Schuld und Sühne

Im Themenbereich «Kirchen und religionspolitische Fragen» beschäftigte der Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche – auf den sich der Titel dieses Artikels bezieht – 2025 sowohl die katholische Kirche als auch das Parlament. Erstere machte erneut negative Schlagzeilen, als das Bistum Basel und der Vatikan den Forschenden der Universität Zürich für eine umfassendere Studie zum Umfang des Missbrauchs den Aktenzugang verweigerten und der Abt von St.Maurice nach Missbrauchsvorwürfen zurücktrat. Das Parlament blieb nicht untätig und verabschiedete sechs gleichlautende Motionen mit der Forderung nach einem Bericht, der mögliche nationale Schutzmassnahmen gegen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen untersuchen soll.

Unter den Titel «Schuld und Sühne» lässt sich auch ein nationales Novum fassen: Im Februar anerkannte der Bundesrat die Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Jenischen und Sinti, nachdem das vermeintliche Hilfswerk «Kinder der Landstrasse» von Pro Juventute in den 1980er Jahren mit staatlicher Unterstützung etwa 2'000 Kinder von Jenischen und Sinti systematisch verfolgt und fremdplatziert hatte. Noch nie zuvor hatte sich der Schweizer Staat eines solch gravierenden Tatbestandes schuldig bekannt. Der damit verbundene mediale Aufschwung rückte die zuvor etwas eingeschlafene Diskussion um die fehlenden Stell- und Durchgangsplätze für Fahrende wieder stärker in den Fokus.

Ebenfalls wieder Thema war das gemäss dem Antisemitismusbericht für das Jahr 2024 nach wie vor hohe Niveau an Antisemitismus in der Schweiz, welches der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) insbesondere auf den Nahost-Krieg zurückführte. Zusätzlich zeigte eine Studie der ZHAW, dass der weitverbreitete Antisemitismus negative Auswirkungen auf das Leben von Jüdinnen und Juden in der Schweiz hat. Um dem wachsenden Antisemitismus und Rassismus entgegenzutreten, formulierte der Bundesrat in einem Postulatsbericht konkrete Massnahmen, um das Monitoring und die Prävention von Rassismus und Antisemitismus zu verbessern. Zudem hiess der Ständerat eine Motion gut, welche genügend finanzielle Ressourcen für die Rassismus- und Antisemitismusprävention forderte. Schliesslich empfing Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter im Februar, 80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, rund 60 in der Schweiz lebende Holocaust-Überlebende, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

In der Kulturpolitik konnte das Parlament 2025 die letzten Beratungen zur Kulturbotschaft 2025–2028 abschliessen. Einerseits legten die Räte die Grundsätze für die Digitalisierung der Schweizerischen Nationalbibliothek fest. Andererseits entschieden sie, dass die neue unabhängige Kommission für Kulturgüter aus der Zeit des Nationalsozialismus oder des Kolonialismus nur aktiv werden darf, wenn beide Parteien einverstanden sind. Mit der Wahl der Schweiz in den internationalen Ausschuss der UNESCO-Konvention zum weltweiten Schutz des Kulturerbes fand das Engagement der Schweiz gegen den illegalen Kunsthandel auch internationale Anerkennung.
Neu fand auch die Debatte über künstliche Intelligenz (KI) in Zusammenhang mit Fragen rund um den Datenschutz von Kunst- und Kulturgütern Eingang in die Beratungen des Schweizer Parlaments. Dieses hiess zwei Motionen gut; erstens zur Schaffung einer Strategie gegen den Missbrauch von Bildmaterial und zweitens zur Verbesserung des Urheberrechts bei der Nutzung der Inhalte durch KI-Plattformen. Auch in den Medien wurde das Thema diskutiert, insbesondere nachdem über 650 Kultur- und Kunstschaffende einen Appell unterzeichnet hatten, in dem sie vom Bund einen besseren Schutz ihrer Werke vor KI-Konzernen forderten. Die grösste mediale Aufmerksamkeit erhielt im Kulturbereich jedoch der im Mai in Basel durchgeführte Eurovision Song Contest (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse). Dies dürfte die im Vergleich zu den Vorjahren aussergewöhnlich ausgeprägte Berichterstattung zur Kulturpolitik erklären (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Im Vergleich zu früheren Jahren stand die Sprachpolitik stärker im Fokus der Medien (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse), wobei wie bereits im Vorjahr die Mehrsprachigkeit zu reden gab. Besonders viel Aufmerksamkeit erhielten dabei die Entscheide gewisser Kantone, auf das Frühfranzösisch in der Schule zu verzichten, was insbesondere in der Romandie und beim Bundesrat nicht gut ankam (vgl. Jahresrückblick «Bildung und Forschung»). Gleichzeitig wird die Mehrsprachigkeit von der Schweizer Bevölkerung durchaus als wichtig erachtet, wie die Ergebnisse einer BFS-Erhebung zur Sprache, Religion und Kultur zeigten: Während knapp zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung im Alltag regelmässig mehr als eine Sprache sprechen, sind fast 80 Prozent der Meinung, dass Schülerinnen und Schüler als erstes eine Landsprache lernen sollten.

Dossier: Rétrospective annuelle 2025