Initiative für eine gerechtere Besteuerung und die Abschaffung der Steuerprivilegien (BRG 12157)

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Auch ausserhalb des Parlamentes wurden 1973 zahlreiche Vorstösse zu einer Neu- oder Umgestaltung des schweizerischen Steuerwesens unternommen. Im Mittelpunkt der vielfältigen Anstrengungen stand die Steuerharmonisierung, deren unverzügliche Realisierung in praktisch allen Reformvorschlägen postuliert wurde. Auf Bundesebene waren es vor allem drei weitgehend detailliert ausgestaltete Alternativen, welche die steuerpolitische Diskussion beherrschten. Zunächst lancierte der Landesring der Unabhängigen ein eidgenössisches Volksbegehren «für eine gerechtere Besteuerung und die Abschaffung der Steuerprivilegien». Die Initiative bezweckt einheitliche Grundsätze und Tarife zur Besteuerung von Einkommen und Vermögen sowie die Einführung einer allgemeinen, teilweise dem föderativen Finanzausgleich dienenden Bundessteuer. Daneben sollen durch eine einheitliche Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie durch eine Besteuerung der alkoholischen Getränke und des Energieverbrauchs den öffentlichen Haushalten vermehrt Mittel zufliessen.

Weniger Konsens als das Modell für eine Mehrwertsteuer, zu welchem im Frühjahr 1976 eine definitive Vorlage erscheinen konnte, fanden Vorschläge für weitere steuerliche Massnahmen (BRG 12212). Die Behandlung einer Vorlage zur wirksameren Bekämpfung der Steuerhinterziehung verzögerte sich. Das Traktandum wurde in der Januarsession einer Spezialkommission zugewiesen, die im Herbst – nach Anhörung von Experten – von der Verwaltung weitere Berichte und Anträge verlangte. In der Frage der Steuerharmonisierung fielen einige Vorentscheide, die einer relativ föderalistischen Lösung zustrebten. So empfahlen der Bundesrat und nach ihm auch beide Kammern das vom Landesring 1974 eingereichte «Volksbegehren für eine gerechtere Besteuerung und die Abschaffung von Steuerprivilegien», das unter anderem eine enge Bindung der kantonalen Einkommens- und Vermögenssteuern an einen Bundestarif verlangte, zur Ablehnung. Im Kanton Bern drang freilich eine entsprechende Initiative des Landesrings, welche die Besteuerungsfreiheit der Gemeinden in ähnlicher Weise zu beschränken strebte, wie es das eidgenössische Begehren den Kantonen gegenüber tat, in der Volksabstimmung durch. Dieser sensationelle Ausgang schien auf eine verbreitete Unzufriedenheit mit dem geltenden Steuerrecht hinzuweisen und nach Konsequenzen auf gesamtschweizerischer Ebene zu rufen.

Die mit der Frage der Steuerharmonisierung betraute Nationalratskommission legte dagegen einen formulierten Entwurf zu einem Artikel 42quinquies BV vor, der den Kantonen die materielle Tariffreiheit beliess, und beantragte gleichzeitig, die beiden zentralistischeren Initiativen Stich (sp, SO; Pa.Iv. 10903) und Butty (cvp, FR; Pa.Iv. 11868) abzulehnen.

Weitere Entscheide und Massnahmen zu Steuerfragen standen ganz im Schatten des Finanz- und Steuerpaketes. Das 1974 vom Landesring eingereichte «Volksbegehren für eine gerechtere Besteuerung und die Abschaffung von Steuerprivilegien»wurde bei einer Stimmbeteiligung von 39 Prozent mit 819'830 Nein zu 599'053 Ja verworfen. Mit Ausnahme der SPS, der PdA, der POCH, der NA und der wichtigsten Arbeitnehmerorganisationen, die alle Stimmfreigabe beschlossen, hatten sich die übrigen Parteien und die Wirtschaftsverbände sowie zahlreiche Aktionskomitees gegen das Volksbegehren ausgesprochen; mit den Initianten empfahlen auch die Revolutionäre Marxistische Liga sowie einige Gewerkschaftskartelle und lokale Sektionen der SP die Initiative. Der Initiative wurde vor allem vorgeworfen, sie trage dem föderalistischen Aufbau des Staatswesens zu wenig Rechnung. Zudem wäre der Bundesrat bei einer Annahme gezwungen worden, das vorgesehene Paket «Mehrwertsteuer/ Wehrsteuerreform/ formale Steuerharmonie» wieder aufzuschnüren und dem Parlament bzw. den Stimmbürgern die nackte Mehrwertsteuervorlage vorzusetzen. Trotz der massiven Nein-Propaganda fiel der Volksentscheid in einzelnen grösseren Kantonen der Deutschschweiz recht knapp aus. Im Kanton Basel-Stadt wurde die Initiative sogar angenommen. Mit Bundesrat Chevallaz sahen viele Beobachter im relativ hohen Anteil der Ja-Stimmen denn auch eine Verpflichtung, mit der Nivellierung des allzu starken Steuergefälles in der Schweiz endlich Ernst zu machen.


Abstimmung vom 21. März 1976

Beteiligung: 39.31%
Ja: 599'053 (42.2%) / Stände: ½
Nein: 819'830 (57.8%) / Stände: 21½

Parolen:
– Ja: LdU.
– Nein: CVP, EVP, FDP, LPS, REP, SVP, eco, SAV, SBV, SGV.
– Stimmfreigabe: PdA, POCH, SD, SPS (3*), SGB, TravS, VSA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen