Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ (BRG 13.079)

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La chancellerie fédérale a validé en examen préliminaire l’initiative populaire « Pour une caisse publique d’assurance-maladie » visant à instaurer une institution nationale unique représentant la Confédération, les cantons, les assurés et les fournisseurs de prestations et à créer des agences cantonales ou intercantonales chargées de fixer et d’encaisser les primes calculées par canton en fonction des coûts réels de l’assurance-maladie ainsi que de payer les prestations. Elle a été lancée par une coalition des partis de gauche et d’associations de consommateurs. Le délai de récolte des signatures est le 1er août 2012. Les initiants attaquent une concurrence considérée comme illusoire que se livrent les caisses-maladie privées dans l’assurance de base, critiquent l’opacité du système notamment dans le calcul des primes et jugent les frais administratifs et de promotion coûteux et inutiles. Le comité d’initiative considère que l’initiative permet une économie de 200 à 400 millions de francs et surtout qu’elle instaure un système vertueux orienté vers la prévention. Le PLR et Santésuisse s’y sont déjà montrés hostiles.

Dossier: Interventions pour des caisses-maladie uniques (depuis 1998)

Die im Vorjahr lancierte Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ ist im Frühling des Berichtsjahrs zustande gekommen und provozierte ein breites Medienecho. Unter anderem wurde der Vorwurf laut, die frühe Einreichung der Unterschriften sei ein Mittel im Abstimmungskampf gegen die Managed-Care-Vorlage, der die Mehrheit des Initiativkomitees kritisch gegenüberstand. Auf die politische Agenda gelangte das Thema auch nach der Ablehnung von Managed Care am 17. Juni, als eine Debatte zu möglichen Alternativen in Gang kam. Alain Berset, der sich bei der Frage nach einer Einheitskrankenkasse in seiner Rolle als Gesundheitsminister gegen die eigene Partei stellen musste, regte einen indirekten Gegenvorschlag an und schlug einen verbesserten Risikoausgleich, eine stärkere Trennung von Grund- und Zusatzversicherung sowie die Einrichtung eines Ausgleichsfonds für chronisch Kranke und andere besonders kostenintensive Patienten vor. Letzteres war bereits im Vorjahr aufgrund zweier Postulate im Nationalrat diskutiert worden. Insgesamt sollte aus den drei Vorschlägen eine Reduktion der Prämienunterschiede resultieren. Die bürgerlichen Parteien sprachen sich bereits gegen Initiative und Gegenvorschlag aus, dem Initiativkomitee und der SP erschien der Gegenvorschlag als zu wenig stichhaltig. Die Krankenkassenverbände zeigten sich gegenüber einem verfeinerten Risikoausgleich offen, äusserten sich aber kritisch gegenüber den beiden anderen Punkten. Der Gegenvorschlag wird voraussichtlich 2013 in die Vernehmlassung gehen. In der Wintersession reichte ein in beiden Räten breit abgestütztes bürgerliches Komitee eine Motion Schwaller (cvp, FR) ein, welche eine rasche Volksabstimmung über die Initiative ohne Gegenvorschlag fordert. Die Motion wurde im Berichtsjahr von den Räten noch nicht behandelt.

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Die im Vorjahr eingereichte Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ erregte im Berichtsjahr grosse Aufmerksamkeit auf dem politischen und medialen Parkett. Im Dezember 2012 hatten im Nationalrat alle vier bürgerlichen Fraktionen, sowie im Ständerat Urs Schwaller (cvp, FR) insgesamt fünf gleichlautende Motionen eingereicht, welche eine rasche Volksabstimmung über die Initiative ohne Gegenvorschlag verlangen. Zusammengezählt hatte über die Hälfte der Parlamentsmitglieder mindestens eine dieser Motionen unterschrieben. Trotzdem beschloss der Gesamtbundesrat im Februar des Berichtsjahres, einen Entwurf für einen indirekten Gegenvorschlag zur Einheitskassen-Initiative in die Vernehmlassung zu schicken. Dieser konzentriert sich auf die bereits zuvor angekündigten Elemente: Einen verfeinerten Risikoausgleich mit zusätzlichen Kriterien, eine Trennung von Grund- und Zusatzversicherung zur Verhinderung von Geld- und Informationsflüssen zwischen den beiden Bereichen innerhalb eines Versicherungsunternehmens und – zentral – die Einrichtung eines von allen Versicherern proportional zur Anzahl Versicherter gespiesenen Hochrisikopools für besonders teure Behandlungen. Als speziell umstritten stellte sich der letzte Punkt heraus. Bürgerliche Kreise, Krankenversicherer und Wirtschaftsverbände warfen dem Gesundheitsminister vor, mittels einer umfassenden Rückversicherung die „Einheitskasse light“ einführen zu wollen. Zudem wurde das Vorgehen Bersets und des bürgerlich dominierten Gesamtbundesrats, einen im Parlament offensichtlich chancenlosen Gegenvorschlag in die Vernehmlassung zu schicken, kritisiert. In der Frühjahrssession, als sich der Gesetzesentwurf also noch in der Vernehmlassung befand, behandelten die jeweiligen Ersträte die Motionen. Die Befürworter der Motionen argumentierten dabei primär inhaltlich. Die Initiative führe nicht zu einer Kostendämpfung, im Gegenteil entfalle mit der Konkurrenz unter den Kassen auch der Sparanreiz und der Anreiz für die Versicherten, mit den Leistungserbringern für die Patienten vorteilhafte Tarife auszuhandeln. Grundsätzlich sei ein derartig tiefer Eingriff in das liberal funktionierende Modell abzulehnen, weshalb auch ein Gegenvorschlag hinfällig sei. Die Initiative blockiere zudem den Weg für sinnvolle Reformen des Systems, weshalb sie mittels rascher Volksabstimmung möglichst schnell ad acta gelegt werden solle. Die Vorstossgegner indes, SP, Grüne und Grünliberale sowie Gesundheitsminister Berset, führten staatsrechtliche Vorbehalte gegen das Vorgehen der Motionäre an. In beiden Räten wurden die Motionen deutlich angenommen. Kurz nach Abschluss der Vernehmlassung bestätigten beide Kammern in der Sommersession ihre bereits geäusserte Haltung und überwiesen alle fünf Motionen. Auch in der Vernehmlassung stiess der indirekte Gegenvorschlag – trotz Zustimmung zu einzelnen Elementen – als Ganzes mehrheitlich auf Ablehnung. Insbesondere wurde die Einrichtung eines Hochrisikopools stark kritisiert.

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Der Bundesrat beschloss aufgrund der Ablehnung eines indirekten Gegenvorschlags durch das Parlament und der negativen Reaktionen in der Vernehmlassung, die Botschaft zur Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ bereits in der Herbst- und nicht wie geplant erst in der Wintersession vorzulegen. Damit würde eine Abstimmung noch im Jahre 2014 und nicht erst, wie von bürgerlichen Parteien befürchtet, im Wahljahr 2015 möglich. Die Regierung beantragte den Räten lediglich, die Initiative dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen und damit verbundene parlamentarische Vorstösse abzuschreiben. Als Erstrat behandelte der Ständerat die Botschaft in der Wintersession. Nachdem der Nationalrat wenige Tage zuvor den Gesetzesentwurf zur Aufsicht über die soziale Krankenversicherung an den Bundesrat zurückgewiesen hatte, kam es trotz der klaren Mehrheitsverhältnisse zu einer längeren Debatte, in der mehrere Volksvertreter aus Mitteparteien angaben, Sympathien für die Einheitskasse zu hegen. Die bürgerliche Mehrheit der Kommission für Gesundheit und Soziales des Ständerates (SGK-S) beantragte jedoch, die Initiative abzulehnen. Die Möglichkeiten für Kosteneinsparungen bei einer Einheitskasse seien gering, da bereits beim aktuellen System die Verwaltungskosten weniger als 5% der totalen Kosten ausmachten. Wegfallen würden allein die Marketing- und ein Teil der Wechselkosten. Diese Einsparungen stünden aber in keinem Verhältnis zu den hohen Kosten der Einrichtung einer Einheitskasse. Zudem würde im neuen System höchstwahrscheinlich der Leistungsbezug ausgeweitet, was zu höheren Prämien für die Versicherten und höheren Ausgaben der öffentlichen Hand zur Gewährleistung der Prämienverbilligung führe. Hauptargument gegen die Einheitskasse sei aber der Verlust des Wahlrechts der Versicherten im Falle von Unzufriedenheit. Die Monopolsituation und mögliche Interessenskonflikte der Führungspersonen der Einheitskasse, unter denen auch Vertreter der Kantone und der Leistungserbringer wären, würden zu Ineffizienzen bei der Behandlung und zu hohen Tarifen führen. Die kantonal einheitliche Prämie sei angesichts grosser Unterschiede zwischen Stadt und Land nicht angemessen. Nicht zuletzt würden Doppelspurigkeiten zwischen der für die Grundversicherung zuständigen Einheitskasse und den weiterhin bestehenden privaten Anbietern von Zusatzversicherungen zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand bei Kassen und Leistungserbringern führen. Weitere Gegner aus dem bürgerlichen Lager ergänzten, der angestrebte Systemwechsel sei ein grosses Risiko, das es nicht einzugehen gelte, und der internationale Vergleich zeige, dass ein staatliches Monopol zu einer schlechteren Versorgungsqualität führe. Eine Minderheit Rechsteiner (sp, SG) beantragte, die Initiative anzunehmen. Da die Leistungen der obligatorischen Grundversicherung im Gesetz abschliessend geregelt und das Erwirtschaften eines Gewinns nicht erlaubt sind, sei ein Wettbewerb unter den derzeit 61 Kassen in Bezug auf die Leistungen auch heute gar nicht möglich. Die einzige Konkurrenzmöglichkeit bestehe für die Versicherer daher darin, sich gegenseitig die guten Risiken abzujagen. Dies sei ein Nullsummenspiel, verursache jedoch hohe Marketing- und Wechselkosten von CHF 300 bis 500 Mio. jährlich. Die Marketingaktivitäten in Form von Telefonanrufen seien nicht zuletzt ein Ärgernis für die Versicherten. Eine Einheitskasse sei effizienter, günstiger und transparenter. Sie würde sich zudem nachhaltiger und sorgfältiger um die Behandlung der Versicherten kümmern, da sie wisse, bis an deren Lebensende für sie verantwortlich zu sein. Bis heute würde eine wirksame Aufsicht über die soziale Krankenversicherung fehlen, was durch die ebenfalls störende intensive Lobbyarbeit der Versicherungsunternehmen weiter verhindert werde. Schliesslich folgte der Rat dem Antrag der Kommissionsmehrheit und lehnte die Initiative mit 28 zu 13 Stimmen ab, wobei sich die drei Mittepolitiker, welche sich in der Beratung positiv zur Einheitskasse geäussert hatten, ihrer Stimme enthielten. Die Beratung im Nationalrat wird 2014 stattfinden.

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In der Frühjahrssession 2014 beriet der Nationalrat die Botschaft zur Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“, die der Ständerat im Vorjahr angenommen hatte. Obwohl der Entscheid schliesslich deutlich zugunsten des vom Bundesrat erarbeiteten und vom Erstrat angenommenen Entwurfs ausfiel, gestaltete sich die Debatte äusserst ausführlich. Die Trennung in ein befürwortendes und ein gegnerisches Lager sowie die Argumentation vollzogen sich dabei entlang ähnlicher Linien wie zuvor bereits im Ständerat. Die vorberatende Kommission beantragte dem Rat, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Ihr Sprecher betonte die Wichtigkeit der freien Kassenwahl für das System, da es die Kassen zwinge, im Wettbewerb zu bestehen und möglichst günstige Prämien anzubieten, ein Anreiz, der bei einer Einheitskasse wegfallen würde. Im Falle einer Monopolstellung müsste mit politisch motivierten Defiziten wie bei der IV und ALV gerechnet werden, die längerfristig mit Leistungskürzungen und Steuergeldern korrigiert werden müssten. Aufgrund des fehlenden Wettbewerbs seien steigende Prämien und Staatsbeiträge zu befürchten, und die Umsetzungskosten bewegten sich laut einer Schätzung um CHF 2 Mrd. Eine Minderheit Fehr Jacqueline (sp, ZH) beantragte im Namen der SP-Fraktion und des Initiativträgervereins, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Das derzeitige Krankenversicherungssystem habe gar nie funktioniert, wovon jährlich steigende Prämien, eine sich verschärfende Risikoselektion und hohe Werbekosten zeugten. Die Mengenausweitung sei eine natürliche Folge des Wettbewerbs. Das System werde immer komplizierter und seine Einheiten arbeiteten primär im eigenen Interesse und zum Nachteil der Patientinnen und Patienten. Mit einer Verbesserung sei ohne Einheitskasse nicht zu rechnen. Die öffentlich-rechtliche Krankenversicherung, aufgezogen anhand des Modells Suva, würde dagegen Kosten einsparen können, indem sie sich nachhaltig um ihre Patientinnen und Patienten kümmere, anstatt darauf hinzuarbeiten, diese loszuwerden. In der weiteren Debatte betonten die bürgerlichen Gegnerinnen und Gegner, das Volk habe die Idee einer Einheitskasse schon mehrfach an der Urne abgelehnt. Eine Einheitskasse bringe keine Kostensenkung, da sie an der Mengenausweitung, welche den zentralen Kostentreiber im System darstelle, nichts verändere. Im Gegenteil würde die Monopolstruktur zu Qualitätseinbussen führen, da diese nicht mehr durch den Wegzug der Versicherten sanktioniert werden könnten. Die in der Initiative vorgesehenen kantonalen Einheitsprämien seien eine Fehlkonstruktion und würden für die ländliche Bevölkerung, welche nachweislich tiefere Kosten verursache, massive Prämiensteigerungen bedeuten. Die Einheitskasse sei auch in der Position, die freie Arztwahl einzuschränken, wie dies bereits bei der Suva oft der Fall sei. Es gelte schliesslich, das bewährte Versicherungssystem – unter anderem mittels noch hängiger Vorstösse – zu optimieren und nicht zugunsten eines Experiments mit ungewissem Ausgang aufs Spiel zu setzen. Die Befürworter hielten dagegen, das System sei unnötig kompliziert: 60 verschiedene Kassen und eine grosse Anzahl verschiedener Versicherungsmodelle seien bei identischen Leistungen und dem Verbot, mit der Grundversicherung einen Gewinn zu erzielen, nicht sinnvoll. Die fehlende Trennung zwischen Grund- und Zusatzversicherung führe zu fortlaufender Verwirrung und erleichtere die Risikoselektion der Kassen. Der Risikoausgleich, der die Selektion einschränken sollte, sei unvollständig, kompliziert und teuer. Die hohen Reserven von rund CHF 6 Mrd. stellten eine Verschwendung von Prämiengeldern dar, die Festsetzung der Prämienhöhe durch die Kassen sei intransparent und oft inadäquat. Die hohen Prämienunterschiede zwischen Versicherten im selben Kanton seien ungerecht und müssten durch kantonale Einheitsprämien im Rahmen der Einheitskasse behoben werden. Auch die alljährlichen Kassenwechsel mit ihren hohen Kosten würden durch das Einheitssystem wegfallen. Die Aufsicht über das derzeitige System sei komplex und ungenügend, werde aber aufgrund der im Parlament gut vertretenen Interessen der Versicherer nicht verbessert. Nur durch eine staatliche Einheitskasse, welche einen Service Public für ihre Versicherten darstelle, liesse sich diese lange Liste von Problemen beheben, so die Initiativbefürworter aus dem links-grünen Lager. Am Ende der Debatte sprachen sich 124 Ratsmitglieder für den Antrag der Mehrheit aus, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen, 61 stimmten für die Empfehlung auf Annahme der Initiative, bei einer Enthaltung. Die fünf gleichlautenden Motionen, welche eine rasche Abstimmung über die Volkinitiative ohne einen Gegenvorschlag gefordert hatten, wurden damit abgeschrieben. In der Schlussabstimmung am Ende der Frühlingssession nahm der Nationalrat den Bundesbeschluss mit 132 zu 62 Stimmen bei 2 Enthaltungen an, in der kleinen Kammer sprachen sich 27 Ständerätinnen und Ständeräte für den Beschluss und damit gegen die Initiative aus, 12 stellten sich gegen den Beschluss (3 Enthaltungen).

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Die politischen Kampagnen zur Abstimmung über die Volksinitiative „Für eine öffentliche Krankenkasse“ vom 28. September 2014 begannen schon bald nach der parlamentarischen Beratung in der Frühjahrsession und zogen sich mit grosser Intensität bis zum Abstimmungstermin hin. Die Argumentationslinien verliefen entlang denen in den Räten, wobei sich medial die häufige Beschäftigung der Bevölkerung mit dem Thema in ihrem Alltagsleben und gleichzeitig ein grosser Bedarf nach Faktenwissen abzeichneten. Zahllose Politikerinnen, Gesundheitsexperten, Kadermitglieder der Kassen und Journalistinnen äusserten sich in Interviews, Podien und Kolumnen. Auffallend stark mobilisierte das Thema in der Romandie, die sich bei Volksinitiativen mit ähnlichen Forderungen in der Vergangenheit bereits offener für einen Systemwechsel gezeigt hatte als die Deutschschweiz. Verschiedene Details gaben Anlass zu Diskussionen. So ortete zu Beginn der Kampagne das Gutachten eines St. Galler Rechtsprofessors, in Auftrag gegeben von der Initiativgegnerschaft, einen Fehler im Initiativtext: Da der Text kantonal einheitliche Prämien verlange, wären in Zukunft keine Rabatte für junge Erwachsene und insbesondere keine Kinderprämien mehr möglich. Auch Rabatte bei Hausarzt- oder Telemedizin-Modellen und bei hohen Franchisen wären laut dem Gutachten nicht mehr erlaubt. Die Initianten widersprachen: Es sei zu einer Unklarheit aufgrund ungenauer Übersetzung des ursprünglich in französischer Sprache eingereichten Initiativtexts durch die Bundeskanzlei gekommen. Bei genauer Übersetzung müsse es heissen: „Für jeden Kanton wird eine Prämie festgelegt“, während in der geltenden Übersetzung von einer „einheitlichen" Prämie die Rede ist. Auch die Höhe der durch die öffentliche Kasse realisierbaren Einsparungen sorgte für Diskussionsstoff. Während die Befürworter von einer Milliarde – mittel- bis langfristig gar von drei Milliarden – sprachen, hielten die Gegner dagegen, man könne höchstens von CHF 350 Mio. an Einsparungen im administrativen Bereich ausgehen, viel wahrscheinlicher jedoch von nur CHF 100 Mio. Bereits im Frühling 2013 hatte sich das Gegner-Komitee „Alliance Santé“ konstituiert, dem rund 100 Parlamentsmitglieder, Vertreter der Leistungserbringer, die beiden grossen Krankenversichererverbände Santésuisse und Curafutura, Patienten- und Konsumentenschutzverbände, der Versicherungs-, der Gewerbe- und der Bauernverband sowie der Pharmaverband Interpharma angehörten. Zwischen Juni und August 2014 formten sich zudem diverse kantonale Komitees. Die Ärzteschaft, der in Abstimmungen zum Gesundheitswesen ein grosser Einfluss zugeschrieben wird, bildete einen Spezialfall: Einige Verbände, unter ihnen der Verband der Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, schlossen sich dem Ja-Komitee an, da sie sich von der Einheitskasse eine Minderung des eigenen administrativen Aufwands, mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten und eine bessere Koordination der Behandlungen erhofften. Andere, darunter der Spitalverband H+, befürchteten ein Staatsmonopol in der Medizin mit allfälliger Leistungsrationierung und schlossen sich dem Nein-Lager an. Der Dachverband FMH beschloss aufgrund der internen Divergenzen schliesslich Stimmfreigabe. Seitens der Parteien beschlossen nebst der SP die Grünen, die EVP und die CSP die Ja-Parole, alle anderen grossen Parteien sprachen sich für ein Nein aus. Travail.Suisse schloss sich dem Ja-Lager an.
Einige Aufmerksamkeit erhielt die schwierige Rolle des Gesundheitsministers Berset, der im Abstimmungskampf das Nein des Bundesrates zur Initiative seiner eigenen Partei vertreten musste – eine Rolle, die er dem allgemeinen Tenor nach gut erfüllte. Deutlich umstrittener war die Rolle der Krankenversicherer im Abstimmungskampf. Durch ihre Verbände waren sie im Nein-Komitee vertreten und steuerten drei der fünf Millionen Franken zum Kampagnenbudget bei, viele engagierten sich aber auch direkt gegen die Volksinitiative. Bereits früh publizierten diverse Kassen in ihren auflagenstarken Kundenmagazinen Artikel gegen die öffentliche Krankenkasse oder boten in Interviews prominenten Mitgliedern des Nein-Lagers eine Plattform. Vom Initiativkomitee ernteten die Kassen damit umgehend Kritik: Sie würden das Gebot der objektiven, verhältnismässigen und zurückhaltenden Information krass verletzen, das für sie als mit öffentlichen Bundesaufgaben betraute Organe in gleicher Weise wie für staatliche Behörden gelte. Die Kassen hielten dagegen, sie würden auch befürwortenden Stimmen Platz in ihren Publikationen einräumen; zudem würden sie das Geschäft durch und durch kennen und hätten damit die Pflicht, über die Konsequenzen der Initiative zu informieren. Im Juli wurde im Kanton Bern eine Abstimmungsbeschwerde gegen sieben Kassen beim Regierungsrat eingereicht; diese hätten durch ihre nicht objektive und unsachliche Information in ihren Publikationen die Abstimmungsfreiheit verletzt. Der Beschwerdeführer wurde von der SP juristisch unterstützt. Wenige Tage darauf folgten Abstimmungsbeschwerden in den Kantonen Waadt, Genf, Basel-Stadt und Tessin. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die kantonalen Behörden nicht zuständig sind: Da die Beanstandungen kantonsübergreifende Aspekte betreffen, führe der Rechtsmittelweg direkt ans Bundesgericht, so die jeweiligen Antworten. Das daraufhin mit zwei Stimmrechtsbeschwerden angerufene oberste Gericht stellte knapp drei Wochen vor der Abstimmung fest, die Krankenkassen seien bei der vorliegenden Abstimmung nicht zur sonst erforderlichen Neutralität verpflichtet, da die Vorlage sie in qualifizierter Weise betreffe. Eine sachliche Argumentation und Zurückhaltung beim Einsatz von Werbemitteln und finanziellen Ressourcen könnten dennoch erwartet werden. Das Gericht zweifelte diese Sachlichkeit bei einzelnen Publikationen zwar an. Es führte aber aus, da der Abstimmungskampf intensiv geführt werde und auch das Ja-Lager ausreichend zu Wort käme, würden die Äusserungen der Krankenkassen das Abstimmungsergebnis nicht wesentlich beeinflussen. Auf diverse Punkte der Beschwerden war das Gericht gar nicht eingetreten, da diese als nicht ausreichend begründet angesehen wurden.

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Am 28. September 2014 stimmten Volk und Stände über die Volksinitiative "Für eine öffentliche Krankenkasse" ab. Umfragen im Vorfeld der Abstimmung deuteten auf eine relativ deutliche Ablehnung der Initiative hin, was sich an der Urne bestätigte: Bei einer Stimmbeteiligung von 46,7% wurde die Initiative mit bloss 38,2% Ja-Anteil verworfen. Alle Deutschschweizer Kantone und das Tessin legten ein Nein ein, in den Kantonen Neuenburg, Waadt, Jura und Genf wurde die Initiative dagegen angenommen, in Fribourg nur sehr knapp abgelehnt. Die Resultate offenbarten einen überaus deutlichen Röstigraben, der sich in Fribourg entlang der innerkantonalen Sprachgrenze zog. Die SP Schweiz als Abstimmungsverliererin kündigte an, in Zukunft auf Reformen des Krankenversicherungssystems hinarbeiten zu wollen, bei fehlendem politischen Willen aber auch eine erneute Volksinitiative in Betracht zu ziehen. Dagegen äusserten die Gesundheitsdirektoren der zustimmenden Westschweizer Kantone, die bereits im Abstimmungskampf gemeinsam als Befürworter aufgetreten waren, die Absicht, die Einrichtung kantonaler Einheitskassen zu prüfen. Auch die Einrichtung einer einzigen Westschweizer Einheitskasse wurde nicht ausgeschlossen. Allerdings bedarf die Einrichtung von Einheitskassen auf subnationaler Ebene einer Änderung des KVG und damit eines Beschlusses der Bundesversammlung, was an bestehenden Mehrheiten scheitern dürfte. Aus diesem Grund wurde auch die Idee geäussert, eine Volksinitiative zu lancieren, welche den Kantonen die Einrichtung eigener Einheitskassen erlaubt. Die VOX-Analyse, durchgeführt von der GfS Bern und der Universität Bern, zeigte schliesslich, dass ein klassischer Links-Rechts-Gegensatz das Abstimmungsresultat geprägt hatte und die Einstellung der Stimmenden zur Rolle des Staates von grosser Bedeutung gewesen war. Die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative erhofften sich tiefere Prämien und drückten ihre Unzufriedenheit mit dem aktuellen System aus, während die Gegnerinnen und Gegner nicht an eine Prämiensenkung aufgrund der Einheitskasse glaubten. Sie befürchteten dagegen negative Konsequenzen aufgrund des fehlenden Wettbewerbs und eine Einschränkung der freien Arztwahl. Insgesamt nannte sowohl die befürwortende als auch die ablehnende Seite mehrheitlich rationale Stimmmotive.


Abstimmung vom 28. September 2014

Beteiligung: 46.7%
Ja: 933'012 (38.2%) / Stände: 4
Nein: 1'512'036 (61.8%) / Stände: 16 6/2

Parolen:
– Ja: SP, GPS, EVP, CSP; SGB, Travail.Suisse, VPOD.
– Nein: SVP, CVP (2*), FDP, BDP, GLP, Economiesuisse, SGV
– Stimmfreigabe: FMH, GDK
*In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

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