Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Bundeshaushalt (BRG 11936)

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Angesichts der äusserst bedenklichen Lage im Bereiche der öffentlichen Finanzen stellte sich die Frage nach einer Bewältigung der finanziellen Krisensituation mit aller Deutlichkeit. Dabei war man sich weitgehend einig, dass es einerseits galt, die Ausgabenentwicklung zu bremsen, während anderseits neue Einnahmequellen erschlossen werden mussten. In diesem Sinne legte der Bundesrat den eidgenössischen Räten im April ein Massnahmenpaket zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Bundeshaushalt vor (BRG 11936). Zur Drosselung der Ausgaben schlug die Landesregierung dem Parlament zunächst einen Investitionsplan für die nächsten fünf Jahre vor, wobei eine Limitierung der Personalvermehrung bei der Bundesverwaltung sowie eine Begrenzung der Bauvorhaben des Bundes im Vordergrund standen. Daneben sahen die Massnahmen zur Ausgabenbegrenzung vor, dass keine neuen Bundesausgaben beschlossen werden dürften, ohne dass vorgängig die entsprechende Finanzierung sichergestellt sei. Um dem Fiskus Mehreinnahmen zu verschaffen, beantragte der Bundesrat sodann eine Änderung der Bundesfinanzordnung: Durch eine Erhöhung der Warenumsatzsteuersätze von 4.4 auf 6 Prozent bei den Detaillisten und von 6.6 auf 9 Prozent bei den Grossisten sollten vor allem Zollausfälle (EWG) kompensiert werden. Bei der Wehrsteuer wollte der Bundesrat künftig auf die Ausmerzung der kalten Progression verzichten. Gleichzeitig beantragte die Landesregierung eine Erhöhung des Wehrsteuermaximums auf zwölf Prozent bei den natürlichen und auf neun Prozent bei den juristischen Personen. Mit höheren Eingängen aus der direkten Bundessteuer war freilich nicht vor 1976 zu rechnen. Von einer weiteren fiskalischen Massnahme, einer Heraufsetzung der Zölle auf Treibstoffen und Heizöl, wird in anderem Zusammenhang die Rede sein.

Beide Räte stimmten in der Folge dem Bundesgesetz, das die Beschränkung der Bundesausgaben auf das unbedingt Notwendige und die Ausrichtung der neuen Verpflichtungen auf die finanziellen Möglichkeiten des Bundes anstrebt, mit klaren Mehrheiten zu. In der Detailberatung vermochte sich gegen den anfänglichen Widerstand des Ständerates schliesslich ein Antrag von Nationalrat Kaufmann (cvp, SG) durchzusetzen, der verlangte, dass der Personalbestand der Bundesverwaltung in den nächsten drei Jahren überhaupt nicht und in den darauffolgenden zwei Jahren höchstens um ein halbes Prozent erhöht werden darf. Auch die Vorlage über die Änderung der Bundesfinanzordnung fand im wesentlichen die Zustimmung des Parlamentes. Für die direkte Bundessteuer (Wehrsteuer) hiessen National- wie Ständerat zusätzlich eine teilweise Beseitigung der kalten Progression durch Erhöhung der Sozialabzüge gut. Daneben setzten sie auf Betreiben von sozialdemokratischer Seite das Wehrsteuermaximum für juristische Personen auf zehn Prozent fest und erhoben die jährliche Veranlagung, der sich der Ständerat ursprünglich widersetzt hatte, ebenfalls für juristische Personen zum Beschluss. Schliesslich billigten beide Räte auf Antrag der vorberatenden Kommissionen die Einführung einer «Ausgabenbremse». Diese sollte es dem Parlament erschweren, höhere Ausgaben (oder geringere Einnahmen) zu beschliessen, als der Bundesrat vorschlagen würde, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen in beiden Kammern die Zustimmung der absoluten Mehrheit der Mitglieder verlangte. Der Nationalrat wollte die Ausgabenbremse ursprünglich ohne Ausnahmen einführen. Nach dem zustandegekommenen Kompromiss sollte sie nur wirksam sein, wenn es von der vorberatenden Kommission, der Finanzkommission oder einem Viertel der Ratsmitglieder verlangt würde.

Die parlamentarischen Debatten gestalteten sich sehr lebhaft, und es fehlte nicht an zahlreichen persönlichen Vorstössen, welche für eine weitere Einschränkung der Ausgaben sowie die Erschliessung neuer Einnahmequellen eintraten. So überwiesen beide Räte eine Motion der vorberatenden Kommission des Nationalrates, welche den Bundesrat aufforderte, dem Parlament so bald als möglich Bericht über eine umfassende Finanz-, Finanzausgleichs- und Steuerreform zu erstatten. Eine Motion der Kommissionsminderheit, die eine Erhöhung der fiskalischen Belastung der gebrannten Wasser um 25 Prozent verlangte, wurde dagegen klar abgelehnt. Eine weitere Motion des Republikaners König (rep, BE; Mo. 11978), der verbindliche Finanzierungskonzepte für Verfassungsartikel, Bundesgesetze und -beschlüsse vor deren parlamentarischen Beratung verlangte, wurde vom Nationalrat in der Sommersession nur in der Form eines Postulates überwiesen. Eine inhaltlich praktisch identische Motion des Freisinnigen Keller (fdp, TG; Mo. 12119) fand hingegen in der Dezembersession die Zustimmung der Volkskammer. Ebenfalls durch eine Motion versuchte schliesslich der St. Galler Schmid (sp, SG; Mo. 12020) den Bundesrat zu verpflichten, inskünftig für Vorhaben von erheblicher finanzieller Bedeutung auf eine vorgängige Kosten-Nutzen-Analyse abzustellen.

Nachdem das Parlament die Massnahmen zur Sanierung des Bundeshaushaltes gebilligt hatte, galt es für die beschlossenen Steuererhöhungen sowie die Erschwerung von Ausgabenbeschlüssen (Ausgabenbremse) die Sanktion von Volk und Ständen zu erlangen. Der auf den 8. Dezember festgesetzten Volksabstimmung ging eine eher laue Kampagne voraus. Für die Ablehnung beider Vorlagen sprachen sich nur gerade Partei der Arbeit (PdA) und Progressive Organisationen (POCH) aus. Gegen die Steuermassnahmen allein opponierten der Landesring, die Nationale Aktion sowie die Republikaner. Auf der andern Seite wandten sich die Sozialdemokraten und der Schweizerische Gewerkschaftsbund gegen die Einführung einer Ausgabenbremse, während der Landesring dieser gegenüber Stimmenthaltung empfahl. In den Abstimmungskampf griff schliesslich, wenn auch nur sehr indirekt, der Bundesrat ein, der im November eine Studie über «Perspektiven des Bundesfinanzhaushaltes» veröffentlichte und dabei auf die schwerwiegenden Konsequenzen eines negativen Volksentscheides hinwies.

In der Abstimmung sprachen sich jedoch Volk und Stände deutlich gegen eine mit Steuererhöhungen verbundene Verbesserung des Bundeshaushaltes aus.

Abstimmung vom 8. Dezember 1974

Beteiligung: 39.58%
Ja: 625'780 (44.4%) / Stände: 4
Nein: 783'894 (55.6%) / Stände: 15 6/2

Parolen:
– Ja: CVP, EVP, FDP, LPS, SPS (1*), SVP, eco, SAV, SBV, SGB, SGV, TravS, VSA.
– Nein: LdU, PdA, POCH, REP, SD.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Der Bundesbeschluss über die Erschwerung von Ausgabenbeschlüssen (Ausgabenbremse) wurde zwar von der Mehrheit des Volkes und allen Ständen angenommen, doch konnte er nicht in Kraft treten, da er ausdrücklich an eine Annahme der Steuererhöhungen gebunden war.

Abstimmung vom 8. Dezember 1974

Beteiligung: 39.58%
Ja: 934'633 (67.0%) / Stände: 19 6/2
Nein: 460'236 (33.0%) / Stände: 0

Parolen:
– Ja: CVP, EVP, FDP, LPS, SD, SVP, eco, SAV, SBV, SGV, TravS.
– Nein: PdA, POCH, REP, SPS, SGB, VSA.
– Stimmfreigabe: LdU.