Einen deutlichen Linksrutsch haben die Neuenburger Kantonswahlen gebracht. Im Grossrat verzeichneten die Liberalen und die Freisinnigen zusammen zehn Sitzverluste und verfügen neu über 34 resp. 25 Mandate. Gewinner waren die SP und vor allem die Grünen. Die gemässigten Neuenburger Grünen «Ecologie et liberté» konnten mit einem Schlag sechs Sitze erobern, davon vier in der Stadt Neuenburg. Die SP eroberte drei von den vier im Jahre 1985 verlorenen Sitzen zurück. Eine gleichbleibende Sitzzahl verzeichnete der kommunistische POP (Parti ouvrier populaire) mit vier Mandaten. Die zehn Sitzverluste der bürgerlichen Parteien und die Sitzgewinne namentlich der Grünen wurden teilweise den Listenverbindungen unter Grünen und Linken zugeschrieben; solche wiederum waren die einzige Möglichkeit für kleinere Gruppierungen, das gesamtschweizerisch aussergewöhnlich hohe Quorum von zehn Prozent zu überwinden. Der Landesring hingegen schaffte diese Hürde nicht und konnte keine Rückkehr in den 1985 verlassenen Grossen Rat feiern.

Noch spektakulärer als im Neuenburger Grossrat war der Linksrutsch im Regierungsrat. Im ersten Wahlgang erreichten die bisherigen Regierungsräte Pierre Dubois (sp), Francis Matthey (sp) und Jean Cavadini (lp) das absolute Mehr. Im zweiten Durchgang wurden der bisherige Jean-Claude Jaggi (lp) und der neue, parteilose, aber von Grünen und Linken unterstützte Michel von Wyss gewählt. Letzterer übertraf knapp die einzige Frau, welche für einen Exekutivsitz kandidiert hatte, die freisinnige Marie-Françoise Bouille. Damit sind die Radikalen erstmals seit 1848 nicht mehr in der Exekutive vertreten. Auf gesamtschweizerischer Ebene ist Neuenburg neben Bern der zweite von einer rot-grünen Mehrheit regierte Kanton geworden. Analog zu Bern ist allerdings auch hier das Parlament weiterhin mehrheitlich bürgerlich zusammengesetzt. Dass der Olivenhändler, Hausmann und Sozialwissenschafter von Wyss den Sprung in die Regierung schaffte, hatte sicher, neben der Honorierung seines ökologischen Engagements, auch Gründe, die bei den bürgerlichen Parteien selbst zu suchen sind. In den Analysen erwähnt wurden etwa die ungeschickte Wahlkampagne der Freisinnigen sowie die Rolle von bürgerlichen Politikern bei spekulativen Grundstückgeschäften in der Stadt Neuenburg.

Dossier: Elections cantonales - Neuchâtel