Année politique Suisse 1988 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Radio und Fernsehen
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RTVG und Europäische Fernsehkonvention
Mit ausführlichen Anhörungen ausgewählter Experten und Interessenvertreter begann die zuständige Nationalratskommission die Beratung des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG). Bei ersten Entscheidungen der Kommission fiel deren Hang auf, strittige Punkte im Gesetz abzuschwächen und dafür der Exekutive eine grössere Entscheidungskompetenz zuzuweisen. So strich sie das Werbeverbot für Tabak und Alkohol zugunsten einer bundesrätlichen Kompetenz, einschränkende Vorschriften zu erlassen. In der am meisten umstrittenen Frage nach der Regelung der vierten, einzig noch verbleibenden terrestrischen Fernsehsenderkette sprach sich die Kommission nicht für die im Entwurf vorgesehene Minderheitsbeteiligung der SRG, sondern lediglich für deren "angemessene" Beteiligung aus. Das vorgesehene "Gebührensplitting", gemäss dem die SRG einen Teil der Gebühren an Veranstalter in wirtschaftlich schwachen Gebieten abzugeben hätte, wurde mit einem knappen Entscheid unterstützt [10].
Im Kampf um die vierte Senderkette begannen sich vier Grossverleger (Berner Zeitung AG, Tages-Anzeiger AG, Jean Frey AG und Sonor SA) gemeinsam für eine SRG-unabhängige Lösung einzusetzen. Sie verlangten die Möglichkeit, auch ausländische Sendeveranstalter in die Trägerschaft aufzunehmen; zudem sollte nach ihrer Auffassung das RTVG auch die Unterbrechung von Programmen mit Werbung zulassen. Neben den vier Verlegern kündigte auch die Schweizerische Fernseh- und Radiovereinigung (SFRV, "Hofer-Club") ihre Absicht an, unter dem Namen "Televisier" ein nationales Vollprogramm unter Ausschluss der SRG anzustreben. Die FDP drohte mit dem Referendum, falls für die vierte Senderkette keine SRG-unabhängige Lösung gefunden werde. Unter dem Eindruck dieser Vorstösse befürwortete auch der Genfer SP-Nationalrat J. Ziegler die Privatisierung dieser Senderkette, verlangte jedoch, dass sie mit strengen, öffentlich diskutierten Auflagen und einem Programmauftrag verbunden werde. Angesichts des steten Nachfrageüberhangs nach Werbezeit bei der SRG scheint die Finanzierung eines zweiten nationalen Vollprogramms möglich zu sein; ob es jedoch gelingen würde, das Know-how und die Personalressourcen in Konkurrenz zur SRG aufzubauen, wird gelegentlich bezweifelt [11].
Die CVP befürwortete den Gesetzesentwurf des Bundesrates im Prinzip, verlangte aber mehr Mittel für die Versorgung der Berg- und Randgebiete; sie wandte sich jedoch gegen das die SRG benachteiligende Gebührensplitting und schlug Investitionshilfekredite für den Aufbau von privaten Sendeinfrastrukturen in den benachteiligten Regionen vor [12].
Nach Überzeugung der Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationskultur (AfK) kann mit der vorliegenden Struktur des RTVG der Verfassungsauftrag hinsichtlich der vom Rundfunk zu erbringenden Leistungen nicht erfüllt werden. Da ihre ursprünglichen Vorschläge den schweizerischen Verhältnissen aber zuwenig angepasst schienen, präsentierte sie nun ein Modell "SRG Plus", das sich auf den RTVG-Entwurf abstützt. Auf der sprachregionalen/nationalen Ebene sollen der SRG mindestens 50% der insgesamt verfügbaren Sendezeit und 65% der Gebühren- und Werbeeinnahmen zur Verfügung stehen. Um die restliche Sendezeit auf dieser, wie auch auf der lokalen Ebene, könnten sich Publikumsvereine als Veranstalter bewerben, wobei deren Mitgliederzahl massgebend für die Zuteilung der Sendezeit und der übrigen Werbeeinnahmen wäre. Eine Konzession würde also nicht erteilt, wie im RTVG-Entwurf vorgesehen, wenn ein Anbieter die nötige Kapitalkraft nachweist, sondern wenn sich eine Nachfrage nach einem bestimmten Programm artikuliert. Mit diesem Modell würde nach Ansicht der AfK das SRG-Monopol nicht durch Wirtschaftsunternehmen, sondern durch demokratisch gebildete, weltanschauliche Organisationen gebrochen, was zu einem echten publizistischen Wettbewerb führen könnte [13].
Will die Schweiz für die einheimischen Rundfunkveranstalter nicht krasse Wettbewerbsnachteile schaffen, muss sie die Formulierung des RTVG in bestimmten Punkten – insbesondere den Werbevorschriften – europäischen Gegenbenheiten und Vereinbarungen anpassen. Für letztere präsentierte der Europarat beziehungsweise dessen Comité directeur sur les moyens de communication de masse (CDMM) einen Entwurf. Dieser sieht Bestimmungen zum Schutz der Rechte des Individuums (etwa das Gegendarstellungsrecht) und zum Jugendschutz vor, regelt den Anteil der europäischen Produktionen im Programm und stellt Werbevorschriften auf. Der Entwurf wurde an zwei Konferenzen der 21 Medienminister diskutiert, wobei sich vor allem die Unterbrechung von Programmen mit Werbung, die Genussmittelwerbung, das Tele-Shopping, der Einbezug des Radios und die Frage nach den möglichen Sanktionen bei Regelverletzungen als strittig herausstellten. Es wurde dabei deutlich, dass der Entwurf des CDMM in einigen Punkten abgeschwächt werden dürfte. So einigten sich die Minister nicht auf einen festen Anteil an europäischen Produktionen und äusserten die Absicht, Unterbrecherwerbung unter gewissen Bedingungen zu erlauben. Immerhin sollen die Werbeordnungen anderer Länder dann respektiert werden müssen, wenn die Sendungen hauptsächlich für diese bestimmt sind. Dies träfe beispielsweise für das Fernsehen von Campione zu, das nach italienischem Recht vor allem ins Tessin einstrahlt. Die Medienminister einigten sich darauf, die Vereinbarung im Frühjahr 1989 zu unterzeichnen [14].
Im sogenannten "Ätherkrieg" zwischen dem Tessin und Italien – die PTT reagierte auf die unzähligen ins Tessin einstrahlenden Sender mit der Installation einer besonders starken Sendeanlage, die nun ihrerseits die italienischen Sender in Italien stört – einigten sich die zuständigen Bundesrat A. Ogi und Minister O. Mammi darauf, eine gemischte Arbeitsgruppe einzusetzen, welche Mittel finden soll, alle unkoordiniert sendenden Stationen aufeinander abzustimmen. Die Arbeitsgruppe trat anfangs Dezember erstmals zusammen [15].
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Satelliten- und Regional-TV
Sechs europäische Satelliten sendeten im Berichtsjahr (Stand September 1988) insgesamt 34 Programme, wovon drei mit Beteiligung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) hergestellt wurden und eines ein schweizerischer PayTV-Kanal (Teleclub) war. Anfangs November begann ein weiterer schweizerischer Veranstalter mit der täglichen Ausstrahlung einer Morgensendung mit Wirtschaftsnachrichten. Die European Business Channel AG (EBC AG) hatte im Mai vom Bundesrat die entsprechende Konzession erhalten. Diese schreibt vor, dass mindestens 70% der täglichen Sendezeit von höchstens sechs Stunden wirtschaftlichen Themen gewidmet und 50% des Programms in der Schweiz hergestellt sein müssen. Zur Finanzierung sind höchstens 8 Minuten Werbung pro Stunde sowie das Sponsoring erlaubt. Die Sendungen des EBC werden je zur Hälfte auf deutsch und in englischer Ubersetzung ausgestrahlt. In der Schweiz wird das Programm auf dem Teleclub-Kanal, im englischsprachigen Gebiet auf der Frequenz des Sky Channel und, ab Anfang 1989, in Deutschland von RTL plus verbreitet. Erste, nicht repräsentative Umfragen beim Zielpublikum in der Schweiz vermittelten eher zurückhaltende Reaktionen auf das zusätzliche Angebot und liessen auf ein geringes Bedürfnis nach einer solchen Morgensendung schliessen [16].
Die Helvesat AG, welche 1987 ebenfalls ein Konzessionsgesuch für die Ausstrahlung eines schweizerischen Satelliten-TV Programms eingereicht und ihre Programmvorstellungen seither mehrmals überarbeitet hatte, verzichtete nun auf eine Konzession. Sie begründete ihren Entscheid damit, dass die Auflage, die SRG nicht zu konkurrenzieren, nicht erfüllbar sei [17].
Eine direkte und offen als medienpolitisch begründete Konkurrenzierung der SRG strebte dagegen die Fussball-Nationalliga an, als sie mit den privaten Abonnementsfernsehstationen Teleclub in der Deutschschweiz und Télécinéromandie in der Westschweiz einen Vertrag über die Direktübertragung von Fussballspielen der Nationalliga A abschliessen wollte. Das beabsichtigte Sponsoring durch den Ringier-Verlag beziehungsweise dessen Tageszeitung "Blick " widersprach allerdings der Teleclub-Konzession, und der Vertrag kam nicht zustande. Die Télécinéromandie, die in der Westschweiz auf der vierten Senderkette ein verschlüsseltes Abonnementsfernsehprogramm ausstrahlt, steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und beantragte deshalb beim Bundesrat die Übernahme und die teilweise unverschlüsselte Ausstrahlung von Programmteilen des französischen Privatsenders Canal plus. Dieser lehnte das Gesuch mit der Begründung ab, der schweizerische Charakter des Programms und des Unternehmens wären dadurch nicht mehr garantiert; zudem würde diese Zusammenarbeit eine Übertragung schweizerischer Fernsehsendefrequenzen an Frankreich bedeuten. Nachdem sich die SRG aus der Trägerschaft zurückgezogen hatte, übernahmen drei Filmproduzenten die Aktienmehrheit und suchten das Unternehmen zu sanieren. Auch aus der Pay-Sat AG, der Trägergesellschaft des Teleclub, zog sich die SRG zurück, worauf der Ringier-Verlag eine Beteiligung von 20% erwarb. Ende des Jahres reichte die Pay-Sat AG ein Konzessionsgesuch ein, welches die unverschlüsselte Ausstrahlung eines "Ergänzungsprogramms" mit Unterhaltungsund Informationssendungen während täglich bis zu sieben Stunden beinhaltet und deshalb als Anlauf zu einer direkten Konkurrenzierung der SRG empfunden wurde [18].
In verschiedenen Regionen der Schweiz machten auch die Bemühungen um ein Regionalfernsehen Fortschritte. In Bern erhielt eine aus lokalen Verlagen und anderen Wirtschaftsunternehmen bestehende Trägerschaft vom EVED die Bewilligung, während drei Tagen ein regionales Programm auszustrahlen. Finanziert wurde das "Bernsehen" durch Sponsoren und die SRG, die zusätzlich ein Rahmenprogramm lieferte. Linke und gewerkschaftliche Gruppen wollten sich an der Trägerschaft nicht beteiligen, da sie sich nicht als "demokratisches Feigenblatt für ein Wirtschaftsfernsehen" missbrauchen lassen wollten. Nach dem Versuch reichten sie beim EVED eine Beschwerde wegen Konzessionsverletzung und beim Bundesrat eine Aufsichtsbeschwerde gegen das EVED ein, da das Sponsoring von der RVO nicht erlaubt werde und demnach die Versuchserlaubnis gar nicht hätte erteilt werden dürfen. Die zur Begleitung des Versuchs eingesetzte Unabhängige Beschwerdekommission rügte daraufdie einseitige Berichterstattung über wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Bern, da die Sicht der Gewerkschaften nicht berücksichtigt worden sei. Auch die Berner Regierung versprach, sich künftig dafür einzusetzen, dass Parteien und soziale und kulturelle Organisationen in die Trägerschaft eines Regionalfernsehens aufgenommen würden [19]. In Zürich erhielt eine Gruppe von 30 freischaffenden Medienleuten eine befristete Sendebewilligung für ein durch Spenden finanziertes Programm. Der "Fluchtkanal" verstand sich als Kontrast zu den Veranstaltungen der Zürcher Juni-Festspiele, welche Zürich als Anziehungspunkt für kulturschaffende Flüchtlinge vor und während des zweiten Weltkrieges zum Thema hatten und die von jenen Medienleuten als zu schönfärberisch betrachtet wurden [20].
In der Innerschweiz einigten sich die bisherigen Konkurrenten Interessengemeinschaft Regionalfernsehen Innerschweiz (IRI) und Stiftung TV Tell darauf, künftig zusammenzuarbeiten und gemeinsam ein Gesuch für ein nicht gewinnorientiertes, regionales Fernsehprogramm mit einer breit abgestützten Trägerschaft einzureichen. Da die Stiftung TV Tell zur Einsicht gekommen war, dass das von ihr bevorzugte rein privatwirtschaftlich organisierte Fernsehen nicht zu verwirklichen sei, stimmte sie nun dem strittigsten Punkt hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit der SRG zu und öffnete dadurch den Weg zur Einigung mit der IRI [21]. In Basel reichte ein Verein ein Gesuch für einen während der Mustermesse Basel 1989 auszustrahlenden Kurzversuch ein. Im Trägerverein sind nicht nur zahlreiche Einzelpersonen und kulturelle und politische Organisationen, sondern auch die Regierungen der beiden Basel, Solothurns, des Aargaus und Berns vertreten, da die Programme in der ganzen Nordwestschweiz empfangbar sein sollen. Auch hier ist eine Zusammenarbeit mit der SRG geplant [22]. Ebenfalls das "Fenstermodell", also ein SRG-Rahmenprogramm in Verbindung mit einer rund eine Stunde pro Tag dauernden regionalen Sendung, empfahl eine Studie, die für ein Regionalfernsehen in der Ostschweiz erarbeitet wurde [23].
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Lokale Rundfunkversuche
Der Ablauf der ursprünglich auf fünf Jahre angelegten Versuchsphase für lokale Radio- und Fernsehveranstaltungen bildete – obwohl sie inzwischen um zwei Jahre verlängert wurde – den Anlass zur Bilanzierung der bisherigen Entwicklung. Unbestritten war dabei der Publikumserfolg, den die neuen Radiostationen geniessen. Während die Radiobetreiber und die Promotoren des privatwirtschaftlich organisierten Rundfunks diesen Erfolg als Beweis für die Richtigkeit des neuen Systems auffassten, stiessen sich andere an der Nivellierung und der Boulevardisierung der einseitig auf die Gewinnmaximierung ausgerichteten Programme und beklagten die systematische Verletzung der dem Versuch zugrundeliegenden Verordnung über lokale Rundfunk-Versuche (RVO). Die Schweizerische Journalistinnen- und Journalisten-Union (SJU) warf dem Bundesrat vor, sich nicht an die in der RVO formulierten Ziele und Vorschriften gehalten und anstelle eines echten Versuchs lediglich die Präjudizierung eines auf Kommerzsender ausgerichteten Rundfunksystems betrieben zu haben. So habe er zu vielen und mehrheitlich gewinnorientierten Sendern die Versuchserlaubnis erteilt und die Versuchszeit so lange ausgedehnt, dass keine bestehende Konzession mehr zurückgezogen werden könne; er habe das in der RVO vorgesehene Gewinnverbot und die Beschränkung auf ein lokales Empfangsgebiet nicht durchgesetzt; er lasse die ebenfalls verbotene Entstehung lokaler Medienmonopole zu, indem er Verlegerbeteiligungen sanktioniere; er habe die ursprünglich als Grundlage für eine Auswertung des Versuchs vorgesehene Begleitforschung abgeschafft; er gehe zu zurückhaltend gegen Verletzungen des Sponsoring-Verbots und von Werbebeschränkungen vor und schliesslich missachte er Vernehmlassungsantworten und lege seine Entscheidungsgrundlagen nicht öffentlich dar, wodurch er die ganze Entwicklung der demokratischen Kontrolle entzogen habe [24].
Mit einer vierten Revision der RVO beschloss der Bundesrat eine weitere Ausdehnung der täglichen Werbezeit in den Lokalradios. Um saisonale Nachfrageschwankungen besser ausgleichen zu können, wird den Lokalradios neu eine tägliche Werbezeit von 40 Minuten oder 5V3% der Sendezeit zugestanden, wobei jedoch die gesamte Werbezeit im Jahresdurchschnitt weiterhin bei 20 Minuten pro Tag bleibt [25].
Am 30. Juni lief die Frist ab, innert der beim EVED neue Konzessionsgesuche für Lokalradios in Gebieten, in denen bisher noch kein Veranstalter tätig war, eingereicht werden konnten. Insgesamt 24 Gesuchsteller aus acht Kantonen machten von diesem Angebot Gebrauch. Gemäss der dritten Revision der RVO scheidet nun das Departement die rechtlich zulässigen Gesuche aus und überlässt den Entscheid über die Konzessionierung anschliessend faktisch dem Kanton, in dem das Versorgungsgebiet liegt [26].
Ausserhalb dieser neuen Konzessionierungsrunde erhielt das Bündner Radio Grischa eine Sendeerlaubnis mit der Auflage, 20% der Wortbeiträge in rätoromanischer Sprache zu senden. Rechtliche und finanzielle Gründe verhinderten allerdings vorerst die Aufnahme der Sendetätigkeit. Die Betreiberin der Sendeanlagen war statutarisch dazu verpflichtet, das ganze Kantonsgebiet zu versorgen, die bestehenden Anlagen reichten jedoch für die Verbreitung eines zusätzlichen Senders nicht aus. Eine Statutenänderung bei der zu 95% dem Kanton gehörenden Gesellschaft schaffte schliesslich die Startbedingungen [27].
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Unabhängige Beschwerdeinstanz
Während unter dem vier Jahre dauernden Präsidium von O. Reck von insgesamt 77 abschliessend behandelten Klagen lediglich zwei gutgeheissen worden waren, stellte die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) im Jahre 1988 unter ihrem neuen Präsidenten J.P. Müller gleich vier Konzessionsverletzungen fest. Das Bundesgericht gab ausserdem einem Rekurs statt und betrachtete die Sendung des Westschweizer Fernsehens über eine Volksabstimmung, die sich gegen die Errichtung einer Hochspannungsleitung durch die Côte richtete, als einseitig. Trotzdem habe sich, so Müller, die Situation entkrampft, und die neuen Entscheidungen seien von den Medienschaffenden nicht beanstandet worden. Müller löste jedoch eine Kontroverse mit der Schweizerischen Fernseh- und Radiovereinigung (SFRV, bzw. "Hofer-Club") aus, als er deren "Medienanalysen" als Werke bezeichnete, die die verfassungsmässige Ordnung in Frage stellten. Der Professor für Staatsrecht begründete seine Ansicht damit, dass die "Medienanalysen" einen offiziösen Charakter erhalten, wenn sie, wie geschehen, von einer Gruppe von 22 bürgerlichen Parlamentariern unterstützt werden. Dadurch urteile eine offiziöse Instanz über Sendungen, welche eigentlich auf Klagen hin die verfassungsmässige UBI begutachten müsste. Die SFRV stellte sich auf den Standpunkt, dass es allen Bürgern, und somit auch einer Parlamentariergruppe, zustehe, Sendungen der SRG – um die es ausschliesslich geht – zu begutachten und zu kritisieren [28].
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SRG
Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) ist als Verein organisiert, der von regionalen Radio- und Fernsehgesellschaften getragen wird. Bei diesen handelt es sich ebenfalls um Vereine, die vor allem eine führende Rolle bei Personalentscheiden der SRG haben und denen alle Interessierten beitreten können. 1988 sorgte nun die Schweizerische Fernseh- und Radiovereinigung (SFRV, bzw. "Hofer-Club") für etwas Aufregung, als sie ihre Mitglieder und Sympathisanten aufforderte, den regionalen SRG-Trägerschaftsvereinen beizutreten, um dort die angeblich linken Mehrheiten zu stürzen. Obwohl der SRG-Zentralvorstand bekannt gab, dass bereits über 80% der Mitglieder der Trägerschaftsgesellschaften bürgerlich seien und der "Hofer-Club" Irreführung übe, wurde in verschiedenen Regionen ein starkes Anwachsen der Mitgliederzahlen registriert, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass auch gewisse SP-Kantonalsektionen zu einer analogen Aktion aufgerufen hatten. Neue Mehrheiten machten sich bei den Generalversammlungen dann trotzdem nicht bemerkbar, angekündigte Kampfwahlen fanden nicht statt, und die Anträge der SFRV fanden, wo sie nicht schon vor den Abstimmungen wieder zurückgezogen wurden, nur unbedeutende Unterstützung [29].
Der wichtigste Personalentscheid wurde in der Radio- und Fernsehgesellschaft der Deutschen und Rätoromanischen Schweiz getroffen. Hier wurde der St. Galler F. Hagmann (cvp) als Nachfolger des Solothurner Nationalrats E. Leuenberger (sp) zum Präsidenten gewählt [30].
Der ständige Nachfrageüberhang bei der Fernsehwerbung veranlasste die SRG, ein Gesuch um Ausdehnung der bisher zugelassenen Werbezeit von täglich 23 Minuten auf 30 sowie um die Zulassung der Sonntagswerbung ins Auge zu fassen. Unterstützt wird sie bei diesem Begehren von Nationalrat Früh (fdp, AR), der eine diesbezügliche Motion einreichte. Der Bundesrat wollte jedoch einen entsprechenden Entscheid nicht fällen, bevor das RTVG im Parlament beraten sei. Bereits früher eine "massvolle" Erhöhung der Werbezeit zu erlauben, mochte er aber auch nicht ausschliessen [31].
 
[10] Presse vom 18.8.88; BaZ, 15.9.88; Klarrest, 1988, Nr. 2; Zoon, 40/1988, Nr. 5, S. 16 ff. Zum RTVG-Entwurf vgl. SPJ 1987, S. 235 ff.
[11] Grossverleger: BZ, 13.12.88; TA, 14.12.88; NZZ, 17.12.88. SFRV: SGT, 15.4.88. FDP: JdG, BZ und NZZ, 25.10.88. Ziegler: 24 Heures, 31.12.88. Vgl. auch Ww, 8.12.88. Vgl. auch wf, Dok., 18, 2.5.88 ("Stand und Ziel der Radio- und Fernsehgesetzgebung") sowie Lit. Hoppmann und Krummenacher. Vgl. auch Plädoyer, 6/1988, Nr. 4, S. 7 ff.
[12] LNN, 28.6.88.
[13] Babylon, 2/1988, Nr. 4.; TA, 13.5.88. Vgl. auch SPJ 1987, S. 237.
[14] NZZ, 11.3., 22.4. und 19.11.88; TA, 27.5.88; JdG, 24 Heures und Bund, 25.11.88.
[15] Presse vom 12.7.88; NZZ, 2.12.88.
[16] Grundsätzliches zum europäischen Satelliten-TV: M. Loretan, "Murdoch stürmt den europäischen Satellitenhimmel", in Zoom, 40/1988, Nr. 20, S. 7 ff. EBC: BBl, 1988, II, S. 657 ff.; Presse vom 10.5. und 13.5.88; BZ, 1.10.88; TA, 4.11.88; SGT, 12.11.88, NZZ, 9.12.88. Zum Bundesbeschluss über das Satellitenfernsehen siehe auch SPJ 1987, S. 237.
[17] NZZ, 19.11.88. Vgl. auch SPJ 1987, S. 237.
[18] Télécinéromandie: TA, 13.1., 12.2. und 2.3.88; Sport, 15.1.88; TW, 16.2.88; BaZ, 22.2.88; Presse vom 1.3.88 (Ablehnung des Gesuchs); Suisse und NZZ, 25.3.88; JdG, 11.5. und 17.6.88; L'Hebdo, 3.3. und 13.10.88. Teleclub: TA, 13.1.88; BaZ, 10.12.88; Klartext, 1989, Nr. 1; Zoom, 41/1989, Nr. 4, S. 2 ff.
[19] NZZ, 26.3. und 4.5.88; Bund, 28.4., 30.4., 2.5., 14.5., 13.10. und 22.10.88; TA, 29.4.88; Vat., 2.5.88; BaZ, 3.5.88; JdG, 6.5.88; Klartext, 1988, Nr. 3.
[20] Presse vom 26.5.88; Zoom, 40/1988, Nr. 14, S. 21 ff.
[21] Presse vom 15.4.88; LNN und Vat., 2.7.88.
[22] NZZ, 3.1.88; siehe auch BaZ, 16.12. und 21.12.88 über die Differenzen zwischen dem Landrat und der Regierung von Baselland in der Frage um den Beitritt zum Trägerverein.
[23] NZZ und SGT, 29.1.88.
[24] SJU, Die Lokalradio-Mogler, Bern 1988; dazu Presse vom 28.10.88; Suisse, 29.10.88; BZ, 31.10.88; NZZ, 1.11.88. Für weitere Stellungnahmen vgl. auch Presse vom 27.10.88 (A. Blum, R. Keller u.a.); TA, 9.12.88 (D. Barrelet und L. Schürmann); Zoom, 40/1988, Nr. 22, S. 30 ff. (U. Jaeggi).
[25] AS, 1988, S. 1553; Presse vom 20.9.88.
[26] BaZ, 2.7.88; NZZ, 4.7.88; Babylon, 2/1988, Nr. 6. Vgl. auch die neuen Konzessionsbestimmungen in AS, 1988, S. 92 ff.
[27] BüZ, 12.2., 8.3., 28.4., 23.6., 7.7. und 14.7.88.
[28] Presse vom 30.1.88 (Jahresbericht 1987); NZZ und TA, 26.1.89 (Rückschau auf 1988); JdG, Suisse und 24 Heures, 26.11.88 (Bundesgerichtsentscheid). Kontroverse: TA, 29.1. und 18.3.88; NZZ, 23.3.88 (Kritik an Müller); J.P. Müller, "Aufgabe, Grenzen und Selbstverständnis eines Verfassungsorgans", in NZZ, 16.6.88; die FDP hielt die Kritik an Müller aufrecht (AT, 11.7.88). Ein Postulat Graf(svp, ZH) verlangt vom BR eine Prüfung der Praxis der UBI, wurde aber noch nicht behandelt; vgl. Amtl. Bull. NR, 1988, S. 916.
[29] Presse vom 13.2.88 (Ankündigung der Aktion); BZ, 6.3.88; BaZ, 7.3.88 (Anmeldungen); Presse vom 12.3.88 (SRG-Zentralvorstand). Generalversammlungen: Aargau/Solothurn: AT und SZ, 3.5.88; BaZ, 4.5.88; Ostschweiz: SGT, 14.5., 20.5. und 30.5.88; Basel: BaZ, 4.6.88; Bern: Bund. BZ und TW, 20.6.88.
[30] Presse vom 5.11.88.
[31] Verhandl. B.vers., 1988, IV, S. 63; BZ, 25.8.88; NZZ, 29.10.88; Bund, 26.11.88.