen beigesteuert. Dies ging aus der ersten Erhebung über die private Kulturförderung hervor, die das Bundesamt für Kultur (BAK) und das Bundesamt für Statistik (BFS) Ende Sommer gemeinsam veröffentlichten.
1989 erreichten die öffentlichen Kulturausgaben 1,52 Mia Fr., rund 225 Fr. pro Kopf der Bevölkerung. Die Kantone wendeten 574 Mio auf, und der Bund schoss 143 Mio Fr. zu. Der Anteil der Kulturförderung betrug bei den Gemeindeausgaben 3,5%, bei den Kantonen 2,1% und beim Bund 0,5%. Demgegenüber wendete die Privatwirtschaft 1991 250 bis 300 Mio Fr. für kulturelle Zwecke auf, wobei Grossverteiler, Banken und Versicherungen eine zentrale Rolle spielten; Stiftungen steuerten weitere 60 Mio bei.
Bei den öffentlichen Kulturausgaben zeigte sich, dass die Gemeinden mit 53% die Hauptlast tragen. Allein die Hälfte davon ging auf das Konto der Städte Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich, die für den Betrieb der grossen Museen, Theater, Konzerthäuser und Orchester verantwortlich sind. Pro Kopf der Bevölkerung wurden die folgenden kumulierten Beträge für Gemeinde- und Kantonsausgaben ermittelt: Basel-Stadt 711 Fr., Genf 506, Zug 302, Waadt 238, Zürich 218, Bern 149. Die geringsten Kulturausgaben pro Kopf wiesen Appenzell-Innerrhoden (33 Fr.), Uri (39), Jura (71) und Appenzell-Ausserrhoden (77) auf.
Gemäss den Autoren der Studie spiegeln die Ergebnisse das in der Schweiz bewährte "Prinzip der doppelten Subsidiarität" wieder: Einerseits übernimmt die öffentliche Hand jene Aufgaben, welche die privaten Kräfte übersteigen; andererseits stehen im öffentlichen Bereich die Gemeinden im Zentrum, Kantone und Bund springen nur bei übergreifenden Aufgaben ein. Als besonders typisches Beispiel dieser Aufgabenteilung wurde die Denkmalpflege genannt
[1].
Die Schweiz möchte den Vorwurf, eine "Kunstwaschanlage" zu sein, nicht länger auf sich sitzen lassen. Aufgrund einer sehr permissiven Gesetzgebung ist unser Land in den letzten Jahren zu einem privilegierten Umschlagplatz für illegal aus den Ursprungsländern ausgeführte Kunstgegenstände geworden. Eine vom BAK eingesetzte Arbeitsgruppe regte in ihrem Schlussbericht über den Handel mit einheimischen und ausländischen Kulturgütern an, die Eidgenossenschaft solle baldmöglichst der
UNESCO-Konvention von 1970 über "Massnahmen zum Verbot und zur Verhinderung der unerlaubten Einfuhr, Ausfuhr und Eigentumsübertragung von Kulturgut" beitreten, da damit der Bund relativ rasch Import- und Exportbeschränkungen sowie Bestimmungen über die Rückführung gestohlener Kulturgüter erlassen könne. Bundesrat Cotti kündigte an, die in der Legislaturplanung vorgesehene Sondervorlage werde zügig vorangetrieben
[2].
Zùr Kontroverse, welche der primär kulturell ausgerichtete Pavillon der Schweiz an der Weltausstellung in Sevilla auslöste, siehe oben, Teil I, 1a (Nationale Identität).
Seit dem 1. Januar des Berichtsjahres ist der bisherige Direktor des Berner Konservatoriums,
Urs Frauchiger, neuer Generalsekretär der Pro Helvetia. Sein Amtsantritt fiel mit der Frage des künftigen Standortes der Institution zusammen. Eine von der Stadt Zürich angekündigte massive Erhöhung des Mietzinses für die seit 1949 bewohnte Liegenschaft hatte bereits im Vorjahr die Stiftung veranlasst, nach alternativen Standorten Ausschau zu halten. Neun Städte unterbreiteten der Stiftung günstige Angebote. Ernsthaft in die Diskussion einbezogen wurde vor allem Biel, welches durch seine Brückenfunktion zwischen Deutschschweiz und Romandie eine besondere kulturpolitische Dimension hätte sicherstellen können. Aus Gründen der besseren Erreichbarkeit sowie der Bedeutung der Limmatstadt im kulturellen Leben des Landes wurde schliesslich am
Standort Zürich festgehalten
[3].
Hingegen erfolgte eine
Dezentralisierung in Richtung Westschweiz. Im September eröffnete die Kulturstiftung in Carouge (GE) ihre "Antenne romande", eine Zwéigstelle, die halb ausgelagerter Teil des Sekretariats, halb Botschaft und Fühler der Stiftung im Welschland sein wird. In Carouge wird vor allem die Abteilung "Réseaux", welche die Aktivitäten der Pro Helvetia im Ausland betreut, Platz finden
[4].
Trotz heftiger Gegenwehr vor allem von Stiftungspräsidentin Rosemarie Simmen (cvp, SO) im Ständerat stimmten beide Kammern
im Zug der Sparmassnahmen einer Kürzung der Subventionen an die Pro Helvetia um 24 Mio Fr. für die Jahre 1993-1995 zu. Die Beschneidung der Finanzhilfe, welche mit rund 25% deutlich über der generell vorgenommenen linearen Kürzung von 10% liegt, wurde damit gerechtfertigt, dass lediglich eine Redimensionierung auf das Niveau der Finanzplanvorgabe von 1990 erfolge. 1991 hatte das Parlament in einer grosszügigen Geste – und in einem günstigeren konjunkturellen Umfeld – einer Subventionserhöhung um real 35% auf 130 Mio Fr. zugestimmt. Zusammen mit den ungekürzten Beiträgen für das Berichtsjahr (28 Mio Fr.) ergibt sich für den Zeitraum 1992-1995 eine Gesamtfinanzhilfe von 106 Mio Fr., was gegenüber der vorangehenden Beitragsperiode immer noch einer
Erhöhung um 20 Mio Fr. oder gut 23% entspricht. In seiner Botschaft ging der Bundesrat davon aus, dass damit die Stiftungstätigkeit im bisherigen Rahmen weitergeführt werden könne. Auf einen realen Ausbau müsse allerdings verzichtet werden
[5].
Die Pro Helvetia beschloss daraufhin, ihr Budget nicht linear um die entgangenen Beiträge, sondern schwerpunktmässig zu kürzen. 1993 soll bei der Literaturförderung, der Erwachsenenbildung und den für das Ausland bestimmten Publikationen gespart werden. Im darauffolgenden Jahr werden die Bereiche Theater, Musik und Tanz finanziell beschnitten. 1995 sollen die visuellen Künste sowie der Kulturaustausch mit dem Ausland die Leidtragenden der Sparmassnahmen sein
[6].
Mit Mitteln aus dem
Osteuropa-Kredit leistet die Pro Helvetia in den Ländern des ehemaligen Ostblocks kulturelle Aufbauarbeit. Eine erste "Antenne" wurde Ende Jahr in Budapest eröffnet; weitere Aussenstellen sind in Pecs, Prag, Bratislava, und Krakau geplant. Insgesamt finanzierte die Stiftung bisher über 120 Projekte primär in Ungarn, der CFSR und in Polen, aber auch in Rumänien, Bulgarien, den baltischen und den GUS-Staaten
[7].
Mit einer
neuen Verordnung zum Filmgesetz ersetzte der Bundesrat auf den 1. Januar 1993 die bisherige Einfuhrkontingentierung für Filme durch ein Bewilligungssystem für Filmverleiher. Um den Monopolbestimmungen des Filmgesetzes auch nach dieser Liberalisierung gerecht zu werden, sollen allfällige Missbräuche mit kartellrechtlichen Massnahmen verhindert werden. Eine wichtige Neuordnung bringt die Verordnung bei der Filmförderung. Diese basiert nun auf einem umfassenden Förderungskonzept, welches den ganzen Produktionsablauf von den Vorarbeiten bis zum Verleih sowie auch die Aus- und Weiterbildung umfasst. Dabei wird das gesamte audiovisuelle Schaffen einbezogen, also auch Video- und Fernsehproduktionen
[8].
Als erstes Nicht-EG-Land wurde die Schweiz im Juli Vollmitglied von "Media 95", einem
Programm der EG zur Förderung von audiovisuellen Produktionen in Europa. Die Schweiz war in den vergangenen Jahren bereits den Projekten "EFDO" (Verleihförderung), "Script" (Drehbuchförderung), "EAVE" (Ausbildung) und "Euro Aim" (Unterstützung von Filmproduzenten) beigetreten. Durch die Vollmitgliedschaft hätten die Schweizer Filmschaffenden nun Zugang zu sämtlichen rund 20 Förderungsprojekten von Media gehabt. Da das Programm ausdrücklich im EWR-Vertrag aufgeführt war, wurde das Abkommen mit dem Nein vom 6. Dezember allerdings hinfällig. In allen Media-Teilgebieten muss die Schweiz nun nach neuen und individuellen Lösungen suchen, wobei Brüssel bereits seine Zurückhaltung gegenüber bilateralen Sonderregelungen signalisierte
[9].
Mangels Finanzen wird es in der Schweiz
kein nationales Ton- und Bildarchiv geben. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Direktors der Landesbibliothek errechnete für ein geplantes "Centre d'information de l'audiovisuel" einen Investitionsbedarf von 43 Mio Fr. und ein jährliches Betriebsbudget von 8 Mio Fr., Summen, die in der heutigen angespannten Finanzlage nicht mehr, aufzubringen sind. Behelfsmässig sollen nun in der Cinémathèque suisse besonders wichtige Filme aus der Kriegs- und Vorkriegszeit restauriert und konserviert werden, und die SRG wird eine Auswahl alter Ton- und Radioaufnahmen von den kaum noch verwendbaren Schellackplatten auf Compact-discs überspielen
[10].
Die
Cinémathèque suisse in Lausanne konnte ihr in den letzten Jahren für insgesamt 8,5 Mio Fr. erworbenes und umgebautes Archivierungszentrum in Penthaz (VD) in Betrieb nehmen. Bisher waren die Filme an verschiedenen – und oft ungeeigneten – Orten eingelagert gewesen
[11].
Die Schweizerische Landesbibliothek (SLB) in Bern genügt heute weder den Ansprüchen der Wissenschaft noch den Anforderungen der Benützer. Wie der Bundesrat in seiner Ende Februar verabschiedeten
Botschaft für ein neues Landesbibliotheks-Gesetz darlegte, will er die SLB deshalb grundlegend reorganisieren und zu einem modernen Dienstleistungszentrum umgestalten. Neben dem traditionellen Sammeln, Erschliessen und Vermitteln von "Helvetica" soll die SLB eine Koordinationsfunktion im Schweizer Bibliothekswesen übernehmen und ihre Zusammenarbeit mit den wichtigsten ausländischen Bibliotheken verstärken. Zu diesem Zweck muss die Bibliothek allerdings automatisiert werden. Auch sollen neue Informationsträger (Compact-discs, Videos) mit Bezug zur Schweiz gesammelt und die seit 1901 erscheinende Nationalbibliographie als elektronische Datenbank zugänglich gemacht werden. Absehbar sind Investitionskosten von rund 20 Mio Fr. verteilt auf die nächsten vier Jahre sowie eine Erhöhung des Personalbestandes von 71 auf 110 Stellen. Die zusätzlichen jährlichen Betriebskosten wurden auf knapp 2,3 Mio Fr. geschätzt. Diese Mittel sowie die notwendigen baulichen Massnahmen wird das Parlament jährlich mit dem Voranschlag zu bewilligen haben
[12].
Als Erstrat stimmte die grosse Kammer dem Gesetzesentwurf grundsätzlich und einstimmig zu. Auf Antrag ihrer vorberatenden Kommission nahm sie lediglich Detailkorrekturen am bundesrätlichen Vorschlag vor. Im Interesse älterer Menschen, die mit den modernen Kommunikations-Systemen noch wenig vertraut sind, wollte sie einen besseren Zugang zu den Sammlungen zusammen mit einer grösseren Benutzerfreundlichkeit im Gesetz festgehalten wissen. Der Rat verabschiedete zusätzlich ein Kommissionspostulat, welches den Bundesrat beauftragt, bei der Beschaffung eines neuen Automationsmodells koordinierend zu wirken, die internationalen Normen zu berücksichtigen und eine bestmögliche Kompatibilität zu den übrigen Bibliotheken anzustreben. Um die sammlerische Arbeit der SLB zu erleichtern überwies der Rat zudem ein weiteres Kommissionspostulat mit dem Antrag, die verfassungsrechtlichen Vorabklärungen für ein "Dépöt légal" zu treffen
[13].
Der Ständerat schuf keine nennenswerten Differenzen zur grossen Kammer, so dass das
neue Gesetz Ende Jahr definitiv verabschiedet werden konnte
[14].
Zum zweitenmal wies das Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die Baubewilligung für das "
Panorama der Schweizer Geschichte" in Schwyz ab. Die bisher sehr eingeschränkte Bautätigkeit kann nun voll einsetzen und eine Museums-Eröffnung auf Frühsommer 1994 in Aussicht genommen werden. Das bereinigte Inhaltskonzept sieht vor, dass in dieser Aussenstelle des Landesmuseums der Mensch und sein Leben in der Schweiz zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert in den Mittelpunkt gestellt werden
[15].
Das Vorhaben, die weltberühmte SamImlung Oskar Reinhart, welche seit 1958 durch Schenkung der Eidgenossenschaft gehört, während der notwendig gewordenen Sanierung der Villa am Römerholz in Winterthur ans Metropolitan Museum of Art in New York auszuleihen, scheiterte an einer eng gefassten Auslegung des Schenkungsvertrages
[16].
Das
Verkehrshaus in Luzern ist dringend auf mehr staatliche Subventionen angewiesen, wenn es seine kulturpolitischen Aufgaben ausreichend wahrnehmen will. Die Verantwortlichen des Museums streben eine finanzielle Entflechtung von Ausstellungsbetrieb und Konservierungstätigkeit an. Das Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit im Ausstellungsbereich soll beibehalten, die Betreuung von Sammlung, Archiv und Bibliothek hingegen vermehrt von der öffentlichen Hand abgegolten werden. Vor allem das Engagement von Bund, SBB und PTT war in den vergangenen Jahren anteilsmässig stark zurückgegangen: deckten deren Beiträge 1959, im Startjahr des Museums, noch 44% der Betriebskosten, betrugen sie 1991 nur noch 4,5%. Vor diesem Hintergrund, und da gleichzeitig Stadt und Kanton Luzern für einen Kredit von 1.20 Mio Fr. bürgten, stellte der Bund eine Uberbrückungshilfe von 4,1 Mio Fr., verteilt auf die Jahre 1992 bis 1994, aus Sondermitteln in Aussicht. Für die Zukunft – die Schaffung eines Kulturförderungsartikels in der Bundesverfassung vorausgesetzt – stehen jährliche Betriebskostenbeiträge zur Diskussion
[17].
Einstimmig im Ständerat und mit wenigen Gegenstimmen im Nationalrat wurde eine Finanzhilfe von jeweils 1,1 Mio Fr. für die Jahre 1992 und 1993 zugunsten des
Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondmuseums in Genf beschlossen. Sowohl Bundesrat wie die Kammern betonten aber, dass dies nicht als Präjudiz für weitere Museumsgründungen auf privater Basis zu werten sei. Die Anträge von Lega und SD, dass die Finanzhilfe nur unter der Bedingung zu gewähren sei, dass das Defizit ab 1994 durch weitere Gönnerbeiträge ausgeglichen wird, wurden klar abgelehnt. Angesichts der Bedeutung der beiden karitativen Organisationen für die Schweiz und besonders für Genf stellte der Bundesrat in Aussicht, bis Ende 1993 eine neue diesbezügliche Vorlage auszuarbeiten
[18].
Im wohl grössten Kunsttransfer der Schweizer Geschichte verliess im Sommer der Hauptteil der Gemäldesammlung Thyssen-Bornemisza die Schweiz Richtung Spanien. Rund 300 Gemälde verbleiben allerdings in der Villa Favorita in. Lugano, welche ihre Tore an Ostern 1993 wieder dem Publikum öffnen will
[19].
In Arlesheim (BL) wurde im September ein Schweizer Jazzmuseum eröffnet. Die Sammlung, die ursprünglich in Reinach (AG) beheimatet war, wurde aus Gründen der besseren Zugänglichkeit ins Baselbiet verlegt
[20].
Die
Revision des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) von 1922 konnte nach mehreren Anläufen endlich zu Ende gebracht werden. Im Vorfeld der Behandlung im Nationalrat war es sowohl von Produzenten- wie von Nutzerseite erneut zu Referendumsdrohungen gekommen. Die Nutzer — vor allem die SRG, die PTT, die Grossverteiler und das Gastgewerbe — stiessen sich daran, dass der Ständerat die bundesrätliche Vorlage stark verändert und dabei bedeutend urheberfreundlichere Akzente gesetzt hatte (Leerkassettenabgabe, Folgerecht für bildende Künstler, "Bibliotheksrappen", Produzentenartikel). Die Urheber konnten ihrerseits nicht akzeptieren, dass die vorberatende Nationalratskommission beim "Bibliotheksrappen" und dem Folgerecht wieder zurückkrebsen wollte
[21].
Die Mehrheit des Nationalrates teilte die Bedenken der Bibliothekare, dass die Einführung einer Abgabe auf der Bibliotheksausleihe zu unverhältnismässigem administrativem Aufwand und letztlich zu einer Schwächung der Stellung der Literatur führen würde und strich den "Bibliotheksrappen" wieder aus der Vorlage. Die Ratsminderheit blieb mit ihrem Argument chancenlos, die Kulturkonsumierenden dürften sich nicht auf Kosten der Kulturschaffenden bereichern. Auch ein Antrag, den "Bibliotheksrappen" aus der Bundeskasse zurückzuerstatten, wurde deutlich verworfen. Kommissionssprecher Couchepin (fdp, VS) und Bundesrat Koller machten geltend, dass für die Autorinnen und Autoren eine Kompensation durch eine Abgabe auf Fotokopien in Bibliotheken geschaffen werden solle ("Kopierfünfer"); damit werdé zudem vermieden, Bestsellerautoren einseitig zu begünstigen.
Etwas weniger deutlich wurde das Folgerecht für bildende Kunst abgelehnt, welches selbst in Urheberkreisen recht umstritten war, da es den Kunsthandel aus der Schweiz hätte abdrängen können, worunter vor allem junge, noch nicht arrivierte Künstler leiden würden. Vergeblich plädierten David (cvp, SG), Poncet (lp, GE) und die SD/Lega-Fraktion zugunsten dieser neuen Entschädigung für Maler und Bildhauer. Auch Bundesrat Koller vermochte mit seinem Hinweis, dass das Folgerecht bereits in acht von zwölf EG-Staaten gelte und eine europäische Rechtsharmonisierung in diese Richtung gehe, den Rat nicht umzustimmen.
Urheberfreundlich erwies sich die grosse Kammer hingegen bei den
Abgaben auf Leerkassetten, deren Erlös sowohl den Urhebern wie den Interpreten zugute kommen soll, sowie bei den Bestimmungen über die Rechte an Werken, die im Auftragsverhältnis geschaffen werden (Produzentenartikel). Hier soll, wie vom Ständerat vorgeschlagen, die völlige Vertragsfreiheit gelten. Mit klarem Mehr bestätigte der Nationalrat auch die Ausdehnung der Schutzdauer auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers
[22].
Beim Folgerecht, dem "Bibliotheksrappen" bzw. "Kopierfünfer" und beim Produzentenartikel schwenkte der
Ständerat in der Differenzbereinigung auf die Linie des Nationalrates ein, vorerst aber nicht bei der Gleichstellung zwischen Urhebern und Interpreten, da dies zu einer Benachteiligung der Konsumenten führen könnte. Als die grosse Kammer jedoch einstimmig auf ihrem Standpunkt beharrte, gab der Ständerat seinen Widerstand auf, so dass die Vorlage in der Herbstsession in beiden Kammer – und mit nur einer einzigen Gegenstimme im Nationalrat – definitiv verabschiedet werden konnte. Gleichzeitig genehmigten beide Räte einstimmig das Bundesgesetz über den Schutz von Topographien von integrierten Schaltungen (Topographiengesetz, ToG)
[23].
In
Luzern übernahm Ständerat Bühler (fdp) die Präsidentschaft der Projektierungsgesellschaft "
Kulturzentrum am See". Unter seiner Agide trat erneut eine Wende ein, indem nach langem Hin und Her doch wieder der Pariser Stararchitekt Jean Nouvel – zusammen mit seinem Schweizer Partner Emmanuel Cattani – mit der Gestaltung des Luzerner Kultur- und Kongresszentrums betraut wurde. Das Stimmvolk honorierte diese Neuausrichtung und genehmigte im Mai mit rund 61 % Ja-Stimmen einen Projektierungskredit von 3,5 Mio Fr.
[24].
In
Zürich wurde zu Beginn des Jahres der Kulturraum
Kanzleischulhaus definitiv geschlossen, nachdem noch an Silvester rund 3000 Personen unter dem Motto "Räume statt Räumung" an einer bewilligten Demonstration in der Zürcher Innenstadt teilgenommen hatten. In der Folge kam es noch zu mehreren unbewilligten Manifestationen, die weniger von ehemaligen "Kanzlisten" denn von "Autonomen" ausgingen. Anfangs Februar genehmigte der Stadtrat (Exekutive) dann ein neues, wieder mehr schulisch ausgerichtetes Nutzungskonzept. Die ehemalige Turnhalle wurde hingegen für die nächsten zwei Jahre für kulturelle Animation freigegeben, was Stadtparlamentarier von CVP, SVP und EVP umgehend auf den Plan rief, welche befürchteten, die linksalternative Szene könne sich so erneut im Kanzlei etablieren. Die auf September angekündigte Neueröffnung der Turnhalle verzögerte sich dann aber über die Jahreswende hinaus
[25].
[1] Lit. Huber / Itin; Presse vom 16.9.92.
[2] NQ, 28.3. und 10.9.92. Die selbe Forderung wie die Arbeitsgruppe erhob auch die entwicklungspolitische Organisation "Erklärung von Bern": Lit. Erklärung von Bern; EvB Magazin, 1992/2, S. 4 ff.; TA, 2.4.92; WoZ, 3.4.92; NZZ, 11.6.92. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR zur Legislaturplanung 1991-1995: BBl, 1992, III, S. 115 f.
[3] Frauchiger: TA Magazin, 3.1.92; JdG, 18.1.92; WoZ, 16.4.92; SoZ, 10.5.92. Standort: TA, 9.3.92; Bund und NZZ, 10.3.92; TA, 18.3.92; Bund, 21.3.92; Presse vom 27.3.92. Siehe auch SPJ 1991, S. 272 f.
[4] Presse vom 9.9.92; LNN, 12.9.92.
[5] BBl, 1992, III, S. 366; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 568 ff. und 951; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1859 ff.; Presse vom 13.5.92; NQ, 16.6.92; TA, 26.9. und 20.10.92; BZ, 8.10.92.
[7] BZ, 2.10.92; NQ und TA, 9.12.92; Bund, 19.1.93.
[8] NZZ, 14.2. und 30.4.92; Bund und TA, 15.4.92; Presse vom 25.6.92; TA, 3.7.92.
[9] LZ, 16.6.92; NQ, 29.9.92; Zoom, Jan. 1993. Vgl. dazu auch SPJ 1989, S. 241 f. Zu den Auswirkungen des EWR-Neins siehe: BBl, 1992, IV, S. 698 ff. und 1017; NZZ, 13.11.92; Presse vom 9.12.92.
[10] WoZ, 19.6.92. Unter privater Trägerschaft wurde dagegen in Montreux ein "Musée de l'audiovisuel" eröffnet. Mit Gesamtkosten von rund 10 Mio Fr. soll das Museum bis 1997 systematisch ausgebaut werden (LNN, 30.11.92).
[11] JdG und NZZ, 17.10.92.
[12] BBl, 1992, II, S. 1441 ff.; Presse vom 27.2.92; SGT, 2.6.92; JdG, 5.6.92.
[13] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 812 ff. LNN, 1.6.92. Das Postulat in Ergänzung zur Vorlage wurde deshalb als notwendig erachtet, weil das Gesetz zu dem Zeitpunkt, wo die Koordination aktuell und damit relevant ist, nämlich bei der Beschaffung des neuen EDV-Systems der SLB, noch nicht in Kraft sein wird. Dépôt légal: BaZ, 4.4.92.
[14] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 934 ff. und 1363; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1988 und 2792; BBl, 1993, I, S. 5 ff.
[15] LNN, 7.5. und 11.12.92; Presse vom 27.6.92.
[16] NZZ, 8.7., 17.7. und 31.7.92; SoZ, 19.7.92; Bund, 5.8.92. Siehe dazu auch die Stellungnahme BR Cottis in Amtl. Bull. NR, 1992, S. 848.
[17] LNN und NZZ, 14.2. und 6.7.92; NZZ, 17.7.92; Bund, 11.8.92.
[18] BBl, 1992, Il, S. 625 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 416 ff.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1149 ff.; NQ, 6.6. und 19.6.92.
[20] BaZ, 8.5. und 17.9.92.
[21] Presse vom 15.1.92. Folgerecht: NZZ, 13.1. und 21.1.92. Bibliotheksrappen: JdG, 23.1.92. Siehe auch SPJ 1991, S. 275 f.
[22] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2 ff. und 29 ff. Von einer Petition des Schweiz. Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverbandes, die Vorlage an den BR zurückzuweisen, nahm der Rat Kenntnis, gab ihr aber keine Folge (a.a.O., S. 52).
[23] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 372 ff., 712 und 1069; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1180 f. und 2217; BBl, 1992, VI, S. 74 ff.
[24] LNN, 15.1., 25.3., 1.4., 3.4., 11.4., 12.5. und 18.5.92; TA, 23.1.92; LZ, 24.1., 27.3., 1.4., 6.5., 8.5. und 18.5.92. Siehe auch SPJ 1990, S. 265 f. und 1991, S. 276. Hingegen konnten die Bauarbeiten an dem 1991 vom Souverän gebilligten Boa-Kulturzentrum wegen Einsprachen von Anwohnern nicht aufgenommen werden (LNN, 28.3. und 10.7.92; LZ, 30.4.92). Siehe dazu auch SPJ 1991, S. 276.
[25] TA, 3.1., 7.1., 28.1., 3.2., 6.2., 11.7. und 19.11.92; WoZ, 3.7.92; NZZ, 9.7. und 10.7.92.
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