Noch nie nahmen Prognosen im Vorfeld eidgenössischer Wahlen so viel Raum ein wie vor dem 18. Oktober 1987. Aufgrund der grünen Gewinne und der Verluste der Regierungsparteien bei den kantonalen und städtischen Wahlen im Frühling und gestützt auf zum Teil zweifelhafte Umfragen wurden grosse Veränderungen der politischen Machtverhältnisse vorausgesagt und eine «rot-grüne Wende» beschworen. Die «Hoffnungswahl» sollte durch parteipolitische und personelle Verschiebungen zu neuen Mehrheiten in Sachfragen vor allem der Umwelt-, Verkehrs- und Energiepolitik führen. Doch obwohl von den interessantesten Wahlen seit 1919 die Rede war, blieb die Mehrheit der Wahlberechtigten zu Hause, und angesichts der Wahlergebnisse drängt sich der Schluss auf, dass die «Hoffnungswahl» doch eher ein Medienereignis war.

Die gehegten Erwartungen widerspiegelten sich denn auch in den Pressekommentaren zum Ausgang der Nationalratswahlen. So wurden die 6 zusätzlichen Mandate der Grünen (5 GPS, 1 GBS) an den übersteigerten Erwartungen auf einen politischen Erdrutsch mit 8–12 grünen Sitzgewinnen gemessen und mehr als Niederlage denn als Wahlsieg interpretiert – wohl nicht zuletzt deshalb, weil die bürgerlichen Parteien insgesamt ihr Terrain halten konnten und die grünen Gewinne zulasten der SP gingen. Dagegen feierte man die SVP, der grössere Verluste vorausgesagt worden waren, wegen ihrer beiden Mandatsgewinne als grosse Siegerin. Während die einen das Ausbleiben der prognostizierten Wende beklagten und im erneuten Absinken der Wahlbeteiligung den «Schlüssel für die enttäuschte Hoffnungswahl» sahen, begrüssten die anderen die Kontinuität der politischen Machtverhältnisse und konstatierten, dass sich die angebliche Unzufriedenheit des Souveräns mit der bisherigen politischen Arbeit als nicht richtig erwiesen habe.

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