Volksinitiativen 2007

Im Jahr 2007 wurden 4 Volksinitiativen eingereicht. Dem Volk zum Entscheid vorgelegt wurde ein Volksbegehren (Einheitskrankenkasse); es wurde abgelehnt. Damit stieg Ende 2007 der Bestand der eingereichten, aber dem Volk noch nicht zum Entscheid vorgelegten Initiativen auf 15. Neu lanciert wurden im Jahr 2007 11 Volksinitiativen.

Volksinitiativen 2008

Im Jahr 2008 wurden 8 Volksinitiativen eingereicht (2007: 4). Das Volk entschied über 7 Volksbegehren; eines – die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten, welche an Kindern begangen wurden – fand Zustimmung. Drei Volksinitiativen wurden zurückgezogen; zwei davon aus dem Gesundheitsbereich, nachdem das Parlament befriedigende Gegenvorschläge beschlossen hatte. Die so genannte Waldinitiative wurde zurückgezogen, weil der Bundesrat auf eine angekündigte und mit dieser Volksinitiative präventiv bekämpfte Reform des Forstgesetzes verzichtet hatte. Damit sank Ende 2008 der Bestand der eingereichten, aber dem Volk noch nicht zum Entscheid vorgelegten Initiativen auf 13 (2007: 15). Neu lanciert wurden im Jahr 2008 4 Volksinitiativen (2007: 11).

Volksinitiativen 2009

Im Jahr 2009 wurden sieben Volksinitiativen eingereicht (2008: 8). Das Volk entschied über zwei Volksbegehren; eines – das Verbot des Baus neuer Minarette – fand Zustimmung. Eine Volksinitiative wurde zurückgezogen („Gegen masslosen Bau umwelt- und landschaftsbelastender Anlagen“). Damit stieg Ende 2009 der Bestand der eingereichten, aber dem Volk noch nicht zum Entscheid vorgelegten Initiativen auf 17 (2008: 13). Neu lanciert wurden im Jahr 2009 acht Volksinitiativen (2008: 4).

Lancierte Volksinitiativen 2010

Im Jahr 2010 wurden vier Initiativen neu eingereicht (2009: 7). Eine Initiative („Lebendiges Wasser – Renaturierungs-Initiative“) wurde zurückgezogen. Der Bestand der eingereichten aber der Stimmbürgerschaft noch nicht vorgelegten Volksinitiativen blieb 2010 gleich hoch wie 2009 (17). Der Trend verläuft derzeit in Richtung stärkere Nutzung des Initiativrechts: 2010 wurde für nicht weniger als 15 neue Begehren die Unterschriftensammlung gestartet (2009: 8). Die Initiative scheint zu den Wahlen hin zum wichtigen Instrument des Politmarketings zu werden. Von den 15 lancierten Volksbegehren stammen acht von Parteien. Im Berichtsjahr scheiterten zudem zwei Begehren im Sammelstadium (2009: 1).

Lancierte Volksinitiativen 2011

Da viele Parteien Volksbegehren als Schwungrad für die Wahlen brauchten, nahm die Zahl hängiger Initiativen stark zu. Im Berichtjahr selber waren acht Initiativen zustande gekommen. Damit waren Ende 2011 nicht weniger als 22 Volksbegehren hängig (Ende 2010: 17). Im Berichtjahr wurden zudem 23 Begehren neu lanciert (2010: 14). Im Unterschriftenstadium befanden sich somit insgesamt 28 Initiativen (2010: 15). Drei Begehren scheiterten 2011 an der Unterschriftenhürde (2010: 2) und drei wurden zurückgezogen (2010: 1), davon eine bedingt (2010: 1) (vgl. Tabelle Volksinitiativen_2011.pdf). Zudem kam am 25. Juli mit 60'124 gültigen Unterschriften das Referendum gegen das Bundesgesetz über die Buchpreisbindung zustande.

Volksinitiativen 2012

Die Popularität von Volksinitiativen war nach wie vor gross (vgl. Tabelle Volksinitiativen_2012.pdf). Zwar wurden 2012 nur noch etwa halb so viele Initiativen (10) lanciert als noch im Wahljahr 2011 (23), als viele Parteien das Volksrecht als eigentliches Schwungrad für den Wahlkampf gebrauchten. Im Berichtjahr schafften aber nicht weniger als zehn Volksbegehren das Unterschriftenquorum (2011: 8). Mit diesen zehn im Berichtjahr zustande gekommenen Initiativen waren Ende 2012 total 20 Volksvorstösse hängig (2011: 22). Im Unterschriftenstadium befanden sich Ende 2012 total 20 Begehren (2011: 28), neun Anliegen waren im Laufe des Jahres im Sammelstadium gescheitert oder konnten nicht genügend Unterschriften sammeln (2011: 3) und fünf wurden zurückgezogen (2011: 3), zwei davon bedingt (2011: 1).

Mit der Zweitwohnungsinitiative wurde die neunzehnte Volksinitiative seit 1891 angenommen. Mehr als die Hälfte dieser 19 Begehren (11) fanden bei Volk und Ständen seit 1990 Unterstützung. Interessanterweise waren es vor allem Initiativen von Bürgerkomitees mit relativ spezifischen Anliegen, denen bisher Erfolg beschieden war. Ein Erfolg an der Urne ist aber für Initianten erst der Anfang, da die Umsetzung des Begehrens auf Gesetzesstufe mitunter lange dauern kann, wie etwa das Beispiel der Alpeninitiative zeigt.

Lancierte Volksinitiativen 2013

Wie auch der Übersicht entnommen werden kann, liegen Volksinitiativen nach wie vor im Trend. Allerdings wurden im Berichtjahr erneut weniger Begehren (9) lanciert als im Vorjahr (10). Vier dieser geplanten Initiativen beziehen sich auf die Verkehrspolitik, wobei drei vom gleichen Komitee („Das 3er Paket“) lanciert wurden. Die im Berichtjahr recht virulent geführten Diskussionen um eine „Initiativenflut“ nähren sich denn auch etwas verspätet aus der rekordhohen Lancierung der 23 Begehren im Wahljahr 2011, über die im Berichtjahr teilweise bereits abgestimmt wurde oder die noch hängig sind. Insgesamt übersprangen 2013 acht Volksinitiativen die Unterschriftenhürden (2012: 10), womit Ende 2013 total 20 Begehren hängig waren (Ende 2012: 20). Im Unterschriftenstadium befanden sich Ende 2013 noch zwölf Initiativen (inkl. der neun neu lancierten; 2012: 20). Dass von einer Flut an Initiativen nur bedingt gesprochen werden sollte, zeigen nicht nur diese abnehmenden Zahlen, sondern auch der Umstand, dass im Jahr 2013 nicht weniger als zehn Volksbegehren an der Unterschriftenhürde gescheitert sind (2012: 9). Die Hürden scheinen also nach wie vor für viele Initiativkomitees (zu) hoch zu sein, darunter etwa auch für die SD („Zuwanderungsinitiative“), für die Auns („Neutralitätsinitiative“), für die Liga gegen Passivrauchen („Schutz vor Passivrauchen“) oder für das Komitee Pro Fauna („Schutz der Grossraubtiere“). Trotzdem reichte Karl Vogler (OW, csp) Ende des Berichtjahres ein Postulat (13.4155) ein, mit dem limitierende Mechanismen für die Lancierung von Volksinitiativen geprüft werden sollen. Ferner wurden vier erfolgreich eingereichte Volksbegehren im Berichtjahr zurückgezogen, weil der Gesetzgeber Gegenvorschläge dazu entworfen hat (2011: 5). Dies zeigt auch die Bedeutung der Initiative als Kontroll- und Agendasettinginstrument: Ein Volksbegehren kann durchaus auch eine indirekte Wirkung entfalten ohne an der Urne erfolgreich sein zu müssen. Weiter kündigten verschiedene Organisationen 2013 an, ein Volksbegehren zu planen, so etwa der Mieterverband zum Bau gemeinnütziger Wohnungen und zum Ausbau des Mieterschutzes, der Bauernverband zur Stärkung der inländischen Agrarproduktion, die Grünen zur Anpassung der Agrarimporte an Schweizer Standards oder ein überparteiliches bürgerliches Komitee zur Rettung des Bankgeheimnisses.

Lancierte Volksinitiativen 2014

Die vor allem medial ausgetragene, gesellschaftliche Debatte um Reformen der Volksinitiative, die sich etwa im Begriff ‚Initiativenflut‘ manifestierte, lässt sich mit Zahlen aus dem Berichtsjahr unterfüttern (vgl. Tabelle anbei). Nachdem 2013 etwas weniger Initiativen (9) lanciert worden waren als 2012 (11) waren 2014 für insgesamt zwölf neue Begehren Unterschriftensammlungen gestartet worden. Gleich vier davon behandeln Ernährungs- und Landwirtschaftsfragen, wobei die vom Bauernverband und der SVP getragene Initiative „für Ernährungssicherheit“ innerhalb von knapp fünf Monaten mit fast 150'000 gültigen Unterschriften die Sammelhürde sehr rasch übersprang. Zwei der zwölf lancierten Begehren stammen aus der Feder von Anita Chaaban, die mit der Verwahrungsinitiative 2004 einen Erfolg an der Urne gefeiert hatte. Sie fordert ein Zentralregister für Sexualstraftäter und eine Haftung für Vollzugsbehörden bei Rückfällen fälschlicherweise entlassener Straftäter. Unterschriften werden zudem für die Wiedergutmachung an Verdingkinder gesammelt, für die Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h auf Autobahnen, für Vollgeld und die Abschaffung der Billag-Gebühren. Neue Dimensionen erreichen die restlichen beiden Initiativbegehren, die Ende Jahr lanciert wurden. Die Initiative „zur Ausschaffung krimineller Männer“ verwendet exakt den gleichen Initiativtext wie die 2010 angenommene Ausschaffungsinitiative der SVP mit der Ausnahme, dass sie „Ausländer“ durch „Männer“ ersetzt. Das Komitee „Männer raus“ will nach eigenen Angaben ein Zeichen setzten gegen den latenten Rassismus in der Schweiz. Auch die so genannte Rasa-Initiative (Raus aus der Sackgasse) bestreitet neue Wege. Sie fordert die Streichung der Artikel 121a und 197 Ziff. 11 a aus der Bundesverfassung. Dabei handelt es sich um jene Paragraphen, die mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in die Verfassung Eingang gefunden hatten. Eine Streichungsinitiative war zuvor schon von der Gewerkschaft VPOD angeregt worden.
Die zwölf Begehren entsprechen lediglich der Hälfte der im Jahr 2011 lancierten Begehren, die Ausgangspunkt der Debatte um die Initiativenflut waren. Damals wurden zahlreiche Initiativen vor allem als Wahlvehikel lanciert. Dies scheint für die Wahlen 2015 eher kein Thema mehr zu sein. Von den 2014 lancierten Initiativen stammt einzig die „Fair Food-Initiative“ von einer Partei, nämlich der GP. Was in der Diskussion um (zu) viele Volksbegehren häufig zu kurz kommt, ist eine Relativierung mit nicht zustande gekommenen Initiativen. Ein Überblick über die letzten rund 35 Jahre zeigt, dass im Schnitt rund ein Drittel aller lancierten Initiativen an der Unterschriftenhürde gescheitert oder ein Volksanliegen zurückgezogen worden ist. Im Berichtjahr mussten total sechs Begehren als gescheitert klassiert werden. Aufgeteilt nach Lancierungsjahren zeigt sich folgendes Bild: Von den elf im Jahr 2012 lancierten Initiativen scheiterten deren fünf und von den neun im Jahr 2013 lancierten Volksbegehren brachten bisher deren fünf die 100'000 Unterschriften nicht zusammen (eine der 2013 lancierten Initiativen war 2014 noch im Sammelstadium und drei waren erfolgreich eingereicht).
Die Rekordzahl aus dem Jahr 2011, in dem 24 Begehren lanciert wurden – von diesen schafften übrigens elf die Unterschriftenhürde nicht – machte sich 2014 im Parlamentsbetrieb bemerkbar. So wurde im Berichtjahr über neun Initiativen abgestimmt, von denen sechs 2011 lanciert worden waren (2013 waren über 5 Initiativen Urnenentscheide gefällt worden). Neben den sechs im Berichtjahr zustande gekommenen Begehren (2013: 8) waren elf noch hängig (2013: 12). Darunter immer noch sechs, die im Spitzenjahr 2011 eingereicht worden waren. Insgesamt wurde der von Volksinitiativen verursachte Pendenzenberg im Berichtjahr aber langsam abgebaut.
Für 2015 waren Ende 2014 bereits einige weitere Volksbegehren angekündigt worden. Viel Staub wirbelte das noch vor Ende Jahr der Bundeskanzlei zur Prüfung vorgelegte Begehren der SVP auf, das unter dem Namen Selbstbestimmungsinitiative die Bundesverfassung über das Völkerrecht stellen will. Die Volkspartei wird wohl versuchen, mit diesem Anliegen im Wahljahr zu punkten. Zudem kündigte der Verband „Pro Velo Schweiz“ eine Initiative an, mit der die Förderung des Velofahrens in die Verfassung geschrieben werden soll. Ähnlich wie Wanderwege soll ein Velowegnetz erstellt und gepflegt werden. VCS und WWF sagten ihre Unterstützung zu. Die PdA beschloss im Dezember die Lancierung eines Begehrens, mit der eine AHV-Rente von CHF 4‘000 angestrebt wird, wofür die Pensionskassengelder in die AHV überführt werden sollen. Schliesslich beschloss die Junge GP eine Volksinitiative zur Förderung des verdichteten Bauens zu lancieren.

Übersicht Volksinitiativen 2015

Sechs neue Volksbegehren wurden im Jahr 2015 lanciert; deutlich weniger als noch in den Jahren zuvor (2012: 11; 2013: 9; 2014: 12). Mit den vier, die sich seit 2014 noch im Sammelstadium befanden, wurden also für total zehn Initiativen Unterschriften gesammelt. Mit der Selbstbestimmungsinitiative war auch die SVP wieder unter den Initianten. Die jungen Grünen lancierten die Zersiedelungsinitiative und ein Verein aus Menschenrechts- und Umweltorganisationen wollte sich für mehr Verantwortung von internationalen Konzernen (Konzernverantwortungsinitiative) stark machen. Die Urheberinnen und Urheber der «Velo-Initiative», eines Begehrens für «Bewegungsmedizin» sowie für «mehr bezahlbare Wohnungen» versuchten ebenfalls, mindestens 100'000 Stimmberechtigte von ihrem Anliegen zu überzeugen.
Dass dies – entgegen den Diskussionen um Einschränkungen der Nutzung des direktdemokratischen Instrumentariums – nicht ganz einfach ist, belegten im Jahr 2015 gleich vier Anliegen, die im Sammelstadium gescheitert waren (2014: 6): Die beiden Begehren für ein Zentralregister für Sexualstraftäter, eine Initiative, mit der die Geschwindigkeit auf Autobahnen hätte erhöht werden sollen, sowie eine der beiden Initiativen für die Abschaffung der Billag-Gebühren verpassten es, innerhalb der zulässigen Frist die Unterschriften bei der Bundeskanzlei abzugeben. Eine Initiative – die Initiative «zum Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» – wurde zurückgezogen, weil sie bereits im Parlament auf grossen Widerstand gestossen war.
Vier Volksbegehren konnten im Berichtsjahr die Unterschriftenhürde überspringen (2014: 6): Die Vollgeld-Initiative, die Wiedergutmachungsinitiative, die Fair-Food-Initiative und die Rasa-Initiative, mit der der Entscheid zur Masseneinwanderungsinitiative rückgängig gemacht werden sollte.
Neben diesen vier Begehren waren zwölf Volksinitiativen in der Pipeline. Da im Jahr der eidgenössischen Wahlen jeweils nur an zwei Wochenenden abgestimmt wird, konnte dieser Pendenzenberg nur leicht abgebaut werden. Insgesamt hatte die Stimmbevölkerung über vier Volksinitiativen zu entscheiden (2014: 9): Die Stipendieninitiative, die Erbschaftssteuerreform, die Volksinitiative «Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen» und die Volksinitiative «Energie statt Mehrwertsteuer» wurden alle deutlich abgelehnt.

Volksbegehren im Jahr 2016

Eine Folge der zahlreichen in den Vorjahren lancierten und eingereichten Volksbegehren war, dass im Jahr 2016 an allen vier Abstimmungswochenenden über insgesamt neun Initiativen entschieden wurde (2015: 4). Diese wurden allesamt abgelehnt, wenn auch im Falle der Initiative «gegen die Heiratsstrafe» relativ knapp. Die am gleichen Wochenende wie das CVP-Begehren Ende Februar zur Abstimmung gestandene Durchsetzungs-Initiative, die sehr stark mobilisierte, sowie die Initiative der Juso gegen die Nahrungsmittelspekulation wurden hingegen recht deutlich abgelehnt. Das gleiche Schicksal ereilte im Juni die Initiativen «Pro Service Public» und «für ein bedingungsloses Grundeinkommen» sowie die «Milchkuhinitiative», die alle drei nicht einmal einen Drittel der Stimmenden für sich gewinnen konnten. Auch die beiden Initiativen der Grünen («Grüne Wirtschaft», «Atomausstiegsinitiative») und die Initiative des Gewerkschaftsbundes («AHVplus») vermochten die Stimmbevölkerung nicht zu überzeugen.
Mit diesen neun Abstimmungen konnte der Pendenzenberg bei den Volksbegehren etwas abgebaut werden. Weitere sieben waren allerdings noch in der Pipeline (2015: 12), also entweder beim Bundesrat hängig, in der Parlamentsberatung oder reif zur Abstimmung. Zudem waren 2016 acht neue Volksbegehren zustande gekommen (2015: 4), die ganz unterschiedliche Ziele verfolgten: Die «Selbstbestimmungsinitiative» der SVP und die «No Billag-Initiative» hatten bereits vor Zustandekommen zu zahlreichen Diskussionen geführt. Mit der Initiative für «mehr bezahlbare Wohnungen» und der «Zersiedelungsinitiative» stand zudem das Thema Raumplanung im Fokus. Dafür, dass landwirtschaftspolitische Anliegen in den nächsten Abstimmungen Aufmerksamkeit erhalten würden, sorgten die Initiative «für Ernährungssouveränität» sowie die «Hornkuh-Initiative». Die Unterschriftenhürde ebenfalls übersprungen hatten 2016 zudem die «Konzernverantwortungsinitiative» und die «Velo-Initiative». Die nötigen Unterschriften noch nicht beisammen hatte die Initiative «Ja zur Bewegungsmedizin», deren Sammelfrist noch bis Juni 2017 lief.
2016 waren zudem sechs neue Volksbegehren lanciert worden; also genau gleich viele wie im Jahr zuvor. Das vom Egerkinger Komitee lancierte «Verhüllungsverbot», aber auch die Idee eines «Vaterschaftsurlaubs» von Travail.Suisse oder die «Transparenzinitiative», die von einem Bündnis aus SP, GP, EVP, BDP und Piratenpartei lanciert wurde, wurden bereits bei der offiziellen Lancierung medial virulent diskutiert. Von verschiedenen Komitees wurden zudem Unterschriftensammlungen für die Initiative «für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide», die «Fair-Preis-Initiative» und die Initiative gegen «die Auswüchse von Via sicura» gestartet.
Für das als Protest gegen die Ausschaffungsinitiative lancierte Volksbegehren «zur Ausschaffung krimineller Männer» war die Sammelfrist 2016 abgelaufen. 2015 waren noch vier Anliegen im Sammelstudium gescheitert. Eine Volksinitiative wurde 2016 zurückgezogen (2015: 1): Die «Stromeffizienz-Initiative» wurde nach der Annahme der Verabschiedung der Energiestrategie 2050 durch das Parlament zurückgezogen. Die Initianten waren der Ansicht, dass ihre Anliegen genügend berücksichtigt worden seien.

Volksbegehren im Jahr 2017

Seit 1983 war es nie mehr vorgekommen, dass in einem Jahr über kein einziges Volksbegehren abgestimmt wurde. Dies war allerdings 2017 wieder der Fall. Zu diesem Umstand beigetragen hatte nicht nur der in den letzten Jahren zu verzeichnende leichte Rückgang der Zahl lancierter Initiativen – in den Medien war nach der «Initiativenflut» eine eigentliche «Initiativenflaute» beklagt worden –, sondern auch, dass im Jahr 2017 gleich drei Begehren zurückgezogen wurden (2016: 1). Im Falle der «Rasa-Initiative», mit der die Masseneinwanderungsinitiative wieder aus der Verfassung hätte gestrichen werden sollen, war lange unklar, ob sie nicht doch an die Urne gelangen wird. Bei der «Wiedergutmachungsinitiative» hatte das Parlament in Form des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 einen indirekten Gegenvorschlag verabschiedet, der die Initianten zufrieden stellte. Der Bauernverband schliesslich zog seine Initiative «für Ernährungssicherheit» zurück, weil das Parlament eine Verfassungsänderung als direkten Gegenvorschlag ausgearbeitet hatte, der mittels obligatorischem Referendum Ende September 2017 angenommen wurde.
Allerdings dürfte es in den folgenden Jahren kaum mehr ausschliesslich zu Abstimmungswochenenden ohne Volksinitiativen kommen, waren doch 2017 zwölf Begehren abstimmungsreif bzw. beim Bundesrat oder im Parlament hängig (2016: 8). Zudem hatten die Komitees in diesem Jahr für vier Initiativen (2016: 8) die nötigen Unterschriften in der 18-Monate-Frist zusammengebracht, nämlich für die Initiative «für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub», die «Transparenz-Initiative» sowie die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot». Auch die «Pflegeinitiative» war 2017 zustande gekommen, also noch im gleichen Jahr, in dem sie vom Schweizerischen Berufsverband für Pflegefachpersonal (SBK) lanciert worden war.
Darüber hinaus wurden im Jahr 2017 für zwölf Begehren Unterschriften gesammelt (2016: 7). Neben den bereits 2016 lancierten Initiativen «für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide" und «Fair-Preis-Initiative» wurden also im Berichtsjahr zehn neue Volksinitiativen lanciert (2016: 6), fünf davon innerhalb eines Monats, was in einigen Medien und bei Politikerinnen und Politikern die Angst vor einer neuerlichen Initiativenflut heraufbeschwor – insbesondere, weil im Jahr vor den Wahlen wohl noch zahlreiche Parteien wieder Initiativen als Wahlkampfvehikel einreichen würden. Yannick Buttet (cvp, VS) sprach sogar von einem Systemfehler, da Initiativen immer mehr als Blockadeinstrumente gebraucht würden. Interessant waren freilich die Forderungen der neu lancierten Begehren. Drei liessen sich dem Gesundheitswesen zuschreiben (die oben erwähnte «Pflegeinitiative», die Initiative «Organspende fördern» und die Initiative für die «Organisationsfreiheit der Kantone für die Krankenversicherung»), drei stammten von Umwelt- bzw. Tierschutzkreisen («Trinkwasser-Initiative», «Atomkraftwerke abschalten» und «Tier- und Menschenversuchsverbot»), zwei von links («99 Prozent-Initiative» und «Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten») und eines von rechts («Zuerst Arbeit für Inländer»). Das zehnte neu lancierte Begehren, die Initiative für ein «von den Krankenkassen unabhängiges Parlament» richtete sich gegen die Krankenkassenlobbys im Parlament und stammte von demselben Komitee wie die Initiative, mit welcher gefordert wurde, dass die Kantone in der Organisation der Krankenkassen frei sind. Bekannte Köpfe in diesem Komitee waren Pierre-Yves Maillard (VD, sp) und Mauro Poggia (GE, mcg), ehemals Nationalräte und aktuell Regierungsräte in den Kantonen Waadt und Genf.
Dass das Sammeln von 100'000 Signaturen in 18 Monaten nach wie vor kein Kinderspiel ist, zeigten die beiden Initiativen, die 2017 gescheitert waren (2016: 1): Die Initiativen «Stopp den Auswüchsen von Via sicura» und «Ja zur Bewegungsmedizin».

Volksbegehren im Jahr 2018

Auch 2018 wurde keines der sechs zur Abstimmung stehenden Volksbegehren angenommen. Unerwartet deutlich wurden dabei die «No-Billag-Initiative» und die «Selbstbestimmungsinitiative» abgelehnt. Sie konnten genauso wie die «Vollgeld-Initiative», die «Fair-Food-Initiative» oder die Initiative «für Ernährungssouveränität» nicht einmal 40 Prozent der Stimmenden überzeugen. Am nächsten an einen Erfolg an der Urne kam noch die «Hornkuh-Initiative», aber auch sie wurde mit 45.3 Prozent Ja-Stimmen abgelehnt. Immerhin waren 2018 wieder Entscheidungen über Volksbegehren angestanden, nachdem 2017 keine einzige Volksinitiative an die Urne gekommen war.

Mit diesen sechs erledigten Volksinitiativen war die Liste der beim Parlament oder beim Bundesrat hängigen Begehren auf sieben geschrumpft (2017: 12). Allerdings hatten es 2018 auch fünf Komitees geschafft, die nötigen Unterschriften in der gegebenen Frist zu sammeln. Der Bundesrat und das Parlament werden sich folglich über ein «Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten», zwei Umweltschutzanliegen («für sauberes Trinkwasser» und «für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide»), die beide weniger als ein Jahr zum Sammeln der Unterschriften brauchten, die «Fair-Preis-Initiative» sowie über die von der SVP noch im Lancierungsjahr erfolgreich innert sieben Monaten zustande gekommene «Begrenzungsinitiative» beugen müssen. 2017 waren noch vier Begehren zustande gekommen.
Im Berichtsjahr wurden – einschliesslich der Begrenzungsinitiative – acht Volksinitiativen lanciert, 2017 hatten sich zehn Komitees auf die Unterschriftenjagd gemacht. Von diesen acht befand sich 2018 noch die Hälfte im Sammelstadium. Unter den neuen Begehren war die «Korrektur-Initiative», die von einer breiten Parteienallianz gegen den Beschluss des Bundesrats, Kriegsmaterialexporte zu lockern, gestartet wurde. Die CVP wollte mit der «Kostenbremse-Initiative» etwas gegen die steigenden Krankenkassenkosten unternehmen, wobei ihr unterstellt wurde, dass sie die Initiative wohl auch als Werbevehikel für die 2019 anstehenden eidgenössischen Wahlen einsetzen wolle. Ebenfalls lanciert wurden die «Justiz-Initiative», die «Massentierhaltungsinitiative», die «Kesb-Initiative», eine Initiative «gegen Tabakwerbung bei Kindern und Jugendlichen» und die von Workfair 50+ ausgearbeitete Initiative mit dem Titel «Arbeit statt Armut».

Für zwei im Sommer 2017 lancierte Begehren war Ende 2018 die Frist für die Abgabe der nötigen Unterschriften verstrichen. Sowohl die Initiative «Zuerst Arbeit für Inländer» als auch die Initiative «Atomkraftwerke abschalten» waren im Sammelstadium gescheitert. Bereits im Jahr 2017 hatten es zwei Begehren nicht geschafft, die Unterschriftenhürden in der vorgegebenen Frist zu überspringen.

Volksinitiativen entfalten nicht nur Wirkung, wenn sie an der Urne angenommen werden. Vielmehr können sie als Druckmittel verwendet werden, um das Parlament zu Gesetzesrevisionen zu veranlassen. Dies gelang 2018 mit der «Velo-Initiative», für die der Bundesrat und das Parlament einen direkten Gegenentwurf ausgearbeitet hatten. Der Bundesbeschluss Velo, zu dessen Gunsten die Initiative zurückgezogen worden war, war – anders als die sechs Initiativen im Berichtsjahr – an der Urne erfolgreich. Zurückgezogen wurde auch die Initiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre», die als rechtskonservative Drohkulisse gegen die von Eveline Widmer-Schlumpf angeregte, 2018 im Parlament aber dann letztlich gescheiterte Revision des Bankgeheimnisses im Inland gewirkt hatte.

Volksbegehren im Jahr 2019

In einem Wahljahr werden die Abstimmungstermine im September und im November in der Regel nicht wahrgenommen. Dies dürfte mit ein Grund sein, dass 2019 nur über ein einziges Volksbegehren abgestimmt wurde, nämlich über die Zersiedelungsinitiative. Die Initiative der Jungen Grünen fand nur bei etwas mehr als einem Drittel der Stimmbevölkerung Unterstützung. Mit der Ablehnung dieses Begehrens an der Urne war zudem klar, dass in der ausklingenden 50. Legislatur (2015–2019) keine einzige der insgesamt 16 Volksinitiativen, die in diesen vier Jahren zur Abstimmung gekommen waren, angenommen wurde. Dies war weder in der 49. Legislatur (2011–2015; 4 von 25 angenommen), in der 48. Legislatur (2007–2011; 3 von 13 angenommen), in der 47. Legislatur (2003–2007; 2 von 5 angenommen), oder in der 46. Legislatur (1999–2003; 1 von 30 angenommen) der Fall gewesen.

In der anstehenden 51. Legislatur dürften einige Volksbegehren an die Urne gelangen. Ende 2019 waren nicht weniger als zehn Volksbegehren hängig; also abstimmungsreif, in parlamentarischer Behandlung oder beim Bundesrat, der eine entsprechende Botschaft zu verfassen hatte. Das Parlamentsgesetz sieht vor, dass die Bundesversammlung innert 30 Monaten nach Einreichung einer Initiative eine Abstimmungsempfehlung abzugeben hat. Diese Frist kann sich um ein Jahr verlängern, falls ein Gegenvorschlag oder ein Gegenentwurf ausgearbeitet wird. Dies war bei sechs der zehn hängigen Begehren der Fall – was als ein Zeichen dafür gewertet werden kann, dass das Zusammenspiel zwischen Bevölkerung und Parlament durchaus funktioniert: Anliegen von Initiantinnen und Initianten werden vom Parlament zwar abgeschwächt, aber immerhin ernst genommen und verarbeitet. Diese indirekte Wirkung von Volksinitiativen ist im halbdirektdemokratischen politischen System der Schweiz nicht zu unterschätzen. Bei drei Initiativen hatte das Parlament in Form einer parlamentarischen Initiative einen indirekten Gegenvorschlag eingebracht: bei der «Konzernverantwortungsinitiative» (Pa. Iv. 17.498), der «Transparenz-Initiative» (Pa. Iv. 19.400) und der «Pflegeinitiative» (Pa. Iv. 19.401). Bei der Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» hatte der Bundesrat der Botschaft den Vorschlag für ein Bundesgesetz über die Gesichtsverhüllung als indirekten Gegenvorschlag beigelegt und auch bei der «Fair-Preis-Initiative» sah die Regierung die Möglichkeit eines indirekten Gegenvorschlags in Form einer Änderung des Kartellrechts. Einen direkten Gegenentwurf beriet das Parlament bei der Initiative «für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide». Ende 2019 lag zudem die Botschaft des Bundesrats zur Initiative «für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» vor und die Räte berieten bereits die Initiative «für sauberes Trinkwasser». Ebenfalls Ende 2019 waren die Initiative für «mehr bezahlbare Wohnungen» und die «Begrenzungsinitiative» abstimmungsreif. Erstere wurde für den Urnengang von Februar 2020 terminiert und über letztere soll im Mai 2020 abgestimmt werden.

Wie eine Zusammenarbeit zwischen Parlament und Initiativkomitees funktionieren kann, zeigten auch die Beratungen um die Initiative «für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub». Diese hätte vier Wochen Vaterschaftsurlaub gefordert. Das Parlament legte in Form einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 18.441) einen indirekten Gegenvorschlag vor, der zwei Wochen forderte. Da sich das Parlament auf diesen Gegenvorschlag einigen konnte, zog das Initiativkomitee seine Initiative zurück. Im Jahr zuvor waren zwei Volksbegehren zurückgezogen worden.

2019 waren zudem acht neue Volksinitiativen erfolgreich zustande gekommen (2018: 5). Innert Jahresfrist wird sich der Bundesrat mit der Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung», der «Massentierhaltungsinitiative», der «Justiz-Initiative», der «Gletscher-Initiative», der Initiative «gegen Waffenexporte (Korrektur-Initiative)», der «99%-Initiative», der Initiative «Organspende fördern - Leben retten» und der Initiative für ein «Tier- und Menschenversuchsverbot» auseinandersetzen und eine Botschaft vorlegen müssen.

Im Sammelstadium befanden sich 2019 total 16 Volksbegehren, nicht weniger als 14 davon wurden erst 2019 neu lanciert, deutlich mehr als noch 2018 als acht verschiedene Komitees die Unterschriftenjagd begonnen hatten. Interessanterweise waren es 2019 vor allem Komitees und nicht – wie man in einem Wahljahr vielleicht erwarten würde – ausschliesslich Parteien, die Volksbegehren lancierten. Zu den wenigen Ausnahmen zählte die junge FDP, die ihre «Renteninitiative» lancierte. Sie war mit dem Thema Altersvorsorge freilich nicht alleine. «Für eine generationengerechte Altersvorsorge» oder für «steuerfreie AHV- und IV-Renten» setzten sich zwei weitere Komitees ein. Bereits 2018 war eine Initiative für «berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut» lanciert worden. Vier weitere Begehren zielten auf Reformen bei der Finanzierung des Gesundheitssystems ab: Die «Pflegefinanzierungs-Initiative», die von der EDU lanciert wurde, die «Gesundheits-Mitbestimmungs-Initiative», die «Prämien-Entlastungs-Initiative» der SP und die bereits 2018 von der CVP lancierte «Kostenbremse-Initiative» wollten etwas gegen die steigenden Krankenkassenkosten unternehmen. Ein Komitee «Mobilfunk-Initiative» lancierte gleich zwei Begehren: Mit der «Mobilfunkhaftungs-Initiative» und der Initiative «für einen gesundheitsverträglichen und stromsparenden Mobilfunk» sollen vor allem aus gesundheitlichen Gründen dem Ausbau der Mobilfunkgeneration 5G Einhalt geboten werden. Umweltschutzkreise lancierten die «Landschaftsinitiative» und die «Biodiversitätsinitiative», um dem Aussterben von Tier- und Pflanzenarten Einhalt zu gebieten. Mit der «Kontrollschild-Initiative» sollen der CH-Kleber abgeschafft und die Nummernschilder neu designt werden. Das «E-Voting-Moratorium» möchte die Tests zur elektronischen Stimmabgabe einschränken und mit der Initiative «Hilfe vor Ort im Asylbereich» sollen die im Asylwesen verwendeten Gelder für Schutzgebiete oder Hilfsprojekte im Ausland statt für Migrantinnen und Migranten in der Schweiz ausgegeben werden. Die Initiative «Ja zur Abschaffung der Zeitumstellung» schliesslich forderte, dass auf eine Anpassung der Uhren auf die sogenannte Sommerzeit in Zukunft verzichtet werde.

Voraussichtlich werden es nicht alle dieser Begehren schaffen, die gesetzlichen Fristen oder die verlangten 100'000 Unterschriften einzuhalten. Im langjährigen Schnitt scheiterte nämlich rund ein Drittel aller lancierter Volksbegehren an diesen Hürden. Dieses Schicksal ereilte 2019 drei Begehren (2018: 2): Die von einem Komitee rund um die SVP-Nationalräte Pirmin Schwander (svp, SZ) und Hans Egloff (svp, ZH) lancierte «Kindes- und Erwachsenenschutz-Initiative», mit der die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb hätte entmachtet werden sollen, aber auch die beiden Initiativen des Komitees rund um die Regierungsräte Pierre-Yves Maillard (VD, sp) und Mauro Poggia (GE, mcg), die ein «von den Krankenkassen unabhängiges Parlament» und die «Organisationsfreiheit der Kantone bei der Krankenversicherung» gefordert hätten, scheiterten 2019 offiziell im Sammelstadium.

Volksbegehren 2020

Ein «Super-Abstimmungsjahr» kündigte der Blick Ende 2019 für das Jahr 2020 an: Mit voraussichtlich bis zu 16 Abstimmungsvorlagen habe die Stimmbevölkerung so viel zu entscheiden, wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Covid-19 machte dem «Jahrhundert-Rekord» dann wohl aufgrund der Verschiebung der Mai-Abstimmungen allerdings einen Strich durch die Rechnung. An den drei Abstimmungssonntagen standen insgesamt 9 Vorlagen an, darunter vier Volksbegehren (2019: 1; für einen Überblick zu den Referenden 2020 vgl. hier): Die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» im Februar und die «Begrenzungsinitiative» im September wurden ebenso abgelehnt wie die «Kriegsgeschäfte-Initiative» und die «Konzernverantwortungsinitiative» im November – die von Menschenrechts- und Umweltorganisationen eingereichte Konzernverantwortungsinitiative scheiterte freilich nur am Ständemehr und wusste eine knappe Mehrheit der Stimmenden von 50.7 Prozent hinter sich. Zum zweiten Mal nach der Mieter- und Konsumentenschutzinitiative (1955) erhielt damit ein Volksbegehren zwar das Bevölkerungs-, nicht aber das Ständemehr. In acht weiteren Fällen scheiterten obligatorische Referenden am Ständemehr. Umgekehrt gab es in vier Fällen (3 Volksinitiativen, 1 obligatorisches Referendum) zwar eine Mehrheit der Kantone, nicht aber eine Mehrheit der Stimmbevölkerung. Das aktuelle Resultat löste eine Diskussion über das Ständemehr aus.

Im Vergleich zum Vorjahr wuchs die Liste der hängigen Volksinitiativen leicht an: 14 Begehren harrten auf eine bundesrätliche oder parlamentarische Behandlung oder waren abstimmungsreif (2019: 10). Dies hatte freilich nichts mit Covid zu tun – im Gegensatz zu den Sammelfristen blieben die Behandlungsfristen für Volksbegehren unverändert –, sondern neben dem in den Vorjahren stärkeren Gebrauch der Volksinitiative vielmehr mit dem Umstand, dass das Parlament vermehrt Gegenvorschläge ausarbeitete. Bei sechs der elf im Jahr 2020 hängigen und bereits behandelten Begehren hatte das Parlament über mögliche Gegenvorschläge diskutiert oder diese ausgearbeitet und verabschiedet («Verhüllungsverbot», «Transparenz-Initiative», «Pflegeinitiative», «Fair-Preis-Initiative», «Organspende fördern», «Tabakwerbung»). Entsprechend verzögerte sich die normalerweise 30 Monate nach Einreichung dauernde Behandlungsfrist für diese Volksinitiativen um ein Jahr, was die Abstimmungspendenzenliste länger werden liess. Trotz dieser Gegenvorschläge wurde 2020 allerdings kein Volksbegehren zurückgezogen – was im Falle von Gegenvorschlägen eben nicht selten der Fall ist (2019: 1).

Die Behörden werden also trotz Corona auch künftig zahlreiche ausserparlamentarische Anstösse diskutieren müssen. 2020 kamen nämlich vier neue Volksinitiativen zustande (2019: 8), wobei gleich drei davon vom Fristenstillstand sowie von der Erleichterung hinsichtlich der Stimmrechtsbescheinigung betroffen waren, die aufgrund von Covid-19 gewährt worden war. Bei zwei Begehren geht es um Krankenkassenprämien («Prämien-Entlastungs-Initiative» und «Kostenbremse-Initiative»), bei den anderen beiden um Umweltschutz- bzw. Kulturlandschutzanliegen («Landschaftsinitiative» und «Biodiversitätsinitiative»).
Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte die Pandemie vor allem bei den anderen beiden Kennzahlen zum jährlichen Überblick zu den Volksbegehren gespielt haben: Auf der einen Seite wurden 2020 lediglich vier neue Initiativen lanciert (2019: 15) – bezeichnenderweise zwei davon vor dem ersten Lockdown Mitte März 2020 und die anderen beiden erst nach Ende Oktober 2020. In den letzten rund 45 Jahren (seit 1978) waren im Schnitt jeweils 8.6 neue Begehren pro Jahr lanciert worden. Ende 2020 befanden sich noch elf Volksbegehren in der Sammelphase (2019: 16). Auf der anderen Seite scheiterten 2020 gleich fünf Initiativen, weil sie die nötigen Unterschriften nicht zusammenbrachten (2019: 3). Auch diese Zahl weicht vom langjährigen Schnitt ab, der seit 1978 pro Jahr 3.2 gescheiterte Volksbegehren aufweist. Glaubt man den Komitees der gescheiterten Initiativen (z.B. für ein «E-Voting-Moratorium», für eine «Abschaffung der Zeitumstellung») oder mit dem Titel «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut»), dürfte die Schwierigkeit, während der Pandemie Unterschriften zu sammeln, für das Scheitern mitverantwortlich sein – trotz einer um 72 Tagen verlängerten Sammelfrist, die aufgrund des Fristenstillstands, während dem das Sammeln von Unterschriften verboten war, gewährt worden war.

Volksbegehren 2021

Es werde wohl noch lange «Corona-Spuren bei den Volksrechten» geben, prognostizierte die NZZ Mitte September 2021. Die Pandemie habe die Unterschriftensammlungen erschwert, was wohl noch lange eine «Delle» bei der Entwicklung lancierter Volksinitiativen hinterlasse. Hingegen würden auch aufgrund des politischen Misstrauens, das im Rahmen der Covid-19-Massnahmen entstanden sei, «neue Bürgervereine» gegründet, die vor allem das Instrument des Referendums (für eine Übersicht zu den Referenden 2021 vgl. hier) nutzen würden, so die NZZ.

Die Übersicht über die Volksbegehren 2021 gibt der Vermutung der NZZ teilweise recht. Entgegen der Erwartung wurden 2021 zwar leicht überdurchschnittlich viele neue Volksinitiativen lanciert, nämlich neun – seit 1978 werden im Schnitt 8.3 neue Volksbegehren pro Jahr lanciert –, dies kam im Vergleich zum Vorjahr (4 lancierte Initiativen) mehr als einer Verdoppelung gleich. Unter den neuen Begehren fand sich die Initiative gegen den F-35, zwei Begehren, die ein Abtreibungsverbot fordern («Lebensfähige-Babys-retten-Initiative»; «Einmal-darüber-schlafen-Initiative») oder ein zweiter Anlauf für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Bereits Ende 2020 war zudem eine Initiative für ein Impfverbot lanciert worden. Im Sammelstadium befanden sich damit Ende 2021 insgesamt elf Volksbegehren (Ende 2020: 11).

Im Zusammenhang mit der Covid-19-bedingt schwierigeren Unterschriftensammlung dürfte allerdings die wie bereits im Vorjahr vergleichsweise hohe Zahl an gescheiterten Volksinitiativen stehen: Ganze sieben Initiativkomitees schafften es nicht, in den 18 zur Verfügung stehenden Monaten die nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln – auch wenn aufgrund des Fristenstillstandes vom 21. März bis 31. Mai 2020 die Sammelfrist um diese 72 fehlenden Tage verlängert worden war. Bereits 2020 waren fünf Initiativprojekte gescheitert. Seit 1979 scheiterten im Schnitt 3.2 Initiativen pro Jahr. Von den 15 im Jahr 2019 lancierten Volksbegehren erhielten damit lediglich fünf die notwendige Unterstützung im Unterschriftenstadium; ganze zwei Drittel sind also an der Unterschriftenhürde gescheitert. Im Schnitt (seit 1979) beträgt dieser Anteil rund ein Drittel der pro Jahr lancierten Volksinitiativen. Unter den 2021 gescheiterten Begehren fanden sich dabei durchaus solche mit vermeintlich zugkräftigen Themen und schlagkräftigen Komitees, so etwa die beiden Initiativen gegen den Ausbau des Mobilfunks, aber auch eine von SVP-Parlamentarierinnen und -Parlamentariern mitgetragene Initiative für «Hilfe vor Ort im Asylbereich» und die beiden von linken und gewerkschaftlichen Westschweizer Kreisen angestrengten Initiativen im Bereich der Krankenkassen («Mitbestimmung bei Kranken- und Unfallversicherung»; «Pflegefinanzierungs-Initiative»).

2021 kamen freilich auch zwei Initiativen zustande, darunter eine der fünfzehn 2019 lancierten Volksbegehren, nämlich die «Renteninitiative» der jungen FDP, die mit 107'049 Unterschriften Ende August erfolgreich die erste Hürde übersprang. Mit 101'793 gültigen Unterschriften kam zudem auch die Initiative «für eine 13. AHV-Rente» des SGB zustande, die für die Sammlung nur wenig mehr als 12 Monate benötigt hatte (Sammelbeginn: März 2020). Damit wird das Thema AHV wohl noch einige Zeit auf der politischen Agenda bleiben.

Auf ebendieser Agenda standen Ende 2021 neben den beiden zustande gekommenen Begehren acht weitere hängige Volksinitiativen, die abstimmungsreif waren oder vom Bundesrat oder vom Parlament noch behandelt werden mussten. Wie wichtig diese parlamentarischen Beratungen sein können, zeigt die vergleichsweise hohe Zahl an bedingt zurückgezogenen Initiativen. Gleich vier Mal kam das Parlament den Initiativkomitees mit indirekten Gegenvorschlägen so weit entgegen, dass diese ihr Begehren zurückzogen: bei der «Transparenz-Initiative», der «Fair-Preis-Initiative», der «Korrektur-Initiative» und der Initiative «Organspende fördern – Leben retten». Bei Letzterer wurde allerdings ein Referendum gegen den indirekten Gegenvorschlag angestrebt. Ein Gegenvorschlag muss also nicht in jedem Fall überzeugen. Dies hatte sich in den vergangenen Jahren etwa auch bei der Initiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub» gezeigt, deren Gegenvorschlag ebenfalls mit einem Referendum bekämpft worden war.

Indirekte Gegenvorschläge hatte das Parlament auch für die Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» sowie die «Pflegeinitiative» ausgearbeitet, den Initiativkomitees gingen diese Angebote freilich zu wenig weit und sie zogen ihre Begehren entsprechend auch nicht zurück; der Erfolg an der Urne bei den Abstimmungen im März und im November 2021 schien ihnen recht zu geben. Beide Volksinitiativen wurden nämlich an der Urne angenommen. Erstmals seit sieben Jahren und nach 2014 zum zweiten Mal in der Geschichte der nationalen Direktdemokratie wurden damit gleich zwei Volksinitiativen im gleichen Jahr angenommen. Es handelte sich um das 23. und 24. an der Urne erfolgreiche Volksbegehren seit 1891. Der Anteil angenommener Volksinitiativen stieg damit Ende 2021 auf 10.6 Prozent (24 von total 226 abgestimmten Initiativen).
Dieser direkte Erfolg blieb den anderen vier Volksinitiativen, über die 2021 ebenfalls abgestimmt worden war, verwehrt (2020 war über total vier Initiativen abgestimmt worden). Die «Justiz-Initiative» (35.1% Ja-Stimmenanteil) und die «99%-Initiative» (31.9%) wurden dabei vergleichsweise deutlich abgelehnt. Die «Pestizidinitiative» (39.4%) und die «Trinkwasserinitiative» (39.3%) erzielten ebenfalls weniger als 40 Prozent Ja-Stimmenanteile und wurden in den Medien für das Scheitern des CO2-Gesetzes verantwortlich gemacht, weil sie vor allem die ländliche und der CO2-Vorlage skeptisch gegenüberstehenden Bevölkerung mobilisiert und einen Stadt-Land-Graben aufgerissen hätten.

Volksbegehren 2022

Unter den Volksbegehren 2022 gaben insbesondere die beiden in diesem Jahr zurückgezogenen Initiativen einiges zu diskutieren (im Vorjahr, also 2021, waren 4 Volksbegehren zurückgezogen worden). Sowohl die Gletscherinitiative wie auch die Initiative «Gegen den F-35 (Stopp F-35)» wurden von den Komitees im Oktober 2022 zurückgezogen, erstere freilich nur bedingt aufgrund des indirekten Gegenvorschlags, den das Parlament ausgearbeitet hatte. Hier drehte sich die mediale Berichterstattung insbesondere um inhaltliche Fragen und um ein mögliches Referendum gegen diesen Gegenvorschlag. Der seit 2010 mögliche bedingte Rückzug einer Volksinitiative würde es dem Initiativkomitee bei Ablehnung des Gegenvorschlags in einer Referendumsabstimmung erlauben, die Gletscherinitiative doch noch zur Abstimmung zu bringen. Ganz anders gelagert waren die Diskussionen bei der «Stopp F-35-Initiative». Das Komitee hatte sich hier für einen Rückzug entschieden, weil es sozusagen vor vollendete Tatsachen gestellt worden war: Da der Bundesrat den Vertrag für den Kauf der 36 F-35-Kampfflugzeuge im November 2021 unterschrieben hatte, hatte die Initiative, die ein Kaufverbot dieses Flugzeugtypus in die Verfassung schreiben wollte, ihren Zweck verloren. Die Diskussionen drehten sich in der Folge darum, ob es sich bei der Volksinitiative um eine «Zwängerei» handle, da die Bevölkerung mit dem knappen Ja zum Bundesbeschluss über die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge dem Bundesrat den Kaufauftrag bereits erteilt habe, wie die eine Seite argumentierte – oder ob dies ein «demokratiepolitische[s] Trauerspiel» sei, wie sich die GSoA in der NZZ für die andere Seite äusserte. Dass der Stimmbevölkerung trotz erfolgreicher Sammlung von mehr als 100'000 Unterschriften in kurzer Zeit das Recht auf eine Abstimmung verweigert werde, sei eine «Respektlosigkeit gegenüber demokratischen Prozessen». Die Volksinitiative werde zurückgezogen, weil man keine «Pseudoabstimmung» wolle, so die GSoA weiter.

Zu reden gab auch die Zahl der im Jahr 2022 neu lancierten Volksbegehren: Für nicht weniger als 20 neue Initiativen wurde 2022 eine Unterschriftensammlung lanciert. 2021 wurden neun und im ersten Covid-19-Pandemiejahr 2020 gar lediglich vier neu lancierte Begehren gezählt. Ende 2022 befanden sich insgesamt 26 Volksbegehren im Sammelstadium. Die Medien sprachen von einem «Nachholeffekt» und einem eigentlichen «Boom».

Zustande kamen 2022 drei Volksinitiativen. Neben der «Stopp F-35-Initiative» wurden auch die Unterschriften für die «Steuergerechtigkeits-Initiative» sowie für die Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» eingereicht. Zum Vergleich: 2021 waren zwei Volksinitiativen zustande gekommen.

Sechs Volksbegehren waren Ende 2022 beim Bundesrat oder beim Parlament noch pendent (2021: 8). Darunter befanden sich vier, die eine Reform der Sozialversicherungen fordern (die «Prämien-Entlastungs-Initiative», die Initiative «Für tiefere Prämien (Kostenbremse-Initiative)», die Initiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» und die Initiative «Für eine 13. AHV-Rente») sowie die «Biodiversitätsinitiative» und die «Landschaftsinitiative».

Von den drei im Jahr 2022 abgestimmten Volksinitiativen konnte eine an der Urne reüssieren: Die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» erhielt bei der Abstimmung vom 13. Februar 2022 die Unterstützung von 56.7 Prozent der Stimmberechtigten und von 15 Ständen, womit sie zur insgesamt 25. Volksinitiative wurde, die eine Mehrheit von Volk und Ständen hinter sich vereinen konnte. Insgesamt waren damit seit 1891 knapp 11 Prozent aller Initiativen erfolgreich (25 von 229). Abgelehnt wurden 2022 hingegen die Initiative für ein «Tier- und Menschenversuchsverbot» sowie die «Massentierhaltungsinitiative».

Freilich entfalten auch abgelehnte Volksbegehren mannigfaltige indirekte Wirkungen. Nicht zuletzt bringen sie wenigstens für die Zeit der Abstimmungskampagne ein spezifisches Thema ins Bewusstsein der politisch interessierten Bevölkerung. Diesen Teilerfolg werden die drei 2022 im Sammelstadium gescheiterten Initiativen nicht feiern können (2021: 7 im Sammelstadium gescheiterte Volksbegehren). Für die «Helikoptergeld-Initiative» und die Initiative «Für sichere Fahrzeuge» lief die Frist von 18 Monaten ungenutzt ab. Auch die «Saferphone-Initiative» schaffte es nicht, genügend Unterschriften zu sammeln. Da das Komitee symbolisch eine einzige Unterschrift einreichte, wurde das Scheitern dieses Begehrens im Amtlichen Bulletin nicht wie bei den meisten gescheiterten Begehren mit «Ablauf Frist», sondern mit «nicht genügend Unterschriften» veröffentlicht.

Die im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringere Zahl an gescheiterten Volksbegehren ist wohl eher nicht mit der dank der Aufhebung der Covid-19-Massnahmen wieder einfacher gewordenen Sammlung von Unterschriften, sondern vor allem mit der geringeren Zahl an in den beiden Vorjahren lancierten Begehren zu erklären. Im langjährigen Schnitt scheitert etwas mehr als jede dritte in einem Jahr lancierte Initiative (35.9%). Von den vier im Jahr 2020 lancierten Initiativen scheiterten freilich gleich zwei (50%); von den fünfzehn im Jahr 2019 lancierten Initiativen scheiterten gar deren zehn (66.7%). Solch hohe Anteile an erfolglosen Volksbegehren finden sich allerdings auch in früheren Jahren immer wieder (z.B. 1990: 7 von 11, 63.6% gescheitert; 1991: 5 von 8, 62.5%; 2002 5 von 6, 83.3%; 2013: 6 von 9, 66.7%).