Übersicht 1997

Bei den vier Gesamterneuerungswahlen (GE, NE, SO und VS) kam es im Wallis und erwartungsgemäss in Genf zu neuen Regierungszusammensetzungen. Im Wallis konnte die SP erstmals in die Regierung einziehen und der "Staatspartei" CVP einen Sitz wegnehmen. In Genf zog die Linke nach vier Jahren Abwesenheit wieder in die Regierung ein, verpasste allerdings die Mehrheit. Die SP eroberte ihre beiden 1993 verlorenen Regierungssitze zurück. Überraschend schaffte ausserdem erstmals die Grüne Partei den Sprung in den Genfer Staatsrat, womit sie neu in drei Kantonsexekutiven (ZH, VD und GE) vertreten ist. Klare Verlierer der Genfer Wahlen waren die Liberalen, die gleich zwei Sitze verloren, und die CVP mit einem Sitzverlust. In Solothurn und Neuenburg blieb die Regierungszusammensetzung unverändert. Versuche der erfolgsverwöhnten SP, auch in diesen Kantonen einen Exekutivsitz hinzuzugewinnen, scheiterten. Bei den vier Ersatzwahlen kam es nur in Appenzell Ausserrhoden, wo die FDP einem Parteilosen freiwillig einen ihrer bisherigen Sitze überliess, zu einer neuen Regierungszusammensetzung. Aufgrund der Wahlen im Wallis und in Ausserrhoden - zwei Kantonen, die immer noch mehrheitlich von einer Partei dominiert werden - liess sich ein Trend weg von den absoluten Mehrheitsparteien beobachten. Rein bürgerlich regiert waren Ende Berichtsjahr - nach dem Wegfall Genfs und des Wallis - noch vier Schweizer Kantone (AI, GR, NW und OW).

Abwahlen gab es im Berichtsjahr keine, dafür wurden im Nachgang der Aufarbeitung von Affären mehrere Regierungsmitglieder von Parteien und Öffentlichkeit praktisch zum Rücktritt gezwungen. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Wallis und insbesondere Solothurn waren die Kantonalbank-Debakel Wahlkampfthema: In Solothurn musste Regierungsrat Peter Hänggi (cvp), der gemäss einer PUK als Finanzminister seine Aufsichtspflicht gegenüber der Kantonalbank nur ungenügend wahrgenommen hatte, auf Druck seiner Partei im zweiten Wahlgang auf eine erneute Kandidatur verzichten. Im Wallis trug die "Dorsaz-Affäre" dazu bei, dass die Wähler die CVP in ihrer über hundertjährigen Vormacht beschnitten. In Neuenburg wurde Polizei- und Justizminister Maurice Jacot (fdp) von seiner Partei zum Kandidaturverzicht gedrängt, weil er in der Öffentlichkeit in den Verdacht geraten war, einen seiner Partei zugehörigen Beamten gedeckt zu haben. In Genf schliesslich wurde Philippe Joye (cvp) nach privaten Vorkommnissen der Rücktritt nahegelegt; er musste dieser Forderung schliesslich nachgeben. Nicht aus Skandal-, sondern aus wahlstrategischen Gründen wurde in Genf ausserdem Claude Haegi (lp) von seiner Partei fallengelassen.

In den Kantonen Neuenburg und Waadt zog erstmals eine Frau in die Regierung ein, in der Genfer Regierung sitzen neu zwei Frauen (vorher eine). Damit holte die Romandie in Sachen Frauenanteil in den kantonalen Regierungen stark auf. Gesamtschweizerisch stieg er um drei auf 27 Vertreterinnen (von 164) bzw. 16,5% an (1996: 14,6%); zwei der neuen Vertreterinnen stellt die SP, eine die FDP. Nach wie vor stellt die FDP mit zehn (von 48 Regierungssitzen) die meisten Frauen. Gemessen am Gesamttotal ihrer Regierungssitze (33) verzeichnet aber die SP mit acht Regierungsrätinnen weiterhin den höchsten Frauenanteil (24,2%). Sechs Kantone wurden 1997 frauenlos regiert; in fünf dieser Kantonsregierungen (NW, GL, SH, GR und VS) hat noch nie eine Frau Einsitz genommen.

Ersatzwahl Staatsrat Waadt 1997

Dossier: Elections cantonales - Vaud

Im Waadtland trat Jacques Martin (fdp) aus gesundheitlichen Gründen zurück. Im ersten Wahlgang, bei dem die Stimmbeteiligung erstmals bei einer Waadtländer Regierungswahl weniger als 20% betrug, erreichte keiner der vier Kandidaten das absolute Mehr. Der Kandidatin der FDP, Jacqueline Maurer, fehlten zwar nur gerade knapp 300 Stimmen, trotzdem wurde die Tatsache, dass die einst so mächtige bürgerliche Entente nicht einmal mehr imstande ist, ihren dritten Sitz im ersten Wahlgang zu verteidigen, als Zeichen gewertet, dass sie ihre Krise noch nicht überwunden hat. Während Liberale und CVP die FDP-Kandidatin unterstützten, verzichtete die SVP auf eine Wahlempfehlung. Der SP-Kandidat Pierre-Yves Maillard erreichte 38,2% der Stimmen, während Anne-Catherine Lyon von der Renaissance Suisse Europe überraschende 9% der Stimmen holte. Der Kandidat der Liste jeune, Serge Rullier, landete weit abgeschlagen. Im zweiten Wahlgang kam es, nachdem sich Lyon und Rullier zurückgezogen hatten, zu einer Stichwahl. Jacqueline Maurer, die dieses Mal auch von der SVP unterstützt wurde, erreichte 56,4% der Stimmen und konnte als erste Frau in den Waadtländer Staatsrat einziehen. Der SP-Kandidat Maillard, der von den Grünen und der Renaissance Suisse Europe unterstützt wurde, hatte mit 43,3% der Stimmen das Nachsehen.

Staatsratswahlen Wallis 1997

Dossier: Elections cantonales - Valais

Im Wallis verzichteten gleich drei bisherige CVP-Regierungsräte auf eine Wiederwahl, womit sich insbesondere für die Sozialdemokraten eine Chance eröffnete, der seit 140 Jahren ohne Unterbruch mit absoluter Mehrheit regierenden CVP/CSP einen Sitz streitig zu machen. Ins Rennen ziehen konnten sie dabei mit einer national bekannten Figur, dem Präsidenten der SP Schweiz und Nationalrat Peter Bodenmann. Während die FDP mit dem Bisherigen Serge Sierro antrat, portierten die CVP/CSP neben dem Bisherigen Wilhelm Schnyder (csp) neu Jean-Jacques Rey-Bellet, Jean-René Fournier und Peter Furger (alle cvp). Der CVP-Dissident und ehemalige Nationalratspräsident Paul Schmidhalter, der aufgrund eines Streites um Autobahnvarianten gegen Furger kandidierte, sowie Michel Carron (parteilos), der Opfer der Bankenaffäre Dorsaz geworden war, traten als Protestkandidaten an. Im ersten Wahlgang erreichte nur gerade der Oberwalliser Schnyder das absolute Mehr. Die CVP-Kandidaten Fournier und Rey-Bellet belegten die Plätze zwei und drei, während der Bisherige Sierro den vierten Rang erreichte. Bodenmann konnte sich deutlich vor dem vierten Christlichdemokraten Furger auf Rang fünf platzieren, dem Carron und Schmidhalter auf den letzten beiden Plätzen folgten.

Der zweite Wahlgang war von taktischen Schachzügen geprägt. Um ihren vierten Sitz zu retten, bewegte die CVP Furger dazu, seine Kandidatur zurückzuziehen und stieg stattdessen für den zweiten Wahlgang mit einer Frau, der Visper Gemeindepräsidentin Ruth Kalbermatten, ins Rennen. Diese erhielt damit die Chance, als erste Frau in die Walliser Regierung einzuziehen. Um die Wahl des Freisinnigen Sierro nicht zu gefährden und um gleichzeitig eine Oberwalliser Mehrheit - das deutschsprachige Oberwallis stellt weniger als 30% der Bevölkerung - bestehend aus Schnyder, Kalbermatten und ihm selbst zu vermeiden, verlegte Bodenmann seinen Wohnsitz vom Bezirk Brig in den Bezirk Visp, die Stammlande von Kalbermatten. Da die Walliser Verfassung verbietet, dass zwei Staatsräte aus dem gleichen Bezirk stammen, musste es so zu einem Entscheid zwischen Kalbermatten und Bodenmann kommen. Damit war der FDP-Kandidat so gut wie gewählt, und die FDP sprach sich im Gegenzug offiziell für den Kandidaten der SP aus. Die Rechnung von Peter Bodenmann ging auf: Er erzielte im zweiten Wahlgang das beste Resultat und zog als erster Sozialdemokrat in die Walliser Regierung ein. Hinter ihm folgten der Freisinnige Sierro sowie die beiden CVP-Kandidaten Fournier und Rey-Bellet, die damit ebenfalls gewählt wurden. Der erstmalige Griff zum Frauenbonus ging für die CVP nicht auf: Kalbermatten, die aus Krankheitsgründen kaum einen Wahlkampf bestreiten konnte, landete auf dem fünften Platz und verpasste damit den Einzug in die Regierung. Carron belegte den letzten Platz; Schmidhalter war nicht mehr angetreten. Damit wurde die sechzigjährige Regierungsformel (4 CVP, 1 FDP) geknackt. Während die SP vom Vorwurf verschont blieb, sie hätte mit ihrem "Papiertrick" eine Frauenwahl verhindert, musste sich die CVP auch in CVP-Hochburgen Kritik an ihrem langjährigen System der Machterhaltung und Klientelwesen gefallen lassen.

Ersatzwahl Regierungsrat Glarus 1997

Dossier: Elections cantonales - Glaris

Im Kanton Glarus trat Kaspar Zimmermann (svp) altershalber zurück. Im ersten Wahlgang erreichte keiner der vier Kandidaten das absolute Mehr, der offizielle SVP-Kandidat Röbi Marti erzielte aber klar das beste Resultat vor der CVP-Kandidatin Doris Hösli-Lampe und seinen parteiinternen Rivalen Hans Peter Gisler und Paul Aebli. Im zweiten Wahlgang machte der auch von der FDP unterstützte Marti klar das Rennen. Die CVP scheiterte mit ihrer Frauenkandidatur: Hösli, die auch von der SP und den Grünen unterstützt wurde, vermochte ihren Gegenkandidaten in keiner einzigen der 29 Gemeinden zu schlagen. Im Vorjahr war sie bei Ersatzwahlen bereits Willy Kamm (FDP) unterlegen. Der Glarner Regierung gehört somit weiterhin keine Frau an; seit der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 war sechsmal eine Frauenkandidatur erfolglos geblieben.

Ersatzwahl Regierungsrat Bern 1997

Dossier: Elections cantonales - Berne

Im Kanton Bern musste SP-Regierungsrat Hermann Fehr gesundheitshalber zurücktreten. Der Sitz wurde von den bürgerlichen Parteien nicht bestritten. Dafür gab es SP-intern ein Gerangel um die Nachfolge Fehrs; gleich acht SP-Kandidatinnen und -kandidaten bewarben sich, darunter Nationalrat Rudolf Strahm und Nationalrätin Stephanie Baumann. Der Parteitag nominierte schliesslich nach einer spannenden Ausmarchung Grossrat Samuel Bhend zum offiziellen Kandidaten. Neben Bhend bewarben sich mit Christian Waber (edu), Olena Geissbühler (Bürger-Partei), André Schmutz ("Freie Sozialistische Bürgerinnen und Bürger") und dem Parteilosen Hans Rüegsegger vier Aussenseiterkandidaten. Mit 61% der Stimmen schaffte Bhend den Schritt in den Regierungsrat bei tiefer Wahlbeteiligung denn auch klar. Auf den auf streng biblischer Grundlage politisierenden Waber entfielen immerhin 24% und auf die rechtsbürgerliche Kandidatin Geissbühler 13% der Stimmen.

Staatsratswahlen Neuenburg 1997

Dossier: Elections cantonales - Genève

Aufgrund einer Affärenverwicklung musste der Bisherige Maurice Jacot (fdp) auf eine Wiederwahl verzichten. Erst danach willigten die Liberalen, die mit den Bisherigen Jean Guinand und Pierre Hirschy antraten, in eine gemeinsame Liste mit der FDP ein, die neu Ständerat Thierry Béguin portierte. Die SP trat ebenfalls mit einer Dreierliste an und blies zum Angriff auf die bürgerliche Mehrheit, obwohl sie sich mit den kleinen Linksparteien nicht auf eine gemeinsame Liste einigen konnte. Dabei hatte es die SP insbesondere auf den Sitz der skandalgeschwächten FDP abgesehen. Neben dem Bisherigen Francis Matthey schickte sie neu die bisherige Finanzdirektorin der Stadt Neuenburg, Monika Dusong, ins Rennen sowie den Gewerkschafter Jean-Pierre Ghelfi; Pierre Dubois trat zurück. Die PdA, die Umweltschützer und "Solidarités" traten mit drei eigenen Kandidaten an, während zusätzlich ein Aussenseiter kandidierte. Der Wunsch der SP, die Regierungsmehrheit zu erringen und die Verzettelung der linken Stimmen hatte zur Folge, dass sich die bürgerliche Wählerschaft geschlossen hinter ihre drei Kandidaten stellte. Im ersten Wahlgang erreichten nur die drei bürgerlichen Kandidaten das absolute Mehr; der neugewählte Béguin erzielte das Bestresultat. SP-Kandidatin Dusong, der allseits eine glanzvolle Wahl im ersten Wahlgang vorausgesagt worden war, folgte auf Platz vier, während der Bisherige Matthey mit nur rund 400 Stimmen Vorsprung auf Ghelfi auf dem fünften Platz landete. Die Gewerkschaften hatten dazu aufgerufen, die drei Kandidaten der kleinen Parteien sowie Dusong und Ghelfi zu wählen. Da für den zweiten Wahlgang nur Dusong und Matthey ihre Kandidatur aufrechterhielten, wurden sie in stiller Wahl gewählt. Mit Dusong zog auch im Kanton Neuenburg erstmals eine Frau in die Regierung ein. Diese bleibt in ihrer Zusammensetzung unverändert.

Ersatzwahl Regierungsrat Appenzell Ausserrhoden 1997

Dossier: Elections cantonales - Appenzell Rhodes-Extérieures

In Appenzell Ausserrhoden trat Hans Höhener (fdp) zurück, um für den freiwerdenden Ständeratssitz zu kandidieren. Die FDP, die nach den Wirren um die verschuldete Kantonalbank die Möglichkeit diskutiert hatte, auf eine Kandidatur zu verzichten und damit vermehrt andere Parteien in die Regierungsverantwortung einzubeziehen, nominierte als Nachfolger von Höhener schliesslich den Parteilosen Gebi Bischof. SP und SVP erhoben aber ebenfalls Anspruch auf den Regierungssitz. Während die SP Paul Vuilleumier portierte, der auch vom Bunten Ausserrhoden, dem Landesring sowie dem Gewerkschaftsbund unterstützt wurde, schickte die SVP Heinz Brunner ins Rennen. Gewählt wurde an der Landsgemeinde der Parteilose Bischof. Damit hält die FDP erstmals seit 1913 nicht mehr sechs der sieben Regierungsmandate.

Regierungsratswahlen Solothurn 1997

Dossier: Elections cantonales - Soleure

Im Kanton Solothurn kündigte sich eine spannende Ausmarchung für die Regierungsratswahlen an, nachdem sich Cornelia Füeg (fdp) nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stellte und die CVP um ihren Bisherigen Peter Hänggi zittern musste, der im Nachgang zur Kantonalbankaffäre von seinen Regierungskollegen vom Finanzdepartement zwangswegversetzt worden und zudem durch eine Verurteilung wegen Amtsmissbrauch exponiert war. Nicht zuletzt wegen dem Verantwortlichkeitsstreit um den Untergang der Kantonalbank traten die drei Parteien FDP, CVP und SP auch erstmals seit Jahren nicht auf einer gemeinsamen Liste an. Gleich zehn Kandidaten bewarben sich insgesamt um einen Regierungssitz. Während die FDP unter dem Slogan "Unbelastet regieren" neben dem Bisherigen Christian Wanner neu Ruth Gisi portierte, die den Sitz von Füeg halten sollte, trat die CVP mit ihren beiden Bisherigen Hänggi und Thomas Wallner an. Die SP, die ihren 1985 an die CVP verlorenen zweiten Regierungssitz zurückerobern wollte, stieg ausser mit dem Bisherigen Rolf Ritschard mit Doris Aebi ins Rennen. Da Aebi in der Schlussphase dem Bankrat der Kantonalbank angehört hatte, konnte die SP das Thema Kantonalbank im Wahlkampf allerdings nicht gegen die Bürgerlichen einsetzen.

Im ersten Wahlgang erreichte niemand das absolute Mehr. Deutlich an die Spitze zu setzen vermochte sich jedoch die unbelastete FDP-Kandidatin Gisi, gefolgt von den Bisherigen Wanner, Wallner, Ritschard sowie der neu portierten Aeby. Der Bisherige Hänggi landete abgeschlagen auf dem sechsten Platz, dicht gefolgt vom Kandidaten der Grünen, Cyrill Jeger, und dem Kandidaten der Freiheits-Partei, Nationalrat Roland Borer. Die beiden Aussenseiterkandidaturen Edy-Rolf Schenk und Anton Schaller waren chancenlos. Angesichts des schlechten Wahlresultats verzichtete der seit 1991 amtierende Hänggi auf einen zweiten Wahlgang, womit die CVP auf einen neuen Kandidaten setzen konnte und erwartungsgemäss Parteipräsident und Nationalrat Walter Straumann nominierte. Der "Pferdewechsel" lohnte sich für die CVP: Straumann erzielte hinter dem Bisherigen Wallner das viertbeste Resultat, womit sie ihre beiden Regierungssitze verteidigen konnte. Zufrieden sein konnte ebenfalls die FDP, die auch im zweiten Wahlgang nichts von einem Zusammengehen mit der CVP wissen wollte: Ihre Kandidatin Gisi erzielte wie im ersten Wahlgang das Spitzenresultat, gefolgt vom Bisherigen Wanner. Dagegen musste sich die SP mit der Verteidigung ihres einzigen Regierungssitzes auf dem fünften Rang zufrieden geben. Der von der SVP und dem kantonalen Gewerbeverband unterstützte FP-Kandidat Borer rückte gefährlich nahe an den Bisherigen Ritschard heran und verwies die zweite SP-Kandidatin Aebi auf den siebten Platz. Der Aussenseiterkandidat Schenk machte über 12'000 Stimmen, womit auch der zweite Wahlgang - in abgeschwächter Form - als Protestwahl bezeichnet werden konnte. Die Grünen hatten auf eine Beteiligung am zweiten Wahlgang verzichtet.

Staatsratswahlen Genf 1997

Dossier: Elections cantonales - Genève

Im Kanton Genf, wo die bürgerlichen Parteien vier Jahre zuvor dank eines zerstrittenen Linksblocks sämtliche Regierungssitze erobern konnten (3 LP, 2 CVP, 2 FDP), kündigten sich spannende Wahlen an. Die Frage lautete dabei spätestens nach der Präsentation einer bürgerlichen Fünferliste nicht mehr, ob das "homogene" Regierungsmodell beibehalten wird, als vielmehr, ob die Bürgerlichen die Regierungsmehrheit retten können. Denn das Versprechen einer gradlinigen bürgerlichen Politik hatte sich als uneinlösbar erwiesen; die Regierung war wiederholt in Volksabstimmungen gescheitert. Ausserdem war sie insbesondere in Fragen der Finanzpolitik uneinig. Zusätzliche Spannung erhielten die Wahlen durch die freiwilligen Rücktritte von Olivier Vodoz (lp) und Jean-Philippe Maitre (cvp) und die zwei unfreiwilligen Rücktritte von Philippe Joye (cvp) und Claude Haegi (lp). Joye wurde nach privaten Vorkommnissen die Unterstützung seiner Partei und der Liberalen entzogen. Haegi wurde von seiner Partei fallengelassen. Diese hatte zuvor auf einer Dreierliste bestanden und neben den Bisherigen Haegi und Martine Brunschwig Graf auch Michel Balestra zum Kandidaten nominiert. CVP und FDP, die - auch angesichts der bürgerlichen Wahlverluste bei den Parlamentswahlen - eine gemeinsame Fünferliste (2 LP, 2 FDP, 1 CVP) wollten, um sich nicht Hegemonieansprüche vorwerfen lassen zu müssen, zeigten sich verärgert und drohten mit einer eigenen Liste. Drei Wochen vor der Wahl lenkten die Liberalen auf einen Zweiervorschlag ein, opferten aber den eher im Hintergrund agierenden Haegi zugunsten des radikal auftretenden und Bankkreisen nahestehenden Balestra. Anders als die Rechte trat die Linke diesmal geschlossen auf. Die SP liebäugelte zwar mit drei Kandidaturen, schliesslich stimmte sie aber einer gemeinsamen Fünferliste zu, auf der je zwei Kandidaten der SP und der Linksallianz (PdA, Solidarités und unabhängige Sozialisten) sowie ein Grüner vertreten waren. Der frühere SP-Stadtrat und heutige Nationalrat Christian Grobet, der 1993 massgeblich zum Ausschluss der Linken aus der Regierung beigetragen hatte, kandidierte für die Linksallianz.

Die Stimmbeteiligung war mit gut 48% ungewöhnlich hoch und führte zu Überraschungen und einer völlig veränderten Regierungszusammensetzung (2 FDP, 2 SP, 1 CVP, 1 GP, 1 LP). Die Bürgerlichen konnten die Regierungsmehrheit mit vier Sitzen aber retten. Das beste Resultat erreichte Guy-Olivier Segond (fdp), knapp gefolgt von den beiden SP-Kandidaten Micheline Calmy-Rey und, mit grossem Abstand, Laurent Moutinot. Damit eroberte die SP ihre 1993 verlorenen zwei Regierungssitze zurück. Platz vier belegte Gérard Ramseyer (fdp), womit die Freisinnigen ihre beiden Bisherigen problemlos durchbrachten. Überraschend folgte danach der Kandidat der Grünen, Anti-AKW-Anwalt Robert Cramer, was den Grünen erstmals den Einzug in die Genfer Regierung bescherte. Er schlug sogar die Bisherige Brunschwig Graf (lp), die auf dem enttäuschenden sechsten Platz landete. Den letzten zu vergebenden Regierungssitz konnte überraschend Carlo Lamprecht für die CVP retten. Der Partei, die im voraus auf einen ihrer beiden bisherigen Sitze verzichtet hatte, war allgemein das Ausscheiden aus der Regierung vorausgesagt worden. Die Kandidatin der Links-Allianz, Erica Deuber-Pauli, verlor auf Lamprecht über 2000 Stimmen. Die grossen Verlierer dieser Wahlen waren die Liberalen, die als stärkste Partei im Grossen Rat zwei ihrer drei Regierungssitze verloren. Die Wähler goutierten ihr Wahlscharmützel offensichtlich nicht.

Damit ging das erstmals in einem Kanton mit einer relativ starken Linken gestartete Experiment einer bürgerlichen Koalitionsregierung nach vier Jahren zu Ende, und Genf kehrte vom Konkurrenz- zum Konkordanzmodell zurück. Dass die kompromisslos auftretenden Grobet und Balestra abgeschlagen auf den Plätzen neun und zehn landeten, zeigt auf, dass die Wähler der Grabenkämpfe müde waren und eine Regierung der Mitte wünschten. Nach Vorbild der französischen Nachbarn boten sie aber Hand zu einem neuen Experiment: einer Kohabitation von bürgerlicher Exekutive und linker Legislative.