Folter als eigener Straftatbestand im Schweizer Strafrecht (Pa.Iv. 20.504)

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Im Frühjahr 2022 gaben die Rechtskommissionen beider Räte einer parlamentarischen Initiative Flach (glp, AG) für ein ausdrückliches Folterverbot im Schweizer Strafrecht Folge. Folter sei in der Schweiz aktuell nur im Kontext von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit explizit verboten, was zur Umsetzung des völkerrechtlichen Folterverbots ungenügend sei, stellte der Initiant fest. Die bestehenden Bestimmungen ahndeten Folter nicht konsequent und effektiv genug und deckten sich nicht mit der Definition von Folter in der UNO-Antifolterkonvention. Da Folter dadurch nicht angemessen bestraft werde, laufe die Schweiz Gefahr, «in naher Zukunft» vom EGMR gerügt zu werden, so Flach in der Begründung seiner Initiative. Nicht zuletzt schwäche die lückenhafte Gesetzgebung das internationale Engagement der Schweiz gegen Folter und schade der Glaubwürdigkeit des Landes. Die RK-NR teilte diese Argumentation mehrheitlich und stimmte der Initiative mit 13 zu 9 Stimmen zu. Die Minderheit war der Ansicht, dass die geltenden Strafbestimmungen zur Ahndung von Folterhandlungen ausreichten. Die RK-SR hiess die Initiative einstimmig gut und erachtete es nun als Aufgabe ihrer Schwesterkommission, «den neuen Straftatbestand klar abzugrenzen».

Im März 2024 verlängerte der Nationalrat die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative Flach (glp, ZH) für ein ausdrückliches Folterverbot im Schweizer Strafrecht um zwei Jahre. Die zuständige RK-NR hatte dies mit 16 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung beantragt und argumentiert, dass die Verwaltung mit der Ausarbeitung von zwei Varianten beauftragt worden sei, die noch 2024 in die Vernehmlassung gegeben werden sollen. Eine Kommissionsminderheit, vertreten durch Jean-Luc Addor (svp, VS), hatte dagegen die Abschreibung der Initiative gefordert. Wie Addor im Plenum ausführte, seien jegliche Handlungen, die als Folter bezeichnet werden können, bereits im StGB abgedeckt und kein neuer Straftatbestand nötig. Der Entscheid zur Fristverlängerung fiel mit 123 zu 64 Stimmen, wobei die SVP-Fraktion geschlossen für die Abschreibung votierte.