E-ID – Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise (BRG 23.073)

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Nach dem Nein in der Volksabstimmung vom 7. Juni 2021 über die E-ID und in Erfüllung sechs gleichlautender Motionen zur Einführung einer «vertrauenswürdigen staatlichen E-ID» gab der Bundesrat im Juni 2022 das neue Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise in die Vernehmlassung. Bereits im Herbst 2021 hatte das BJ eine informelle öffentliche Konsultation durchgeführt. Aufgrund der 60 dabei eingegangenen Stellungnahmen hatte der Bundesrat einen Richtungsentscheid gefällt, der sich im Vernehmlassungsentwurf niederschlug. In diesem sah der Bundesrat vor, dass der Bund die E-ID herausgeben und deren Nutzung mittels eigener App bei Identitätsnachweisen im Internet oder beim Einkauf von Produkten mit Jugendschutzbestimmungen ermöglichen werde. Dabei werde durch das System selbst (Privacy by Design), durch eine Minimierung der Datenflüsse sowie eine dezentrale Datenspeicherung der grösstmögliche Datenschutz angestrebt und die Nutzerinnen und Nutzer sollten möglichst vollständig über ihre Daten verfügen können (Self-Sovereign Identity). Zudem sollten auch kantonale und kommunale Behörden sowie Private die neu geschaffene Infrastruktur nutzen können. Letztere könnten jedoch entscheiden, ob sie die E-ID zur elektronischen Identifizierung akzeptieren oder nicht. Die Nutzung der E-ID sei freiwillig, kostenlos und sämtliche Dienstleistungen des Bundes würden auch weiterhin analog angeboten, versicherte die Regierung.

Dossier: Identification électronique

Die 117 eingegangenen Stellungnahmen bei der Vernehmlassung zum Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis E-ID und andere elektronische Nachweise weisen auf reges Interesse hin. Bis zum Ablauf der Frist im Oktober 2022 äusserten sich 24 Kantone, 6 Parteien und 87 weitere Teilnehmende zum neuen Bundesgesetz, wie dem im November 2023 veröffentlichten Ergebnisbericht zu entnehmen ist. Explizit auf eine Stellungnahme verzichtet hatte der SAV. Die grosse Mehrheit der Rückmeldungen fiel grundsätzlich positiv aus und hob besonders die wichtige Rolle des Staates bei der Herausgabe und der Betreibung der E-ID-Infrastruktur hervor. Drei Stellungnahmen (SVP, Datenschützer des Kantons Tessins und die Piratenpartei) lehnten den Gesetzesentwurf insgesamt ab. Während aus Sicht der SVP die – im Ingress aufgeführten – Verfassungsartikel, welche die Bundeshoheit über das Bürgerrecht und die Errichtung öffentlicher Werke beinhalten, eine ungenügende Grundlage für die Einführung einer E-ID seien, lehnten der Tessiner Datenschützer und die Piratenpartei die Vorlage aus grundsätzlichen Datenschutzbedenken ab. Insgesamt umstritten waren insbesondere die Fragen nach dem Kreis der E-ID-Berechtigten, dem Ausstellungsprozess, der Gewährleistung des Datenschutzes und der Barrierefreiheit sowie dem zukünftigen Support für die Kantone. Viele Stellungnehmende, darunter sieben Kantone, die KdK, der Gewerkschaftsbund und das Referendumskomitee der E-ID-Abstimmung von 2021, verlangten diverse Ausweitungen der E-ID-Berechtigung, beispielsweise für Grenzgängerinnen und Grenzgänger, diplomatisches Personal oder Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus (Sans-Papiers). Zum Ausstellungsprozess wurden diverse Änderungen vorgeschlagen. So wollten einige Kantone, die KdK, der HEV und der Gewerkschaftsbund das Alter für einen selbständigen Bezug der E-ID von 14 auf 18 Jahre erhöhen, während andere Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen aus dem Datenschutzbereich Präzisierungen zum Umgang und der Sicherung der biometrischen Daten verlangten. Ebenfalls viele Eingaben gab es zur bundesrätlichen Absicht, die AHV-Nummer als Bestandteil der E-ID zu verankern. Während beispielsweise die Datenschutzbeauftragten des Kantons Tessin und Freiburg die Erwähnung der AHV-Nummer grundsätzlich ablehnten, forderten der Kanton Schwyz und zivilgesellschaftliche Datenschutzorganisationen technische Vorkehrungen, um deren unrechtmässige Verwendung zu verhindern. Oft wurde zudem das Anliegen geäussert, dass die E-ID nebst online auch an einem öffentlichen Schalter beantragt und ausgestellt werden können müsse. Diverse Behindertenorganisationen forderten zudem die unbedingte Garantie der Barrierefreiheit der E-ID, welche durch eine unabhängige Stelle kontrolliert werden solle. Die im Vorentwurf vorgesehenen Anlaufstellen für Bezugsberechtigte in den Kantonen wurden kritisch beäugt und eine grosse Zahl an Stellungnahmen (unter anderem 10 Kantone sowie eGov Schweiz) forderten einen zentralen Help-Desk des Bundes.

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Im November 2023 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise. Die Vernehmlassung habe gezeigt, dass nur der Bund als Herausgeber und Betreiber der Infrastruktur der neuen E-ID in Frage komme und dass er diese Aufgabe mit dem grösstmöglichen Schutz der Personendaten wahrnehmen soll. Der Bundesrat betonte, dass mit den Verfassungsartikeln zur Bundeskompetenz zur Ausführung des Bürgerrechts und zum Betrieb von öffentlichen Werken eine solide konstitutionelle Basis für das E-ID-Gesetz vorhanden sei und widersprach damit der SVP, die in der Vernehmlassung eine mangelhafte Verfassungsmässigkeit kritisiert hatte. Aufgrund der Vernehmlassung nahm der Bundesrat einige Änderungen in den Gesetzesentwurf auf, darunter die explizite Ermöglichung der E-ID-Ausstellung vor Ort und die festgeschriebene barrierefreie Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung. Zudem wurden Restriktionen und Sanktionen für das unrechtmässige Abfragen von E-ID-Daten bei Dienstleistungen, bei denen dies nicht nötig ist, eingeführt. Schliesslich sollen das Fedpol und das BIT den Nutzerinnen und Nutzern der E-ID einen Support anbieten und damit die Kantone entlasten. Um Kompatibilität mit den EU-Mitgliedstaaten zu erreichen, entschied sich der Bundesrat zudem für die Übernahme der E-IDAS-Verordnung, welche die gegenseitige Anerkennung der elektronischen Identitäten ermöglichen soll. Gleichzeitig beantragte der Bundesrat die Abschreibung der sechs gleichlautenden Motionen für die Einführung einer staatlichen E-ID.

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In der Frühjahrssession 2024 behandelte der Nationalrat als Erstrat das neue Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise. Nachdem die E-ID in einem ersten Anlauf vor dem Stimmvolk gescheitert war, unternahm der Bundesrat mit dem nun vorliegenden Entwurf einen zweiten Versuch zur Einführung der E-ID. Basierend auf sechs gleichlautenden Motionen aus allen Fraktionen schlug er dieses Mal eine rein staatliche Lösung inklusive umfassender Sicherheitsinfrastruktur vor. Die zuständige RK-NR befürwortete diese Stossrichtung und empfahl dem Nationalrat einstimmig bei drei Enthaltungen, das Bundesgesetz zur E-ID sowie einen entsprechenden Verpflichtungskredit für deren Aufbau und Betrieb anzunehmen.
Entsprechend wenig kontrovers verlief die Beratung im Nationalrat. Im Plenum äusserten sich alle Fraktionen grundsätzlich positiv zur neuen Gesetzesvorlage und den Änderungsanträgen der Kommission. Man war sich darin einig, dass der neue Entwurf nun den Sicherheitsbedenken und dem Verlangen nach einer staatlichen Lösung Rechnung trage. Namens des Bundesrates begrüsste Beat Jans alle vorgeschlagenen Ergänzungen der Rechtskommission, woraufhin der Nationalrat einstimmig auf die Vorlage eintrat und alle Änderungsanträge der Kommission stillschweigend guthiess. So führte die grosse Kammer unter anderem die Möglichkeit ein, sich anonym ausweisen zu lassen – zum Beispiel für Altersnachweise im Internet –, und postulierte den unverzüglichen Widerruf der E-ID, sollte die Sicherheit des Systems nicht mehr garantiert werden können. Des Weiteren wurde die Veröffentlichung des verwendeten Quellcodes («Open Source») verlangt und vom BIT regelmässige Sicherheitstests der genutzten Vertrauensinfrastruktur unter Mithilfe von Dritten gefordert. Dabei sollten Richtlinien erarbeitet werden, die den Umgang beim Bekanntwerden von Schwachstellen regeln. Eine weitere Stärkung der Privatsphäre solle zudem dadurch erreicht werden, dass die Nutzenden wählen können, ob die individuelle Historie der Transaktionen mit der E-ID gespeichert wird oder nicht. Die Volkskammer schrieb weiter explizit fest, dass die gesammelten biometrischen Daten während des Ausstellungsprozesses ausschliesslich zur Untersuchung von Identitätsdiebstählen verwendet werden dürfen.
In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den so angepassten Entwurf zum E-ID-Gesetz mit 175 zu 12 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Die ablehnenden Stimmen stammten allesamt aus der SVP-Fraktion, die damit zumindest teilweise ihre grundsätzliche Opposition aus der Vernehmlassung weiterführte.
Der Bundesbeschluss über die Verpflichtungskredite für den Aufbau und den Betrieb der E-ID, der für die Pilotphase CHF 15.3 Mio. und für den regulären Betrieb der E-ID CHF 85.5 Mio. vorsah, wurde mit ähnlichem Stimmenverhältnis genehmigt. Die sechs Motionen zu E-ID wurden stillschweigend abgeschrieben. Das Geschäft geht nun an die Rechtskommission des Ständerats.

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In der Herbstsession 2024 behandelte der Ständerat erstmals das neue Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise. Analog zur Volkskammer befürwortete die zuständige RK-SR die neue Vorlage inklusive nationalrätlichen Anträgen grossmehrheitlich und empfahl der Kantonskammer mit nur einer Gegenstimme, das Bundesgesetz über die E-ID anzunehmen. Einstimmig fiel die Empfehlung, den entsprechenden Verpflichtungskredit für deren Aufbau und Betrieb abzusegnen.
Namens des Bundesrates begrüsste Beat Jans alle vorgeschlagenen Ergänzungen der Rechtskommission, woraufhin der Ständerat einstimmig auf die Vorlage eintrat und die Änderungsanträge der Kommission guthiess. So entschied die kleine Kammer unter anderem, dass bei der Erstellung einer E-ID vor Ort der Gesichtsbildabgleich auch maschinell erfolgen können soll und öffentliche Stellen die E-ID in jedem Fall als Identifizierungsmöglichkeit akzeptieren müssen. Zudem wurde der Entscheid des Nationalrates bezüglich Veröffentlichung des Quellcodes («Open Source») dahingehend präzisiert, dass diese nicht mehr möglich sein soll, wenn die Rechte Dritter oder sicherheitsrelevante Gründe betroffen seien. Der Ständerat entschied zudem, dass in Zukunft auch private Anbieterinnen und Anbieter unter Einhaltung strikter – vom Bundesrat zu erlassender – Vorschriften für die Aufbewahrung und Vorweisung der E-ID zugelassen werden können.
Eine Kommissionsminderheit um Pirmin Schwander (svp, SZ) scheiterte mit zwei Anträgen, welche jeweils die Sicherheit gegen Datendiebstahl und Missbrauch hätten erhöhen sollen, wie Schwander im Plenum erläuterte. Konkret sollte die erstmalige Identitätsüberprüfung zur Erstellung der E-ID nicht mittels Online-Verfahren möglich sein und Verifikatorinnen wie beispielsweise Online-Shops unter keinen Umständen die in der E-ID enthaltenen Personendaten verlangen können. Mehrheitssprecher Mathias Michel (fdp, ZG) argumentierte dagegen, dass das Online-Verfahren ausreichend sicher und die Herausgabe der in der E-ID enthaltenen Personendaten nur bei klaren Indizien von Missbrauch und Identitätsdiebstahl möglich sei, was die Datensicherheit für die Besitzerinnen und Besitzer der E-ID zusätzlich erhöhe. Der Ständerat folgte in beiden Fällen mit grosser Mehrheit seiner Kommissionsmehrheit und lehnte die beiden Minderheitsanträge ab.
In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den so angepassten Entwurf zum E-ID-Gesetz mit 43 zu 1 Stimmen an. Der Bundesbeschluss über die Verpflichtungskredite für den Aufbau und den Betrieb der E-ID wurde mit 44 zu 1 Stimmen genehmigt, wobei einzig Schwander bei beiden Vorlagen dagegen votierte. Die sechs Motionen zur E-ID wurden stillschweigend abgeschrieben.
Der Entwurf zum E-ID-Gesetz geht nun zur Differenzbereinigung zurück an die RK-NR.

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