Im Februar 2023 waren die Stimmberechtigten in Zürich aufgerufen, ihr kantonales Parlament neu zu wählen. 1'687 Personen bewarben sich für einen der 180 Sitze im Zürcher Kantonsrat. Der Frauenanteil unter den Kandidierenden stieg von 41.7 Prozent bei den Wahlen 2019 auf 43.0 Prozent. 13 Listen gingen beim Kanton ein: Neben den neun bereits im Kantonsrat vertretenen Parteien (SVP, SP, FDP, GLP, Grüne, Mitte, EVP, AL, EDU) kandidierten auch Personen auf der aus Corona-Massnahmen-Skeptikern zusammengesetzten Liste «Aufrecht / freie Liste», für die Partei der Arbeit (PdA) sowie auf den Listen «Ja zu einem Wachstumsstopp» und «SansPapiersPolitiques». Unter den abtretenden Kantonsratsmitgliedern befanden sich auch zwei Fraktionspräsidierende – Beatrix Frey-Eigenmann (ZH, fdp) und Markus Bischoff (ZH, al). Ansonsten beleuchteten die Medien insbesondere einzelne Geschichten von Zurücktretenden: Sarah Akanji hatte schon länger angekündigt, dass sie aufgrund von rassistischen und sexistischen Zuschriften nicht zur Wiederwahl antreten werde. Die Grüne Esther Guyer (ZH gp) verzichtete nach 24 Jahren im Kantonsparlament auf eine erneute Kandidatur – während ihre Parteikollegin Gabi Petri (ZH, gp) 32 Jahre nach ihrem Ratseintritt erneut zur Wahl antrat.
Unter den neu Kandidierenden waren einige prominente Namen vertreten, etwa die Grüne Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber, die sich auf dem hintersten Listenplatz im Stadtzürcher Kreis 3+9 aufstellen liess. Der ehemalige Direktor des Gewerbeverbands Hans-Ulrich Bigler (ZH, svp) kandidierte erstmals für die SVP, nachdem er vier Jahre zuvor noch für die FDP im Nationalrat gesessen hatte. Für die Grünliberalen kandidierten gleich zwei ehemalige Nationalratsmitglieder, Thomas Maier (ZH, glp) sowie Chantal Galladé (ZH, glp), die 2019 von der SP zur GLP gewechselt war. Mit der aktuellen Präsidentin von Operation Libero, Sanija Ameti (ZH, glp), und dem Mitbegründer und ehemaligen Präsidenten von Operation Libero und dem Think Tank foraus, Nicola Forster (ZH, glp), kandidierten weitere bekannte Gesichter für die GLP. Mit Matthias Gfeller (ZH, gp) aus Winterthur, Richard Wolff (ZH, al) aus Zürich und Alexia Bischof (ZH, mitte) aus Wädenswil kandidierten auch drei ehemalige Mitglieder von städtischen Exekutiven.
Umfragen attestierten den meisten Parteien im Vorfeld der Wahlen einen relativ ähnlichen Formstand wie bei den Wahlen 2019. Verschiebungen von mehr als zwei Prozentpunkten wurden keine erwartet. Die Medien vermuteten allerdings, dass SP und Grüne tendenziell verlieren könnten. Damit würde die sogenannte «Klima-Allianz» von SP, Grünen, GLP, EVP und AL unter Druck geraten. Die fünf Parteien hatten in der abgelaufenen Legislatur 93 der 180 Sitze besetzt. Ihre knappe Mehrheit hatte die Allianz in einige Erfolge in der Klimapolitik ummünzen können. Wie der Tages-Anzeiger berichtete, wollten die Allianz-Parteien zukünftig ihre Zusammenarbeit auf andere Themen ausweiten – dafür müsse die Klimaallianz aber wiederum eine Mehrheit im Parlament erreichen.
Der Kantonsratswahlkampf sorgte nicht für grosse Schlagzeilen in den Zeitungen. Die NZZ etwa zeigte sich überrascht, dass der Wahlkampf so «flau» blieb, obschon die letzten vier Jahre mit Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Energiekrise viele Umwälzungen mit sich gebracht hätten.

Der Wahlsonntag brachte wie erwartet keine grossen Verschiebungen. Die grösste Gewinnerin war die Mitte, welche im Vergleich zu den Wahlen 2019 drei Sitze dazugewinnen konnte und neu deren elf im Parlament besetzte. Möglich wurde dies durch einen Anstieg ihres Wähleranteils um 1.7 Prozentpunkte auf 6 Prozent. Auf der anderen Seite stand die Grüne Partei (10.4% Wähleranteil; -1.5 Prozentpunkte gegenüber 2019) als grösste Verliererin da. Nachdem sie 2019 noch neun Sitze hatte dazugewinnen können, musste sie 2023 drei davon wieder abgeben und holte somit noch 19 Sitze. Die SVP (14.9%; +0.4pp) konnte ihre Position als stärkste Kraft im Parlament souverän verteidigen. Sie gewann einen Sitz dazu, womit sie neu auf 46 Mandate kommt. Auch die SP konnte sich freuen: Sie verblieb zwar auf dem gleichen Wähleranteil wie vor vier Jahren (19.3%), dies reichte jedoch diesmal für einen zusätzlichen Sitz (neu: 36). Die drittstärkste Partei, die FDP, verzeichnete sowohl bezüglich Wähleranteilen (15.9%; +0.2pp) als auch betreffend Sitze (29 Sitze; +0) keine Veränderungen. Die GLP büsste zwar 0.2 Prozent an Wähleranteilen ein (neu: 12.7%), konnte jedoch trotzdem einen zusätzlichen Sitz gewinnen und kam somit neu auf 24 Sitze. Die Kleinparteien EVP, AL und EDU verloren je einen Sitz. Die EVP (3.9%; -0.3pp) besetzte damit im neuen Parlament sieben Sitze, die AL (2.6%; -0.5pp) fünf und die EDU (1.9%; -0.4pp) drei. Die restlichen Listen schafften es nicht, einen Sitz zu erobern.
79 Frauen wurden ins Parlament gewählt, was einem Frauenanteil von 43.9 Prozent entspricht. Damit war dieser nun in den letzten sechs Kantonsratswahlen in Folge angestiegen – gegenüber 2019 um 2.8 Prozentpunkte.
34.9 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab – leicht mehr als 2019, als die Beteiligung bei 33.5 Prozent lag.

Die Klimaallianz konnte ihre Mehrheit nach den Wahlen also mit dem knappmöglichsten Resultat von 91 von 180 Sitzen verteidigen. Allerdings änderte sich dies, als nur zwei Wochen nach den Wahlen die für die GLP gewählte Isabel Garcia mit der Begründung zur FDP wechselte, dass sie sich in den letzten Jahren mit der GLP «auseinandergelebt» habe. Die Parteileitung der GLP wurde vom Wechsel Garcias überrumpelt und gab an, dass sich dieser für die Partei nicht abgezeichnet habe. Aufgrund der kurzen Dauer zwischen den Wahlen und dem Parteiwechsel sowie aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse schlug der Wechsel hohe Wellen. Mehrere Mitglieder von Parteien der Klimaallianz äusserten sich in den (sozialen) Medien und bezeichneten den Parteiübertritt als «Affront», «undemokratisch» oder gar als «Wahlbetrug». Zahlreiche Stimmen forderten Isabel Garcia gar auf, aus dem Kantonsrat zurückzutreten. Diesen Forderungen kam die Neo-FDP-Kantonsrätin jedoch nicht nach und bescherte so der FDP doch noch einen zusätzlichen Sitz.

Dossier: Kantonale Wahlen - Zürich
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2023