Bundesbeschluss zur Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten (BRG 95.019)

Sauvegarder en format PDF

In der Frage der Blutpräparate handelte Bundesrätin Dreifuss rasch. Da die Ausarbeitung eines eigentlichen Heilmittelgesetzes kaum vor dem Jahr 2000 erwartet werden kann, gab sie Mitte Dezember 1994 ihren Vorschlag für einen befristeten Bundesbeschluss in die Vernehmlassung. Zentraler Punkt ist die Einführung einer Bewilligungspflicht für den Umgang mit Blut, Blutprodukten und Transplantaten sowie für deren Import und Export.

Dossier: Les poches de sang contaminées par le VIH
Dossier: Transplantation d'organes, de tissus et de cellules

In beiden Kammern und über alle Parteigrenzen hinweg war unbestritten, dass sich die Vorkommnisse der 1980er Jahre, wo unter anderem eine unklare Verantwortlichkeitsregelung die tragischen Ereignisse mit den durch HI-Viren verseuchten Blutkonserven und -präparaten mitverursacht hatte, nicht mehr wiederholen dürfen. Sowohl Stände- wie Nationalrat waren praktisch einstimmig damit einverstanden, die Kompetenzen für die Kontrolle von Herstellung und Handel mit Blutprodukten bis zum Vorliegen des neuen Heilmittelgesetzes in einem dringlichen Bundesbeschluss ausschliesslich dem BAG zu übertragen.

Während aber der Ständerat in den wesentlichen Punkten der bundesrätlichen Vorlage folgte, fügte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission mit 61 zu 46 Stimmen einen Artikel ein, wonach es für alle Transplantate einer schriftlichen Zustimmung des Spenders bedarf. Vergeblich machten der Bundesrat und die Gegner dieses Zusatzes geltend, es handle sich hier nur um eine Übergangsregelung, die in erster Linie auf den Schutz vor Infektionen angelegt ist, weshalb es wenig sinnvoll sei, ohne vertiefte Diskussion die ethisch überaus heikle Frage des Umgangs mit Transplantaten bereits einzubeziehen. Widerstandslos passierte hingegen die ebenfalls von der Kommission eingebrachte Bestimmung, wonach es verboten ist, mit menschlichen Transplantaten Handel zu betreiben. Keine Chance hatten ein Minderheitsantrag zum Verbot von Transplantaten, die von gentechnisch veränderten Tieren stammen, sowie die Forderung nach beratenden Fachkommissionen, welche den Vollzug des Bundesbeschlusses mitgestalten sollten.

Dossier: Les poches de sang contaminées par le VIH
Dossier: Transplantation d'organes, de tissus et de cellules

In der Differenzbereinigung übernahm der Ständerat den Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Spenden diskussionslos, machte aber das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung wieder rückgängig, da dies eine zu restriktive und pauschal geratene Verschärfung bedeute, welche sich kontraproduktiv auf den Spenderwillen der Bevölkerung auswirken und damit möglicherweise sogar dem illegalen Organhandel Vorschub leisten könnte.

Dossier: Les poches de sang contaminées par le VIH
Dossier: Transplantation d'organes, de tissus et de cellules

In der Differenzbereinigung beim dringlichen Bundesbeschluss über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten schloss sich der Nationalrat diskussionslos der Ansicht des Ständerates an, wonach es im jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll sei, die Entnahme von Organen zur Transplantation von der schriftlichen Zustimmung des Spenders abhängig zu machen. Diese Frage soll erst in einem eigentlichen Transplantationsgesetz angegangen werden. Damit konnte der auf zehn Jahre befristete Bundesbeschluss mit grossem Mehr verabschiedet werden. Er unterstellt bis zum Vorliegen eines eidgenössischen Heilmittelgesetzes die Kontrolle von Herstellung und Handel mit Blutprodukten und Transplantaten der alleinigen Kompetenz des BAG.

Mitte Jahr setzte der Bundesrat auch die entsprechende Verordnung in Kraft. Dabei gelten strenge Regeln für die Sorgfaltspflicht: Blutspenden wie auch Transplantate müssen auf Krankheiten überprüft und die Spenderdaten registriert werden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen wird den Homosexuellen die Blutspende nicht mehr ausdrücklich verwehrt; mit dem Hinweis auf eine noch in der Diskussion befindliche Empfehlung des Europarates, welche Personen mit «Risikoverhalten» zur Blutspende möglicherweise nicht mehr zulassen will, bleiben homosexuelle Männer beim SRK de facto aber weiter davon ausgeschlossen.

Dossier: Les poches de sang contaminées par le VIH
Dossier: Transplantation d'organes, de tissus et de cellules