Abschaffung des Bistumsartikels in der Bundesverfassung nicht geglückt (Ip. 94.3421 und Pa. Iv. 94.433)

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Aber auch Politiker wurden in dieser Richtung aktiv. Bereits zwei Monate vor dem Appell der Bischofskonferenz hatte Nationalrat Leuba (lp, VD) den Bundesrat in einer Interpellation aufgefordert, die Abschaffung des Bistumsartikels voranzutreiben. Leuba argumentierte, der Artikel widerspreche dem von den Stimmbürgern am 25. September angenommenen Anti-Rassismusgesetz, das ausdrücklich auch die Diskriminierung aus Gründen der Religionszugehörigkeit unter Strafe stellt. In seiner Antwort bestritt der Bundesrat zwar, dass der Bistumsartikel einen Fall von Diskriminierung im Sinn der internationalen Konvention gegen den Rassismus darstelle. Er räumte aber ein, dass diese Bestimmung mit der Regelung der konfessionellen Konflikte an Bedeutung verloren habe, weshalb er sich bereit erklärte, bei einer Totalrevision der Bundesverfassung die Aufhebung des Artikels zu beantragen, wie dies bereits eine überwiesene Motion des Nationalrates von 1972 verlangt hatte.

Nicht bis zu einer Totalrevision der Bundesverfassung möchte der Aargauer Ständerat Huber (cvp) warten. In der Wintersession reichte er eine parlamentarische Initiative für eine ersatzlose Streichung von Art. 50 Abs. 4 BV ein.

Nicht weniger als fünf der sechs in der Schweiz amtierenden katholischen Bischöfe mussten im Laufe des Jahres ersetzt werden. Da es sich dabei mehrheitlich um ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Kirchendienst handelte, stellte sich erneut die Frage nach der Überforderung dieser Würdenträger, welche zum Teil enorm grosse Diözesen zu verwalten haben. Seit Jahren besteht deshalb der Ruf, der aus dem "Kulturkampf" stammende Artikel 50 Absatz 4 der Bundesverfassung, welcher eine Genehmigungspflicht des Bundes zur Errichtung neuer bzw. zur Veränderung bestehender katholischer Bistümer statuiert, sei aufzuheben. Gegen den Minderheitsantrag des Genfer Liberalen Coutau, der die protestantischen Bedenken seiner traditionell calvinistischen Stadt gegen einen möglichen Bischof von Genf ins Feld führte, nahm der Ständerat eine parlamentarische Initiative Huber (cvp, AG) an, welche eine ersatzlose Streichung von Art. 50 Abs. 4 BV verlangt. Die Vorsicht, mit der alle Redner das Thema angingen, und das knappe Ergebnis (18:16 Stimmen) zeigten, dass damit eine Frage aufgegriffen wurde, die trotz der Überwindung des Kulturkampfes und der langjährigen Erfahrung mit gelebtem konfessionellem Frieden im kollektiven Empfinden heikel geblieben ist.

Der Ständerat sprach sich bereits mehrmals für eine Abschaffung des Bistumsartikels aus, welcher zur Errichtung neuer oder zur territorialen Veränderung bestehender Bistümer die Zustimmung des Bundes voraussetzt. Nachdem er bei der Verfassungsdiskussion mit seinem Ansinnen gegenüber Bundes- und Nationalrat unterlegen war, hatte er die Landesregierung beauftragt, Entwürfe für eine entsprechende Teilrevision des Grundgesetzes in eine Vernehmlassung zu geben. Diese fiel bedeutend kontroverser aus als von der kleinen Kammer erwartet. Die vier Bundesratsparteien sprachen sich für eine Abschaffung aus, ebenso die Schweizerische Bischofskonferenz, welche einmal mehr festhielt, dass es sich hier in erster Linie um ein antikatholisches Relikt aus der Zeit des Kulturkampfes handle. Wichtige Basisorganisationen (Römisch-katholische Zentralkonferenz, Katholischer Frauenverband) meldeten hingegen Widerstand an und meinten, vor einer Abschaffung müssten mit dem Vatikan ganz klare Abmachungen über die Mitsprache des Kirchenvolkes bei der Wahl von Bischöfen stipuliert werden. Der Widerstand der katholischen Basisbewegung erklärte sich durch die langjährigen Querelen um den äusserst umstrittenen Churer Exbischof Haas. Auch der Evangelische Kirchenbund und die Christkatholische Kirche lehnten eine bedingungslose Streichung ab; ihrer Meinung nach sollten die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in einem speziellen Verfassungsartikel umfassend geregelt werden. Die meisten katholisch dominierten Kantone votierten für die Abschaffung. Bern wollte grundsätzlich am Bistumsartikel festhalten; Zürich und Genf vertraten die Auffassung, eine Aufhebung sei zumindest verfrüht.

Die Ergebnisse der Vernehmlassung bewogen die Staatspolitische Kommission des Ständerates, das Tempo zu drosseln – vorgesehen war ursprünglich eine Volksabstimmung im Lauf des Jahres 2000 – und weitere Interessenvertreter anzuhören. Nach diesen Hearings kam sie zum Schluss, dass eine isolierte Streichung des Bistumsartikels unnötige Diskussionen und unerwartete Emotionen auslösen könnte. Die SPK verzichtete deshalb darauf, diese dem Plenum zu unterbreiten. Mit einer Motion wollte sie dagegen den Bundesrat auffordern, eine umfassende Änderung von Art. 72 der Bundesverfassung vorzubereiten und das Anliegen mit einer Vorlage über das generelle Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften zu erfüllen.

Dieser Zickzackkurs der Kommission war gar nicht nach dem Geschmack des abtretenden Urner CVP-Vertreters Danioth. Er stellte deshalb im Plenum den Antrag, die parlamentarische Initiative von alt Ständerat Huber sei an die Kommission zurückzuweisen mit dem Auftrag, eine neue Vorlage zwecks Streichung des Bistumsartikels vorzulegen. Der Ständerat teilte zwar die Auffassung, dass der Artikel die römisch-katholische Kirche völkerrechtlich diskriminiert und deshalb nicht in eine moderne Verfassung gehört, wollte aber dennoch die Frage erst später lösen. Bundesrätin Metzler anerkannte das «emotionale Potenzial» der Vorlage, gleichzeitig erklärte sie, der Bundesrat sei enttäuscht, dass es offenbar nicht gelinge, die letzte konfessionelle Ausnahmebestimmung rasch aus der Verfassung zu tilgen. Mit 20 zu 18 Stimmen wurde der Antrag Danioth abgelehnt, worauf die oben erwähnte Motion der SPK ohne weitere Diskussion überwiesen wurde.