Année politique Suisse 1997 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport
Gesundheitspolitik
Im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann sowie des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) untersuchte ein Forschungsteam die
Zusammenhänge zwischen Geschlecht und Gesundheit in der zweiten Lebenshälfte. Die befragten Frauen schätzten ihren Gesundheitszustand tendenziell schlechter ein als die gleichaltrigen Männer. Die Studie untermauerte die bereits bekannte Tatsache, dass Frauen häufiger zum Arzt gehen, mehr Medikamente konsumieren und weniger Sport betreiben als Männer; dafür sind sie beim Tabak- und beim Alkoholkonsum zurückhaltender. Obgleich die Untersuchung zum Schluss kam, dass vor allem die sozialen Benachteiligungen der Frauen (schlechtere Ausbildung, geringerer Berufsstatus, niedrigerer Verdienst) den Gesundheitszustand negativ beeinflussen, sind es gerade die qualifiziertesten Frauen, die am meisten Medizin (vor allem präventiver Art) in Anspruch nehmen. Die Frauen dürfen im Gesundheitswesen aber nicht allein als Kostenfaktor wahrgenommen werden. Denn sie sind es auch, die in Laienpflege und Nachbarschaftshilfe am meisten Gratisarbeit leisten. Nach neueren Schätzungen können damit jährlich 10 bis 12 Mia Fr. eingespart werden
[1].
Die erste Studie, die sich detailliert mit Körpergewicht und
Essverhalten der Schweizer Jugendlichen beschäftigte, wies nach, dass zwei von vier Jugendlichen zu schwer sind und jedes vierte Mädchen ein gestörtes Verhältnis zum Essen hat, im Extremfall bis hin zur Anorexie (Magersucht) oder zur Bulimie (Ess-Brech-Sucht). 0,5% bis 1% bzw. 3% der Teenagerinnen sind davon betroffen
[2].
Mit einem Postulat wollte der Waadtländer Arzt und FDP-Nationalrat Guisan den Bundesrat bitten, die
Einführung eines Gesundheitspasses für jedermann zu prüfen. Ein solches Dokument sollte nach Ansicht des Postulanten Gesundheitsinformationen speichern, zur Qualitätssicherung beitragen und der Wirtschaftlichkeit der medizinischen Behandlung dienen. Erfasst würden Daten zur Diagnostik, zu den Untersuchungen sowie den laufenden und den abgeschlossenen Behandlungen. Von besonderer Bedeutung wäre dieser Pass für Patienten, die von mehreren Ärzten oder Institutionen behandelt werden. Es liesse sich damit besser vermeiden, dass medizinische Untersuchungen unnötigerweise wiederholt werden. Das Postulat wurde von 66 Mitunterzeichnern aus allen politischen Lagern unterstützt, von der Basler SP-Nationalrätin von Felten jedoch aus datenschützerischen Gründen bekämpft, weshalb der Entscheid verschoben wurde
[3].
Guisan seinerseits bekämpfte drei gesundheitspolitische Postulate, nämlich jenes von Dormann (cvp, LU), welches die Übernahme der Kosten für die ärztlich verschriebenen Verhütungsmittel durch die Krankenkassen beantragte, sowie jenes von Maury Pasquier (sp, GE), das eine Leistungspflicht der Krankenkassen bei Sterilisationen vorsehen wollte. Im dritten Fall, einem Postulat Wiederkehr (ldu, ZH), das eine Beimengung von Vitamin B6 in einzelne Nahrungsmittel anregte, um gewissen Geburtsgebrechen vorzubeugen, fand Guisan die Unterstützung von Nationalrätin Fankhauser (sp, BL). Auch bei diesen drei Vorstössen wurde die Beschlussfassung vertagt
[4].
Eines der Ziele des neuen Krankenversicherungsgesetzes ist, mehr Transparenz in die Kostenstrukturen des Schweizer Gesundheitswesens zu bringen, weshalb die Erarbeitung statistischer Daten in Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten (Konkordat der Krankenkassen, Kantone, Bund) intensiviert werden soll. Eine Westschweizer Studie schloss aufgrund der vorliegenden Daten, dass das bereits seit langem beobachtete Gefälle zwischen der "billigen" Ostschweiz und der "teuren" Romandie auch von einem
markanten Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Regionen überlagert wird. Im stationären Bereich liegt Basel-Stadt mit Abstand an der Spitze, gefolgt von Neuenburg und Genf. Besonders eklatant sind die Unterschiede aber im ambulanten Bereich. Hier liegen in Genf die Kosten pro Versicherten 60% und in Basel-Stadt 40% über dem nationalen Durchschnitt, während sie im Kanton Luzern 25% darunter liegen; Bern und Zürich entsprechen ungefähr dem Mittel. Das hat nicht nur mit der grösseren Ärztedichte in den Stadtkantonen zu tun, sondern auch mit den unterschiedlichen Arzthonoraren, welche in Luzern um 30% unter und in Genf um 100% über dem nationalen Durchschnitt liegen
[5].
Eine aus Vertretern von Konsumenten, Versicherern und Privatspitälern bestehende "Arbeitsgruppe Schweizer Gesundheitswesen" stellte zu Beginn des Jahres einen Bericht mit
Empfehlungen zur Kosteneindämmung vor. Nach ihren Vorstellungen könnten innerhalb von zwei Jahren 10 Mia Fr. eingespart und damit die Krankenkassenprämien um rund 30% gesenkt werden. Als einschneidendste Massnahme schlugen sie die Aufhebung der Subventionen an die öffentlichen Spitäler vor, damit diese, analog zu den privaten Kliniken gezwungen würden, ihren Betrieb nach marktwirtschaftlichen Kriterien zu führen. Weiter verlangten sie eine Zwangspensionierung aller Ärzte, die älter als 65 Jahre sind
[6].
Die
CVP stellte einen Massnahmenkatalog ähnlichen Inhalts vor. Demnach soll das Spitalwesen weitgehend von den Kantonen abgekoppelt und die Spitalsubventionen in Fallsubventionen umgewandelt werden, um die Spitäler zu mehr unternehmerischem Denken zu motivieren. Weiter verlangte sie eine Plafonierung der Ärztedichte und der Arzthonorare. Zum Medizinstudium sollen nur noch Personen zugelassen werden, welche vorgängig mit Erfolg ein Jahr lang in einer pflegerischen Tätigkeit gearbeitet haben
[7]. Die
SVP plädierte für einen Verzicht auf den weiteren Ausbau des Grundleistungskatalogs der Krankenkassen und für ein Moratorium bei der Zulassung neuer Leistungserbringer. Auch wollte sie vermehrt an die Eigenverantwortung der Versicherten appellieren und dafür die jährliche Franchise auf mindestens 600 Fr. erhöhen
[8].
Als wichtigste Sofortmassnahme zur Eindämmung der Kostensteigerung schlug eine Arbeitsgruppe der
SP die Einführung von befristeten Globalbudgets vor, solange die jährliche Zunahme der Gesundheitskosten über dem Wachstum der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung liegt. Dabei würden die Leistungserbringer, für die der Bund ein bestimmtes Vergütungsvolumen festlegt, gemeinsam die Aufteilung des Gesamtbetrages regeln und die Auszahlung einer geeigneten Institution übertragen. In diesem Sinn reichte Nationalrat Cavalli (TI) eine Motion ein, welche als Postulat überwiesen wurde. Gemäss der SP sollte inskünftig die Zulassung von Ärzten von einem Bedarfsnachweis abhängig gemacht werden. Bei den Medikamenten müssten die Leistungserbringer verpflichtet werden, anstelle der teuren Originalpräparate die kostengünstigeren Generika abzugeben
[9].
Mittelfristig möchte die SP die Gesundheitskosten durch einen ganzen Strauss von Massnahmen senken, welche sie im zweiten Teil der im November lancierten
Volksinitiative "Gesundheit muss bezahlbar bleiben (Gesundheitsinitiative)" ausführte. Gegenüber dem heutigen Krankenversicherungsgesetz (KVG) soll der Bundesrat mit weitgehenden Kompetenzen ausgestattet werden. Er soll insbesondere die Spitzenmedizin regeln und die Gesundheitsplanungen der Kantone koordinieren, die Maximalpreise der in der obligatorischen Krankenversicherung erbrachten Leistungen unter Einschluss der Medikamente festlegen, Zulassungsbestimmungen für die Leistungserbringer erlassen und für eine wirksame Qualitätskontrolle sorgen. Werden übermässige Leistungsmengen erbracht, soll er nach Sparten und Regionen differenziert weitere Kostendämpfungsmassnahmen ergreifen
[10].
Mit einer Motion forderte Nationalrat Gysin (sp, BS) den Bundesrat auf, darauf hinzuwirken, dass Eingriffe, die in Spitälern
ambulant oder teilstationär erfolgen, den Leistungen im stationären Bereich gleichgestellt werden. Der Bundesrat hielt dem entgegen, dass eine kantonale Subventionierung des ambulanten Bereichs eine Ungleichbehandlung zu Lasten jener Eingriffe erzeugen würde, welche ambulant in Arztpraxen und nicht in Spitälern erfolgen. Ziel müsste in erster Linie eine bessere Koordination zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor im Rahmen eines subventionierten Spitals sein. Auf seinen Antrag hin wurde der Vorstoss als Postulat überwiesen
[11].
Für weitere Vorstösse der Parteien und deren Repräsentanten im Bereich der Krankenversicherung siehe unten (Spitex und Medizinalpersonen) sowie Teil I, 7c (Krankenversicherung) und IIIa.
Gemäss neuem KVG hatten die Kantone bis Ende des Berichtsjahres die Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung aufzustellen und Listen jener Spitäler und Pflegeheime zu erlassen, die berechtigt sind, Patientinnen und Patienten zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung zu versorgen. Im Frühjahr gab die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) die von den Kantonen lange erwarteten diesbezüglichen Empfehlungen heraus. Sie unterschied dabei zwischen der
Spitalplanung, die als längerfristig angesetzter Prozess definiert wird, und den kurzfristig zu erstellenden Spitallisten. In letzterem Bereich empfahl sie den Kantonen,
auch private Spitäler und Pflegeheime angemessen zu berücksichtigen, diese Anerkennung aber nicht an eine Subventionspflicht zu koppeln
[12]. Als erste Tendenz der Spitalplanung liess sich erkennen, dass die Kantone unter den einzelnen Spitälern eine Art Opfersymmetrie betreiben und nur in den seltensten Fällen - so etwa im Kanton Zürich - zur Schliessung ganzer Spitäler bereit sind
[13].
Der Nationalrat unterstützte gegen den Willen der SP eine parlamentarische Initiative Hochreutener (cvp, BE), welche verlangt, dass bei medizinisch begründeten
ausserkantonalen Hospitalisierungen der Kanton sowohl in den öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern als auch in den privaten Kliniken die allfällige Differenz zwischen Kostenbeteiligung der Krankenkassen und den Tarifen der betreffenden Institution zu übernehmen hat. Der Initiant begründete dies unter anderem damit, dass die öffentlichen Spitäler oftmals restlos überfordert seien, während in den Privatkliniken Betten frei wären. Gemäss geltendem KVG sei es den Kantonen praktisch nicht möglich, mit ausserkantonalen Privatspitälern Abkommen über die Tarife zu vereinbaren. Die Gegner der Initiative warnten vor einem neuerlichen Kostenschub und verwiesen darauf, dass auch unter dem geltenden Gesetz die Möglichkeit besteht, dass ein Kanton mit einer ausserkantonalen Privatklinik ein Abkommen trifft, welches die Kostenbeteiligung regelt. Der Initiative wurde mit 71 zu 53 Stimmen Folge gegeben
[14].
Der
Preisüberwacher meldete Zweifel gegenüber der von den Spitälern geübten und von den Krankenkassen tolerierten Praxis an, den Privat- und Halbprivatversicherten medizinische Leistungen zusätzlich zur Tagespauschale in Rechnung zu stellen. Dies führe zu Missbräuchen und sei Anreiz für eine nicht gerechtfertigte Mengenausweitung. Als Beispiel fügte er die Situation im Kanton Zug an, wo eine Laboranalyse in der Privatabteilung eines Spitals 120% teurer ist als in der ambulanten Behandlung. Für den Preisüberwacher ist es deshalb nicht verwunderlich, dass immer mehr Personen aus den Halbprivat- und Privatversicherungen aussteigen, weil deren Prämien geradezu exorbitant werden
[15].
Die
Konferenz der kantonalen Sanitätsdirektoren kritisierte den Bundesrat als Beschwerdeinstanz in Tariffragen der öffentlichen Spitäler scharf. Sie warf der Landesregierung vor, ihre Entscheide über umstrittene kantonale Spitaltarife mehr auf politischer denn auf rechtlicher Basis gemäss neuem KVG zu fällen. Der Bundesrat wälze im Bestreben, die Krankenkassenprämien möglichst niedrig zu halten, immer mehr Kosten auf die Kantone und damit die Steuerzahler ab. Insbesondere werde den bis anhin sparsamen Kantonen der neu im KVG festgesetzte Deckungsgrad von 50% bei den Spitalkosten verweigert. Die Sanitätsdirektoren warfen dem Bund zudem vor, die steigenden Belastungen der Kantone durch die Prämienverbilligungen und die Abgeltung für ausserkantonale Hospitalisationen in seine Entscheide nicht einzubeziehen, weshalb in erster Linie die Krankenversicherer und die Versicherten entlastet würden, währenddem die kantonalen Defizite in nicht mehr verkraftbarer Weise anwüchsen
[16].
Zukunftsgerichtete Wege in der Spitalplanung geht der
Kanton Bern. Mit dem neuen Spitalversorgungsgesetz, welches nach einem Referendum von rund 67% der Stimmenden angenommen wurde, setzt sich der Kanton in die Lage, mit den Spitälern
Leistungsvereinbarungen abzuschliessen. Diese sollen nicht für einzelne Leistungen, sondern in der Regel für ganze Leistungspakete gelten. Diese werden durch im voraus festgelegte Pauschalen abgegolten, die sämtliche entstehenden Betriebskosten inklusive Amortisation entschädigen. Die einzelnen Pakete werden im Rahmen öffentlicher Submissionsverfahren ausgeschrieben und dann jene Offerten berücksichtigt, welche das günstigste Verhältnis zwischen Preis und verlangter Leistung aufweist. Im Kanton Bern wird damit gerechnet, dass durch diese Effizienzsteigerung rund zehn Regionalspitäler verschwinden werden
[17].
Die
Volksinitiative "für eine freie Arzt- und Spitalwahl" kam mit 134 015 gültigen Unterschriften zustande. Interessenvertreter aus Kreisen der Ärzteschaft und der Privatspitäler hatten die Initiative unter anderem aus der Befürchtung heraus lanciert, dass die Kantone private Spital-, Pflege- und Rehabilitationsinstitutionen von ihren Spitallisten verbannen und die Behandlungen in ausserkantonalen Spitälern und Kliniken einschränken könnten. Die Initianten stören sich auch an den Subventionsmechanismen bei den Spitälern. Die heutigen Subventionsflüsse würden zur Finanzierung der Spitaldefizite von öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern eingesetzt, ganz unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen und deren nachvollziehbaren Kosten. Diese Regelung verhindere die von allen Seiten geforderte Kostentransparenz. Prominente Mitinitianten des Volksbegehrens, welches die Unterstützung der FMH fand, sind der Chef des privat geführten Paraplegiker-Zentrums in Nottwil (LU) sowie die beiden FDP-Nationalräte Guisan (VD) und Suter (BE). Abgelehnt wurde es hingegen von den Krankenkassen. Diese erklärten, die auf den ersten Blick vernünftige und wettbewerbsfreundliche Forderung entpuppe sich bei vertiefter Analyse als überflüssig, enorm kostentreibend sowie wettbewerbsbehindernd und wecke zudem falsche Erwartungen
[18].
Der Detailhandel-Discounter Denner lancierte Ende Jahr eine
Volksinitiative "für tiefere Spitalkosten". Demnach soll die obligatorische Krankenversicherung in der heutigen Form aufgehoben und durch eine reine Spitalkostenversicherung ersetzt werden. Ganz gleich, ob ein Patient in der allgemeinen oder privaten Abteilung, im öffentlichen Spital oder in der Privatklinik liegt, sollen die Versicherer pro Tag 250 Fr. (indexiert) an die Kosten bezahlen
[19].
Weil die Kosten im Spitex-Bereich seit dem Inkrafttreten des neuen KVG zum Teil unkontrolliert zugenommen haben, drängten die Krankenkassen und deren Vertreter im Parlament auf eine Beschränkung der Höchstlimite für den Bezug dieser Leistungen. Der Bundesrat schloss sich dieser Sichtweise an und nahm eine Verordnungsänderung vor, mit welcher pro Patient und Quartal ein
maximales Zeitbudget von 60 Stunden festgesetzt wird. Ist dieses aufgebraucht, muss in Zusammenarbeit von Arzt, Spitex-Organisation und Krankenversicherung neu abgeklärt werden, ob sich die Pflegemassnahme noch aufdrängt. Mit diesem Entscheid kam der Bundesrat einer vorläufig unterstützten parlamentarischen Initiative des designierten Verwaltungsratspräsidenten der Krankenkasse Visana, Nationalrat Rychen (svp, BE), entgegen, der ebenfalls eine Beschränkung auf 60 Stunden pro Quartal verlangte, eine Weiterführung aber nur in Härtefällen zulassen sowie - analog zu den Pflegeheimen - auch für die Spitex eine Klassifizierung der Pflegebedürftigkeit einführen wollte. Dieser letzten Forderung trug der Bundesrat insofern Rechnung, als er per 1998 den Kantonen
Höchstansätze für Spitex-Leistungen je nach Pflegebedürftigkeit und Umfeld der Patientinnen und Patienten empfahl (30 bis 65 Fr. pro Stunde). Damit soll den zum Teil exorbitanten Rechnungen gewinnorientierter Spitex-Anbieter der Riegel geschoben werden. Nicht folgen mochte der Bundesrat der Forderung des Initianten, auch Chronischkranke und Langzeitpatienten dem Zeitbudget zu unterstellen; ihnen sollen nach Ansicht des Bundesrates aus dieser Massnahme keine Nachteile erwachsen
[20].
Im Sommer protestierten schwerstbehinderte Menschen im Berner Kocherpark, welcher direkt gegenüber dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) liegt, drei Tage lang campierend gegen diesen Abbau der Spitex-Leistungen, der ihrer Ansicht nach dazu führt, dass viele
Invalide, die permanent auf fremde Hilfe angewiesen sind, ihr selbständigen Leben verlieren und in Pflegeheime eingewiesen werden. BSV-Direktor Piller versprach den Demonstranten bei einem Gespräch, die vorgesehene Beschränkung nicht auf behinderte Personen anzuwenden
[21].
Der von alt Nationalrätin Eva Segmüller (cvp, SG) präsidierte
Spitex-Verband Schweiz wandte sich in aller Deutlichkeit gegen den Vorwurf, Spitex verursache höhere Gesundheitskosten. Er verwies vielmehr darauf, dass von den im KVG vorgesehenen kostendämpfenden Massnahmen bis jetzt erst der Spitex-Bereich greife, während die Überkapazitäten im stationären Bereich nach wie vor nicht abgebaut seien. Der Spitex-Verband drohte mit dem Referendum, falls das Parlament tatsächlich einer starren Rationierung im Sinn der parlamentarischen Initiative Rychen zustimmen sollte, befürwortete aber Bedarfsabklärungen und Kontrollen im Sinn der neuen bundesrätlichen Verordnung
[22].
Die Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH) verabschiedete erstmals eine für die ganze Schweiz verbindliche
Standesordnung, welche auf Mitte Jahr in Kraft trat. Bisher galten 25 kantonale Vereinbarungen, die sich allerdings sehr ähnlich waren. Die Standesordnung regelt die Beziehung der Ärzte zu ihren Patienten, aber auch das Verhältnis der Ärzte untereinander sowie ihr Verhalten in der Öffentlichkeit und gegenüber den verschiedenen Partnern im Gesundheitswesen. Ein zentraler Punkt des neuen Verhaltenkodexes ist die Achtung der Persönlichkeit des Patienten, seines Willens und seiner Rechte
[23].
Mitte Mai genehmigte der Bundesrat ein gesamtschweizerisch geltendes Tarifvertragswerk zwischen dem Konkordat der Schweizerischen Krankenversicherer und der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft. Die Verträge regeln die Tarife für die von der obligatorischen Grundversicherung vergüteten
zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen. Das KVG hat die Übernahme bestimmter zahnärztlicher Behandlungen durch die Grundversicherung eingeführt. Zusätzlich zur subsidiären Kostenübernahme bei durch Unfall verursachten Schäden des Kausystems sind Behandlungen Pflichtleistung, die bedingt sind durch bestimmte schwere, nicht vermeidbare Erkrankungen des Kausystems, durch andere schwere Erkrankungen oder ihre Folgen sowie zahnärztliche Massnahmen, die als Vorbereitung für die Behandlung von bestimmten schweren Allgemeinerkrankungen nötig sind. Für diese zusätzlichen Leistungen wurden die in der IV, der Unfall- sowie der Militärversicherung seit 1994 angewandten Tarife übernommen
[24].
Nationalrat Rychen (svp, BE) versuchte mit seiner bereits unter dem Titel Spitex erwähnten parlamentarischen Initiative auch zu erreichen, dass der Ausbau des Leistungskatalogs im Bereich der Grundversicherung bis ins Jahr 2000 einem
Moratorium unterstellt wird. Davon wären vor allem
neue Leistungserbringer betroffen, insbesondere die nichtärztlichen Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Deren Zulassung zur sozialen Krankenversicherung war im Vorfeld der Abstimmung über das neue KVG zwar nicht unbestritten, aber dennoch in Aussicht gestellt worden. Die Aufnahme in den Katalog der Grundversicherung war dann in erster Linie an Querelen unter den Berufsverbänden der Psychologen gescheitert. Auch dieser Punkt der Initiative Rychen wurde vorläufig unterstützt und zu weiteren Abklärungen an die Kommission zurückgegeben
[25]. Kurz darauf überwies der Nationalrat allerdings auch ein Postulat Wiederkehr (ldu, ZH), welches den Bundesrat einlädt, rasch eine Verordnung zu erlassen, die es gut qualifizierten Psychologinnen und Psychologen - und nur diesen - ermöglicht, auf ärztliche Anordnung hin im Rahmen der Grundversicherung psychotherapeutische Behandlungen in der eigenen Praxis durchzuführen
[26].
Der Basler Universitätsrat stimmte der Einrichtung eines dreijährigen Nachdiplom-Studienganges
Pflegewissenschaften an der Medizinischen Fakultät zu. Diese Weiterbildung soll den erhöhten Anforderungen an die Patientenpflege Rechnung tragen. In vielen europäischen Ländern, aber auch in den USA und in Kanada ist seit einiger Zeit ein spezielles Forschungsgebiet "Nursing Sciences" mit entsprechenden universitären Lehrgängen entstanden. Damit ist eine Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe - auch als Alternative zum Medizinstudium - verbunden, die es ermöglicht, qualifizierte Personen für Schlüsselpositionen in der Gesundheits- und Krankenpflege zu gewinnen
[27].
Der Ständerat überwies ein Postulat Seiler (svp, SH), welches den Bundesrat ersucht, gerade auch im Hinblick auf den freien Personenverkehr in Europa die Überführung der heute beim Schweizerischen Roten Kreuz angesiedelten Berufsausbildung im Pflegebereich in die Kompetenz des Bundes zu prüfen
[28].
Im Februar schickte der Bundesrat den Entwurf für ein
eidgenössisches Heilmittelgesetz in die Vernehmlassung. Mit dem neuen Gesetz soll die Heilmittelkontrolle in der ganzen Schweiz erstmals einheitlich geregelt werden. Die heutige Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKH) würde von einer gesamtschweizerischen Institution abgelöst, welche für die Zulassung und die Herstellungsbewilligung von Arzneimittel sowie für die nachträgliche Marktüberwachung von Heilmitteln zuständig wäre. Der bundesrätliche Vorschlag wurde recht gut aufgenommen. Einzelne Kantone kritisierten aber, die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kantonen sei insbesondere in den Bereichen Herstellungskontrolle und Grosshandelsbewilligung unklar. Sturm gegen das neue Gesetz liefen hingegen die Naturärzte, Heilmittelhersteller und Drogisten im Kanton Appenzell-Ausserrhoden, welche um die Zukunft ihrer breit ausgebauten Alternativmedizin bangten
[29].
Auf den 15. Februar setzte das BSV die im Vorjahr beschlossene
Preiskürzung für 126
Medikamente, deren Patentfrist abgelaufen und deren Verkaufspreis im Ausland viel niedriger ist als in der Schweiz, in Kraft. Die Preissenkung (je nach Medikament zwischen 3% und 56%) war für 37 Medikamente von 13 Herstellern vorerst nur provisorischer Natur, da diese gegen die Preiskorrekturen Rekurs beim Eidg. Versicherungsgericht erhoben, welches ihrer Einsprache allerdings die aufschiebende Wirkung entzog. Dennoch liefen die Verhandlungen zwischen dem BSV und der Pharma-Industrie - wenn auch harzig - weiter. Ziel der Gespräche ist eine Preissenkung um mindestens 10% für alle Arzneien, deren Patentfrist abgelaufen ist, sowie eine Anpassung an das europäische Niveau für die neueren Medikamente. Auf den 15. September wurde die zweite Etappe der Preissenkungen eingeläutet. Diesmal waren 74 Medikamente betroffen. In 45 Fällen fochten die Hersteller auch diese Verfügung mit einer Beschwerde an; sieben Medikamente wurden von den Herstellern gar vom Markt zurückgezogen
[30].
Eine
Volksinitiative "für tiefere Arzneimittelpreise" wurde Ende Juli vom Grossverteiler Denner lanciert und kam noch vor Jahresende mit rund 127 000 Unterschriften zustande. Die Initiative verlangt, dass im Ausland zugelassene Medikamente in der Schweiz zu den gleichen Bedingungen verkauft werden können und anstelle der teuren Originalpräparate grundsätzlich die preisgünstigeren Generika von den Ärzten verschrieben oder in den Apotheken abgegeben werden sollen
[31].
Der Kanton Solothurn erteilte einer Tochterfirma der in der Helsana zusammengeschlossenen Krankenversicherungen Helvetia und Artisana die Betriebsbewilligung für eine
Direktservice-Apotheke mit Postversand. Bedient werden in erster Linie Langzeitpatienten, die in regelmässigen Abständen immer die gleichen Medikamente benötigen. Die Helsana erhofft sich durch den Direktversand Einsparungen bei den Medikamentenkosten von 10-15%. Möglich sei dies durch die besseren Einkaufsbedingungen, die Betriebsgrösse sowie die höhere Produktivität. Die erzielten Einsparungen werden den beteiligten Krankenkassen zur Prämienverbilligung zur Verfügung gestellt und zum Teil auch direkt den Kunden rückvergütet
[32].
Im Anschluss an den Nationalrat überwies auch der Ständerat eine Motion Heberlein (fdp, ZH) für eine internationale Harmonisierung - und damit Lockerung - der
Werberegelung für Heilmittel im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen
[33].
Die Absicht der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS), aus Gründen der Europakompatibilität einen Teil der
homöopathischen Mittel der Rezeptpflicht zu unterstellen, stiess bei den ausgebildeten Homöopathen und Naturärzten auf heftigen Widerstand. Für sie käme die neue Regelung einer einschneidenden Behinderung ihrer beruflichen Tätigkeit gleich, da wesentliche Elemente ihrer Medikamentenpalette (Nosoden und Organpräparate) nur mehr von ausgebildeten Ärzten verschrieben werden dürften. 14 Interessenverbände der Homöopathie und des naturnahen Heilens sammelten deshalb gemeinsam über 250 000 Unterschriften für eine Petition, welche sie im April bei der IKS einreichten. Diese kam den Bedenken der Homöopathen entgegen und befreite die Nosoden und Organpräparate ab einer gewissen Verdünnung wieder von der vorgesehenen Rezeptpflicht
[34].
Zusammen mit den Medikamenten sind die Analysen einer derjenigen Bereiche, in denen der Bund Kompetenzen zur Festlegung von Tarifen hat. Die Kartellkommission war im vergangenen Jahr auf Missbräuche gestossen, indem einzelne Labors den Ärzten und Spitälern auf Analysen Rabatte von bis zu 75% eingeräumt hatten, welche nicht an die Versicherten weitergegeben worden waren. Das EDI verfügte auf den 1. Oktober des Berichtsjahres eine
Senkung der Tarife der 50 am häufigsten angeordneten Analysen um 10%. Diese 50 Analysen machen rund 80% des gesamten Analysevolumens aus. Diese Massnahme wurde in Absprache mit Ärzteschaft, Laboratorien und Spitälern getroffen und dürfte Kosteneinsparungen von rund 60 Mio Fr. pro Jahr mit sich bringen. Zudem wurden generell alle Analysen bis Ende Jahr einer zusätzlichen Untersuchung unterzogen mit dem Ziel, 1998 eine weitere Kostensenkung vorzunehmen
[35].
Nach einer durchaus positiv verlaufenen Vernehmlassung leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft zu einem
neuen Verfassungsartikel (Art. 24decies) zu, welcher dem Bund gestatten wird, für die
Transplantation von Organen, Geweben und Zellen Gesetze zu erlassen und somit Leitplanken zu setzen. Heute gelten hier lediglich die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften sowie unterschiedliche kantonale Bestimmungen. Als Grundmaxime des staatlichen Handelns in diesem Bereich postuliert der Bundesrat den Schutz der Menschenwürde, der Persönlichkeit und der Gesundheit sowie eine gerechte Zuteilung von Organen. Der Handel mit menschlichen Organen soll verboten, der Umgang mit allen anderen Spenden streng reglementiert werden
[36].
Der
Nationalrat behandelte die Vorlage in seiner Wintersession und folgte dabei den Vorschlägen der Landesregierung, verankerte aber zusätzlich explizit die
Unentgeltlichkeit der menschlichen Organspende. Ein von den Grünen unterstützter Rückweisungsantrag von Felten (sp, BS), welche befürchtete, dass der Bund damit einen Blankocheck für die zentralisierte Organbeschaffung erhalte, wurde sehr deutlich abgelehnt. Ebenfalls keine Chance hatte der Antrag der SP auf ein Festschreiben der Freiwilligkeit der Spende. Das Wort Spende enthalte per definitionem den Begriff der Freiwilligkeit, argumentierten vor allem bürgerliche Kreise, weshalb es nicht nötig sei, diese noch speziell festzuschreiben. Die von den Grünen unterstützte SP hatte mit ihrem Antrag verhindern wollen, dass auf Gesetzesstufe die sogenannte "Widerspruchslösung" eingeführt wird, bei der eine Organentnahme möglich ist, wenn diese vom Verstorbenen oder seinen Angehörigen nicht ausdrücklich verweigert wird. Ein weiterer Antrag der SP und der Grünen für ein
Moratorium zur Xenotransplantation (Übertragung gentechnisch veränderter tierischer Organe auf den Menschen) bis ins Jahr 2010 wurde ebenfalls verworfen. Die Gegner befürchteten vor allem eine Behinderung der Forschung in der Schweiz
[37].
Der Nationalrat hatte sich bereits in der Herbstsession mit der Frage der Xenotransplantation befasst. Mit 94 zu 61 Stimmen lehnte er eine diesbezügliche parlamentarische Initiative von Felten (sp, BS) ab, überwies aber mit deutlichem Mehr eine Motion seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, welche die Übertragung tierischer Transplantate auf den Menschen einer
Bewilligungspflicht unterstellen will
[38].
1972 hatte das Bundesgericht die Verfassungsmässigkeit der Widerspruchslösung bei
Organentnahmen anerkannt. Im Berichtsjahr mussten die Lausanner Richter anhand eines neuen Gesetzes des Kantons Genf, welcher von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung übergehen möchte, erneut in dieser Frage Stellung beziehen. Die Billigung der
Widerspruchslösung erfolgte nur noch knapp mit 3:2 Stimmen. Gleichzeitig wurden die Bedingungen für dieses Vorgehen
in einengendem Sinn präzisiert. Das Bundesgericht erachtete den Genfer Vorschlag, der - falls sich der Verstorbene nicht klar geäussert hat - von einer Einwilligung der Angehörigen ausgehen wollte, wenn sich diese nicht innerhalb von sechs Stunden klar dagegen aussprechen, als ungenügend und verlangte, dass die Angehörigen umfassend zu informieren seien. Können sie nicht erreicht werden, ist eine Organentnahme nicht zulässig. Nur wenn die Angehörigen nach entsprechender Konsultation schweigen oder zustimmen, darf das Organ verpflanzt werden. Ungeachtet der Haltung der Angehörigen ist die Organentnahme zwingend ausgeschlossen, wenn sich der Verstorbene zu seinen Lebzeiten dagegen ausgesprochen hat; selbst in Notfällen und bei Todesgefahr eines potentiellen Organempfängers darf der Wille des Verstorbenen nicht missachtet werden
[39].
Obgleich die Weltgesundheitsorganisation WHO darauf hinwies, dass die mit dem Rinderwahnsinn verwandte
Creuzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) möglicherweise über Bluttransfusionen übertragen werden kann, beschlossen die Behörden in der Schweiz keine zusätzlichen Massnahmen. Erst als ein regelmässiger Blutspender nachweislich an CJK verstarb, wies das BAG das Schweizerische Rote Kreuz an, jene zur Transfusion bestimmten Blutprodukte, die möglicherweise mit dem Blut des verstorbenen Spenders in Kontakt gekommen waren, vom Markt zurückzuziehen
[40]. Zu weiteren Massnahmen im Bereich des Rinderwahnsinns siehe oben, Teil I, 4c (Production animale).
Eine Motion Stump (sp, AG), welche den Bundesrat aufforderte, die gesetzlichen Grundlagen zum Verbot der Einsetzung von gesundheitsschädigenden
Implantaten (z.B. Silikon) in den menschlichen Körper zu schaffen, wurde auf dessen Antrag als Postulat überwiesen
[41].
Der Ständerat verwarf einstimmig die restriktive Volksinitiative "zum Schutz des Menschen vor Manipulationen in der Fortpflanzungstechnologie (Initiative für menschenwürdige Fortpflanzung)", welche die In-vitro-Befruchtung und die Samenspende Dritter verbieten will. Dem vom Bundesrat als indirekten Gegenvorschlag vorgelegten Bundesgesetz über die medizinische Fortpflanzung stimmte der Rat in den wesentlichen Punkten zu. So werden die Leihmutterschaft und die Embryonenspende ausdrücklich verboten, ebenso die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken. Um höhergradige Mehrlingsschwangerschaften zu verhindern und um die nach wie vor zugelassene therapeutische Forschung an überzähligen Embryonen in Grenzen zu halten, sollen pro Zyklus nur drei Embryonen entwickelt werden dürfen. Abweichend vom Vorschlag des Bundesrates beschloss die kleine Kammer aber, neben der Samen- auch die Eispende zuzulassen und den Rückgriff auf das Keimmaterial von Drittpersonen nicht nur verheirateten Paaren, sondern auch Konkubinatspaaren in einer stabilen Beziehung zu erlauben. Ebenfalls gegen den Willen des Bundesrates beschloss der Rat knapp mit 19 zu 17 Stimmen, die Präimplantationsdiagnostik zu gestatten, um die Gefahr von schweren, unheilbaren Krankheiten zu vermindern.
Die zuständige nationalrätliche Kommission beantragte im Einklang mit dem Bundesrat, die Eispende zu verbieten. Vor allem christliche Kreise wollten an der Einheit von leiblicher und biologischer Mutter festhalten, während links-grüne Kreise eine Instrumentalisierung der Frau und ihres Körpers befürchteten. Demgegenüber sah die Minderheit im Verbot der Eispende einen Verstoss gegen die Gleichberechtigung der Frauen. Gleich wie der Ständerat lehnte die Kommission ein ausdrückliches Verbot der
Forschung an Embryonen als zu eng und zu interpretationsbedürftig ab. In diesem Bereich sollen weiterhin die Richtlinien der Akademie der medizinischen Wissenschaften gelten, die eine Forschung zulässt, welche die Überlebenschancen der Embryos erhöht
[43].
Die Schweizer Bevölkerung steht der Gentechnologie am Menschen kritisch, aber auch differenziert gegenüber. Dies ging aus einer repräsentativen
Meinungsumfrage hervor. Mehrheitlich akzeptiert wird die Gentechnologie in der Medizin (56% der Befragten), vor allem für die Herstellung von Medikamenten (78%) und Impfstoffen (73%). Die gentechnische Forschung - falls sie der konkreten Problemlösung dient und ethisch abgesichert ist - wurde von 69% der Befragten eher befürwortet. Generell abgelehnt wurde hingegen die Gentechnik in der Landwirtschaft: nur gerade ein Viertel der befragten Personen wäre bereit, gentechnisch manipulierte Lebensmittel zu konsumierem
[44].
In seiner Antwort auf eine Interpellation von Felten (sp, BS) erklärte der Bundesrat, angesichts der Komplexität der Frage sehe er keine Möglichkeit, dass ein
Gesetz über die Genomanalysen noch vor dem Jahr 2000 in Kraft gesetzt werden könnte
[45].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Hubmann (sp, ZH), welches den Bundesrat ersucht, im Rahmen der gesamtschweizerischen Stop-Aids-Kampagne eine Kampagne speziell für die
Zielgruppe der heterosexuellen Männer durchzuführen. Hubmann begründete dies damit, dass die Neuansteckungen mit dem HI-Virus zwar generell rückläufig seien, dass sie aber gerade in der heterosexuellen Bevölkerung zugenommen hätten. Eine Kampagne für Männer sei deshalb angebracht, weil es Situationen gebe, in denen sich Frauen nicht aktiv schützen könnten, beispielsweise wenn ihnen die Männer ihre gelegentlichen ausserpartnerschaftlichen Sexualkontakte verschweigen
[46].
Die
Petition der Jugendsession 1996 für eine bessere finanzielle Unterstützung von konkreten HIV/Aids-Projekten, insbesondere von Aidshäusern, Beratungstelephonen und Begegnungszentren wurde vom Ständerat diskussionslos zur Kenntnisnahme an den Bundesrat verabschiedet
[47].
[1]
Lit. Gognalons-Nicolet; Presse vom 5.11.97. Siehe auch
SPJ 1996, S. 236.1
[2] Presse vom 21.11.97. Zu einer analogen Studie über die Essgewohnheiten der Gesamtbevölkerung siehe
SPJ 1996, S. 235.2
[3]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 538 f.3
[4]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2841 f. und 2843.4
[5]
JdG, 29.8.97. Zu allfälligen Massnahmen des Bundes zur Senkung der Gesundheitskosten siehe die Antwort des BR auf eine Interpellation Gross (sp, TG) in
Amtl. Bull. NR, 1997, 2283 ff.5
[6] ASG,
Aufruf zur Reform, Zürich 1997. Zu den Ergebnissen einer Umfrage unter Ärztinnen und Ärzten, zu welchen Einsparungsmassnahmen sie allenfalls bereit wären, siehe Presse vom 17.4.97.6
[8] Presse vom 4.7.97. Siehe dazu unten (Medizinalpersonen) sowie unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).8
[9]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2206; Presse vom 28.5.97.
[10]
BBl, 1997, IV, S. 1424 ff. Für den 1. Teil der Initiative siehe unten, Teil I, 7c, Krankenversicherung. Der CNG kündigte seinerseits an, eine Volksinitiative für eine obligatorische Taggeldversicherung lancieren zu wollen (Presse vom 10.11.97).10
[11]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 514 f. Siehe auch die Ausführungen des BR zu einer ähnlichen Interpellation Rochat (lp, VD) in
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 653 ff.11
[12] Presse vom 2.4.97.12
[13]
WoZ, 18.12.97;
NZZ, 20.12.97;
JdG, 27.12.97;
TA, 30.12.97;
Bund, 31.12.97. Siehe
SPJ 1996, S. 261 f.13
[14]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1761 ff.14
[15] Presse vom 5.9.97. Siehe unten (Medizinische Analysen).15
[17] Presse vom 24.11.97.17
[18]
BBl, 1997, IV, S. 1656 f.; Presse vom 22.3. und 24.6.97;
NZZ, 6.6.97 (Suter). Das neue KVG verpflichtet den Wohnkanton bei einer zwingenden ausserkantonalen Hospitalisation nur zur Übernahme der Kosten in öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern (
NZZ, 10.3.97;
TA, 25.3.97). Siehe
SPJ 1996, S. 236.18
[19]
BBl, 1997, IV, S. 1344 ff.19
[20]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1430 ff. Siehe
Lit. Dreifuss;
TA, 25.2.97;
Bund, 5.3.97;
NZZ, 24.3.97; Presse vom 30.5., 17.6. und 18.9.97. Siehe dazu auch
generell
CHSS, 1997, Nr. 5 (mehrere Artikel zum Thema Langzeitpflege). Wegen mangelnder Transparenz in den Pflegeheimen erliess der BR auch für diesen Bereich Rahmentarife:
CHSS, 1997, S. 247. Siehe auch
SPJ 1996, S. 238.20
[21] Presse vom 16.-19.7.97.21
[22]
Bund, 28.8.97;
NZZ, 29.8., 30.8. und 4.12.97. Eine empirische Untersuchung des Konkordats der schweizerischen Krankenversicherer und des Spitex-Verbands Schweiz relativierte die von einzelnen Krankenversicherern vorgebrachten Zahlen; demnach wurden lediglich 23,2% der Spitex-Dienste zu Lasten der Krankenkassen geleistet. Eine Untersuchung des BSV zeigte, dass die von den Krankenversicherungen zu tragenden Spitex-Kosten im ersten Jahr des neuen KVG (1996) nicht angestiegen waren (
CHSS, 1998, S. 6).22
[23] Presse vom 15.3.97;
BZ, 4.4.97;
TA, 15.12.97. Die ebenfalls angestrebte gesamtschweizerisch einheitliche Tarifstruktur konnte im Berichtsjahr noch nicht realisiert werden (
TA, 16.5.97;
SHZ, 30.10.97).23
[24]
CHSS, 1997, S. 123.24
[25]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1430 ff.;
TW, 20.6.97;
TA, 1.12.97.25
[26]
Amt. Bull. NR, 1997, S. 2229.26
[28]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 63 f.28
[29] Presse vom 20.2. und 9.12.97;
TA, 1.7.97;
Bund, 28.7.97. Siehe
SPJ 1995, S. 228.29
[30]
Bund, 24.1., 9.7. und 15.7.97;
JdG, 25.1.97; Presse vom 28.1. und 12.8.97;
NZZ, 30.1., 28.5. und 29.5.97;
SHZ, 4.9.97;
SoZ, 19.10.97. Siehe
SPJ 1996, S. 238.30
[31]
BBl, 1997, III, S. 1408 f. und
BBl, 1998, S. 737 f.31
[32]
NZZ, 27.3.97;
BZ, 26.4.97;
SZ, 30.4.97. Gleichzeitig drängen auch Warenhäuser in den Medikamentenmarkt (
Bund, 26.8.97; Presse vom 28.8.97;
SHZ, 18.9.97). Siehe
SPJ 1996, S. 239.32
[33]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 797 ff. Siehe auch
SPJ 1996, S. 239.33
[34] Presse vom 11.2., 9.4. und 6.11.97.34
[35] Presse vom 30.5.97.35
[36]
BBl, 1997, III, 653 ff.; Presse vom 7.2. und 24.4.97. Siehe auch
SPJ 1996, S. 240.36
[37]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2410 ff. Als Übergangslösung bis zum Vorliegen eines eigentlichen Transplantationsgesetzes kündigte BR Dreifuss an, dass sie in Kürze dem Parlament beantragen werde, die Bewilligungspflicht für allfällige Xenotransplantationen in den dringlichen Beschluss über die Kontrolle von Blut, Blutprodukten und Transplantaten aufzunehmen. Zu Spezialfällen von Blut- oder Organtransplantationen siehe auch die Darlegungen des BR zu zwei Interpellationen von Felten (sp, BS) in
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2249 ff. Siehe auch
SPJ 1996, S. 239 ff.37
[38]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2182 ff. Vgl.
SPJ 1996, S. 240 f.38
[39]
JdG, 20.3.97; Presse vom 17.4. und 28.6.97;
NZZ, 30.6.97.39
[40]
JdG, 3.4.97; Presse vom 19.7.97. Seit mehreren Jahren werden in ganz Europa Personen, welche Transplantate bzw. Wachstums- sowie Fruchtbarkeitshormone aus menschlichem Hirngewebe erhalten haben oder deren Angehörige an CJK litten, nicht mehr zur Blutspende zugelassen. Es gibt aber nach wie vor keinen Früherkennungstest für Träger von CJ-Erregern (Presse vom 22.7.97).40
[41]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1461.41
[43] Presse vom 18.11.97.43
[44] Presse vom 20.11.97;
TA, 1.12.97. Vgl.
SPJ 1996, S. 241 f. Siehe zur Genschutz-Initiative unten, Teil I, 8a (Forschung).44
[45]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2258 f. Siehe dazu auch eine weitere Interpellation von Felten zur Unesco-Deklaration zum Schutz des menschlichen Genoms (
ibid, S. 2878 ff.).45
[46]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2227 f.46
[47]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 706 f.47
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