Spezialfonds für Holocaust-Opfer (BRG 97.051)

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Anfangs Jahr kündigten die schweizerischen Grossbanken an, dass sie einen «humanitären Fonds für die Opfer des Holocaust» schaffen wollen und dafür CHF 100 Mio. auf ein Sperrkonto bei der Nationalbank (SNB) einzahlen werden. Der Bundesrat verabschiedete am 27. Februar eine in Zusammenarbeit mit den Gebern und den Vertretern der Empfänger (das heisst den jüdischen Organisationen) ausgearbeitete Verordnung, welche er auf den ersten März in Kraft setzte. Diese regelt die Zusammensetzung der Fondsleitung, die Aufsicht und die Verwendung der Gelder. Der Fondsleitung gehören vier schweizerische und drei von der World Jewish Restitution Organization (WJRO) vorgeschlagene ausländische Mitglieder an, darunter auch der Präsident des Jüdischen Weltkongresses WJC, Edgar Bronfman, der sich als einer der unversöhnlichsten Kritiker der Schweiz profiliert hatte. Vorsitzender ist der Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, Rolf Bloch.

An diesem Hilfsfonds beteiligte sich – neben Banken, Industrie und Versicherungen – auch die Nationalbank (SNB) mit einer Einlage von CHF 100 Mio. Der Betrag basiert auf der Annahme, dass die Nationalbank während des Zweiten Weltkriegs mit ihren Goldgeschäften einen Gewinn von rund CHF 20 Mio. erzielt hat; gemessen an der seitherigen Entwicklung des Goldpreises entspricht dies rund CHF 100 Mio. Die Leitung der SNB betonte, dass dieser freiwillige Beitrag Ausdruck des Mitgefühls mit den Opfern des Holocaust sei. Er dürfe aber keinesfalls als Schuldanerkennung gewertet werden. Der Bundesrat hatte im Einvernehmen mit der Nationalbankleitung beschlossen, diese Zahlung vom Parlament in einem besonderen Bundesbeschluss absegnen zu lassen. Der Nationalrat stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass der vom Bundesrat gewünschte Beschluss nicht in seine Kompetenz falle. Die Nationalbank solle selbst über die Massnahmen entscheiden, welche sie für die Wiederherstellung ihres guten Rufs erforderlich findet. Kommissionssprecher Marc-Frédéric Suter gab zudem zu bedenken, dass ein derartiger dem Referendum unterstellter Beschluss zu unerwünschten Verzögerungen bei der Auszahlung der Gelder an betagte und hilfsbedürftige Holocaust-Überlebende führen könnte. Obwohl die Rechtsprofessoren Ulrich Zimmerli und René Rhinow die Ansicht des Bundesrates verteidigten, dass es für diese Zahlung einer besonderen Rechtsgrundlage bedürfe, schloss sich der Ständerat dem Nichteintretensbeschluss der grossen Kammer an. Nachdem am 30. Oktober der Bankrat der SNB die Einlage bewilligt hatte, konnte der Vorsitzende des Fonds, Rolf Bloch, bekanntgeben, dass dieser mit Zinsen auf CHF 272 Mio. angewachsen war. Die drei Grossbanken hatten gleich wie die Nationalbank CHF 100 Mio. gespendet, die übrigen Banken CHF 20 Mio. und die Industrie und die Versicherungen je CHF 25 Mio..

Anfang Juli beschloss die Kommission, eine erste Tranche von CHF 17 Mio. für bedürftige Holocaust-Überlebende und ihre Nachkommen in Osteuropa freizugeben. Nachdem die jüdischen Organisationen eine provisorische Liste mit den Namen von 28'000 bedürftigen Holocaust-Opfern aus Osteuropa eingereicht hatten, konnten die ersten Auszahlungen am 18. November in Riga (Lettland) vorgenommen werden. Vier Personen erhielten je einen Check über USD 400, weitere USD 600 soll diesen betagten Überlebenden des Holocaust, die bisher vergeblich für die Ausrichtung einer Rente durch Deutschland gekämpft hatten, später ausbezahlt werden. Im Dezember erhielten auch die ersten nichtjüdischen Überlebenden aus deutschen Konzentrationslagern Geld aus den Fonds. Es handelte sich dabei um Albaner, die aus politischen Gründen von den Nazis verfolgt und von Deutschland bisher ebenfalls nicht entschädigt worden waren.