Bei den Nationalratswahlen 2023 bewarben sich im Kanton Graubünden 122 Kandidierende auf die fünf Sitze. Nachdem die Anzahl Kandidierende im Kanton Graubünden bereits 2019 (100 Kandidierende) gegenüber den früheren Wahlen deutlich angestiegen war, erreichte sie 2023 erneut einen Höchststand. Die Kandidierenden verteilten sich auf 25 Listen, von denen je fünf zur SVP und zur GLP gehörten. Der Frauenanteil lag wie im Vorjahr bei 35 Prozent.

Im Gegensatz zu anderen Kantonen, in denen die SVP Listenverbindungen mit der FDP einging, blieb sie im Kanton Graubünden ohne einflussreiche Partnerin; sie tat sich lediglich mit der EDU zusammen. Die Gespräche, die sie im Vorfeld mit der Mitte und der FDP geführt hatte, scheiterten gemäss Medienberichten aufgrund fehlender Unterstützung der Mitte-Partei. Die SVP war bei den letzten Nationalratswahlen ohne Listenverbindungen angetreten und hatte wohl deshalb keinen zweiten Sitz erobern können – ein Szenario, das die Medien auch bei diesen Wahlen für wahrscheinlich hielten. In der Folge traten FDP und Mitte mit einer gemeinsamen Listenverbindung an.
Die SP, die Grünen und die GLP verbanden sich erneut zur sogenannten Klimaallianz. Das Bündnis basierte gemäss Aussage der GLP-Kandidatin Géraldine Danuser nicht nur auf ideologischen Gemeinsamkeiten, sondern auch mathematische Berechnungen für den frei werdenden Nationalratssitz spielten eine Rolle. Der Klimaallianz schloss sich auch die Liste «Freie Unabhängige Bündner» um den Politiker Hans Vetsch an.

Vier der fünf Bisherigen traten erneut zur Wahl an. Von ihnen war gemäss Medien insbesondere Jon Pult (sp) im Wahlkampf sehr präsent, was auf seine mögliche Kandidatur für eine Nachfolge von Bundesrat Alain Berset zurückgeführt wurde. Frei wurde einzig der Sitz von Sandra Locher Benguerel (sp), die sich nach nur einer Legislatur in der Grossen Kammer nicht zur Wiederwahl zur Verfügung stellte. Als aussichtsreiche Kandidierende präsentierten die Medien etwa die Präsidentin der kantonalen GLP, Géraldine Danuser, die bei den Bündner Wahlen im Jahr 2022 zu den Gewinnerinnen gehört hatte. Neben der Kandidatur von alt-Regierungsrat Christian Rathgeb (fdp) wurde auch die erste Teilnahme der 2007 gegründeten EVP Graubünden an Nationalratswahlen medial aufgearbeitet. Da sie ohne Listenverbindung antrat, wurde ihr freilich kein Einfluss auf den Kampf um einen Nationalratssitz attestiert. Vielmehr wurde darüber debattiert, ob die zusätzlichen Stimmen der EDU ausschlaggebend für einen zweiten Nationalratssitz der SVP sein könnten. Ein gutes Abschneiden wurde schliesslich der Mitte prognostiziert. Dies wurde damit begründet, dass sich die Mitte seit der Parteigründung unter dem Zusammenschluss von BDP und CVP national im Aufwind befinde, auf kantonaler Ebene über die Mehrheit in der Regierung und im Grossen Rat verfüge und mit Martin Candinas einen bekannten Politiker zur Wiederwahl präsentiere. Die Medien spekulierten, dass die Mitte ihrer Listenpartnerin, der FDP, unter Umständen sogar den Sitz streitig machen könnte.

Am Wahltag tat sich die SVP mit 30.6 Prozent der Stimmen als klare Siegerin hervor (plus 0.7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2019). Sie eroberte mit ihrem kantonalen Parteipräsidenten Roman Hug den 2019 verloren gegangenen Sitz zurück. Die bisherige Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher wurde mit dem zweitbesten Ergebnis von 21'795 Stimmen wiedergewählt. Die Medien führten das gute Abschneiden der SVP unter anderem auf ihre dezidierte Ablehnung der Ansiedlung von Wölfen zurück, zumal die Freigabe von Abschussbewilligungen von Wölfen gemäss Wahlumfrage das wichtigste Thema für die Bündner Bevölkerung war. Die SP gewann 0.7 Prozentpunkte an Wähleranteilen hinzu (neu: 17.8%), zudem wurde Jon Pult mit 21'290 Stimmen problemlos wiedergewählt. Dennoch konnten die Sozialdemokraten ihren zweiten Sitz aufgrund der fehlenden Unterstützung durch ihre Allianzpartnerinnen nicht verteidigen: Die GLP verlor 2 Prozentpunkte an Wähleranteilen (neu: 6.3%) und die Grünen 0.3 Prozentpunkte (neu: 5.2%). Das beste individuelle Ergebnis erzielte Martin Candinas (mitte) mit 28'400 Stimmen, was die Medien auch auf sein Jahr als Nationalratspräsident zurückführten. Dennoch verlor die Mitte, verglichen mit den summierten Stimmen von CVP und BDP im Jahr 2019, 1.5 Prozentpunkte und kam neu auf einen Wähleranteil von knapp 24 Prozent. Wiedergewählt wurde schliesslich auch Anna Giacometti mit 16'184 Stimmen; die FDP erzielte insgesamt ein leicht besseres Ergebnis als noch vier Jahre zuvor mit einem Wähleranteil von 13.7 Prozent, was einer Zunahme von 0.1 Prozentpunkten entspricht. Damit stellte die SVP neu 2 Bündner Nationalratssitze, die SP, die Mitte und die FDP je einen.

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