Wiederassoziierung an «Horizon Europe»

Als PDF speichern

Das SBFI informierte Ende Juni 2021, dass die Europäische Kommission die Projekteingaben für das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation «Horizon Europe 2021-2027» eröffnet habe. Da die Schweiz und die EU noch keine Verhandlungen über eine Assoziierung der Schweiz begonnen haben, könnten Forschende in der Schweiz zwar ebenfalls – wenn auch nur in beschränktem Ausmass – an den Ausschreibungen teilnehmen, sie erhielten jedoch als Partizipierende aus einem Drittstaat in der Regel keine Finanzierung seitens der Kommission. Der Bundesrat strebe die Assoziierung als Vollmitglied an; solange diese jedoch noch nicht stehe, werde die Finanzierung der entsprechenden Projekte durch das SBFI erfolgen. Die entsprechende Finanzierung im Umfang von CHF 6.15 Mrd. war 2020 seitens der beiden Räte gutgeheissen worden. Das SBFI schloss seine Medienmitteilung mit dem Hinweis darauf, dass die Schweiz wohl in der nächsten Zeit von der Europäischen Kommission informiert werde, wie diese hinsichtlich einer allfälligen Assoziierung der Schweiz vorgehen wolle.
Die Medien zeigten sich im Gegensatz zum SBFI jedoch überzeugt, dass die EU nicht so bald auf den Schweizer Wunsch nach einer Assoziierung eingehen werde. Die Schweiz sei derzeit sogar schlechter gestellt als Länder wie die Türkei, mit denen aktuell Verhandlungen laufen oder kurz bevorstehen. Zurückzuführen sei diese missliche Lage auf den Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen sowie auf die Zurückhaltung in Sachen Kohäsionsmilliarde für ausgewählte EU-Staaten. Die Aargauer Zeitung befürchtete gar, dass die Deblockierung der Kohäsionsmilliarde eventuell nicht reichen werde, um die EU-Kommission zu einem Verhandlungsbeginn betreffend Horizon Europe zu bewegen. Die Medien zitierten auch mehrere Stimmen aus der Forschungslandschaft der Schweiz, die sich besorgt über den derzeitigen Status der Schweiz äusserten. So befürchtete Jean-Luc Barras, Abteilungsleiter institutionelle Beziehungen beim SNF, eine «Erosion der wissenschaftlichen Forschung in der Schweiz», währenddem Yves Flückiger, Präsident von swissuniversities, die Forschenden in der Schweiz aufgrund dieser Situation als «groggy», also als angeschlagen oder wackelig, bezeichnete.

Dossier: Erasmus und Horizon

Mitte Juli 2021 gab das SBFI bekannt, dass die Schweiz beim EU-Forschungsrahmenprogramm «Horizon Europe» für die Jahre 2021 bis 2027 bis auf Weiteres als nicht-assoziierter Drittstaat behandelt wird, wie die Europäische Kommission in einem Brief mitgeteilt habe. Dies habe zur Folge, dass Schweizer Forschende nur in beschränktem Ausmass an den Ausschreibungen des Programms partizipieren können. Dort, wo dies weiterhin möglich sei, werde die Finanzierung der Projektkosten vom SBFI übernommen. Die Teilnahme an einigen renommierten Einzelprojekten, wie etwa an denjenigen des European Research Council, sei aber grundsätzlich nicht mehr möglich. Das SBFI liess zudem verlauten, dass der Bundesrat weiterhin eine Assoziierung an Horizon Europe anstrebe, wofür die Europäische Kommission jedoch gewisse Bedingungen genannt habe, namentlich die Auszahlung der zweiten sogenannten Kohäsionsmilliarde.
Die Medien schätzten diesen Ausschluss der Schweiz als schweren Schlag für die Schweizer Forschungslandschaft ein. Die NZZ mutmasste, dass dieser Entschluss der EU dem Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen geschuldet sei. Als Konsequenz leide nun der Forschungsplatz Schweiz, da es für diesen nur noch eine eingeschränkte internationale Kooperationsfähigkeit gebe und den Forschenden der Verlust wichtiger wissenschaftlicher Netzwerke drohe. ETH-Ratspräsident Michael Hengartner nannte diese Nicht-Assoziierung gar einen «Kollateralschaden». Er wies darauf hin, dass der Zugang zum Horizon-Programm für die Innovationskraft des gesamten Schweizer Forschungsplatzes von grossem Wert sei. Mit der jetzigen Situation gebe es auch ein gewisses Risiko, dass insbesondere Nachwuchsforschende die Schweiz verlassen könnten, um an einer Institution in der EU zu arbeiten. Der Regierungsrat des Kantons Zürich schätzte die Lage gemäss Tages-Anzeiger ähnlich ein und sprach von einem «Reputationsverlust für Schweizer Hochschulen». Mittelfristig sehe der Regierungsrat daher keine Alternative zu einer Assoziierung der Schweiz an Horizon.

Dossier: Erasmus und Horizon

Der Bundesrat reagierte im September 2021 auf den Beschluss der EU-Kommission, die Schweiz beim EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe » als nicht-assoziierten Drittstaat zu behandeln, indem er beschloss, den SNF mit der Durchführung von Übergangsmassnahmen zu beauftragen. Diese sollen in Kraft bleiben, bis die weiterhin angestrebte Assoziierung der Schweiz in die Wege geleitet werden könne. Die Übergangslösungen für die Ausschreibungen von Horizon Europe – wie etwa den «Starting Grants» des Europäischen Forschungsrates – sollen sich an den europäischen Ausschreibungen orientieren, unterliegen aber anderen Fristen für die Projekteingaben. Das WBF werde darüber hinaus bei der Innosuisse, bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA und weiteren Akteuren zusätzliche Übergangsmassnahmen einleiten. Alle diese Übergangsmassnahmen sollen den Räten mit einer Nachmeldung zum Voranschlag 2022 in der Wintersession 2021 unterbreitet werden.

Rund einen Monat später informierte der Bundesrat in einer weiteren Medienmitteilung, dass er die notwendigen Kreditverschiebungen für die bereits im Jahr 2020 gutgeheissene Direktfinanzierung der Schweizer Projektpartner in die Wege geleitet habe. Daher könne nun die Finanzierung von Schweizer Projektteilnehmenden am Horizon-Paket 2021–2027 im Umfang von ca. CHF 400 Mio. für das Jahr 2021 direkt durch das SBFI erfolgen. Darüber hinaus habe der Bundesrat das WBF und das EFD beauftragt, «allfällige Ergänzungs- und Ersatzmassnahmen zur Stärkung des Schweizer Forschungs- und Innovationsstandorts zu prüfen».

Dossier: Erasmus und Horizon

Anfang März 2022 gab der Bundesrat bekannt, dass er das revidierte Bundesgesetz über die Förderung der Forschung und der Innovation FIFG gestaffelt in Kraft setzen werde. Bereits auf den 15.4.2022 wolle die Regierung die Bestimmungen zur Unterstützung von KMU und Start-ups, die aktuell nicht vom Förderinstrument «Accelerator» des European Innovation Council profitieren können, in Kraft setzen. Diese Bestimmungen waren vom Parlament in das FIFG aufgenommen worden, da den Schweizer KMUs und Start-Ups aufgrund der Nicht-Assoziierung an Horizon Europe die Mitwirkung an diesem Förderinstrument verwehrt geblieben war. Der Bundesrat gab auch bekannt, dass er die entsprechenden «finanziellen Mittel für Übergangsmassnahmen der Innosuisse zu den Ausschreibungen des «EIC Accelerator» 2022 zuhanden des Parlaments verabschiedet» habe. Die übrigen Bestimmungen des revidierten FIFG sollen am 1. Januar 2023 ihre Gültigkeit erlangen.

Dossier: Erasmus und Horizon

Da sich Schweizer Akteurinnen und Akteure aus Forschung und Innovation aufgrund der Nicht-Assoziierung an Horizon Europe zwar an rund zwei Dritteln der Ausschreibungen dieses Rahmenprogramms beteiligen können, in der Regel aber keine Finanzierung seitens EU dafür erhalten, verabschiedete der Bundesrat im Mai 2022 weitere Übergangsmassnahmen für das Jahr 2022. Im Rahmen dieser Massnahmen fliessen finanzielle Mittel, die als Pflichtbeitrag an die EU für die Teilnahme an Horizon Europe eingeplant waren, direkt an Schweizer Projektbeteiligte. Bezüglich der Einzelstipendien, für die sich Forscherinnen und Forscher von Schweizer Institutionen derzeit aus demselben Grund nicht bewerben können, beschloss der Bundesrat Förderangebote beim SNF und bei Innosuisse einzurichten. Übergangsmassnahmen wurden auch für die Bereiche Hochleistungsrechnen, Quantenforschung und Raumfahrt beschlossen. Diese Massnahmen werden über das SBFI und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) abgewickelt. Ferner beabsichtigte der Bundesrat die internationale Ausrichtung des Schweizer Forschungs- und Innovationsbereichs mittels der Lancierung von bi- und multilateralen Kooperationen auszuweiten; so werde demnächst eine nationale Quanteninitiative lanciert und im Bereich der Raumfahrt strebte die Schweiz eine Kooperationsvereinbarung zur Gründung eines gemeinsamen Kompetenzzentrums mit der ESA an. Diese wurde im Mai 2022 abgeschlossen.
Insgesamt werden sich die Kosten für diese Massnahmen für die Jahre 2021 und 2022 auf über CHF 1.2 Mrd. belaufen.
Wie die Medien berichteten, werde der Bundesrat im Jahr 2023 darüber entscheiden, ob eine Assoziierung an die Programmperiode 2021-27 von Horizon Europe überhaupt noch Sinn mache. Wie Staatssekretärin Martina Hirayama anlässlich eines Mediengesprächs im Mai 2022 betonte, sei eine Assoziierung logischerweise mit der Zeit immer weniger angezeigt, da die grossen Ausschreibungen bereits vergeben und die entscheidenden Projekte lanciert seien.

Dossier: Erasmus und Horizon

Im April und Mai 2023 verkündete der Bundesrat neue Übergangsmassnahmen im Zusammenhang mit der Nicht-Assoziierung der Schweiz am EU-Forschungsprogramm Horizon Europe:
2022 hatte Innosuisse als Übergangsmassnahme eine Ausschreibung für das Förderprogramm «Swiss Accelerator » eröffnet. Mit diesem sollen innovative KMU und Start-ups nach dem Markteintritt unterstützt werden. Im April 2023 gab Innosuisse die 53 ausgewählten Projekte bekannt, die mit insgesamt CHF 112 Mio. unterstützt werden. Darunter befinden sich viele Projekte auf dem Gebiet der Life Sciences.
Ende Mai 2023 beschloss der Bundesrat zudem Übergangsmassnahmen in der Höhe von CHF 625 Mio. für die Ausschreibungen 2023 des Horizon-Pakets, welches Horizon Europe, das Euratom-Programm, ITER und das Digital Europe-Programm umfasst. Die entsprechenden Mittel hatte das Parlament bereits Ende 2020 gutgeheissen. Wie sich der Medienmitteilung entnehmen liess, werde wie in den vergangenen zwei Jahren auch bei den Übergangsmassnahmen 2023 zwischen zugänglichen Verbundprojekten, bei denen die Schweizer Projektpartner direkt vom SBFI finanziert werden, und nicht zugänglichen Programmteilen unterschieden. Bei den für die Schweiz nicht zugänglichen Programmteilen handle es sich um Einzelförderungsinstrumente wie etwa die Ausschreibungen des Europäischen Forschungsrates und die Einzelprojekte der Marie Skłodowska-Curie-Aktionen. Die Schweiz sei zudem nicht zu Projekten zugelassen, die in von der EU als strategisch wichtig erachteten Bereichen Quantum, Raumfahrt und Hochleistungsrechnen angesiedelt sind. Für diese Instrumente werde die Finanzierung durch den SNF, Innosuisse, die Europäische Weltraumorganisation sowie durch weitere Institutionen erfolgen.

Dossier: Erasmus und Horizon

Im April 2024 gab der Bundesrat bekannt, die Schweizer Forschenden auch weiterhin mit Übergangsmassnahmen für die Ausschreibungen 2024 des Horizon-Pakets 2021–2027 zu unterstützen. Auch nach der offiziellen Aufnahme von Verhandlungen mit der EU über ein neues Vertragswerk (auch Paketansatz oder Bilaterale III genannt) galt die Schweiz im Frühling 2024 weiterhin als nicht-assoziiertes Drittland. Dadurch standen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Schweizer Forschungsinstitutionen lediglich die Teilnahme an rund zwei Dritteln des Horizon-Programms offen. Für diesen Teil des Programms sprach der Bundesrat nun CHF 600 Mio., mit welchen die Schweizer Forschenden direkt vom SBFI finanziert werden sollen, da sie nicht von der Finanzierung über die EU profitieren können. Weitere CHF 50 Mio. sollen den Forschenden im Rahmen von nationalen Übergangsmassnahmen für die nicht zugänglichen Programmteile, wie etwa die bekannten Starting Grants des Europäischen Forschungsrats, zukommen. Weitere Zusatzmittel wurden für die Bereiche Raumfahrt und Cybersecurity vorgesehen. Die insgesamt maximal CHF 650 Mio. für die Ausschreibungen 2024 werden aus dem bereits im Jahr 2020 beschlossenen Horizon-Paket 2021–2027 entnommen.

Dossier: Erasmus und Horizon

Anfang Juli 2024 gab der Bundesrat bekannt, dass Forschende von Schweizer Hochschulen und Forschungsinstitutionen Zugang zu drei prestigeträchtigen Ausschreibungen des Europäischen Forschungsrates erhalten; es handelte sich dabei um den Starting Grant 2025, den Synergy Grant 2025 und den Consolidator Grant 2025. Da die Schweiz seit 2021 nicht mehr an das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe assoziiert ist, werde die Schweizer Beteiligung für diese Förderinstrumente direkt durch den Bund finanziert. In der Medienmitteilung wurde weiter ausgeführt, dass die Beteiligung der Schweiz an EU-Programmen wie Horizon Europe von den Verhandlungen über das Gesamtpaket zwischen der Schweiz und der EU abhängt.
Die Medien erachteten diese Einigung als kleines Entgegenkommen der EU, nachdem es bei den Vertragsverhandlungen zuletzt Fortschritte im Bereich der institutionellen Fragen sowie bei den staatlichen Beihilfen gegeben habe. Für den Zugang zu weiteren Ausschreibungen müsse die EU aber weiterhin einzeln grünes Licht geben, damit behalte sie ein wichtiges Pfand in der Hand, um bei den Verhandlungen Druck ausüben zu können.

Dossier: Erasmus und Horizon