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Partis, associations et groupes d'interêt
Partis
Une étude du Fonds national a mis en lumière les problèmes financiers des partis. – Le PS a connu de fortes tensions à sa direction, l’attaché de presse du parti a été suspendu. – Le PRD s’est opposé à l’initiative populaire de la Société des propriétaires fonciers et à l’assurance maternité. – Au contraire, le PDC a approuvé cette dernière. Et il a remplacé ses deux conseillers fédéraux Arnold Koller et Flavio Cotti par Ruth Metzler et Joseph Deiss. – L’UDC a été le parti le plus fort des élections et a renoncé au référendum contre les accords bilatéraux. – L’AdI s’est dissoute après sa défaite aux élections nationales.
Parteiensystem
Zu den Sitzanteilen der Parteien auf Exekutiv- und Legislativebene sowie zu den Frauenanteilen vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie anhang_1999.pdf. Für zusätzliche Informationen zu den Wahlplattformen siehe ebenfalls 1e.
Zu den Parolen der Parteien zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe parolen_1999.pdf. Siehe auch die verschiedenen Sachkapitel.
Die Nationalfondsstudie "Die Schweizerischen Parteiorganisationen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts" kam zum Schluss, dass sich das Parteiensystem der Schweiz in einer ernsthaften Krise befindet und Reformen dringend notwendig seien. In der Öffentlichkeit werde den Parteien oft der Vorwurf gemacht, sie seien sachlich inkompetent und nicht mehr in der Lage, die ihnen zugedachten Aufgaben zu erfüllen. Problematisch sei insbesondere die komplexe Struktur aus über 180 Kantonal- und annähernd 5000 Lokalparteien. Die föderalistische Struktur stosse bei der Rekrutierung der über 35 000 Regierungs- und Parlamentssitze in Bund, Kantonen und Gemeinden an ihre Grenzen. Der enorme Personal- und Koordinationsaufwand lasse sich kaum mehr erbringen. Auch bei der Meinungsbildung in Sachfragen seien die vorhandenen Ressourcen viel zu knapp. Zu unzähligen nationalen und kantonalen Vorlagen müssten Parolen gefasst und der Öffentlichkeit eine politische Orientierung angeboten werden. Bislang hätten die Schweizer Parteien ihre Vermittlungs- und Integrationsfunktion über die Sprachgrenzen hinweg wahrnehmen können, in zunehmendem Masse würden jedoch innerparteiliche Differenzen diese Arbeit erschweren. Sowohl die ideelle als auch die finanzielle Unterstützung der Parteien nähmen ab. Immer häufiger würden in sachpolitischen Kampagnen solvente Einzelpersonen und Interessengruppen als Finanzierungsgaranten auftreten. Bei staatspolitischen Vorlagen müssten die Parteisekretariate jedoch meist ohne finanzkräftige Interessenorganisationen im Rücken mit geringen Mitteln eine äusserst wichtige Arbeit vollbringen. Während beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland die Parteien eigene Forschungsinstitute besitzen, stünden den Schweizer Parteien im Schnitt nur gerade drei Personen zur Verfügung, die sich hauptamtlich mit der inhaltlichen Arbeit befassen. Die Autoren der Studie schlugen eine verstärkte Zusammenarbeit und gar Fusionen der Parteien als mögliche Lösung vor. Ausserdem könnten in Zukunft organisatorische Arbeiten an private Firmen vergeben werden. Überparteiliche Arbeitsgruppen könnten in der politischen Meinungsbildung an Gewicht gewinnen. Da diese Reformen allein allerdings nicht ausreichen würden, forderte die Studie eine umfassendere Unterstützung der Parteien durch den Staat [1].
Die Diskussion um die Parteienfinanzierung gewann in diesem Jahr dank der Affäre um Parteispenden in der Bundesrepublik Deutschland auch in der Schweiz an Gewicht. Die Parteisekretäre der vier Bundesratsparteien liessen durch die Autoren der oben zitierten Nationalfondsstudie eine Expertise zur Parteienfinanzierung verfassen. Laut dieser auf Umwegen an die Presse gelangten Studie würde eine Finanzierung insbesondere der Wahlkampagnen über die öffentliche Hand auf grossen Widerstand stossen. Vielmehr sollte eine an konkrete Aufgaben und Leistungen gebundene staatliche Förderung verlangt werden: So könnte die politische Aufklärungsarbeit entschädigt, Versand- und Übersetzungskosten übernommen oder Gutscheine für Expertisen abgegeben werden [2].
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Sozialdemokratische Partei (SP)
Der Kosovo-Konflikt und die Intervention der NATO führten innerhalb der SP zu einer Kontroverse. Parteipräsidentin Koch sprach sich für den NATO-Einsatz im Kosovo aus. Innerhalb der Partei stiess Koch mit ihren Äusserungen auf harsche Kritik und verschiedene Parteiexponenten wollten ihre Erklärung nicht als SP-Meinung stehen lassen. Nationalrat Cavalli (TI) forderte den sofortigen Stopp des NATO-Einsatzes. Nationalrat Ziegler (GE) sprach sich dagegen für den sofortigen Beitritt der Schweiz zum Verteidigungsbündnis der NATO aus. Weil Parteipräsidentin Koch zudem in der Sonntagspresse den Einsatz von Bodentruppen gefordert hatte – sie dementierte später ihre Aussagen wieder – wurde sie von Generalsekretär Steiert in den Medien angegriffen. Das Zerwürfnis innerhalb der Partei wurde Tage später noch deutlicher, als die SP-Frauen in einer Resolution den sofortigen Stopp des NATO-Angriffes forderten. An ihrer 1.-Mai-Rede in Basel wurde Koch wegen ihrer Haltung im Kosovo-Konflikt mit Pfiffen empfangen [3].
Obwohl am Parteitag Ende Mai in Neuenburg das Thema der NATO-Einsätze im Kosovo nicht traktandiert war, äusserten sich die Bundesräte Leuenberger und Dreifuss ausgiebig dazu. Leuenberger liess verlauten, Milosevic und seine Aggression gehörten verurteilt, "nicht nur moralisch", und Dreifuss forderte die Partei auf, "Flagge zu zeigen", indem sie Fremdenfeindlichkeit und Abschottung eine Absage erteile. Parteipräsidentin Koch nahm ihre früheren Aussagen etwas zurück und forderte nun eine schnelle Beendigung des Krieges, so dass die Rückkehr der Flüchtlinge möglich werde. Die Delegierten verabschiedeten eine Resolution, die forderte, den Krieg zu Luft und zu Land unverzüglich zu beenden. Innenpolitisch forderte die Resolution die unbürokratische Aufnahme von Flüchtlingen und ein uneingeschränktes Bleiberecht, bis eine dauerhafte Rückkehr sichergestellt werden könne. Die Schweiz solle sich zudem mit Blau- und Gelbmützen an einer internationalen Friedenstruppe beteiligen.
Das gleichzeitig beschlossene Förderungsprogramm zur Halbierung der Arbeitslosigkeit wurde während zweier Stunden ausgiebig diskutiert. Im Zentrum des Programms standen Innovationen in die Bildung, die Förderung der KMU, die Sicherung der öffentlichen Infrastruktur, Arbeitszeitverkürzungen und Beschäftigungsprogramme. Einem Antrag der Sektion Lausanne 3, die Strommarktliberalisierung grundsätzlich nicht gutzuheissen, wurde stattgegeben. Ebendiese Absage an die Strommarktliberalisierung brachte SP-Frauenpräsidentin Jacqueline Fehr (ZH) auf den Plan. In einem Brief an die Parteileitung kritisierte sie das planlose und beliebige Vorgehen der SP im Wahljahr. Der „naive“ Strommarkt-Beschluss der Partei sei ein deutliches Zeichen dafür, dass die Partei die Diskussion um Liberalisierung und Modernisierung scheue, ausser einem pauschalen Nein jedoch keine Lösungsvorschläge zustande bringe [4].
Im Juni reichte die SP – nach Befürchtungen, die notwendigen Unterschriften nicht termingerecht zusammenzubringen – ihre Volksinitiative "Gesundheit soll bezahlbar bleiben" ein. Diese will die Kopfprämien durch einkommens- und vermögensabhängige Beiträge und Mehrwertsteuerprozente ersetzen [5].
Am Rande des Auslandschweizerkongresses in Lausanne gründete die SP als letzte Bundesratspartei eine internationale Parteisektion, die allen Auslandschweizern offen stehen soll. Obwohl die Einsetzung eines Diplomaten als Sektionspräsident in den Medien kritisiert worden war, wurde François Nordmann, Schweizer Botschafter in London, zum Präsidenten der SP Schweiz International gewählt [6].
Am Wahlparteitag von Anfang September in Basel forderte Parteipräsidentin Koch die Parteimitglieder dazu auf, energisch gegen die SVP Wahlkampf zu betreiben. Die SP sei gegenwärtig die einzige Alternative zur SVP, solange das Zentrum aus FDP und CVP sich nicht zwischen rechtsnationaler und linksliberaler Politik entscheiden könne. Keiner der Delegierten stellte am Wahlparteitag den Verbleib der SP in der Landesregierung in Frage [7].
Mit einer sogenannten Kulturplattform rief die SP zwei Wochen vor den Wahlen die Bevölkerung zur Wahlbeteiligung auf. Siebzig Kulturschaffende, darunter Adolf Muschg, Peter Bichsel, Franz Hohler, Hugo Lötscher und Dimitri, warnten mit ihrer Unterschrift vor den "verheerenden" Folgen eines von der "blocherschen SVP" blockierten Parlaments. Ein Rechtsrutsch gefährde die kulturelle und geistige Vielfalt, die Toleranz, die humanitäre Tradition und die Weltoffenheit der Schweiz [8].
Ende Oktober traf sich die Parteileitung zu einer ersten Nachanalyse der eidgenössischen Wahlen. Grundsätzlich zufrieden zeigte man sich über das eigene Resultat, das bei einem leicht verbesserten Wähleranteil den Verlust von drei Nationalratssitzen gebracht hatte. In Zürich war Parteipräsidentin Koch mit einem Spitzenresultat neu in den Nationalrat gewählt worden. In verschiedenen Medien wurde der SP der Vorwurf gemacht, sie hätte einen wenig attraktiven Wahlkampf geführt. Kritische Stimmen ertönten auch aus den eigenen Reihen. Nationalrat Hämmerle (GR) sprach vom Scheitern der Wahlkampf-Leitung und Pressechef Peyer, der seinen Abgang bereits angekündigt hatte, griff die Parteiführung direkt an: Diese habe vor lauter Grundsatzdiskussionen keine Themen mehr in der Hand. Es herrsche ein Klima des Misstrauens innerhalb der Parteileitung und Kritik sei unerwünscht. Peyer wurde tags darauf von der Geschäftsleitung suspendiert. Ursula Koch bekräftigte an einer Pressekonferenz, sie habe keinerlei Zweifel, dass die Basis der Partei hinter der Parteipräsidentin stehe. Sie fühle sich nach der Aussprache mit der Geschäftsleitung bestärkt. Gerüchte um einen inszenierten Sturzversuch der Präsidentin wurden von Peyer zurückgewiesen und Tage später auch von Hämmerle bestritten [9].
Bereits Ende August hatte Ursula Hafner (SH) ihr Amt als Fraktionspräsidentin auf die neue Legislatur hin zur Verfügung gestellt. Als Nachfolger wurde Ende November der Tessiner Nationalrat Franco Cavalli gewählt, der als entschiedener EU-Befürworter aus der lateinischen Schweiz grosse Unterstützung erhielt. Bei der parteiinternen Ausmarchung konnte er sich gegen den von Parteipräsidentin Koch unterstützten Nationalrat Strahm (BE) durchsetzen [10].
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Freisinnig-Demokratische Partei (FDP)
Zweimal hatte die FDP im Berichtsjahr Parolen zu eidgenössischen Abstimmungsvorlagen zu fassen, welche zu erheblichen parteiinternen Konflikten führten. An der FDP-Delegiertenversammlung vom Januar beschloss die Partei die Nein-Parole zur Hauseigentümer-Initiative. Mit 101 zu 85 Stimmen wurde die Parteileitung knapp auf ihrem Kurs, der Sanierung der Bundesfinanzen Priorität einzuräumen, unterstützt. Nationalrat Dettling (SZ), Präsident des Schweizerischen Hauseigentümerverbandes, hatte vergeblich die Wohneigentumsförderung als "freisinniges Uranliegen" beschworen. Parteipräsident Steinegger und Bundesrat Villiger setzten sich für einen Systemwechsel in der Eigentumsbesteuerung ein. Die Besteuerung des Eigenmietwertes sollte demnach fallen gelassen werden. Gleichzeitig würde der Schuldzinsabzug bei der Steuerbemessung überfällig. Die Unterhaltskosten könnten nach ihrem Vorschlag weiterhin von den Steuern in Abzug gebracht werden. Das Hauptargument Steineggers und Villigers waren jedoch die enormen Kosten, die mit der Annahme der Initiative verbunden wären; ausserdem würden die Erleichterungen hauptsächlich denjenigen zugute kommen, die bereits über Wohneigentum verfügten [11].
Mit 85 zu 73 Stimmen votierten die Delegierten in Brig Ende April gegen die Mutterschaftsversicherung und erzürnten mit diesem Entscheid die Mehrheit der Freisinnigen in der Romandie. Viele Westschweizer Parteidelegierte verliessen aus Protest den Saal. Nach den Abstimmungen über die LSVA, die Neat und die Wohneigentumsinitiative war die Partei nun zum vierten Mal innerhalb eines Jahres gespalten. Für Triponez (BE), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, war die Vorlage aus Gründen der Finanzierbarkeit nicht akzeptabel. Dagegen bat Ständerätin Lili Nabholz (ZH) um Zustimmung. Die letzte Lücke im schweizerischen Sozialsystem müsse gestopft werden. Alle nichtdeutschsprachigen Kantonalsektionen der FDP beschlossen in der Folge die Ja-Parole zur Mutterschaftsversicherung [12].
Wohl auch mit dem Hintergedanken, im Wahljahr 1999 ihre Finanzpolitik ins rechte Licht zu setzen, kündigte die FDP die Lancierung einer Volksinitiative für ein Steuer-Moratorium an. Die FDP befürchtete, dass in Zukunft zu viele einzelne Steuerprojekte an die Urne kämen, deren Auswirkungen auf das Steuersystem insgesamt nicht genügend berücksichtigt würden. Obwohl es in den Kantonen Genf und Jura einige Vorbehalte gab, beschloss die Delegiertenversammlung vom August in Freiburg einstimmig und ohne grosse Diskussion die Lancierung der Initiative [13].
Mitte Juni gab der Genfer Nationalrat Tschopp seinen Rücktritt als Vizepräsident der FDP bekannt. Er nannte berufliche Gründe, nutzte die Gelegenheit aber auch zur Kritik an seiner Partei; diese würde die Anliegen der Romandie zu wenig ernst nehmen. Dabei sprach er sich auch für eine Fusion der Westschweizer bürgerlichen Parteien aus, um die Deutschschweizer SVP besser bekämpfen zu können [14].
Als an der Delegiertenversammlung in Weinfelden (TG) zwei Wochen vor den eidgenössischen Wahlen die FDP-Delegierten einstimmig die Ja-Parole zu den bilateralen Verträgen mit der EU beschlossen, wurde die Gelegenheit auch zu Attacken auf die SVP genutzt. Nationalrat Mühlemann (TG) forderte seine Parteikolleginnen und -kollegen dazu auf, sich gegen die "Irrläuferpartei" SVP zu wenden und eine geeinte Haltung zu den Bilateralen zu offenbaren. Parteipräsident Steinegger führte an, die wirtschaftliche Situation der Schweiz sei wieder eine "Erfolgsstory", und dies sei in erster Linie der Verdienst der FDP. Die SVP sei an diesem Aufbau nicht beteiligt gewesen; sie habe sich in "Elendspropaganda" und Kampfbereitschaft gegen die angebliche sozialistische Machtübernahme verfangen [15].
Nachdem die FDP in der ersten Jahreshälfte bereits in den Kantonen Zürich, Luzern und Basel-Land Wählerstimmen und Parlamentssitze an die SVP verloren hatte, überstand sie auch die Nationalratswahlen vom Herbst nicht unbeschadet. Die Verluste hielten sich allerdings mit 2 Sitzen und -0,3% Wähleranteil in Grenzen.
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Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)
Ähnlich wie die FDP musste sich auch die CVP bei der Parole über die Volksinitiative des Hauseigentümerverbandes zwischen dem Festhalten an den finanzpolitischen Beschlüssen des Runden Tisches und den Interessen eines guten Teils ihrer Stammwählerschaft entscheiden. Die Delegiertenversammlung in Regensdorf (ZH) vom Januar beschloss mit 215 zu 68 Stimmen deutlich die Ablehnung des Volksbegehrens. Im Gegensatz zur FDP schlossen sich auch praktisch alle Kantonalparteien dieser Parole an [16].
Wenig umstritten war hingegen in der CVP die von den beiden anderen bürgerlichen Regierungsparteien bekämpfte Mutterschaftsversicherung. Die Delegiertenversammlung vom Mai in Sion beschloss mit 167:10 Stimmen die Ja-Parole. Nur gerade eine Kantonalpartei entschied sich gegen die Mutterschaftsversicherung. Umso grösser war in der CVP die Enttäuschung über das Verdikt des Volkes: Am deutlichsten abgelehnt wurde die Vorlage in den Hochburgen der CVP [17].
Von grosser Bedeutung für die CVP waren die Rücktritte ihrer Bundesräte Koller und Cotti nach jeweils zwölf Jahren Amtszeit auf Ende April. Der Rücktritt von Arnold Koller war erwartet worden. Dass nun auch Cotti sein Amt niederlegte, galt als Überraschung. Der CVP wurde vorgeworfen, sie wolle mit der Doppelvakanz ihre Partei vor den Wahlen ins Gespräch bringen und zudem ihre beiden Bundesratssitze auf längere Frist sichern. In der Presse wurden sogar Mutmassungen laut, die beiden Bundesräte würden nicht aus freien Zügen aus dem Amt zurücktreten. Die beiden Betroffenen und Parteipräsident Durrer (OW) bestritten jedoch jedes parteipolitische Kalkül. Dass einer der beiden Sitze von einer Frau besetzt werden sollte, galt parteiintern als unumstritten und wurde auch von breiten Kreisen der Öffentlichkeit erwartet. Die Kantonalsektionen meldeten insgesamt sechs männliche und zwei weibliche Kandidaturen an. Dass sich darunter auch Parteipräsident Durrer befand, sorgte vor allem in den Reihen der CVP-Politiker der Westschweiz für einige Unruhe, sah man dadurch doch die Wahlchancen der eigenen Kandidaten (Deiss, FR und Roth, JU) gefährdet. Im März wählte die Bundesversammlung die Innerrhoder Regierungsrätin Ruth Metzler knapp vor der St. Galler Regierungsrätin Rita Roos als Nachfolgerin für Koller zur Bundesrätin und den Freiburger Nationalrat Joseph Deiss als Nachfolger für Cotti zum Bundesrat. Am 1. Mai übernahm Metzler das Justiz- und Deiss das Aussenministerium. Bei der Bestätigungswahl des Gesamtbundesrates im Dezember zahlte sich die Neubesetzung der beiden CVP-Sitze aus. Obwohl die CVP – gemessen am Wähleranteil – von der SVP überholt worden war, richtete sich deren Anspruch auf einen zusätzlichen Sitz nicht gegen die beiden Neuen der CVP, sondern gegen die SP [18].
Beim Wahlparteitag der CVP anfangs Juli in Hergiswil (NW) standen nicht inhaltliche Diskussionen und die Verabschiedung einer Wahlplattform im Vordergrund, sondern eine farbige Darstellung der Partei und ihrer Exponenten sowie mediengerechte Showeinlagen. Schwerpunkte der Parteiarbeit für die nächste Legislaturperiode (Familienpolitik und Förderung der KMU) wurden bei anderer Gelegenheit vorgestellt [19].
Nachdem die CVP bereits bei den kantonalen Wahlen ihren Krebsgang fortgesetzt hatte, war ihr Abschneiden bei den Nationalratswahlen ambivalent. Die Partei verlor zwar 0,9% Wählerstimmen (1995: 16,8%, 1999:15.9%), konnte aber trotzdem einen Sitzgewinn verzeichnen.
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Schweizerische Volkspartei (SVP)
Die SVP lancierte im Wahljahr zwei Volksinitiativen. Im Februar ermächtigten die SVP-Delegierten ihre Parteileitung, im Spätsommer eine neue Asylinitiative zu lancieren. Die Initiative verlangt eine Senkung der Fürsorgekosten und eine verschärfte Drittstaatenregelung. Auf ein Asylgesuch soll künftig nur eingetreten werden, sofern der Gesuchsteller in keinem Drittstaat ein hängiges Asylverfahren laufen hat oder ein solches hätte einreichen können. Im April gaben die Delegierten mit 358 gegen wenige, vorwiegend welsche Stimmen ihre Zustimmung zu einer weiteren Volksinitiative, welche verlangt, dass sämtliche Goldreserven der Nationalbank, die nicht mehr für die Währungspolitik notwendig sind, in den AHV-Fonds einfliessen sollen. Damit würde die vom Bundesrat geplante Solidaritätsstiftung verhindert [20].
An der Albisgüetli-Tagung im Januar, einer jährlichen Veranstaltung der Zürcher SVP, widmete der in der SVP tonangebende Zürcher Nationalrat Christoph Blocher seine Rede einem Ausblick ins 21. Jahrhundert. Der Staat sei heute zu teuer; er müsse entschlackt und die Staats- und Steuerquoten gesenkt werden. Der Sozialismus führe durch seine beabsichtigte Gleichmacherei und Umverteilung zu mehr Egoismus. Dagegen sei Eigenverantwortung "wahrhaft soziales Verhalten". Er forderte die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, für sich selber zu sorgen und anderen nicht zur Last zu fallen. Die Zukunft gehöre dem wahrhaft liberalen Staat und nicht etwa der Erlösung durch die EU, welche er mit Zentralismus und staatlicher Allmacht gleich setzte. Blocher appellierte an die Wähler der FDP und CVP, sich der "Selbst-Verantwortungs-Partei" SVP anzuschliessen [21].
Am SVP-Programmparteitag in Reconvillier (BE) bekräftigte die SVP ihren Widerstand gegen einen Beitritt der Schweiz zur EU und zur UNO und gegen die Bewaffnung von Schweizer Militärangehörigen im Auslandeinsatz. Die Berner Sektion, welche für eine weniger radikale Haltung eintrat, fand bei den Delegierten keine Mehrheit. Die im Herbst vom Parlament verabschiedeten bilateralen Verträge mit der EU wurden auch von einer Mehrheit der SVP-Fraktion gutgeheissen. Christoph Blocher stimmte zwar gegen die Verträge, lehnte es jedoch ab, das von der Lega und den Schweizer Demokraten lancierte Referendum zu unterstützen [22].
Gegen Ende Juni häuften sich Pressemeldungen und Interviews mit Exponenten anderer Parteien, die sich kritisch mit der Politik der SVP auseinandersetzten. Heftige Reaktionen löste vor allem ein Plakat eines Komitees aus SVP-, SD-, FP- und Lega-Vertretern, unterstützt durch die Denner AG, aus, das ganzseitig in über 40 Tageszeitungen erschien. Die Aktion galt der Ankündigung einer Initiative, welche Volksinitiativen künftig innert sechs Monaten unter Ausschluss von Bundesrat und Parlament vor das Volk bringen will (von Kritikern als „Maulkorb-Initiative“ bezeichnet). Der Titel "Wenn in der Schweiz das Volk spricht, haben Politiker zu schweigen" erzürnte auch Bundesrat Couchepin. Er beschuldigte insbesondere Nationalrat Blocher, einen "regelrechten Angriff auf die demokratische Grundordnung, in welcher Politiker Vertreter des Volkes sind" zu lancieren. Später distanzierten sich kantonale und lokale Parteisektionen auch von einem national verbreiteten Wahlplakat der SVP, das als fremdenfeindlich kritisiert wurde [23].
Im Berichtsjahr gründete die SVP neue Kantonalsektionen in den CVP-Hochburgen Wallis, Nidwalden und Obwalden. Damit ist die Partei in allen Kantonen ausser Neuenburg vertreten [24].
Ende August gab Generalsekretär Baltisser seinen Rücktritt auf Ende Jahr bekannt. Der Rückzug sei nicht politisch motiviert, versicherten der 30jährige Volkswirtschaftler und Parteipräsident Maurer einhellig. Er wolle sich beruflich neu orientieren und habe bereits bei Amtsantritt bekundet, dass er das Amt nur für eine gewisse Zeit ausüben wolle. Einen Monat später wurde der neue Generalsekretär vorgestellt: Jean-Blaise Defago, bisher Pressechef der SVP. Im November wurde schliesslich Irène Schellenberg zur neuen Pressesprecherin ernannt [25].
Anfangs September drohte Parteipräsident Maurer mit dem Ausschluss der Genfer SVP-Sektion, sollte diese sich nicht von ihrem Nationalratskandidaten und Parteisekretär Pascal Junod trennen. Junod war zuvor in Verdacht geraten, rechtsradikalen Vereinigungen nahe zu stehen. Nachdem Junod eine versprochene schriftliche Distanzierung vom Rechtsextremismus und einschlägigen Organisationen bei der nationalen Parteizentrale nicht eingereicht hatte, wurde der Ausschluss offiziell eingefordert. Nach Weigerung der Genfer Sektion, Junod auszuschliessen, leitete die Parteileitung Ende September gegen die Sektion das Ausschlussverfahren ein. Dieses wurde eingestellt, nachdem Junod seinen Austritt aus der SVP bekanntgegeben hatte [26].
Rechtsextremismusvorwürfe richteten sich auch gegen Christoph Blocher. Eine Woche vor den Wahlen veröffentlichte die Sonntagspresse Ausschnitte aus einem Schreiben Blochers an einen Herrliberger Unternehmer vom März 1997. Darin bedankte sich Blocher für die Zusendung eines Buches des als Holocaust-Leugner verurteilten Jürgen Graf. Das Papier war bei der Verhaftung Grafs beschlagnahmt und zu den Prozessakten gelegt worden. Die Brisanz des Briefes steckte in der Kommentierung Blochers „wie recht er doch hat“. In der Folge wurde Blocher von allen Seiten angegriffen, insbesondere die Parteipräsidenten der CVP und der SP zeigten sich sehr besorgt. Sogar internationale Kritik traf in Bern ein. Die FDP publizierte Inserate mit dem Wortlaut „Bei uns hat Rechtsextremismus keinen Platz!“, welche die SVP mit eigenen Inseraten konterte. Blocher indes sah sich einer Hetzkampagne gegen seine Person ausgesetzt, die bewusst kurz vor den Wahlen inszeniert worden sei. Er habe das Buch gar nie gelesen, und sein Kommentar beziehe sich lediglich auf den Titel „Vom Untergang der Schweizerischen Freiheit“ [27].
Bei den eidgenössischen Wahlen erzielte die SVP einen Erdrutschsieg und wurde – gemessen am Wähleranteil – von der viertgrössten zur stärksten Partei. Sie forderte einen zweiten Sitz im Bundesrat, zuerst auf Kosten der CVP, dann der SP. Für die Gesamterneuerungswahl vom Dezember schickte die SVP-Fraktion Christoph Blocher gegen die beiden SP-Vertreter ins Rennen. Seine Kandidatur erhielt aber praktisch keine Unterstützung von ausserhalb der SVP und unterlag deutlich [28].
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Liberale Partei (LP)
Erstmals hielt die LP, die nur in der Westschweiz und in Basel-Stadt verankert ist, einen Parteitag in Zürich ab. Sie unterstrich damit ihre Absicht, in der Deutschschweiz zu expandieren. Zu den Zürcher Kantonsratswahlen trat die LP auch mit einer eigenen Kantonsratsliste und mit einem Regierungsratskandidaten an, vermochte aber nicht zu reüssieren [29].
Ende September konnten die Liberalen im Kanton Genf einen Abstimmungserfolg verzeichnen. Per Volksinitiative verlangten sie die Senkung der Einkommenssteuer und hatten Erfolg. In den eidgenössischen Wahlen setzten die Liberalen ihren schleichenden Niedergang fort. Sie verloren einen Sitz im Nationalrat und ihre beiden letzten Ständeratssitze (Neuenburg und Waadt) nachdem der Genfer Sitz bereits vor vier Jahren an die SP gegangen war [30].
Im November tagte das Büro der Partei in Neuenburg. Auf dem Programm stand die Analyse der Wahlniederlage vom Oktober. Präsident Jacques-Simon Eggly stellte sein Amt zur Verfügung. Das Büro wollte allerdings auf diesen Entscheid nicht eingehen und in bestehender Formation weiterarbeiten. Nach einem Reflexionsseminar im Dezember, an dem sich zahlreiche Parteiexponenten über den Fortbestand und die zukünftige Organisation der Partei berieten, liess der Vorstand verlauten, die Partei werde in Zukunft stärker mit ihren kantonalen Sektionen zusammenspannen und auch intensiver mit Regierungsvertretern und Parlamentariern aus anderen Fraktionen zusammenarbeiten. Zudem wurde eine Statutenänderung, die eine effizientere Führung ermöglichen soll, in Aussicht gestellt [31].
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Grüne Partei (GP)
Das Wahlkampfprogramm der Grünen für die nationalen Wahlen wurde im Mai in Genf an einer Delegiertenversammlung diskutiert. Dabei hielt die GP einhellig an ihren traditionellen Positionen fest. Sie bestätigte auch ihre Forderung nach einem EU-Beitritt der Schweiz. Das von Parteipräsident Baumann angekündigte Projekt für eine Volksinitiative für eine Neugliederung der Schweiz in einige wenige Grosskantone wurde hingegen auf den nächsten Parteitag vom September verschoben. Nachdem es dort auch nicht behandelt worden war, reichte die Grüne Fraktion den Vorstoss für eine Neustrukturierung der Schweizer Kantone als parlamentarische Initiative im Nationalrat ein [32].
Am letzten Parteitag der GP vor den Wahlen in Baden wurde über die bilateralen Verträge mit der EU verhandelt. Mit 74 Ja-Stimmen bei fünf Enthaltungen verabschiedeten die Delegierten eine Resolution, welche die eidgenössischen Räte dazu aufforderte, die Vorschläge der Nationalratskommission zu den flankierenden Massnahmen anzunehmen. Im Besonderen wurde gefordert, dass die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene forciert werde [33].
Trotz der Niederlage zu Jahresbeginn bei den kantonalen Wahlen in Zürich, wo die GP fünf von sechzehn Parlamentsmandaten verloren hatte, gab man sich für die eidgenössischen Wahlen vom Herbst zuversichtlich und rechnete mit drei Sitzgewinnen im Nationalrat. Das Ergebnis bestätigte den Status quo: zwei Sitzgewinnen in der Westschweiz standen zwei Mandatsverluste in der Deutschschweiz gegenüber; der Wähleranteil konnte mit 5,0% gehalten werden.
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Landesring der Unabhängigen (LdU)
Die seit 1983 amtierende Zürcher LdU-Nationalrätin Grendelmeier gab im Januar bekannt, dass sie nach der Frühlingssession aus dem Parlament zurücktreten werde. Zudem musste die Partei ein neues Präsidium wählen, nachdem Daniel Andres (BE) im vorigen Herbst sein Amt zur Verfügung gestellt hatte. Die Kantonalparteien hatten im Vorfeld den Wunsch geäussert, das neue Präsidium müsste auch im nationalen Parlament vertreten sein. Nach der Rücktrittsankündigung Grendelmeiers stand Anton Schaller, erstes nachrückendes Mitglied auf der Zürcher LdU-Liste, praktisch als Nachfolger für das Präsidium fest. Der 54jährige Schaller, Fernsehproduzent und Zürcher Kantonsrat, erhielt 53 Delegiertenstimmen bei 10 Enthaltungen. Von einigen seiner Parteigenossen wurde die Befürchtung eingebracht, mit der Wahl Schallers sei ein Linksrutsch vorprogrammiert. In Presseinterviews verkündete Schaller einige Tage später, dass bei weiteren Verlusten im Wahljahr eine "würdige Liquidation" der Partei anstehen könnte. Mitte Februar wurde die Zürcher Kantonsrätin Astrid Kugler zur neuen Generalsekretärin ernannt. Das Amt war seit dem vergangenen Herbst interimistisch durch Rudolf Hofer, Sekretär der LdU/EVP-Bundeshausfraktion, ausgeübt worden. Im April gaben die Partei und der Migros-Genossenschafts-Bund ihre definitive Trennung bekannt  [34].
Nach dieser Trennung wollte sich der LdU als unabhängige Partei neu positionieren und neue Wähler ansprechen. Parteipräsident Schaller führte aus, das Ziel seiner Partei sei die Bildung einer neuen Mitte; es seien bereits Gespräche mit Teilen der Grünen, der CSP und der EVP geführt worden. Auch mit Angestelltenverbänden werde eine Zusammenarbeit angestrebt. Doch die Niederlage bei den Zürcher Kantonswahlen versetzte der Partei einen harten Schlag. Der LdU verlor vier seiner bislang sechs Sitze im Kantonsrat; Schaller selbst wurde nicht wiedergewählt. Trotz entsprechender Anträge wurde am Reformparteitag vom Mai in Zürich mit 52 zu neun Stimmen keine Auflösung der Partei beschlossen. Die Kantonalsektionen Aargau, Solothurn, St. Gallen, Bern und Zürich waren bereit, den Wahlkampf für die Nationalratswahlen aufzunehmen. An einer Pressekonferenz Ende Juli verkündete Schaller, der LdU trete unter der Bezeichnung "Liste der Unabhängigen" den Wahlkampf an. Auch ein neues Logo in Blau mit dem Schriftzug "Neugeboren und unbequem" wurde vorgestellt [35].
Die Nationalratswahlen vom Oktober brachten dem LdU eine brutale Niederlage. Er verlor zwei seiner drei Sitze und sein Wähleranteil ging von 1,8% auf 0,7% zurück. Einzig der Zürcher Wiederkehr konnte seinen Sitz im Nationalrat halten. Zwei Tage nach der Wahlniederlage beantragte der Vorstand die Auflösung des LdU. Nach 63jährigem Bestehen löste sich der LdU Anfangs Dezember in Aarau auf. Mit 57 gegen sieben Stimmen beschlossen die Delegierten am 4. Dezember das Aus für die nationale Partei. Vertreter aus dem Kanton St. Gallen machten jedoch deutlich, dass sie auf kommunaler Ebene weiter kämpfen wollen. Gleichzeitig mit der Auflösung wurde am Parteitag die "Landesstiftung der Unabhängigen (LdU)" ins Leben gerufen, die das Gedankengut der Partei weitertragen soll. Zwei anderslautende Anträge, ein "Forum Schweiz-Europa" zu schaffen oder das Geld mittels einer Schenkung der Migros zu vermachen, wurden abgelehnt [36].
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Evangelische Volkspartei (EVP)
Die EVP feierte im Wettinger Rathaus anlässlich der ordentlichen Delegiertenversammlung vom April ihr 80jähriges Bestehen. Die Partei, die sich bislang an eine abstinenzorientierte Drogenpolitik hielt, fasste die Ja-Parole zum Bundesbeschluss über die Verschreibung von Heroin, der im Juni zur Abstimmung gelangte. Im Wahlkampf setzte die EVP ihr Stammthema Familienpolitik ins Zentrum. Sie betonte dabei ihre Position der Mitte – Ausgleich zwischen Liberalismus und Sozialismus. Einer künftigen Fusion mit dem LdU, die von dessen Parteipräsidenten Anton Schaller zur Diskussion gestellt worden war, erteilte EVP-Präsident Otto Zwygart eine vorläufige Absage [37].
Bei den diesjährigen eidgenössischen und kantonalen Wahlen schnitt die Partei relativ gut ab. Sie konnte ihren Stimmenanteil halten und mit einem Sitzgewinn im Aargau ihre Mandatszahl im Nationalrat auf drei erhöhen.
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Partei der Arbeit (PdA)
PdA-Präsidentin Christiane Jaquet-Berger (VD) sprach sich am Parteitag in Le Locle gegen eine Politik der „Runden Tische“ aus und kritisierte damit die SP, die sich aus ihrer Sicht viel zu kompromissbereit verhalte. Die Delegierten sprachen sich in einer Resolution gegen das New Public Management und die Privatisierungsbestrebungen bei den öffentlichen Diensten aus [38].
Bei den kantonalen Wahlen konnte die PdA in den Kantonen Waadt, Neuenburg, Genf und Jura insgesamt 38 Parlamentssitze für sich entscheiden, verlor allerdings ihren einzigen Tessiner Sitz. In der Genfer Stadtregierung konnte sie ihren Sitz halten. Gemeinsam mit den Verbündeten links der Sozialdemokraten wollte die PdA in den Nationalratswahlen Fraktionsstärke erlangen. Dieses Ziel wurde aber nicht erreicht. Die PdA büsste 0,2% Wählerstimmen und einen der beiden Genfer Sitze ein. Anstelle der abgewählten Jaquet-Berger konnte Josef Zisyadis den Waadtländer Sitz für sich entscheiden. Im neuen Parlament gehört Spielmann (GE) weiterhin der SP-Fraktion an, Zisyadis blieb fraktionslos.
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Freiheits-Partei (FP)
Die Absetzbewegung prominenter Parteimitglieder setzte sich im Berichtsjahr fort. Im Februar gab Nationalrat Gusset (TG) bekannt, er werde im Herbst auf einer eigenen KMU-orientierten Liste kandidieren. Im Juli erklärte Gusset schliesslich seinen Austritt aus der Partei. Die Sektion St. Gallen galt vor den Wahlen im Herbst ebenfalls als Sorgenkind. Nachdem Nationalrat Steinemann (SG) seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte, und mehrere Kantonsratsabgeordnete zur SVP übergetreten waren, fehlte es der Sektion an Führungspersönlichkeiten [39].
Nachdem im April in den Zürcher Kantonsratswahlen die FP alle drei bisherigen Sitze verloren hatte, drehte Parteipräsident Scherrer (BE) bei der Delegiertenversammlung im Mai den Spiess um und versuchte die Niederlage der FP und den gleichzeitigen Sieg der SVP als Erfolg umzudeuten. Die SVP habe auf weiten Strecken die Politik der FP übernommen, das Wahlresultat sei somit auch eine Auszeichnung für das FP-Gedankengut. Im Juli wurde bekannt, dass sich der FP-Generalsekretär Patrick Eruimy (SO) seit Mai nicht mehr im Amt befand. Dabei war die Funktion des Generalsekretärs erst im Vorjahr neu geschaffen worden. Eruimy erklärte in einem Interview, dass es der Partei schlicht an Geld fehle, um das Amt weiterzuführen [40].
Am Wahlfest in Emmen (LU) vom September geisselte die Partei den politischen Filz in anderen Parteien. Den bürgerlichen Regierungsparteien warfen Scherrer und Dreher (ZH) eine fahrlässige Kompromissbereitschaft vor; die Linke dürfe nicht freiwillig an der Regierung beteiligt werden [41].
Bei den Nationalratswahlen verlor die ehemalige Autopartei alle ihre bisherigen sieben Sitze. Ihr Stimmenanteil ging von 4,0 auf 0,9% zurück. Ihre ehemaligen Abgeordneten Giezendanner (AG) und Borer (SG) schafften die Wiederwahl auf SVP-Listen und verhalfen damit der SVP zu Sitzgewinnen. Im November wurde im Anschluss an die Präsidentenkonferenz in Aarau bekannt gegeben, dass die FP weiterhin bestehen bleibe. Sowohl die Kantonalpräsidenten als auch die Kantonsparlamentarier hätten den Entschluss unterstützt. Die Konferenz beauftragte das Präsidium, die künftige Ausrichtung der Partei neu zu definieren. Parteipräsident Scherrer wurde im Amt bestätigt. Im Dezember beschloss die St. Galler-Kantonalpartei, welche die Bezeichnung Autopartei beibehalten hatte, sich aufzulösen. Die Hälfte ihrer zehn Kantonsräte war bereits vor den Nationalratswahlen zur SVP übergetreten [42].
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Lega dei Ticinesi
Die Wirren um Nationalrat Maspoli rissen auch im Wahljahr nicht ab. Ein konkursites Werbebüro hatte wegen ausstehender Zahlungen Strafanzeige gegen ihn erhoben, und das Verfahren über den Konkurs seiner Tageszeitung "Altra Notizia" war noch immer nicht abgeschlossen. Anfangs Juli wurde er zudem wegen übler Nachrede gebüsst. Sein Parteipräsident Giuliano Bignasca war dagegen durch Fotomontagen im Lega-Blatt "Il Mattino della Domenica" aufgefallen. Opfer der Fotomontagen, die nackte Frauenkörper mit prominenten Köpfen kombinierten, waren unter anderem Bundesrätin Ruth Dreifuss und die Tessiner Staatsrätin Marina Masoni (fdp). Mit Ausnahme von Chiara Simoneschi (cvp) verzichteten die Beschädigten jedoch auf eine Anzeige. Eine Gruppe von Parlamentarierinnen und Parlamentariern forderte den Rücktritt Bignascas aus dem Nationalrat, in den er als zweiter Lega-Vertreter im Oktober gewählt worden war [43].
Im Oktober lancierte die Lega gemeinsam mit den SD das Referendum gegen die bilateralen Verträge mit der EU [44].
Bei den kantonalen Wahlen im Tessin konnte sich die Lega gegen die neu angetretene SVP behaupten und ihre Mandate im Grossen Rat halten. Sie blieb hinter FDP und CVP drittstärkste Kraft im Kanton. Bei den Regierungsratswahlen konnte sich ihr populärer Baudirektor Marco Borradori bestätigen. Im Herbst errang die Lega schliesslich ein zweites Nationalratsmandat. Neben Maspoli konnte Parteipräsident Bignasca im Parlament Einsitz nehmen.
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Schweizer Demokraten (SD)
Das im Vorjahr gegen den Präsidenten der Schweizer Demokraten, Nationalrat Rudolf Keller (BL), eingeleitete Strafverfahren wegen Verstosses gegen das Anti-Rassismusgesetz konnte nicht durchgeführt werden. Der Nationalrat hiess das Gesuch der Strafbehörden um Aufhebung der parlamentarischen Immunität zwar gut, der Ständerat lehnte es aber ab, da seiner Meinung nach ein direkter Zusammenhang zwischen Kellers politischem Amt und dem inkriminierten Boykott-Aufruf amerikanischer und jüdischer Geschäfte vorliege [45]. Nachdem 1998 die SD des Kantons Bern beschlossen hatten, Nationalrat Markus Ruf wegen fehlender Übereinstimmung mit den Parteizielen für die Wahlen vom Herbst 1999 nicht mehr zu nominieren, trat dieser im Berichtsjahr aus der Partei aus. Er kandidierte erfolglos auf der Liste des LdU [46].
Die SD fassten im März die Nein-Parole zur Revision der Bundesverfassung. Es handle sich dabei um eine unschweizerische und gefährliche Mogelpackung. Stossend empfand die Partei insbesondere den veränderten Passus, wonach in Zukunft nicht mehr die "Freiheit und Rechte der Eidgenossen" sondern nur noch die "Rechte der Bevölkerung" zu schützen seien. Die SD wehrten sich dagegen, da damit die ausländische Bevölkerung der schweizerischen Bevölkerung gleichgestellt werden könnte, namentlich im Stimm- und Wahlrecht [47].
Im Herbst lancierten die SD zusammen mit der Lega das Referendum gegen die bilateralen Verträge mit der EU [48].
Bei den Nationalratswahlen verloren die SD zwei ihrer drei Sitze. Der Wähleranteil reduzierte sich von 3,1% auf 1,8%. Obwohl die SD im Kanton Baselland mit einem Wähleranteil von 10,1% ihr bestes Resultat erreichten, schaffte Präsident Keller die Wiederwahl nicht.
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Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU)
Die Eidgenössisch-Demokratische Union EDU reichte im Januar das Referendum gegen die Weiterführung der kontrollierten Heroinabgabe ein. In der Volksabstimmung unterlag sie dann aber [49].
Im Nationalrat ist die Partei weiterhin mit ihrem Präsidenten Christian Waber (BE) vertreten.
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Andere Parteien
Die Christlich-Soziale Partei der Schweiz (CSP), die vor zwei Jahren gegründet worden war, wählte an ihrer Delegiertenversammlung vom März in Luzern die Zürcher Sekundarlehrerin Monika Bloch Süss zur Präsidentin. Die Delegierten verabschiedeten ein Zwölf-Punkte-Programm, welches den Beitritt der Schweiz zu EU und UNO, verstärkte Asylhilfe in den Ursprungsländern, die Sicherung der Sozialwerke durch neue Mehrwertsteuerprozente, eine höhere Besteuerung der nichterneuerbaren Ressourcen, den Ausstieg aus der Atomwirtschaft, die Einführung einer CO2-Steuer sowie höhere Kinderzulagen und Steuerabzüge für die Kinderbetreuung fordert. Im September wurde mit Graubünden die fünfte Kantonalsektion in die Partei aufgenommen. Die CSP ist damit in den Kantonen, Jura, Freiburg, Luzern, Zürich und Graubünden vertreten. Bei den Nationalratswahlen trat die CSP in den Kantonen Luzern, Freiburg und Zürich an. Es gelang ihr, den bisherigen Sitz in Freiburg (Fasel) zu halten [50].
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Im Spätsommer wurde in der Presse behauptet, der Katholischen Volkspartei (KVP) gehörten sowohl in führenden Positionen wie auch unter den Parteiangehörigen einige Mitglieder des Vereins zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis (VPM) an. Diese Vorwürfe wies KVP-Präsident Lukas Brühwiler-Frésey vehement zurück; keine der leitenden Funktionen in der Partei sei mit VPM-Mitgliedern besetzt. Die Partei wehrte sich ausserdem gegen die Bezeichnung "rechtskatholisch", die in den Medien häufig Verwendung fand. Im November gelangte der Presserat zum Schluss, dass die politische Einordnung der KVP mit "ganz rechts aussen" bezeichnet werden dürfe [51].
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Von der Internetpartei Schweiz, die sich vor einem Jahr als "politisch-neutrale" Bewegung der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, war im Wahljahr wenig zu hören. Mit Diskussionsforen übers Internet wollte die Partei ihren Beitrag zu einer fundierten politischen Diskussion leisten. Laut Parteipräsident Guido Honegger fehlte allerdings die politische Mitte in diesen Foren; die Diskussionen wurden beherrscht von teils anonymen Voten von ganz links und ganz rechts. Die Mitgliederzahl blieb mit rund 500 sehr bescheiden. Die erhofften Sponsoren aus der Informatikbranche blieben ebenfalls aus. Als Honegger sich schliesslich im Aargau auf eine CVP-Liste für die Nationalratswahlen setzen liess, versetzte er laut Beobachtern seiner Partei den Todesstoss. Die Internet-Homepage und der Telefonanschluss des Parteisekretariats waren Ende Jahr verwaist [52].
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Weiterführende Literatur
Altermatt, Urs / Skendrovic, Damir, „Die rechtsextreme Landschaft in der Schweiz: Typologie und aktuelle Entwicklungen“, in Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 1999, Nr. 1, S. 101-09.
Brändle, Michael, "Konkordanz gleich Konvergenz? Die Links-rechts-Positionierung der Schweizer Bundesratsparteien", in Schweizerische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 1999, Nr. 1, S. 11-29.
Geissbühler, Simon, „Are Catholics still different? Catholicism, political attitudes and party attachements in Switzerland, 1970-1995“, in West European Politics, 1999, Nr. 3, S. 223-240.
Hirter, Hans, „Parteien und Parlamentsfraktionen in der Schweiz“, in Ludger Helms (Hg.), Parteien und Fraktionen: Ein internationaler Vergleich, Opladen 1999, S. 241-64.
Ladner, Andreas, "Das Schweizer Parteiensystem und seine Parteien", in Ulrich Klöti et al. (Hg.), Handbuch der Schweizer Politik, Zürich 1999, S. 213-260.
Ladner, Andreas / Brändle, Michael, „Does direct democracy matter for political parties? An empirical test in Swiss cantons“, in Party Politics, 1999, Nr. 3, S. 283-302.
Ladner, Andreas / Brändle, Michael, Politische Parteien im Wandel: Parteiorganisationen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, Schlussbericht des gleichnamigen NF-Projekts, Bern (Institut für Politikwissenschaft) 1999.
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Labrot, Laurent, „Le Parti radical démocratique suisse: du parti dominant au parti prédominant?“, in Schweizerische Zeitschrift für politische Wissenschaft, 1999, Nr.1, S. 82-97 (vgl. auch die anschliessende Debatte in a.a.O., S. 97-104).
Mazzoleni, Oscar, „La Lega dei Ticinesi: Vers l’intégration?“, in Schweizerische Zeitschrift für politische Wissenschaft, 1999, Nr. 3, S. 79-95.
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[1] NZZ, 19.8.99; Lit.: Ladner/Brändle.1
[2] BZ, 8.4.99; SoZ, 14.11.99; Presse vom 15.11.99.2
[3] SoZ, 13.4.99; NZZ, 12.4. und 19.4.99; TA, 14.4.99; BaZ, 3.5.99.3
[4] Presse vom 31.5.99; Bund, 2.6.99.4
[5] Presse vom 8.6.99; TA, 21.6., 10.7. und 24.8.99. Zur Gesundheitsinitiative vgl. oben, Teil I, 7c (Krankenversicherung).5
[6] TA, 9.8.99.6
[7] Presse vom 6.9.99.7
[8] TA, 7.10.99; Presse vom 11.10.99.8
[9] NZZ, 30.10. und 10.11.99; So-Blick, 7.11.99; TA, 9.11.99; Presse vom 13.11. und 15.11.99.9
[10] TA, 4.11.99; BaZ, 1.12.99. 10
[11] Presse vom 11.3.99. 11
[12] NZZ, 10.4.99; Bund, 19.4.99; Presse vom 26.4.99; SGT, 11.6.99. 12
[13] BZ, 9.2.99; SGT, 10.2.99; SHZ, 23.6.99; Presse vom 30.8.99. Die Unterschriftensammlung begann Ende August. 13
[14] Presse vom 22.5. und 2.6.99. 14
[15] Presse vom 11.10.99. 15
[16] Presse vom 18.1.99. Vgl. oben, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum). 16
[17] SoZ, 9.5.99; Presse vom 10.5.99. 17
[18] Presse vom 14.1., 18.1. und 15.3.99. Siehe oben, Teil I, 1c (Regierung). 18
[19] Zum Wahlparteitag siehe oben, Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen, Wahlplattformen); NZZ, 5.5.99 (KMU); Presse vom 30.7.99 (Familienpolitik). 19
[20] Zur Asylinitiative: Presse vom 22.2.99; vgl. oben, Teil I, 7d (Flüchtlinge). Zur AHV-Initiative: Presse vom 26.4. und vom 21.8.99; vgl. oben, Teil I, 1a (Grundfragen). 20
[21] Presse vom 16.1.99. 21
[22] Presse vom 25.1.99. Zu weiteren Ergebnissen des Parteitages vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlplattformen der Parteien). 22
[23] NLZ und Bund, 22.6.99; TA, 23.6. und 29.6.99. Vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlplattformen der Parteien). 23
[24] NZZ, 17.7. (VS), 30.8. (NW) und 7.12.99 (OW). 24
[25] Presse vom 1.9., 1.10. und 21.11.99. 25
[26] Presse vom 13.9., 14.9. und 1.10.99; NZZ, 24.12.99. 26
[27] WoZ, 1.10.99; So-Blick, 17.10. und 24.10.99; Presse vom 18.10., 19.10. und 21.10.99. Zu weiteren Rechtsextremismusvorwürfen gegen SVP-Politiker: WoZ, 7.10.99; So-Blick, 19.12.99. 27
[28] Presse vom 26.10. und 28.10.99. Zur Bundesratswahl vgl. oben, Teil I, 1c (Regierung). 28
[29] Presse vom 18.1.99. 29
[30] SGT, 13.10.99; Presse vom 25.10., 30.10. und 9.11.99; BaZ, 8.11.99. Zu den Wahlresultaten vgl. Tabellen im Anhang. 30
[31] Presse vom 10.11. und 6.12.99. 31
[32] TA, 22.3.99; Presse vom 27.8.99; Lib, 29.9.99. Pa.Iv.: Verh. B.vers., 1999, VI, Teil I, S. 38.32
[33] SGT, 30.8.99; Presse vom 19.9. und 20.9.99. 33
[34] Presse vom 18.1., 13.2. und 19.4.99; Bund, 23.1.99; NZZ, 26.2. und 19.4.99. 34
[35] Presse vom 10.5.99; TA, 30.7.99. 35
[36] NZZ, 27.10.99; Presse vom 6.12.99. Zur Geschichte des LdU: BaZ, 28.10.99; NZZ, 19.11.99. 36
[37] NZZ, 26.4.99. 37
[38] TA, 6.9. und 18.9.99; NZZ, 14.9.99; SGT, 14.10.99. 38
[39] NZZ, 13.2., 20.7. und 14.9.99. 39
[40] NZZ, 18.1., 22.3., 10.5., 20.7. und 23.8.; TA, 17.2.99: Bund, 26.5.99; SoZ, 3.8.99. 40
[41] NLZ, 20.9.99. 41
[42] NZZ, 8.11. und 11.12.99; NLZ, 6.11.99. 42
[43] Bund, 13.2., 4.8. und 21.12.99; CdT, 6.7.99; NZZ, 7.8. und 23.12.99; TA, 23.12.99. 43
[44] Vgl. oben, Teil I, 2 (Europe: EU). 44
[45] Vgl. zur Strafanzeige SPJ 1998, S. 391 und zur Immunität oben,Teil I, 1c (Parlament). 45
[46] NZZ, 22.5. und 14.9.99. Vgl. SPJ 1998, S. 391. 46
[47] NZZ, 22.3.99. 47
[48] Vgl. oben, Teil I, 2 (Europe: EU). 48
[49] NZZ, 29.1.99. 49
[50] NZZ, 22.3. und 20.9.99. 50
[51] TA, 27.9. und 27.11.99. 51
[52] BaZ, 6.2.99; Ww, 7.10.99. Vgl. SPJ 1998, S. 392. 52
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