Gerichtsentscheid im Fall Jagmetti

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Die Bundesanwaltschaft (BA) ermittelte aufgrund einer Anzeige des Bundesamts für Polizei (BAP) gegen drei Journalisten des «Sonntags-Blicks» wegen Veröffentlichung geheimer Unterlagen. Auslöser war ein Artikel über geheime Ermittlungen mehrerer Kantone in Kooperation mit dem BAP und Interpol gegen einen internationalen Mafiaring gewesen. Im «Fall Jagmetti» bestätigte das Bundesgericht einen Entscheid des Zürcher Obergerichts, wonach ein Redaktor der «Sonntags-Zeitung» wegen Veröffentlichung amtlich geheimer Verhandlungen zu einer Busse von CHF 800.- verurteilt worden war. In seiner Urteilsbegründung hielt das Bundesgericht fest, die Veröffentlichung einer in vertretbarer Weise für geheim erklärten Information bleibe grundsätzlich strafbar. Eine im Licht der Meinungsäusserungsfreiheit grosszügigere Gesetzesauslegung lehnte das Gericht als unzulässig ab. Im weiteren stützte das Bundesgericht einen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), welche im Zusammenhang mit der 1997 ausgestrahlten Sendung «L’honneur perdu de la Suisse» den Verantwortlichen der Télévision Suisse Romande (TSR) eine Verletzung der Programmbestimmungen vorgeworfen hatte. Der Sendebeitrag, in welchem die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg thematisiert worden war, habe es gemäss Urteil des Bundesgerichts an Objektivität und Transparenz mangeln lassen.

Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente durch Medienschaffende hob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zwei Urteile des Bundesgerichts (BGer) auf. Er warf der Schweiz vor, sie habe mit der Bestrafung der beiden Journalisten gegen die Meinungsfreiheit und damit gegen Art. 10 EMRK verstossen. Eines der Urteile, gegen einen Journalisten der Sonntags-Zeitung wegen der Publikation geheimer Diplomatenpost, wollte die Schweiz nicht hinnehmen und verlangte eine Neubeurteilung. Es war das erste Mal, dass sie eine Verurteilung durch den EGMR nicht akzeptierte. Dies überraschte namentlich darum, weil der Bundesrat gleichzeitig die Abschaffung des Strafgesetzartikels prüfte, der dem Urteil zugrunde lag.

Im Jahr 2006 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein Urteil gegen einen Journalisten der «Sonntags-Zeitung» aufgehoben. Dieser hatte in den neunziger Jahren einen vertraulichen Bericht des damaligen Schweizer Botschafters in den USA, Carlo Jagmetti, mit Empfehlungen an den Bundesrat zur politischen Behandlung von Forderungen aus den USA im Zusammenhang mit Bankkonten von Holocaustopfer publiziert. Die Eidgenossenschaft akzeptierte erstmals einen Entscheid des EGMR nicht und zog ihn an die grosse Kammer weiter. Diese kam im Berichtsjahr zum Schluss, die Schweiz habe mit der Verurteilung des Medienschaffenden die Meinungsfreiheit nicht verletzt und stiess damit das Urteil der kleinen Kammer des EGMR um.