Mitte Juni 2025 startete der Abstimmungskampf zum neuen Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise (E-ID-Gesetz) mit der Medienkonferenz des Unterstützungskomitees. Dieses setzte sich aus nationalen Parlamentarierinnen und Parlamentariern aller Fraktionen zusammen, welche mitunter die der Vorlage zugrundeliegenden Motionen für eine staatliche E-ID eingereicht hatten. Dabei wurde die vorliegende Lösung laut SRF Online als «sichere, staatliche und zukunftsweisende Infrastruktur für die Schweiz» gepriesen. Während beispielsweise Marcel Dobler (fdp, SG) die Bedeutung der E-ID zur Vereinfachung digitaler Prozesse zwischen Unternehmen, Kunden und Behörden hervorhob, sprach Gerhard Andrey (gp, FR) von «völlig neue[n] Massstäbe[n] für den Datenschutz». Das Komitee zeigte sich davon überzeugt, im Gegensatz zur gescheiterten Vorlage von 2021 (BRG 18.049) nun mit einer staatlichen Umsetzung die Sicherheitsbedenken der Stimmbevölkerung aufgenommen zu haben, so Franz Grüter (svp, LU) an besagter Medienkonferenz. Und tatsächlich sprachen sich breite Kreise für die bundesrätliche Vorlage aus: Nebst den Parteien Mitte, FDP, GLP, Grüne und SP auch der Schweizer Städteverband, der SGV, die KDK sowie verschiedene Wirtschaftsverbände (Economiesuisse, SGV), Gewerkschaften (SGB und Travail.Suisse) und zivilgesellschaftliche Organisationen (beispielsweise die Stiftung für Konsumentenschutz oder Inclusion Handicap). Diverse Stimmen, die sich bei der ersten Vorlage noch gegen die E-ID ausgesprochen hatten, äusserten sich nun medial positiv, darunter Demokratieaktivist und Gründer von WeCollect Daniel Graf sowie Eric Schönenberger, Direktor der Digitalen Gesellschaft Schweiz.
Gegen die Vorlage positionierten sich gleich drei verschiedene Abstimmungskomitees. Das Gegenkomitee «E-ID-Gesetz Nein» setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern der EDU, der Jungen SVP und der covidmassnahmenkritischen Vereinigung «Freunde der Verfassung» sowie der neuen Partei «Digitale Integrität Schweiz» zusammen. Letztere ging aus ehemaligen Mitgliedern der Piratenpartei hervor, welche ebenfalls Unterschriften fürs Referendum gesammelt hatte und als eigenes Gegenkomitee auftrat. Wie der Tages-Anzeiger berichtete, gingen der Abspaltung der Digitalen Integrität Schweiz von der Piratenpartei interne Machtkämpfe und Unstimmigkeiten voraus – dies insbesondere rund um die Einreichung der Referendumsunterschriften bei der Bundeskanzlei, wobei die Gründungsmitglieder der neuen Partei die von der Piratenpartei gesammelten Unterschriften für sich reklamierten. Der Eklat, bei dem die Koordination untereinander misslang und die verschiedenen Gruppierungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Unterschriften eingereicht hatten, veranlasste überdies die covidmassnahmenkritische Bewegung «Mass-Voll» dazu, eigenständig als drittes Gegenkomitee aufzutreten.
In den Medien zeigte vor allem das Gegenkomitee «E-ID-Gesetz Nein» Präsenz, welches erstmals Anfang August die Argumente gegen die Vorlage öffentlich vorlegte. Mit der E-ID würden die Grundlagen für die kommerzielle Nutzung von Schweizer Passdaten durch grosse Tech-Konzerne geschaffen und sie könnte gleichzeitig zu mehr staatlicher Kontrolle führen, zitierte «Le Temps» die Mitglieder des Komitees. Nebst diesen Bedenken zum Datenschutz äusserten die Gegnerinnen und Gegner überdies laut AZ und NZZ die Befürchtung, dass die E-ID nicht in jedem Fall freiwillig bleiben werde und für analoge behördliche Dienstleistungen künftig höhere Gebühren verlangt werden könnten. Bedenken wurden auch ausserhalb des Komitees geäussert, so zitierte die WOZ etwa eine Informatikprofessorin, welche insbesondere künftig mögliche E-ID-Abfragen durch private Unternehmen «ohne echte Notwendigkeit» kritisierte.
«Freiwillig, sicher und kostenlos», fasste Justizminister Beat Jans die Vorlage an einer Medienkonferenz Mitte August zusammen. Der Bundesrat betonte dabei die vielen Anwendungsbereiche, in denen die E-ID künftig genutzt werden könnte. So führte Jans laut dem «Corriere del Ticino» unter anderem die Bestellung eines Fahrausweises oder den Altersnachweis im Internet als Beispiele an. Um den Sicherheitsbedenken und der Kritik aus der ersten Abstimmung Rechnung zu tragen, habe man zudem auf einen breit abgestützten, partizipativen Erarbeitungsprozess geachtet, ergänzte Michael Schöll, Leiter des BJ. Die Personendaten würden daher dezentral gespeichert und die Nutzenden könnten selbst entscheiden, welche Informationen an Behörden und Unternehmen weitergegeben werden sollen. Zudem würde jeweils nur die für die Transaktion notwendige Information abgefragt, beispielsweise das Alter.
Der Fög-Abstimmungsmonitor identifizierte zwei Narrative in der öffentlichen Debatte: Die Notwendigkeit der Digitalisierung auf der einen und Datenschutzbedenken auf der anderen Seite. Die Vorlage habe in der Medienberichterstattung gesamthaft aber nur wenig Resonanz ausgelöst. Dies deckte sich mit der APS-Zeitungs- und Inserateanalyse, wonach die Vorlage im Vergleich zu anderen Abstimmungen unterdurchschnittlich in den Medien diskutiert und mittels Inseraten beworben wurde. Die Pro-Seite schaltete dabei dennoch deutlich mehr Inserate als die Gegenseite. Dies deckte sich mit den unterschiedlichen Kampagnenbudgets, wobei die Befürwortenden bei der EFK verfügbare Gelder von CHF 670'000 und die Gegnerinnen und Gegner CHF 140'000 deklarierten.
Für mediale Aufmerksamkeit sorgte wenige Tage vor dem Abstimmungssonntag die Einreichung von Abstimmungsbeschwerden im Kanton Zürich, nachdem publik wurde, dass die Swisscom für die Pro-Kampagne CHF 30'000 gespendet hatte. Die Digitale Integrität Schweiz und Mass-Voll traten als Beschwerdeführende auf und kritisierten die Spende als Verstoss gegen die politische Neutralität von staatsnahen Unternehmen, wie die NZZ und der Tages-Anzeiger berichteten. Verlangt wurde eine Verschiebung oder eine komplette Aufhebung der Abstimmung sowie die Offenlegung aller Kampagnenaktivitäten der Swisscom.
Im August identifizierten verschiedene Umfragen erste Abstimmungstrends: Während eine erste Umfrage von gfs.bern im Namen der SRG relativ deutliche Vorteile für ein Ja postulierte (60% Ja, 36% Nein), zeigte sich bei der Umfrage von Tamedia ein leicht knapperes Resultat (56% Ja, 40% Nein). Die zweite Umfragewelle im September bestätigte nahezu unverändert den Ja-Trend aus der ersten Welle (GFS: 59% Ja, 36% Nein; Tamedia 55% Ja, 43% Nein). Beide Umfrageinstitute stellten parteipolitische Unterschiede in der Abstimmungsabsicht fest: Während sich einzig die SVP-Sympathisierenden überwiegend ablehnend zur E-ID positionierten, stiess die Vorlage bei GLP-Sympathisierenden auf die stärkste Zustimmung. Überdies zeigte sich in beiden Umfragewellen ein Geschlechtergraben, weil die Zustimmung bei den Männern (Tamedia: 61% Ja; GFS: 64% Ja) deutlicher ausfiel als bei den Frauen (Tamedia: 48% Ja; GFS: 53% Ja).
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