Nicht weniger als acht Vorstösse und eine parlamentarische Initiative wurden in der Herbstsession 2024 eingereicht, um dem Problem der missbräuchlichen Unterschriftensammlungen Herr zu werden. Ausgangspunkt der Vorstösse war ein Bericht des Tages-Anzeigers Anfang September 2024, in dem von «umfangreichen Fälschungen beim Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden» die Rede war. Mutmasslich sollen Firmen, die Unterschriften gegen Bezahlung sammeln, betrogen haben. Zwar wurde dieser Missbrauch bei den Nachkontrollen in den Gemeinden bemerkt – nicht existierende Adressen; Unterzeichnende, die gar nicht in der entsprechenden Gemeinde wohnen; falsche Geburtsdaten oder mehrmaliges Unterzeichnen fallen bei den Kontrollen auf, was bei der Schlussauszählung zu zahlreichen ungültigen Unterschriften führt. Dennoch ging der Tages-Anzeiger davon aus, dass ein Grossteil der gefälschten Unterschriften wohl nicht entdeckt würde und sprach folglich von einem «Fiasko für unsere Demokratie». In der Folge nahmen zahlreiche Medien die Geschichte auf und berichteten von Problemen vor allem in der Westschweiz. Die Medien fragten sich, ob bereits eingereichte Initiativen ohne die missbräuchlichen Unterschriften vielleicht nicht zustandegekommen wären. Gefordert wurde zudem eine rasche Einführung von E-Collecting und es wurde darüber diskutiert, ob dadurch das Vertrauen in die Institutionen Schaden nehme.
Die Probleme, die bezahlte Unterschriftensammlungen mit sich bringen, waren freilich schon früher im Parlament diskutiert worden: Einer parlamentarischen Initiative von Léonore Porchet (gp, VD), die ein Verbot von bezahlten Unterschriften verlangt hätte, hatte der Nationalrat im Frühling 2023 keine Folge gegeben; einer Verfassungsänderung des Kantons Neuenburg, mit der ebenfalls ein solches Verbot hätte eingeführt werden sollen, verweigerte das Parlament im August 2023 die Genehmigung; in der Herbstsession 2021 hatte der Nationalrat zwei Motionen versenkt, die ebenfalls ein Bezahlverbot (Motion Reynard, sp, VS; Mo. 20.3015) bzw. Massnahmen gegen Betrug beim Unterschriftensammeln (Motion Hurni, sp, NE: Mo. 19.4431) gefordert hatten. Die Begründungen gegen die verlangten Verschärfungen waren dabei die Befürchtung einer Überregulierung der direkten Demokratie, das Vertrauen in die Mündigkeit der unterschreibenden Bürgerinnen und Bürger oder ein gewisser Pragmatismus, dass fälschlicherweise abgegebene und nicht entdeckte, gefälschte Unterschriften in einer Volksabstimmung korrigiert werden könnten.
Auch die Bundeskanzlei war schon früher tätig geworden und hatte laut ihren Medienmitteilungen vom 10. und vom 25. September bereits 2022 Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht und diese laufend mit weiteren Verdachtsfällen ergänzt, die über die Jahre von den Kantonen gemeldet worden waren. Es bestehe der Verdacht, dass von den Behörden als ungültig erkannte Unterschriften gefälscht worden seien; es gehe dabei um «rund 950 mutmasslich gefälschte Unterschriften aus sechs Kantonen für fünf verschiedene Volksinitiativen». Die BK wollte aber aktuell von weiteren Massnahmen, wie etwa einer Sistierung laufender Unterschriftensammlungen oder einer Nachkontrolle zustandegekommener Volksinitiativen, absehen, da keine «belastbaren Indizien» vorlägen, mit denen gezeigt werden könne, dass Volksbegehren dank gefälschter Unterschriften die Unterschriftenhürden übersprungen hätten.
Der Bundesrat gab in einer eigenen Medienmitteilung dazu bekannt, dass die «Unterschriftensammlung im Gesetz bewusst niederschwellig ausgestaltet» sei und pragmatisch geregelt bleiben solle. Es sei aber ein runder Tisch geplant, an dem Massnahmen diskutiert werden sollten, mit denen Unterschriftenfälschungen vermieden werden könnten. Ein Vorschlag war etwa, dass Sammlerinnen und Sammler auf den Unterschriftenbögen vermerkt werden müssen.
Dies reichte den Fraktionen von SP, GP und GLP freilich nicht. Mit den eingangs erwähnten acht Motionen und einer parlamentarischen Initiative wollen sie den Missbräuchen einen Riegel schieben. Gefordert wurde dabei eine Bewilligungspflicht des gewerbemässigen Unterschriftensammelns (Pa.Iv. 24.444 der grünen Fraktion), ein obligatorisches Erfassen des Namens der sammelnden Personen (Mo. 24.3875 der GLP-Fraktion), die Kontrolle aktuell laufender Unterschriftensammlungen auf gefälschte Unterschriften (Mo. 24.3857 der SP-Fraktion), ein Verbot von bezahlten Unterschriften (Mo. 24.3855 der SP-Fraktion), die Transparenzmachung der Mittel, die für Unterschriftensammlungen aufgewendet werden (Mo. 24.3854 der SP-Fraktion) sowie mehr Rechtssicherheit bei Unterschriftensammlungen (Po. 24.3853 der SP-Fraktion). Darüber hinaus reichte Benjamin Mühlemann (fdp, GL) eine Motion (Mo. 24.3851) ein, die eine «rasche Einführung der digitalen Unterschriftensammlung» forderte, eine Forderung, die tel quel auch in einer Motion von Greta Gysin (gp, TI) übernommen wurde (Mo. 24.4006). Schliesslich forderte Martin Candinas (mitte, GR), dass Stimmbürgerinnen und Stimmbürger kontrollieren können sollen, welche Volksbegehren oder Referenden sie unterschrieben haben, damit diese selber überprüfen können, ob ihre Unterschrift missbräuchlich verwendet wurde (Mo. 24.4220).