Infolge des von politisch rechtsstehenden Kreisen im Vorjahr eingereichten Referendum musste das Volk zum neuen Antirassismusgesetz Stellung nehmen. Der neue Artikel 261bis StGB will die öffentliche rassistische Hetze und Diskriminierung sowie das Leugnen und Verharmlosen von Völkermord oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verbieten. Diese Bestimmungen bilden die Voraussetzung für den Beitritt der Schweiz zur Antirassismus-Konvention der UNO.
Dieser Beitritt – der nach nur einen weiteren Schritt zu einer Vollmitgliedschaft bei der UNO darstelle – war denn auch eines der Hauptargumente in der Propaganda der verschiedenen gegnerischen Komitees. Daneben wurde von den Gegnern die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die neuen Gesetzesbestimmungen in den Vordergrund geschoben. Zudem behaupteten sie, dass mit dem neuen Gesetz Massnahmen gegen die Zuwanderung von Ausländern verunmöglicht würden. Aktiv taten sich bei den Gegnern neben notorischen Rechtsaussenpolitikern wie Emil Rahm auch die FP, die SD, die Lega sowie einzelne Nationalräte und Jungpolitiker der bürgerlichen Bundesratsparteien und der LP hervor. Aktiv an der Kampagne beteiligten sich auch sogenannte Revisionisten, d.h. Personen, welche die Judenausrottungspolitik der Nationalsozialisten leugnen oder zumindest relativieren.
Obwohl sich neben den vier Bundesratsparteien auch die LP, der LdU, die EVP, die Grünen, die PdA, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie kirchliche, kulturelle und soziale Organisationen für das Antirassismus-Gesetz aussprachen, waren sich die Befürworter ihres Sieges keineswegs sicher. Insbesondere war ungewiss, inwieweit es den Gegnern gelingen würde, die Abstimmung zu einem Plebiszit für eine restriktivere Asyl- und Einwanderungspolitik umzufunktionieren.
Bei einer Beteiligung von 45,9 Prozent stimmten am 25. September die Stimmberechtigten mit einer Mehrheit von 54.7 Prozent dem neuen Gesetz zu. Am stärksten fiel das Ja im Kanton Genf aus, zustimmende Mehrheiten fanden sich aber auch in allen anderen französischsprachigen Kantonen mit Ausnahme des Wallis, wo nur der deutschsprachige Kantonsteil zustimmte. Die Deutschschweiz war ähnlich gespalten wie bei den Abstimmungen im Sommer über die erleichterte Einbürgerung und den Kulturförderungsartikel: die beiden Basel, Zürich und Bern nahmen die Vorlage zusammen mit Schaffhausen, Zug, Graubünden und - für viele überraschend - Obwalden an. Am stärksten fiel die Ablehnung in Schwyz aus. Generell stimmten die Städte – und hier vor allem die bürgerlichen Quartiere – eher zu als ländliche Gebiete. Die Vox-Befragung nach der Abstimmung bestätigte diese ersten Analysen. Zudem stellte sie fest, dass die Frauen wesentlich deutlicher zustimmten als die Männer. Bei den Nein-Stimmenden verfing das Argument am häufigsten, dass das neue Gesetz überflüssig sei; antisemitische oder rassistische Parolen fanden auch bei den Gegnern nur eine geringe Unterstützung. Eine recht grosse Gruppe wollte hingegen mit dem Nein primär ihre Unzufriedenheit über den hohen Ausländeranteil in der Schweiz ausdrücken.
Antirassismus-Gesetz
Abstimmung vom 25. September 1994
Beteiligung: 45,9%
Ja: 1'132'662 (54,6%)
Nein: 939'975 (45,4%)
Parolen:
– Ja: FDP, SP, CVP, SVP (7*), GP, LP (1*), LdU, EVP, PdA; Vorort, SBV, SGB, CNG.
– Nein: FP, SD, Lega.
– Stimmfreigabe: EDU (1*).
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen