Finanzplan 1978–1980 (BRG 77.009) & Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes (BRG 77.010)

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Um das Planziel auf der Ausgabenseite einhalten zu können, schlug der Bundesrat in einer gleichzeitig mit dem Finanzplan veröffentlichten Botschaft über «Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes» vor, mit der Revision von 36 Einzelerlassen auf Gesetzesstufe sowie von zwei Bundesbeschlüssen die jährlichen Ausgaben um etwa CHF 500 Mio. zu kürzen. Dazu sollten die schon seit 1975/1976 in Kraft stehenden sowie die im Zusammen mit den Beratungen des Budgets 1977 beschlossenen Kürzungen im Transferbereich (Überweisungen an andere Haushalte) in ordentliches Dauerrecht übergeführt und mit verschiedenen Massnahmen – unter anderem in den Bereichen Verkehr, Krankenversicherung und Konsumsubventionen – ergänzt werden. Im eigenen Kompetenzbereich wollte der Bund zudem durch eine Beschneidung der Investitionstätigkeit sowie durch die Weiterführung des Personalstopps mit dem guten Beispiel vorangehen.

Mit dem Nein zum Finanzpaket wurde der Einnahmenschätzung der mittelfristigen Finanzplanung, die im Frühjahr vom Parlament verabschiedet worden war, im nachhinein die Grundlage entzogen. In dem im Februar vom Bundesrat vorgelegten Finanzplan für die Jahre 1978–1980 war vorgesehen, mit Mehreinnahmen über die Mehrwertsteuer (MWSt) und einer Begrenzung des Ausgabenwachstums auf das Mass der wirtschaftlichen Entwicklung bis 1979 das Gleichgewicht im Bundeshaushalt wiederherzustellen. Damit ging die Regierung sogar über die Ziele der im Dezember 1976 von den eidgenössischen Räten überwiesenen Sparmotion hinaus, welche einen ausgeglichenen Finanzhaushalt bis 1980 gefordert hatte.

Im März nahm das bundesrätliche Sparpaket die erste parlamentarische Hürde (Nationalrat). Ein Antrag des Wirtschaftswissenschafters Schmid (sp, SG), die Vorlage sei aus konjunkturpolitischen Gründen zurückzuweisen, wurde eindeutig verworfen. In der Detailberatung gab vor allem die vorgeschlagene Kürzung der Bundessubventionen für die Krankenkassen zu Diskussionen Anlass. Ein Kompromissvorschlag der sozialdemokratischen Fraktion, anstelle einer Plafonierung das Subventionswachstum auf vier Prozent im Jahr zu beschränken, scheiterte jedoch ebenso klar wie Vorstösse, die den Subventionsabbau in den Bereichen Unterricht, Turnen und Sport, Wohnbauförderung, Viehzucht, Naturschutz und Verkehr mildern oder verhindern wollten. Nur in einem einzigen Punkt folgte der Rat nicht dem Antrag der Regierung: Er strich die neu vorgesehenen Beiträge der Kantone zur Deckung des Reisepostdefizits. Gesamthaft konnten die im ursprünglichen Finanzplan vorgesehenen Ausgaben für die Jahre 1978 und 1979 um CHF 500 bzw. 600 Mio. reduziert werden. Vom Finanzplan nahm der Rat gegen die Opposition der Fraktion der PdA Kenntnis. Gleichzeitig lehnte er eine Motion Carobbio (psa, TI) ab, die die Ausgaben für die Landesverteidigung in den Jahren 1978–1980 auf jährlich höchstens CHF drei Mrd. beschränken wollte.

Nachdem auch der Ständerat in einer Sondersession im Mai dem Sparpaket nahezu oppositionslos zugestimmt hatte, schien ein wichtiges Ziel der Sparübungen, ein günstiges Klima für die Abstimmung vom 12. Juni zu schaffen, erreicht. Das politisch einflussreiche «Aktionskomitee für einen sparsamen Bundeshaushalt», das im Frühjahr sein Ja zur Mehrwertsteuer (MWSt) von massiven Einsparungen in der Grössenordnung von CHF 800 Mio. abhängig gemacht hatte, erklärte sich denn auch von der Sparübung befriedigt. Einige seiner Mitglieder wollten aber mehr. Unter Führung ihres Präsidenten Nationalrat Letsch (fdp, AG), starteten sie eine intensive Kampagne gegen das Finanzpaket. Noch bevor das Volk sich am 12. Juni gegen erhöhte Bundeseinnahmen aussprach, wurde zudem bekannt, dass auch zu den vom Parlament beschlossenen Einsparungen noch nicht das letzte Wort gesprochen war. PdA, PSA und POCH hatten gemeinsam das Referendum gegen das Sparpaket ergriffen; innerhalb von weniger als drei Monaten konnte die nötige Anzahl Unterschriften beigebracht werden.

Finanzplan und Botschaft wurden im grossen und ganzen gut aufgenommen. Zwar wandten sich einzelne Gruppierungen gegen den geplanten Leistungsabbau in ihrem Interessenbereich, die Mehrheit der sich äussernden Parteien und Verbände zeigte sich aber bereit, für die Sanierung der Bundesfinanzen Opfer zu erbringen. Anderer Meinung als die meisten Politiker waren die Nationalökonomen. In ihrer Mehrheit hielten sie die rasche Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichtes für konjunkturwidrig. In einer rezessiven Wirtschaftsphase solle der Staat mit zukunftsgerechten Investitionsprogrammen die binnenwirtschaftliche Nachfrage anregen. Gerade in diesen Bereichen (Verkehr) schlage der Bundesrat aber prioritäre Kürzungen vor. Eine zusätzliche Verschuldung sei durchaus zu verantworten: Die Defizite liessen sich über den ergiebigen Kapitalmarkt befriedigen, ohne die private Nachfrage zu benachteiligen, und der Anteil der öffentlichen Verschuldung am Volkseinkommen weise noch keine besorgniserregende Relation auf. Der «pressure group der Objektivität» wurde entgegengehalten, dass es darum gehe, politische Prioritäten gegen den Imperativ des ökonomisch Richtigen abzuwägen. Das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben müsse längerfristig aus der Welt geschafft werden. Steuererhöhungen hätten aber nur dann eine Chance, vom Volk angenommen zu werden, wenn man sie mit einer Ausgabendrosselung kombiniere. Eine antizyklische Konjunkturpolitik sei zudem auch wissenschaftlich nicht über jeden Zweifel erhaben.

Das Sparpaket kam am 4. Dezember zur Abstimmung. Überraschend entschieden sich auch der Gewerkschaftsbund und die SPS für die Nein-Parole. Die Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktion hatte im Frühjahr der «volkswirtschaftlich fragwürdigen, politisch bitteren, psychologisch unvermeidlichen» Vorlage aus abstimmungstaktischen Gründen zugestimmt. Im Sommer beschloss der Parteivorstand zudem auf die Unterstützung des Referendums zu verzichten. Nachdem das Finanzpaket aber abgelehnt worden war und sich die bürgerlichen Koalitionspartner bei den «Finanzmassnahmen 77» (BRG 77.055) wenig konzessionsfreudig gezeigt hatten, machten die Sozialdemokraten linksumkehrt. Zusammen mit den Parteien der äussersten Linken kritisierten sie vor allem die geplanten Einsparungen bei den Bundesbeiträgen an die Krankenkassen. Demgegenüber appellierten die Befürworter der Vorlage an den Willen zum Sparen und betonten, dass nur ein haushälterischer Staat vor Steuererhöhungen schütze. Die Argumente der Einheitsfront der bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbände hatten mehr Erfolg. Bei einer Stimmbeteiligung von 38 Prozent wurde das Sparpaket mit 869'266 zu 523'125 Stimmen angenommen.


Abstimmung vom 4. Dezember 1977

Beteiligung: 38.15%
Ja: 869'266 (62.4%)
Nein: 523'125 (37.6%)

Parolen:
– Ja: CVP, EVP, FDP, LdU (1*), LPS, REP, SD, SVP, eco, SAV, SBV, SGV.
– Nein: PdA, POCH, SPS, SGB, TravS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Damit wurde zumindest eines der beiden im Finanzplan festgelegten Ziele, die Bremsung des Ausgabenwachstums, erreicht. Die angestrebte Sanierung der Bundesfinanzen hingegen ist durch das Nein zur Mehrwertsteuer (MWSt) vereitelt worden. Als Überbrückungsmassnahme stellte der Bundesrat schon wenige Wochen nach dem negativen Volksentscheid eine Erhöhung der Warenumsatzsteuer (Wust) in Aussicht. Im September liess der Chef des EFZD, Bundesrat Chevallaz, jedoch durchblicken, dass die Regierung wahrscheinlich bereits 1978 eine neue Finanzvorlage mit einer reduzierten MWSt präsentieren werde. Verschiedene Organisationen hatten sich in der Zwischenzeit gegen den ursprünglichen Plan ausgesprochen.