Die absehbare Einführung der US-Regulierungen des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) beschäftigte im Berichtsjahr weniger das Parlament als vielmehr die Schweizer Diplomatie. In seiner ursprünglichen Form sah FATCA für alle potenziell in den USA steuerpflichtigen Kunden eine Datenmeldung an die US-Steuerbehörde (IRS) durch die betreuenden Finanzintermediäre vor. Im Falle einer Nicht-Zustimmung zur Datenmeldung durch einen betroffenen Kunden sollten alle US-Zahlungen an diesen sogenannt „unkooperativen“ Kunden mit eine Quellsteuer von 30% belegt werden. Zusätzlich waren in diesem Fall die Einfrierung der betroffenen Kundengelder und die anschliessende Saldierung der entsprechenden Konti vorgesehen. Von der Meldepflicht ausgenommen werden sollten unter anderem Lokalbanken, deren Kunden zu mindestens 98% aus dem Inland stammten. Diese Institute wurden a priori als FATCA-konform angesehen. International stiess FATCA wegen seiner extraterritorialen Wirkung auf Kritik, vor allem weil die Regelung häufig im Konflikt mit den lokalen Rechtsordnungen stand. Zusätzlich bemängelten Finanzverbände die unverhältnismässig hohen Kosten der Umsetzung. Für die Schweiz war besonders stossend, dass kaum eine Lokalbank mindestens 98% Schweizer Kundenbeziehungen unterhielt, weil viele Banken Kunden im grenznahen Ausland betreuten. Derweil wurden den EU-Finanzinstituten die Bürger sämtlicher Mitgliedsstaaten als inländische Kunden angerechnet. Das bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und den USA, das Ende 2012 paraphiert wurde, sah für den Schweizer Finanzplatz verschiedene Erleichterungen bei der Umsetzung von FATCA vor. Unter anderem wurde die Meldungspflicht von potenziell in den USA steuerpflichtigen Personen auf 1.1.14 verschoben. Zusätzlich wurden Sozialversicherungen, Pensionskassen sowie Sach- und Schadenversicherungen von FATCA ausgenommen. Lokalbanken, deren Kunden zu mindestens 98% aus der Schweiz oder der EU stammten, wurden ebenfalls als a priori FATCA-konform angesehen, was einer faktische Ausnahme von der Meldepflicht entsprach und den befürchteten Wettbewerbsnachteil gegenüber Finanzintermediären aus dem EU-Raum abwendete. Im Gegenzug wurde den Schweizer Lokalbanken verboten, US-Kundengelder abzulehnen. Die wichtigste Regelung betraf jedoch die Datenlieferung an die USA, weil diese nach ursprünglichem Abkommen im Konflikt mit dem schweizerischen Bankkundengeheimnis gestanden hätte. Der Vertrag sah vor, dass Schweizer Finanzintermediäre direkt Kundeninformationen in die USA übermitteln sollten, falls der Kunde der Datenlieferung zustimmte. Andernfalls war, im Gegensatz zur erlassenen FATCA-Regelung, weder ein Quellsteuerabzug auf US-Wertschriften noch die Schliessung der betroffenen Kundenkonti vorgesehen. Allerdings verpflichteten sich die Finanzdienstleister in diesem Fall dazu, aggregierte Informationen zu den unkooperativen Kunden an die USA zu übermitteln, worauf diese ein Amtshilfegesuch an die Schweizer Behörden stellen konnten (Gruppenanfrage mit spezifischen Verhaltensmuster, in diesem Falle die Nicht-Zustimmung zur Offenlegung der Konti). Die Schweizer Behörden konnten darauf die Herausgabe der Kundeninformationen verfügen. Bundesrätin Widmer-Schlumpf anerkannte, dass die gefundene Lösung zwar formell keinem automatischen Informationsaustausch entsprach, faktisch diesem aber sehr nahe kam. Für die internationale Verhandlungsposition bezüglich des von der Schweiz gegenüber dem automatischen Informationsaustausch bevorzugten Abgeltungssteuerkonzepts war es offentsichtlich wichtig, formell keinem automatischen Informationsaustausch zuzustimmen. Dies scheint mit ein Grund zu sein, weshalb die Schweiz auf Reziprozität verzichtete, also von den USA keine Datenlieferungen zu in der Schweiz steuerpflichtigen Personen erhalten wollte. Mit dem FATCA-Vertrag setzen sich die eidgenössischen Räte ab 2013 auseinander.
- Mot-clés
- Date
- 3 décembre 2012
- Type
- Débat public
- Acteurs
- Sources
-
Afficher
- EFD Medienmitteilung vom 21.6.12; NZZ, 18.5., 22.6., 17.11. und 5.12.12.
de Fabio Canetg
Modifié le 16.02.2016
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