Année politique Suisse 1996 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
Strafrecht
Im Vorjahr hatte das Parlament mehrere Vorstösse für eine
Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen überwiesen. Im Berichtsjahr gaben der Ständerat und der Nationalrat nun auch sechs entsprechenden Standesinitiativen der Kantone Aargau, Basel-Stadt, Basel-Land, St. Gallen, Solothurn und Thurgau Folge. Bundesrat Koller gab in diesem Zusammenhang bekannt, dass er eine Expertenkommission beauftragt habe, bis zum Sommer 1997 ein Konzept vorzulegen
[23].
Der Ständerat überwies eine von der grossen Kammer im Vorjahr gutgeheissene Motion Stamm (fdp, AG) für die Schaffung eines
eidgenössischen Anwaltsregisters als Postulat. Dieses Verzeichnis soll die Grundlage für die volle kantonale Freizügigkeit bei der Ausübung des Anwaltsberufs bilden
[24].
Das
Berufsgeheimnis von Ärzten, Anwälten und anderen Personen soll - wenn es nicht zur Organisation und Begehung von Straftaten missbraucht wird - bei der Überwachung des Post- und Telefonverkehrs durch die Strafverfolgungsbehörden besser geschützt werden. Der Nationalrat überwies eine im Vorjahr vom Ständerat verabschiedete Motion ebenfalls
[25].
Nicht zuletzt die im Berichtsjahr in Belgien aufgedeckten
Verbrechen an Kindern lenkten die Aufmerksamkeit auch in der Schweiz verstärkt auf dieses Thema. In Lausanne verurteilte das erstinstanzliche Strafgericht zum ersten Mal einen Schweizer für Unzucht mit Kindern, welche er als Tourist im Ausland (Sri Lanka und Haiti) begangen hatte
[26].
Für Kinder, welche Opfer von Sexualdelikten werden, ist es oft schwer, die Täter anzuzeigen, namentlich wenn es sich dabei um ihre Eltern handelt. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hatte der Ständerat 1994 gegen den Willen des Bundesrates eine Motion Béguin (fdp, NE) überwiesen. Diese verlangt die Aufhebung der 1992 im Rahmen der Revision des Sexualstrafrechts eingeführten Reduktion der
Verjährungszeit von zehn auf fünf Jahre für ohne Anwendung körperlicher Gewalt begangene
Sexualdelikte mit Kindern. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats übernahm diese Forderung der kleinen Kammer. Da dringender Handlungsbedarf bestehe, beschloss sie aber, nicht den Bundesrat mit einer Motion zu beauftragen, sondern die Gesetzesrevision mit einer parlamentarischen Initiative in eigener Regie durchzuführen. Das Plenum stellte sich ohne Gegenstimme hinter diesen Antrag. Der Ständerat hiess die damit beschlossene Verdoppelung der Verjährungsfrist ebenfalls oppositionslos gut. Da er aber noch eine Übergangsbestimmung aufnahm, konnte das Geschäft im Berichtsjahr noch nicht abgeschlossen werden
[27]. Die Rechtskommission des Nationalrats hatte zudem mit einer Motion verlangt, dass die Verjährungsfrist für Sexualdelikte mit Kindern erst ab dem abgeschlossenen 18. Altersjahr des Opfers zu laufen beginnt. Der Nationalrat stimmte auch diesem Vorstoss mit deutlichem Mehr zu. Im Ständerat überwogen hingegen die auch vom Bundesrat geteilten rechtstheoretischen Bedenken. Er überwies deshalb diesen Vorstoss lediglich als Postulat
[28].
Gegen den Antrag seiner Kommissionsmehrheit, welche es aus föderalistischen Gründen bei einem Postulat belassen wollte, überwies der Nationalrat auch eine parlamentarische Initiative Goll (frap, ZH) mit konkreten Massnahmen zur Verbesserung der Stellung von Opfern von Sexualdelikten im Strafermittlungsverfahren
[29]. Bereits in der Sommersession hatte der Nationalrat eine Motion Goll als Postulat überwiesen, welche ebenfalls
Probleme mit dem Vollzug des neuen Sexualstrafrechts monierte. Goll verlangte darin eine Abklärung darüber, ob nicht mit dem neuen Sexualstrafrecht der Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung generell abgebaut worden sei
[30].
Die besondere Verwerflichkeit der sogenannten
Kinderpornographie verlangt nach einstimmiger Meinung des Nationalrats nach zusätzlichen strafrechtlichen Bestimmungen. Er überwies eine parlamentarische Initiative von Felten (sp, BS), welche zusätzlich zur Herstellung und zum Vertrieb auch den Besitz von Kinderpornographie unter Strafe stellen will
[31].
Der Bundesrat beabsichtigt die 1993 in die Vernehmlassung gegebene
Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs im Sommer 1997 dem Parlament vorzulegen. Der Nationalrat stimmte nun aber zwei Motionen zu, welche verlangen, gewisse Elemente vorzuziehen. Die erste Motion stammte von seiner Rechtskommission und forderte eine vollständige Garantie der Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen beim Freiheitsentzug, damit auf den entsprechenden Vorbehalt beim Übereinkommen über die Rechte des Kindes verzichtet werden kann. Der Ständerat sah, wie auch der Bundesrat, keinen Anlass für ein Vorziehen und wandelte diesen Vorstoss in ein Postulat um. Die zweite Motion war von Chiffelle (sp, VD) eingereicht worden und verlangt, dass bei der
Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen nicht mehr der für heutige Verhältnisse tiefe Tagessatz von 30 Fr. gelten soll, sondern das mittlere Nettotageseinkommen des Delinquenten. Bundesrat Koller bekämpfte diesen Antrag vergeblich, indem er geltend machte, dass davon vor allem gutverdienende Verurteilte profitieren würden
[32].
Mit einer ohne Gegenstimme verabschiedeten Motion forderte der Nationalrat den Bundesrat auf, besondere Vollzugsanstalten für die
Verwahrung von Gewalttätern mit schweren Persönlichkeitsstörungen vorzuschreiben. Die von der Sozialdemokratin Aeppli (ZH) eingereichte Motion verlangt zudem hohe Anforderungen für die Beendigung einer Verwahrung. Insbesondere soll ein durch den behandelnden Therapeuten verfasstes Gutachten für eine Entlassung nicht mehr ausreichen
[33].
Der föderalistische Charakter des Justizsystems, welches dem Bund nur bei wenigen Delikten (im wesentlichen Drogenhandel, Geldfälschung und Sprengstoffanschläge) eigene Ermittlungsbefugnisse zugesteht, erweist sich oft als Hindernis für eine wirksame Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Bundesrat Koller gab deshalb im Frühjahr eine Teilrevision des Strafgesetzbuchs in die Vernehmlassung, welche der
Bundesanwaltschaft bei kantons- oder grenzübergreifenden sowie bei komplizierten Fällen
mehr Kompetenzen bei der Ermittlung einräumen möchte. Dieser Vorschlag wurde mehrheitlich als zu wenig weit gehend beurteilt. Unbestritten war die Kompetenz der Bundesbehörden, namentlich in den Bereichen der Geldwäscherei und des organisierten Verbrechens Voruntersuchungen durchzuführen. Als ineffizient und zu kompliziert wurde hingegen kritisiert, dass danach die gerichtliche Untersuchung wieder an die Kantone delegiert würde, und nicht die Bundesanwaltschaft die Anklage vor den Gerichten vertreten kann. Die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz schlug vor, die Bundesanwaltschaft zu einer Untersuchungsbehörde für bedeutende und grenzüberschreitende Verbrechen auszubauen und sie als Anklägerin vor einem neuzuschaffenden erstinstanzlichen Bundesstrafgericht antreten zu lassen. Als längerfristige Lösung wurde diese Idee auch von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren unterstützt. Kurzfristig möchten diese, dass die Bundesanwaltschaft in aussergewöhnlichen Fällen subsidiäre Ermittlungskompetenz erhält und vor den kantonalen Gerichten als Anklägerin auftreten darf
[34].
Der im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Gesetz über den Einsatz von
verdeckten Ermittlern bei der Polizei gab bei den Kantonen und den bürgerlichen Parteien zu wenig Kritik Anlass. Die SP und der Schweizerische Anwaltsverband lehnten das neue Gesetz hingegen ab; erstere, weil die Verfassung dem Bund keine entsprechenden Kompetenzen einräume, letzterer, weil die Arbeit von verdeckten Ermittlern gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstossen würde. Trotz dieser grundsätzlichen Kritik beauftragte der Bundesrat das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage
[35]. Als zusätzliche Massnahme vor allem im Kampf gegen das organisierte Verbrechen forderte Bundesanwältin Del Ponte wiederholt die Einführung einer
Kronzeugenregelung nach italienischem oder deutschem Vorbild, welche aussagewilligen Delinquenten Strafmilderung oder -verschonung zusichert
[36].
Am 17. Juni legte der Bundesrat die Botschaft zu einem neuen
Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor vor. Dieses soll Lücken im zur Zeit gültigen Gesetz schliessen, indem zusätzlich zu den Banken auch andere Leistungsanbieter des Finanzsektors einbezogen werden. Damit würde ein den
ganzen Finanzsektor abdeckender einheitlicher Standard der Sorgfaltspflichten geschaffen, welcher insbesondere die Identifizierungs- und Ausweispflicht für Kunden sowie die Feststellung der effektiv wirtschaftlich berechtigten Person umfasst. Als auch den Bankensektor betreffende Neuerung sieht der Entwurf zudem eine
Meldepflicht für Transaktionen vor, bei denen ein begründeter Verdacht auf Geldwäscherei besteht. Ist eine derartige Meldung an die Behörden erfolgt, müssen die entsprechenden Vermögenswerte automatisch blockiert werden; der Kunde oder Dritte dürfen jedoch über die Meldung nicht informiert werden. Der Kritik der Banken am ursprünglichen Vernehmlassungsentwurf von 1994 wurde insofern Rechnung getragen, als die Meldepflicht (nicht aber das Melderecht) entfällt, wenn auf die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung verzichtet worden ist. Zur Entgegennahme der Meldungen soll gemäss Vorschlag des Bundesrates eine zentrale Stelle im Bundesamt für Polizeiwesen geschaffen werden, welche die Informationen koordiniert und sie an die kantonalen Strafverfolgungsbehörden weiterleitet
[37].
Die Rechtskommission des Nationalrats hatte an der Vorlage wenig auszusetzen und verabschiedete sie im November einstimmig
[38].
Die
Revision des Rechtshilfegesetzes von 1981 sowie des Bundesgesetzes zum Staatsvertrag mit den USA zur gegenseitigen Rechtshilfe konnte im Berichtsjahr verabschiedet werden. Auch im Ständerat war Eintreten unbestritten. In der Detailberatung hielt er sich, wie bereits die grosse Kammer, weitgehend an den Vorschlag des Bundesrates. Er entschied sich in bezug auf den Zeitpunkt von Einsprachemöglichkeiten gegen den Nationalrat und sprach sich für die vom Bundesrat vorgeschlagene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit an das Bundesgericht auf die Schlussverfügung - und nicht auf den Eintretensentscheid - aus. Einen Antrag Marty (fdp, TI), der zur Beschleunigung der Verfahren vorschlug, dass diese Beschwerde unter Auslassung der kantonalen Instanzen direkt ans Bundesgericht zu richten sei, lehnte der Rat mit Stichentscheid des Präsidenten ab. Auch Bundesrat Koller hatte dies als nicht sinnvoll bezeichnet, da daraus eine Überbelastung des Bundesgerichts entstehen würde. Dieses hätte nicht nur bedeutend mehr Beschwerden zu beurteilen als heute, es könnte sich zudem nicht mehr auf die verfahrensmässigen Aspekte konzentrieren, sondern müsste sich auch materiell mit allen Fällen auseinandersetzen
[39].
In der
Differenzbereinigung fügte sich der Nationalrat dem Entscheid, dass das Weiterziehen von Einsprachen bis vor das Bundesgericht nur für die Schlussverfügung zulässig sein soll. Die Kommissionsmehrheit hatte den Vorschlag von Ständerat Marty übernommen, dabei die kantonalen Rekursinstanzen zu überspringen; sie unterlag jedoch im Plenum mit 89 zu 57 Stimmen. In der Schlussabstimmung enthielten sich im Nationalrat die Sozialdemokraten und die meisten Grünen der Stimme. Die SP begründete ihren Protest mit dem ihrer Ansicht nach noch unzureichenden Abbau der Rekursmöglichkeiten und dem Verzicht auf den Einbezug der Steuerhinterziehung als rechtshilfefähiges Delikt
[40].
Der Ständerat nahm den Vorschlag Dick Martys,
auf die kantonalen Beschwerdeinstanzen bei internationalen Rechtshilfeentscheiden
zu verzichten, mit einer Motion in modifizierter Form auf. Er forderte vom Bundesrat die Schaffung einer besonderen eidgenössischen Instanz, welche über Beschwerden zu erstinstanzlichen Urteilen der Kantons- und Bundesbehörden abschliessend entscheiden soll. Der Nationalrat folgte Bundesrat Koller und lehnte die Motion zugunsten eines Postulats ab, das vorerst eine Prüfung der Zweckmässigkeit dieser Zentralisierung in einer speziellen Bundesinstanz verlangt
[41].
Bundesrat Koller und der französische Justizminister Toubon unterzeichneten am 28. Oktober ein
bilaterales Abkommen zur Vereinfachung der gegenseitigen Rechtshilfe. Dieses erlaubt es, Rechtshilfegesuche direkt an die beteiligten Behörden zu richten; bisher mussten sie auf diplomatischem Weg über die Ministerien übermittelt werden. Mit Deutschland und Österreich waren analoge Zusatzvereinbarungen zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen bereits früher abgeschlossen worden, mit Italien sollen Verhandlungen über eine entsprechende Regelung 1997 aufgenommen werden
[42].
Eine vom Vorsteher des EJPD im Sommer 1995 eingesetzte Arbeitsgruppe legte im Herbst ihren
Bericht über die Korruption in der Schweiz vor. Sie kam darin zum Schluss, dass die Situation noch nicht alarmierend sei, aber doch gewisse Anzeichen für eine Verschärfung der Lage bestehen. Nach Meinung der Experten sollte deshalb in erster Priorität die Prävention verstärkt werden. Sie schlugen dazu eine striktere Regelung der Zulässigkeit der Annahme von persönlichen Geschenken durch Staatsangestellte vor. Im repressiven Bereich empfahlen die Experten eine Verschärfung des Strafmasses für aktive Bestechung. Die
Bestechung von ausländischen Beamten soll in Zukunft in der Schweiz strafbar sein. Im Gleichschritt mit den anderen Staaten soll nach Ansicht der Experten zudem ein Verbot des Steuerabzugs für Schmiergeldzahlungen eingeführt werden
[43]. Bundesrat Koller kündigte an, dass er bis Ende 1997 ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Korruption erarbeiten lassen wolle, welches sich auf die Erkenntnisse dieser Arbeitsgruppe stützt. Der Ständerat überwies ohne Gegenstimme eine Motion Schüle (fdp, SH), welche ebenfalls derartige Massnahmen verlangt
[44].
Gestützt auf den 1993 von Volk und Ständen mit sehr deutlichem Mehr angenommenen neuen Verfassungsartikel (Art. 40bis BV) legte der Bundesrat im Januar seinen Vorschlag für ein Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition vor. Das Militär und die Polizeibehörden sind vom neuen Gesetz ausgenommen. Der Erwerb und das Tragen von Seriefeuerwaffen soll grundsätzlich verboten werden. Im Zentrum des Entwurfs steht eine generelle Bewilligungspflicht für den Kauf von Waffen im gewerbsmässigen Handel; das Betreiben eines gewerbsmässigen Waffenhandels wird zudem ebenfalls bewilligungspflichtig. Für die Erteilung eines Waffenerwerbsscheins müssen bestimmte gesetzlich geregelte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehören etwa die Vollendung des 18. Altersjahrs und ein makelloses Strafregister in bezug auf gewalttätige Handlungen. Der Verkauf oder die Übertragung von Waffen unter Privaten soll für Schweizer mit Wohnsitz im Inland und Ausländer mit einer Niederlassungsbewilligung weiterhin nicht genehmigungspflichtig sein; die Handänderung muss aber auf einem sogenannten Waffenpass eingetragen werden. Für Personen, welche nicht einer der beiden genannten Kategorien angehören, wird auch beim Erwerb der Waffen von einem Privaten ein Waffenerwerbsschein verlangt.
Zusätzlich zum Waffenerwerbsschein möchte der Bundesrat auch eine einheitliche, für die ganze Schweiz geltende
Waffentragbewilligung einführen. Diese darf nur an Personen erteilt werden, welche die Voraussetzungen für die Erlangung eines Waffenerwerbsscheins erfüllen und zudem nachweisen können, dass sie eine Waffe zum Selbstschutz oder zum Schutz von anderen Personen und Sachen benötigen. Die Bewilligung kann aber nur an Personen erteilt werden, welche eine Prüfung über Waffenhandhabung und Gesetzesbestimmungen abgelegt haben. Für
Jäger und Sportschützen sind allerdings Ausnahmeregelungen vorgesehen. So benötigen Inhaber eines Jagdpatentes ebenso keine Waffentragbewilligung wie Sportschützen für den Transport ihrer Waffe zu Schiesstrainings und -veranstaltungen. Das neue Gesetz soll schliesslich den Bundesrat ausdrücklich ermächtigen, bei Konflikten im Ausland den Erwerb und das Tragen von Waffen für Angehörige aus den betroffenen Staaten zusätzlich einzuschränken
[45].
In ersten Stellungnahmen kritisierte die Vereinigung "
Pro Tell" die Einführung eines Bedarfsnachweises für das Waffentragen. Von Kriminalexperten wurde hingegen beanstandet, dass für den Waffenkauf bei Privaten weiterhin kein Erwerbsschein erforderlich sein soll. Den vom Bundesrat vorgeschlagenen Waffenpass beurteilten sie für eine effektive Kontrolle und Verbrechensprävention als absolut ungenügend
[46].
Bereits in der Sommersession zog der
Ständerat das neue Gesetz in die Beratung. Eintreten wurde nicht bestritten, aber Loretan (fdp, AG) wies nochmals darauf hin, dass das neue Gesetz von den Jägern und Sportschützen nur akzeptiert werden könne, wenn es keine Einschränkungen für sie bringe und sich strikt auf die Missbrauchsverhinderung beschränke. Der vorberatenden Kommission ging die Befreiung von der
Waffenerwerbsscheinpflicht für Personen, welche ihre Waffe von Privaten erworben haben, zu weit. Sie beantragte, dass ein solcher Schein für alle Arten des Waffenerwerbs erforderlich sein soll; im Gegenzug wäre auf den vom Bundesrat vorgeschlagenen Waffenpass zur Eintragung von Handänderungen zu verzichten. Diese restriktivere Vorschrift soll freilich für die Gruppe der patentierten Jäger und für in anerkannten Vereinen organisierte Sportschützen für den privaten internen Handel mit ihren speziellen Waffen ebenso wenig gelten wie generell bei Handänderungen durch Erbgang. Der Rat stimmte diesen Vorschlägen zu. Bei den Bestimmungen über den Waffentragschein unterlag ein Antrag Loretan (fdp, AG) deutlich, welcher auf einen Bedürfnisnachweis verzichten wollte. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Ständerat das neue Gesetz einstimmig
[47].
Die vorberatende
Nationalratskommission stimmte dem Gesetz ohne Gegenstimme zu. Zuvor hatte sie es allerdings entschärft, indem sie die vom Ständerat eingeführte Vorschrift eines Waffenerwerbsscheins für Geschäfte unter Privaten wieder strich
[48].
[23]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 244 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2374 ff.;
SGT, 18.3.96;
Bund, 15.8.96. Vgl.
SPJ 1995, S. 25. Der Kanton Glarus reichte im Herbst auch noch eine entsprechende Standesinitiative ein (
Verhandl. B.vers, 1996, IV, Teil I, S. 21).23
[24]
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2658 f.;
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 292 f.24
[25]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 905 f. Vgl.
SPJ 1995, S. 25.25
[26]
24 Heures, 5.12.96;
TA, 6.12.96. In den beiden Ländern war der Verurteilte nicht angeklagt worden.26
[27]
BBl, 1996, IV, S. 1218 ff. und 1222 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1772 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1177 ff. Vgl.
SPJ 1994, S. 27.27
[28]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1776 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1180 f.;
TA, 5.6.96. Eine erst ab dem 18. Altersjahr des Opfers einsetzende Verjährungsfrist könnte dazu führen, dass ein Sexualdelikt auch dann noch verfolgt würde, wenn ein gleichzeitig begangener Mord bereits verjährt wäre (vgl. dazu das Votum von Marty (fdp, TI) in
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1180 f.).28
[29]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1773 ff. (Initiative) und 909 (Postulat). Aus der Initiative wurde die Forderung nach einer generellen Aufhebung der Verjährungsfrist für alle Sexualdelikte mit Kindern gestrichen.29
[30]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 907 ff.30
[31]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 909 ff. Zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet siehe unten, Teil I, 8c (Neue Kommunikationstechnologien).31
[32]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1705 f. (Rechtskommission) und 1785 ff. (Chiffelle);
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 901 f. (Motion Rechtskommission). Zur StGB-Revision siehe
SPJ 1995, S. 25; zum Übereinkommen siehe unten, Teil I, 7d (Kinder).32
[33]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2398 f. Vgl. auch die Anfrage Reimann (svp, AG) bezüglich chemisch-medizinische Behandlung von Sexualtätern (
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1195 f.). Siehe auch
TA, 3.9.96;
BaZ, 4.10.96;
24 Heures, 9.10.96 sowie
Lit. Haas.33
[34] Presse vom 17.5. und 3.9.96 sowie
NZZ, 19.11.96 (Vernehmlassung);
BZ, 29.10.96 (Konferenz);
NZZ, 13.11.96 (Justizdirektoren).34
[35]
TA, 12.8.96;
BaZ und
Bund, 15.8.96. Vgl.
SPJ 1995, S. 26.35
[36] Siehe
Lit. Del Ponte.36
[37]
BBl, 1996, III, S. 1101 ff.; Presse vom 18.6.96. Vgl. auch
SPJ 1995, S. 26 und
Lit. Kunz.37
[39]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 223 ff. Siehe zu Martys Vorschlag auch
TA, 18.3.96. Vgl.
SPJ 1995, S. 26 f. Für das Rechtshilfeabkommen mit den USA gilt bereits heute das Bundesgericht als einzige Beschwerdeinstanz.39
[40]
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 741 ff., 1322 und 1925 f.;
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 501 f., 790 und 854;
BBl, 1996, IV, S. 821 ff. und 838 ff. Der BR setzte das neue Gesetz auf den 1.2.97 in Kraft (
AS, 1997, S. 114 ff.).40
[41]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 502 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1323 ff.41
[42] Presse vom 29.10.96.42
[43] Presse vom 12.11.96. Siehe auch den Bericht einer vom Parlament eingesetzten Expertengruppe (
Bund, 24.4.96). Vgl.
SPJ 1995, S. 27.43
[44]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1146 ff. Ähnliches forderte auch NR Rechsteiner (sp, SG) mit einer parlamentarischen Initiative (
Verhandl. B.vers, 1996, IV, Teil I, S. 38).44
[45]
BBl, 1996, I, S. 1053 ff.; Presse vom 25.1.96. Vgl.
SPJ 1995, S. 27 f. Das Bundesgericht stellte in einem Urteil fest, dass das 1991 vom BR mit einer Notverordnung erlassene generelle Waffenerwerbs- und -tragverbot für jugoslawische Staatsangehörige, das später auch auf Personen aus Sri Lanka und der Türkei ausgedehnt wurde, auf rechtlich wackligen Füssen steht (
NZZ und
TA, 10.10.96; vgl.
SPJ 1991, S. 31).45
[46]
NLZ, 25.1. 96 (Pro Tell);
Blick und
SGT, 25.1.96 (Kriminalexperten).46
[47]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 506 ff.; Presse vom 20.6. und 21.6.96. Eine Standesinitiative des Kantons Tessin konnte als erfüllt abgeschrieben werden (
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 527;
SPJ 1991, S. 30).47
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