Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen

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Im November lehnte das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) das im Jahre 2000 eingereichte Gesuch des Instituts für Pflanzenwissenschaft der ETHZ für einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen in Lindau (ZH) ab. Angesichts des heutigen Wissensstandes seien die mit dem Versuch verbundenen Gefahren für Mensch und Umwelt nicht abschätzbar. Die Sicherheitsanforderung an einen Freisetzungsversuch müssten sehr streng sein, erklärte Buwal-Direktor Philippe Roch. Im Gegensatz zur Beurteilung früherer Gesuche sei denn nun auch mit der Freisetzungsverordnung eine Vollzugsvorschrift vorhanden; im weiteren gingen die Gesetzgebungsarbeiten im Bereich der Gen-Lex in Richtung einer nochmaligen Verschärfung. Das Buwal habe demzufolge bei der Gesuchsbeurteilung folgendes zu berücksichtigen gehabt: den Kenntnissstand über die GVO, über die Folgen der Veränderung für die Organismen und deren Vernetzung mit der Umwelt sowie über die Auswirkung der gentechnischen Veränderungen auf Mensch und Umwelt. Diese Punkte seien beim ETH-Gesuch ungenügend abgeklärt gewesen.

Dossier: Les organismes génétiquement modifiés (OGM) en Suisse

Der Buwal-Entscheid gegen den Gentech-Weizen sorgte in der Folge für ausserordentlichen Wirbel – in Medien, Forschungskreisen und parlamentarischen Debatten. In einem von nur gerade 17 Nationalräten unterschriebenen Brief an Bundespräsident Moritz Leuenberger forderte die Stiftung Gen Suisse die Enthebung Rochs von seiner Funktion als oberster Gesuchprüfer für Freisetzungsversuche. Gen Suisse unterstellte Roch Voreingenommenheit, Unwissenschaftlichkeit und Abhängigkeit. Die Stiftung schlug die Schaffung eines Entscheidungsgremiums vor, dem auch Vertreter des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) und des Bundesamts für Gesundheit (BAG) angehören sollen; weiter forderte sie eine administrative Untersuchung zur Abklärung des Sachverhalts rund um den Buwal-Entscheid. Demgegenüber teilte die Schweizerische Akademie für Naturwissenschaften (SCNAT) als Dachverband aller Naturwissenschafterinnen und -wissenschafter die Meinung des Buwal, dass mit Blick auf die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen gravierende Wissensdefizite bestünden; die SCNAT forderte in diesem Sinne ein Nationales Forschungsprogramm zur Klärung der Risiken bei Freisetzungen. Bauern und Konsumentinnen reagierten gemeinsam auf die «Hetzkampagne gegen Roch», unterstützten dessen Entscheid und argumentierten grundsätzlich gegen die Gen-Weizen-Versuche an der ETH: Forschung und Industrie wollten mit Gen-Food etwas verkaufen, das Bauern nichts bringe und Konsumentinnen gar nicht wollten. Der Bauernverband wiederholte seine Forderung nach einem Freisetzungsmoratorium bis 2010; die Stiftung für Konsumentenschutz bekräftigte ihre Allianz mit den Bauern in dieser Frage. Das Buwal-Nein führte auch zu zahlreichen parlamentarischen Vorstössen, die in der Wintersession vom Nationalrat in seiner Fragestunde behandelt wurden. Der Bundesrat betonte, er sähe die Pflanzenforschung durch die Ablehnung dieses Freisetzungsversuchs nicht gefährdet. Dennoch werde der von der ETHZ angekündigte Rekurs gegen den Buwal-Entscheid vom Departement Moritz Leuenberger umfassend beurteilt sowie über eine Neuregelung der Bewilligungskompetenz für Freisetzungsversuche eingehend beraten werden. Der lautstarke Protest gegen die Ablehnung des ETH-Gesuchs war auf Initiative Pascal Couchepins hin Gegenstand einer Bundesratssitzung gewesen. Pascal Couchepin hatte sich insbesondere an der Tatsache gestossen, dass Buwal-Chef Philippe Roch die Ablehnung beschlossen hatte, obschon sowohl von Seiten der eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit als auch von Seiten der Ethikkommission und der Bundesämter für Veterinärwesen (BLV) und Landwirtschaft gegenteilige Empfehlungen abgegeben worden waren.

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Im Vorjahr hatte das Buwal ein Gesuch der ETHZ für einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch verändertem Weizen in Lindau (ZH) abgelehnt, was in Medien, Forschungskreisen und im Parlament grossen Wirbel ausgelöst und die ETHZ zu einem Rekurs an den Bundesrat bewogen hatte. Im September äusserte sich der für das Buwal zuständige Bundesrat Moritz Leuenberger zu dieser Angelegenheit. Er befand, die Ablehnung des Gesuchs sei juristisch nicht haltbar, da die geltende Rechtsordnung eine prinzipielle Ablehnung von Freisetzungsversuchen von Pflanzen mit Markergenen, die eine Antibiotika-Resistenz bewirken, nicht vorsehe. Das Buwal hatte seine Opposition mit dem Verweis auf die Gen-Lex-Vorlage begründet, in welche der Ständerat im Zeitpunkt der Ablehnung bereits das Verbot von Freisetzungen mit Markergenen aufgenommen hatte. Moritz Leuenberger wies das Buwal an, das Gesuch der ETHZ noch einmal unter Anwendung des geltenden Rechts zu beurteilen und dabei die Schlussfolgerungen der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit (EFBS) zu berücksichtigen. Die EFBS hatte im Vorjahr keine Indizien für eine Gefährdung festgestellt. Ende Jahr bewilligte das Buwal den Freisetzungsversuch mit Auflagen, die den Forderungen des BAG, der EFBS und des Kantons Zürich entsprachen.

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Im Februar schien die ETH mit ihrem Gesuch für einen Freisetzungsversuch von genverändertem Weizen in Lindau (ZH) endlich Erfolg zu haben. Das Gesuch wurde im zweiten Anlauf vom Buwal als Bewilligungsinstanz für Freisetzungsversuche gutgeheissen. Der Beschwerde eines Bauernehepaars, das in der Nähe der Versuchsanlage einen IP-Bauernhof führte, hatte das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) die aufschiebende Wirkung entzogen. Dieser Entscheid wurde umgehend von der Umweltorganisation Greenpeace, dem Verband der integriert produzierenden Landwirte, IP Suisse und lokalen Beschwerdeführern aus Lindau beim Bundesgericht (BGer) angefochten. Da sowohl dem Uvek als auch dem Buwal verfahrensrechtliche Fehler unterlaufen seien, beschloss das Bundesgericht, die aufschiebende Wirkung der privaten Beschwerde wiederherzustellen und damit das Verfahren für den Versuch von Grund auf neu aufrollen zu lassen. Die ETHZ hielt in der Folge an ihrem Gesuch fest, so dass das Buwal den Versuch im Juli neu ausschrieb. Greenpeace sowie die Arbeitsgruppe «Lindau gegen Gentech-Weizen» kündigten ihrerseits erneuten Widerstand gegen den Versuch durch alle Instanzen an. Im Oktober bewilligte das Buwal den Versuch noch einmal. Gemäss Buwal-Direktor Philippe Roch hegte das Amt zwar Bedenken hinsichtlich der Qualität des Versuchs, doch sei es nicht Aufgabe des Bundesamts, den Nutzen eines Experiments zu beurteilen. Das Buwal habe in diesem Fall einzig Sicherheitsaspekte zu klären gehabt und habe die Bewilligung des Versuchs auch dementsprechend an strenge Sicherheitsauflagen geknüpft. So seien während der Blühphase die transgenen Pflanzen pollendicht abzudecken, sei die Freisetzungsfläche gegen das Eindringen von Vögeln und Nagetieren abzusichern und sei nach Versuchsende das gentechnisch veränderte Pflanzenmaterial zu vernichten sowie der Boden thermisch zu behandeln. Die ETHZ zeigte sich von der Verfügung des Buwal erleichtert, obwohl die Durchführung des Versuchs nach wie vor in den Sternen stand, da Greenpeace unmittelbar darauf die erneute Anfechtung des Entscheids beim Uvek ankündigte.

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Ende Februar wies das UVEK die Beschwerden gegen die Bewilligung des von der ETH Zürich geplanten Freilandversuchs mit gentechnisch verändertem Weizen in Lindau (ZH) ab. Gegen die Bewilligung durch das Buwal vom vergangenen Oktober hatten Greenpeace, die Bauernorganisation IP Suisse, die Arbeitsgruppe «Lindau gegen Gentech-Weizen» sowie mehrere Nachbarn Beschwerde eingelegt. Die ETH zeigte sich erleichtert über den Entscheid und begann Mitte März ihr Feldexperiment, obwohl die Frist für eine Anfechtung der Bewilligung beim Bundesgericht (BGer) noch lief; eine Gruppe von ETH-Angestellten kritisierte das Vorgehen ihres Arbeitgebers. Greenpeace verzichtete auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde, es ketteten sich jedoch rund 40 Aktivisten an den Gitterkäfig, in dem der Freilandversuch stattfand, und im Juni forderten Bio- und IP-Bauern abseits des Versuchsgeländes den Verzicht auf Gentechnik in der Landwirtschaft. Mitte Juli beendete die ETH ihren Feldversuch wie geplant. Die Forscher entnahmen noch vor der vollen Reife des Weizens die letzten Pflanzen- und Bodenproben, welche sie in der letzten Phase des Experiments im Labor auswerten wollten.

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Im Februar erteilte das Bundesamt für Umwelt (Bafu) die definitive Bewilligung zur Aussaat von gentechnisch verändertem Weizen auf dem Gelände der Forschungsanstalt Agroscope in Reckenholz (ZH). Das Bafu hatte die Versuche bereits im September 2007 mit etlichen (Sicherheits-)Auflagen genehmigt. Die Forschenden der ETH und der Universität Zürich wurden aber damals verpflichtet, noch weitere Informationen zu den gentechnisch veränderten Pflanzen einzureichen. Im Anschluss an die definitive Bewilligung des Bafu reichten zwölf gentechkritische Verbände – darunter Greenpeace, Pro Natura, Bio Suisse, die Stiftung für Konsumentenschutz sowie die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz – beim Uvek eine Aufsichtsbeschwerde ein. Sie forderten Bundesrat Moritz Leuenberger dazu auf, die Bewilligung für den Freisetzungsversuch bis auf weiteres zu sistieren.

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