Den Auftakt im Kampf zu den Nationalratswahlen 2023 im Kanton Glarus bildete die Ankündigung des einzigen amtierenden Glarner Nationalrats Martin Landolt (mitte, GL) im März 2022, bei den anstehenden Wahlen nicht mehr antreten zu wollen. Seinen Verzicht nach 14 Jahren im Nationalrat begründete er mit seinem neuen Amt als Präsident des Krankenkassen-Dachverbandes Santésuisse. Er wolle nicht als Lobbyist des Verbandes im Bundeshaus sein; diese Entflechtung sei auch von Santésuisse selber beabsichtigt, da sonst seine Glaubwürdigkeit als Präsident leide, so Landolt.
Obwohl die Ausgangslage für die Wahlen vollkommen offen war, nahm das Feld der Kandidierenden lange Zeit kaum Form an. Den ersten Schritt machte Anfang September 2022 die Mitte, als sie an ihrer Parteiversammlung Andrea Trummer (GL, mitte) zur Kandidatin für die Nachfolge von Martin Landolt wählte. Die anderen Parteien liessen sich hingegen verhältnismässig viel Zeit mit der Wahl ihrer Kandidaten und Kandidatinnen. Im Januar 2023 teilte die SVP mit, dass die Partei für einen der drei Glarner Sitze – neben dem einen Nationalratssitz stehen dem Kanton Glarus zwei Ständeratssitze zu – im Bundesparlament antreten wolle, liess jedoch offen für welchen. Und auch die SP verkündete Mitte Februar 2023 vorerst nur, dass die Partei eine Kandidatur für die Nachfolge von Martin Landolt «ernsthaft» prüfe. Im Mai ernannten die Sozialdemokraten Sabine Steinmann (GL, sp), die damalige SP-Fraktionschefin im Landrat, zu ihrer offiziellen Kandidatin. Die Glarner SVP nominierte mit Markus Schnyder (GL, svp) ebenfalls ein Landratsmitglied und machte sich als wählerstärkste Partei des Kantons berechtigte Hoffnungen auf eine Rückkehr nach Bern. Markus Schnyder wurde anfänglich von den Medien jedoch ein doppeltes Handicap zugeschrieben: Erstens würde durch eine allfällige Wahl von ihm weiterhin die erste Glarnerin im Bundeshaus verhindert, so die Südostschweiz Glarus. Zweitens habe die SVP mit der Doppelkandidatur für National- und Ständerat Kredit bei den anderen bürgerlichen Parteien verspielt, da sie diese damit konkurriere. Den beiden Kandidatinnen wurde hingegen nachgesagt, politisch ein zu ähnliches Profil zu haben. Das Geschlecht der drei Kandidierenden sollte im weiteren Wahlkampf durchaus eine Rolle spielen. So legten sich die Grünen und deren Jungpartei bei ihrer Wahlempfehlung beispielsweise nicht auf eine der beiden Kandidatinnen fest, setzten sich aber explizit für die Premiere einer weiblichen Glarner-Vertretung im Nationalrat ein. Auch die GLP zeigte sich von den beiden Kandidatinnen überzeugt und empfahl schliesslich Andrea Trummer als Vertreterin der politischen Mitte zur Wahl. Auch in den Augen der GLP war eine erstmalige Vertretung des Kantons durch eine kompetente Politikerin angezeigt.
Als der Kanton Glarus Anfang September die offizielle Liste aller Kandidierenden für den Nationalrat veröffentlichte, fanden sich darauf nicht wie erwartet drei, sondern vier Namen. Mit Jürg Rückmar (GL, parteilos) stellte sich auch ein Parteiloser zur Wahl. Dieser hatte im Oktober 2022 noch im Kanton Schwyz für den Regierungsrat kandidiert, war als Vertreter der Corona-Skeptiker-Bewegung «Aufrecht Schwyz» aber deutlich gescheitert.
Am Wahlsonntag setzte sich, vermeintliches Handicap hin oder her, Markus Schnyder mit 5'388 Stimmen deutlich vor Mitte-Kandidatin Trummer (3'951 Stimmen) und der SP-Vertreterin Steinemann (2'960 Stimmen) durch. Jürg Rückmar landete mit nur 164 Stimmen weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Die Wahlbeteiligung stieg im Vergleich zu den Wahlen 2019 von 39.9 Prozent auf 48 Prozent an. Die Deutlichkeit des Resultats überraschte Wahlsieger Schnyder, der sich dies aber vor allem mit dem generellen Aufschwung der bürgerlichen Parteien auf nationaler Ebene erklärte. Die Südostschweiz vermutete auch, dass sich die beiden Kandidatinnen gegenseitig viele Stimmen weggenommen hätten. Gemeinsam hatten sie deutlich mehr Stimmen geholt als Markus Schnyder. Sabine Steinmann, die ihre Kandidatur nach Andrea Trummer öffentlich gemacht hatte, liess den Vorwurf, die erstmalige Wahl einer Glarner Frau ins Bundesparlament verhindert zu haben, nicht gelten: Nur ein Mann könne eine Frau verhindern, sagte Steinemann gegenüber derselben Zeitung und wertete den dritten Platz für die SP als Achtungserfolg.
Wenige Tage nach der Wahl sorgten die Glarner Resultate auch schweizweit für Schlagzeilen. Dabei ging es jedoch nicht um die Kandidatinnen und Kandidaten, sondern um einen Rechenfehler bei der Bestimmung der Parteistärken. Da Glarus, wie die beiden Appenzell, nur über einen Nationalratssitz verfügt, wiesen die Daten, die der Kanton dem BFS lieferte, ein spezielles Format auf. Dieser Umstand führte bei der erstmaligen Verwendung des neuen Programms zu einem Fehler, wodurch die Berechnung der aggregierten nationalen Parteienstärke durch das BFS verzerrt wurde und kurz darauf korrigiert werden musste.