Sparmassnahmen zur nachhaltigen Sanierung des Bundeshaushaltes (BRG 94.073)

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Das Sanierungskonzept des Bundesrates wurde heftig kritisiert. Die bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbände lehnten eine Erhöhung des Benzin- und Heizölpreises kategorisch ab und sprachen sich grundsätzlich gegen neue Steuern aus. Linke Parteien wehrten sich vehement gegen eine Reihe sozialer Abstriche, wobei insbesondere die vorgeschlagene Lockerung des AHV/IV-Mischindexes und die Abschaffung der IV-Viertelrente hart kritisiert wurden. Die vorberatende Finanzkommission des Nationalrates beschloss im November Nichteintreten auf eine Erhöhung des Treibstoff-Grundzolls sowie der Einfuhrzölle auf Heizöl und Gas. Sie lehnte auch die Aufhebung des AHV-Mischindexes, der neben der Preis- auch die Lohnentwicklung berücksichtigt, bei der Teuerungsanpassung ab. Die Behandlung des Sanierungsprogrammes wurde von den Räten auf die Januar-Sondersession 1995 verschoben.

Dossier: Sanierungsmassnahmen 1994 für den Bundeshaushalt (BRG 94.073)

In einem Rückblick auf bisherige Sanierungsanstrengungen zog der Bundesrat eine gemischte Bilanz. Er geht davon aus, dass die mit den Sanierungsmassnahmen 1992 (1. Sanierungspaket) angestrebte Haushaltsentlastung von rund CHF 4 Mrd. erreicht wird. Die auf drei Jahre befristeten (1993-95) linearen Beitragskürzungen von 10% bringen jährliche Einsparungen von rund CHF 800 Mio. und zusammen mit gezielten Sparmassnahmen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe, via Budget- und Finanzplanung sowie Einsparungen von Schuldzinsen infolge der dadurch verringerten Haushaltsdefizite wurden ausgabenseitige Entlastungen von rund CHF 2 Mrd. erwartet. Auf den gleichen Betrag beziffern sich die mit den Sanierungsmassnahmen 1992 realisierten Mehreinnahmen. Bei den Mehreinnahmen leistet die Erhöhung des Treibstoffgrundzolls um 20 Rappen pro Liter den wichtigsten Beitrag. Aus der schrittweisen Erhöhung der Tabaksteuer sollen bis 1995 Mehreinnahmen von jährlich CHF 350 Mio. resultieren, aus der beschlossenen Verteilung des Nationalbankgewinns solche von 200 Mio (weitere CHF 400 Mio. gehen an die Kantone). Die Aufhebung des Spielbankenverbots dürfte ab 1997 erste Mehreinnahmen bringen.
Der einnahmenseitige und separat unterbreitete Teil der Sanierungsmassnahmen 1993, der Wechsel zur Mehrwertsteuer, wird auf CHF 1.6 Mrd. geschätzt. Mit Gesetzes- und Bundesbeschlussänderungen sowie einer Verfassungsänderung sollten weitere rund 1.5 Mrd. gespart werden (siehe auch oben). Neben den Sanierungsprogrammen soll schliesslich auch die Heraufsetzung der Autobahn-Vignette von CHF 30 auf CHF 40 und die an die Teuerung angepasste pauschale Schwerkehrsabgabe dem Bund Mehreinnahmen in der Höhe von rund CHF 500 Mio. bringen, welche allerdings für Strassenzwecke gebunden sind. Insgesamt ermöglichen die beiden Sparprogramme 1992 und 1993, die Mehrwertsteuer und die Strassenverkehrsabgaben eine dauernde Verbesserung der Bundesrechnung um über CHF 7 Mrd. pro Jahr. Der Bundesrat betonte jedoch, dass trotz der Sparmassnahmen das Ziel eines Haushaltgleichgewichts nach wie vor deutlich verfehlt werde.

Dossier: Sanierungsmassnahmen 1994 für den Bundeshaushalt (BRG 94.073)

Das bereits im Vorfeld als «konzeptlos» und «zu einnahmenlastig» heftig kritisierte dritte Sanierungspaket erlitt teilweise Schiffbruch, nachdem beide Räte gewichtige Brocken des Pakets, welches das strukturelle Defizit des Bundeshaushalts von CHF 4 Mrd. bis 1997 weitestgehend beseitigen sollte, ablehnten. Der Bundesrat hatte Ausgabenkürzungen von gut CHF 2.3 Mrd. und Mehreinnahmen von rund CHF 1.3 Mrd. vorgesehen, wobei er auch 23 gezielte Abbaumassnahmen - drei auf Verfassungs- und 20 auf Gesetzesstufe - von insgesamt rund CHF 500 Mio. vorschlug.

Dossier: Sanierungsmassnahmen 1994 für den Bundeshaushalt (BRG 94.073)

Als Erstrat verweigerte jedoch der Nationalrat dem Bundesrat in der Januar-Sondersession das Kernstück der Sanierungsvorlage, eine höhere Besteuerung der fossilen Energieträger im Wert von gut 1 Mrd. Franken. (Der Grundzoll auf Treibstoffen (inkl. Dieselöl) sollte um 15 Rappen pro Liter, der Heizölzoll von 30 Rappen auf 4 Franken je 100 kg Heizöl bzw. beim Erdgas auf CHF 2,50 pro 100 kg brutto erhöht werden. In einer mündlichen Konsultation wendeten sich FDP, CVP, SVP, LP, LdU, SD, die Wirtschaftsverbände und die FDK zum jetzigen Zeitpunkt gegen zusätzliche Mehreinnahmen zur Sanierung des Bundeshaushaltes.) Eine bürgerliche Ratsmehrheit machte mit 110:58 bzw. 109:59 Stimmen geltend, dass nach einer Erhöhung der Treibstoffpreise im Jahre 1993 um 20 Rappen eine weitere Verteuerung zum heutigen Zeitpunkt untragbar sei. Auch auf die Einführung eines Proportionaltarifs von 9,8% für juristische Personen bei der direkten Bundessteuer bei gleichzeitiger Anrechnung der Kapitalsteuer an die Ertragssteuer trat der Nationalrat nicht ein. Der Bundesrat hatte die Mehrerträge aus dieser Massnahme auf CHF 300-400 Mio. geschätzt, wobei dem Bund unter Berücksichtigung des Kantonsanteils an den Bundeseinnahmen CHF 200-300 Mio. verblieben wären. Nein sagte der Nationalrat mit 94:69 Stimmen auch zur Erweiterung der Zweckbindung der Treibstoffzölle und verhinderte damit, dass aus den Erträgen der Treibstoffzölle künftig auch die Bahninfrastruktur finanziert werden kann. Er stimmte lediglich einer Reform der Tabaksteuer zu, die zusätzliche CHF 75 Mio. in die AHV-Kasse fliessen lassen wird. Neben dem Grossteil der beantragten Mehreinnahmen verwarf der Nationalrat auf der Ausgabenseite auch zahlreiche der gezielten Sparvorschläge. So wurde die Änderung des Mischindexes bei AHV und IV mit 164 zu 8 Stimmen wuchtig abgelehnt. Der Bundesrat hatte sich von der Anpassung der Renten an die Teuerung (und nicht mehr auch an den Lohnindex) eine Einsparung von CHF 90 Mio. erhofft. Eine Kürzung des Bundesbeitrags an die AHV von CHF 120 Mio. nahm der Nationalrat an, lehnte aber die Erhöhung des AHV/IV/EO-Beitragssatzes für Selbständigerwerbende von 7,8% auf 8,4% (96 Mio.), welche die Bundesbeitragskürzung hätte kompensieren sollen, knapp ab. Deutlich verworfen wurde eine Streichung der IV-Viertelsrenten (7 Mio.). Auf eine Einsparung von jährlich rund CHF 48 Mio. verzichtete der Nationalrat bei Beiträgen des Bundes an Bauten für die Berufsbildung; linke und gewerbefreundliche Kreise brachten diese Massnahme gemeinsam zu Fall. Vertreter der Landwirtschaft und des öffentlichen Verkehrs setzten ausserdem durch, dass die Rückerstattung des Treibstoffzolles für die Bauern und die konzessionierten Verkehrsbetriebe im Umfang von CHF 125 Mio. aufrechterhalten wird. Fest hielt die grosse Kammer auch an den Ausgleichzahlungen für Gemeinden, die wegen des Natur- und Landschaftsschutzes auf die Nutzung der Wasserkraft verzichten (1 Mio.); Schweizer Radio International verschonte sie von einer Kürzung um CHF 2 Mio. und später CHF 6 Mio. Angenommen wurden hingegen vom Rat die reduzierten Beitragssätze im Bereich der Nationalstrassen (75 Mio.) und Deregulierungen im öffentlichen Verkehr, wie auch drei Verfassungsänderungen, die den Bund von Beiträgen für Bahnhofparkinganlagen (24 Mio.) und vom Ankauf von Brennapparaten und der Übernahme von Branntwein (3.5 Mio.) entheben sowie die Beschaffung der persönlichen Armeeausrüstung zentralisieren sollen (15 Mio.).

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Zu Beginn der Frühjahrssession zog der Bundesrat die Anträge zur Zweckerweiterung der Treibstoffzölle auf die Bahninfrastruktur und zu einer Benzinzollerhöhung zurück. Bundesrat Stich begründete diesen Rückzieher mit den neuen Plänen der Landesregierung, einen befristeten Benzinzollzuschlag allenfalls für die direkte Sonderfinanzierung der Neat zu erheben. An der Erhöhung des Heizöl- und Gaszolls hielt der Bundesrat fest. Der Ständerat, der sich ebensowenig sparfreudig wie der Nationalrat zeigte, lehnte aber auch diese mit 22 zu 9 Stimmen ab. Auf der Einnahmenseite nahm er nur gerade die Reform der Tabaksteuer an. Auf der Ausgabenseite schuf der Ständerat einige Differenzen zum Nationalrat, indem er insbesondere der Streichung von Bundesbeiträgen an Bauten der Berufsbildung zustimmte. Der Nationalrat folgte ihm in der Differenzbereinigung. Dafür akzeptierte der Ständerat in einer zweiten Runde die Zentralisierung der Beschaffung der persönlichen Armeeausrüstung. Beide Räte hiessen ausserdem eine für die Jahre 1993-1995 beschlossene Verlängerung der linearen zehnprozentigen Beitragskürzung für die Jahre 1996 und 1997 gut, wobei die Räte das Sparziel des Bundesrates von CHF 250 Mio. auf mindestens CHF 300 Mio. verschärften.

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Insgesamt bewilligte das Parlament Verbesserungen von rund CHF 600 Mio. Davon entfallen die Hälfte auf die linearen Kürzungen. Rund CHF 200 Mio. blieben nach den Beratungen im Parlament bei den gezielten Kürzungen übrig. Als Mehreinnahmen konnte das dritte Sanierungspaket anstelle der ursprünglich vorgeschlagenen CHF 1.3 Mrd. nur gerade die CHF 75 Mio. für die Tabaksteuerreform verbuchen. Zu den vom Parlament bewilligten Verbesserungen kommen rund CHF 1.3 Mrd., die der Bundesrat in eigener Kompetenz beschliessen konnte. Insgesamt wird der Bundeshaushalt mit dem dritten Sanierungsprogramm ab 1996 um rund CHF 2 Mrd. entlastet, womit das Ziel klar verfehlt wurde.

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