Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BRG 23.022)

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Nach Ansinnen des Bundesrates sollen die Parteien in Justizverfahren künftig digital kommunizieren. Dazu will der Bundesrat eine zentrale Plattform für den elektronischen Rechtsverkehr schaffen, auf der alle an einem Verfahren beteiligten Parteien auf sicherem Weg Daten mit den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden austauschen können. Er gab im November 2020 ein entsprechendes Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) in die Vernehmlassung. Die Kosten für den Aufbau, die Einführung und den Betrieb der Plattform in den ersten acht Jahren schätzte die Regierung auf rund CHF 50 Mio. Diese sollen vom Bund und den Kantonen gemeinsam getragen werden, unter anderem über eine Gebühr, die die Behörden für die Nutzung der Plattform bezahlen und die sie auf die Nutzerinnen und Nutzer überwälzen können. Der elektronische Rechtsverkehr erleichtere die Kommunikation zwischen Parteien und Behörden ebenso wie den Zugriff auf die Verfahrensakten für alle Beteiligten, was die Justizverfahren insgesamt beschleunige, so die Regierung. Der Zugang auf die Plattform soll über die E-ID geregelt werden.

Dossier: Introduction de la communication électronique dans le domaine judiciaire

Wie der im April 2022 veröffentlichte Ergebnisbericht zeigte, wurde das Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) in der Vernehmlassung grossmehrheitlich begrüsst. Das neue Gesetz sieht die Schaffung einer sicheren, zentralen, elektronischen Plattform vor, auf der alle an einem Justizverfahren beteiligten Parteien Daten mit den Gerichten, den Staatsanwaltschaften und den Justizvollzugsbehörden austauschen können. Dieser elektronische Rechtsverkehr soll nach Ansinnen des Bundesrates für professionelle Anwenderinnen und Anwender – in erster Linie Gerichte, Behörden und die Anwaltschaft – obligatorisch werden, während Privatpersonen die Wahl zwischen der elektronischen Plattform und dem herkömmlichen Postweg haben sollen.
25 Kantone, vier Parteien (Mitte, FDP, GLP und SP) sowie 49 weitere Vernehmlassungsteilnehmende äusserten sich grundsätzlich positiv zum Vorentwurf, während von den insgesamt 108 eingegangenen Stellungnahmen nur acht ablehnend ausfielen. Die übrigen Teilnehmenden sprachen sich weder explizit für noch gegen die Vorlage aus, was im Bericht in den meisten Fällen als «implizit[e] Zustimmung mit Änderungsvorschlägen» gewertet wurde. Grundsätzlich gegen die erzwungene Umstellung auf ein elektronisches System stellte sich die SVP: Das bisherige System habe sich bewährt, es bestehe kein Grund, dieses zu ändern. Skeptisch äusserten sich auch der Kanton Schwyz, die Piratenpartei und die Alternative Linke Bern, das Kantonsgericht Schwyz, die Digitale Gesellschaft, die pEp Foundation und PrivaSphere. Sie opponierten nicht gegen den elektronischen Rechtsverkehr an sich, hielten das Projekt aber für unausgereift, risikobehaftet und überkomplex.
Der Bundesrat nahm Ende Juni 2022 Kenntnis von den Vernehmlassungsergebnissen und zeigte sich gewillt, einige inhaltliche Kritikpunkte bei der Erarbeitung des Entwurfs zu berücksichtigen. So wollte er den Kantonen, die sich nicht an der zentralen Plattform beteiligen wollen, die Möglichkeit zugestehen, eine eigene Plattform aufzubauen. Damit die allenfalls verschiedenen Plattformen interoperabel sind, sollen im Gesetz technische Minimalstandards festgelegt werden. Ausserdem werde der Entwurf den Kantonen und der Anwaltschaft Übergangsfristen gewähren, um die neue Kommunikationsform einzurichten. Darüber hinaus soll die Verpflichtung zur digitalen Kommunikation nicht für das Schlichtungsverfahren im Zivilprozess gelten, da die Parteien dort teilweise ohne Anwalt oder Anwältin aufträten.

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Mitte Februar 2023 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ). Es dient als gesetzliche Grundlage für eine zentrale, digitale Kommunikationsplattform für den Rechtsverkehr, die der Bund gemeinsam mit den Kantonen aufbauen will. Zu diesem Zweck soll eine Körperschaft gegründet werden, welche die Plattform aufbaut, betreibt und weiterentwickelt. An den für den Aufbau veranschlagten Kosten von CHF 28 Mio. wird sich der Bund – wie im Projekt «Justitia 4.0» vereinbart – durch das Bundesgericht zu einem Viertel beteiligen. Ein weiteres Viertel der Aufbaukosten wird durch die kantonalen Obergerichte und Justizleitungen getragen, die verbleibenden 50 Prozent von der KKJPD. Für den Betrieb und die Weiterentwicklung der Plattform rechnete die Regierung mit Kosten von CHF 7.4 Mio. pro Jahr. Diese sollen gemäss Botschaft durch Gebühren gedeckt werden. In Reaktion auf die Vernehmlassung sollen die Kantone nun aber nicht verpflichtet werden, sich an der nationalen Plattform zu beteiligen; sie sollen auch eigene Plattformen nutzen dürfen, die gesetzlich festgelegte Minimalstandards erfüllen. Im Gesetz werden insbesondere die Finanzierung und die Gebühren für die Nutzung der Plattform sowie Datenschutz- und Haftungsfragen geregelt. Um dem raschen technologischen Wandel Rechnung tragen zu können, werde auf technische Vorgaben weitestmöglich verzichtet, erklärte die Regierung in der entsprechenden Medienmitteilung.

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Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2023 als Erstrat mit dem Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ). Nach einer ausführlichen Debatte trat die grosse Kammer mit 133 zu 53 Stimmen auf den Entwurf ein. Die SVP-Fraktion stimmte geschlossen gegen Eintreten, weil die Vorlage ihrer Meinung nach unzulänglich war. Minderheitssprecher Pirmin Schwander (svp, SZ) kritisierte, dass der Entwurf den Weg für den Aufbau mehrerer paralleler Kommunikationsplattformen offen lasse, was nicht effizient sei. Ausserdem äusserte er Sicherheitsbedenken und monierte, dass ein allfälliger Totalausfall der Plattform im Gesetz nicht geregelt werde. Die Berichterstatterin der Kommissionsmehrheit, Min Li Marti (sp, ZH), zeigte sich indes überzeugt, dass die Digitalisierung in der Justiz zu einer effizienteren Zusammenarbeit zwischen den Verfahrensbeteiligten führen könne. Sie betonte zudem, dass die Vorlage von den Kantonen «ausdrücklich gewünscht und befürwortet» werde.
In der anschliessenden Detailberatung gab es lediglich zwei Minderheitsanträge. Einerseits nahm eine Minderheit Marti die schon in der Eintretensdebatte vorgebrachten Bedenken auf, dass es weder sinnvoll noch effizient sei, mehrere Plattformen parallel zu betreiben. Sie wollte diese Möglichkeit daher aus dem Gesetz streichen, während es die Mehrheit als sinnvoll erachtete, diese Option vorerst offen zu lassen. Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat stützte die Position der Kommissionsmehrheit mit 105 zu 80 Stimmen und beliess den Artikel gegen den Willen des links-grün-grünliberalen Lagers unverändert. Auch die SVP-Fraktion, die unter anderem genau damit für Nichteintreten argumentiert hatte, stimmte jetzt dagegen, diesen Artikel zu streichen. Eine weitere Minderheit Marti forderte andererseits, dass die Arbeitsverhältnisse der Angestellten der Körperschaft, die mit dem Aufbau und dem Betrieb der Plattform betraut sein wird, dem öffentlichen Personalrecht unterstellt statt privatrechtlich geregelt werden. Ausserhalb der Fraktionen der SP und der Grünen fand dieser Vorschlag jedoch keinen Anklang. Die übrigen Änderungsanträge der RK-NR waren unbestritten. Es handelte sich dabei vor allem um diverse Präzisierungen am bundesrätlichen Entwurf.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 133 zu 53 Stimmen an. Wie schon beim Eintreten votierte die SVP-Fraktion geschlossen dagegen. Abschliessend stimmte der Nationalrat stillschweigend für die Abschreibung der Motion 12.4139, die die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs gefordert hatte.

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Der Ständerat befasste sich in der Herbstsession 2024 als Zweitrat mit dem Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ). Nach einer kurzen Debatte trat die kleine Kammer mit 36 zu 5 Stimmen (3 Enthaltungen) auf den Entwurf ein. Gegen Eintreten stimmten die SVP-Exponenten des Stöcklis sowie der Grüne Matthias Zopfi (gp, GL). Minderheitensprecher Schwander (svp, SZ), in letzter Legislatur noch Nationalrat, führte die gleichen Bedenken wie schon in der nationalrätlichen Debatte an und kritisierte die geplante Ermöglichung verschiedener paralleler Kommunikationsplattformen sowie dass die Kantone solche Plattformen auch ohne Bundeshilfe erstellen könnten. Kritische Stimmen kamen auch von Stefan Engler (mitte, GR) und Beat Rieder (mitte, VS), welche die Haftung bei technischen Problemen und die tatsächlichen Einsparungen der neuen Plattform gegenüber dem heutigen Weg als ungeklärt bezeichneten.
In der anschliessenden Detailberatung gab es diverse Änderungsanträge. Unter anderem entschied der Ständerat auf Antrag seiner Kommission stillschweigend, dass im Falle einer Nichterreichbarkeit einer Plattform die Eingabe auch auf Papier vorgenommen werden kann. So soll verhindert werden, dass die Verantwortung für den Nachweis der Nichterreichbarkeit einer Plattform nicht bei den Parteien und Anwältinnen und Anwälten liegt, wie die RK-SR in ihrer Medienmitteilung schreibt. Ebenfalls auf Antrag seiner Kommission verblieb der Ständerat bei der Frage nach den Qualifikationen der Vertretungen der Kantone in der Körperschaft einstimmig beim bundesrätlichen Entwurf und schuf damit eine Differenz zum Nationalrat, welcher für mindestens ein Vorstandsmitglied pro Kanton zwingend qualifizierte Informatikkenntnisse vorschreiben wollte. Eine weitere Differenz zur Volkskammer schuf die Kantonskammer mit der Ergänzung, dass die neu gebildete Körperschaft weitere Dienstleistungen im Bezug zum elektronischen Rechtsverkehr anbieten können soll. Die weiteren Detailanträge der Rechtskommission, wie etwa die Ermöglichung der Kommunikation zwischen den Justizbehörden mit anderen Mitteln als der Plattform, waren in der kleinen Kammer unbestritten. Ebenfalls erfolgreich waren zwei Minderheitsanträge von Beat Rieder. Ersterer verlangte, dass statt der Nutzenden die Plattformen auf Antrag der Parteien Metadaten der überwiesenen Dokumente löschen oder verändern können. Erfolglos wehrte sich Justizminister Beat Jans mit dem Gegenargument, dass diese Verschiebung die Sicherung von forensisch relevanter Information unter Umständen erschwere und schlimmstenfalls die Plattform für das Verschwinden von Beweismitteln verantwortlich gemacht werden könnte. Der Ständerat folgte der Minderheit um Rieder mit 23 zu 21 Stimmen, wobei die Mehrheit mit den Stimmen von SVP, Mitte und Zopfi zustande kam. Der zweite Minderheitsantrag verlangte, dass die Registrierungspflicht für Anwältinnen und Anwälte, welche nicht forensisch sondern beratend tätig sind, aufgehoben wird. Wie Rieder erläuterte, stelle die Registration einen unnötigen Zusatzaufwand dar. Mit 33 zu 10 Stimmen folgte die kleine Kammer dem Mitte-Ständerat, Links-Grün wollte beim bundesrätlichen Entwurf und somit dem Obligatorium bleiben.
In der Gesamtabstimmung folgte der Ständerat der Empfehlung seiner Kommission und verabschiedete den veränderten Gesamtentwurf mit 37 zu 2 Stimmen (3 Enthaltungen). Die Gegenstimmen stammten von Schwander und Werner Salzmann (svp, BE), die Enthaltungen von Daniel Fässler (mitte, AI), Hannes Germann (svp, SH) und Matthias Zopfi. Das Geschäft geht nun zurück in den Nationalrat.

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