Bundesrätin Dreifuss hatte den starren Vertragszwang im ambulanten Bereich nur mittelfristig aufheben wollen. Ihr Nachfolger im EDI, Bundespräsident Couchepin, machte hingegen gleich nach seinem Amtsantritt Dampf in dieser Sache. Anstatt einer generellen Aufhebung des Vertragszwangs zwischen Ärzteschaft und Versicherern brachte er ein neues Modell in die Diskussion, das von der vorberatenden Kommission des Ständerates noch verfeinert wurde. Demnach sollten die Kantone festlegen, wie viele Leistungserbringende der einzelnen Sparten es unter Berücksichtigung des Angebots in den Nachbarkantonen auf ihrem Gebiet braucht. Die Krankenversicherer sollten lediglich noch verpflichtet sein, mit mindestens dieser Zahl von Leistungserbringern zusammenzuarbeiten, und zwar mittels Verträgen von jeweils vier Jahren und einer Kündigungsfrist von 18 Monaten vor Auslaufen des Vertrags. Bereits zu Lasten der sozialen Krankenversicherung praktizierende Ärztinnen und Ärzte sollten bei Inkrafttreten der Gesetzesrevision Anrecht auf einen ersten Vertrag von vier Jahren haben. Alte Patientinnen und Patienten mit einer langjährigen Arztbeziehung und einem schweren Leiden sollten ihren Arzt aber auf jeden Fall behalten können. Ärzte, die sich in einem kostengünstigen Netzwerk mit Budgetverantwortung zusammenschliessen, sollten beim Abschluss eines Vertrages von den Versicherern bevorzugt werden. Die Kommission wollte den Übertritt der Versicherten in die Netzwerke dadurch fördern, dass für diese der Selbstbehalt bei 10% belassen, für alle anderen Versicherten auf 20% angehoben werden sollte. Das Plenum des Ständerates, das sich bereits 2001 grundsätzlich für die Aufhebung des Vertragszwangs ausgesprochen hatte, stimmte dem neuen Modell oppositionslos zu.
Der Nationalrat, der im Vorjahr eine Aufhebung des Vertragszwangs noch abgelehnt hatte, sagte nun mit 153 zu 18 Stimmen Ja zum neuen Modell, schwächte die Lockerung allerdings noch etwas ab. Er entschied, dass chronisch Kranke ihren Arzt behalten dürfen, auch wenn dieser mit ihrer Kasse keinen Vertrag mehr hat. Ärztenetze mit Budgetverantwortung sollten von den Kassen nicht nur bevorzugt, sondern automatisch mit einem Vertrag versehen werden. Auf Antrag der SVP, die argumentierte, damit würde die freie Arztwahl „bestraft“, verzichtete er aber mit 134 zu 23 Stimmen auf eine Anhebung des Selbstbehaltes für die Versicherten in traditionellen Versicherungsformen.
Da er den Anreiz für einen Wechsel zu den besonderen Versicherungsformen unbedingt aufrechterhalten wollte, beschloss der Ständerat mit 24 zu 10 Stimmen Festhalten. Er signalisierte aber zuhanden der sich abzeichnenden Einigungskonferenz gleichzeitig seine Bereitschaft, die Verdoppelung des Selbstbehalts nicht im Gesetz zu verankern, sondern nur festzuschreiben, dass eine Differenzierung erfolgen muss, deren Ausmass aber der Kompetenz des Bundesrates zu überlassen. Diese Lösung setzte sich in der Einigungskonferenz dann auch durch. Da die 2. KVG-Revision im Nationalrat definitiv scheiterte, sind diese Beschlüsse hinfällig.
Noch bevor die parlamentarischen Beratungen abgeschlossen waren, beschloss die Ärztekammer der FMH, wegen der Lockerung des Vertragszwangs das Referendum zu ergreifen
Dossier: Réduction de primes