Ende Februar 2023 wurden mit Manfred Bühler (svp, BE) und Andreas Meier (mitte, AG) im Nationalrat zwei neue Mitglieder vereidigt.

Manfred Bühler, amtierender SVP-Kantonalpräsident und Berner Grossrat, rückte für den in den Bundesrat gewählten Albert Rösti nach. Der Bernjurassier Bühler, der schon von 2015 bis 2019 ein Nationalratsmandat innehatte, beendete mit seinem Nachrücken die Phase der Nichtvertretung des französischsprachigen Teils des Kantons Bern. Dieser war seit 1848 bis 2011 ununterbrochen in der grossen Kammer vertreten gewesen, bei den eidgenössischen Wahlen 2011 und 2019 schafften es allerdings keine Kandidierenden aus dem Berner Jura, nach Bundesbern gewählt zu werden, was auch auf nationaler Ebene zu einigen Vorstössen geführt hatte. Manfred Bühler war 2019 trotz Bisherigenbonus und gutem Listenplatz nicht wiedergewählt worden und rückte nun als zweiter Berner Vertreter der SVP Liste nach. Zuvor bereits nachgerückt war Lars Guggisberg (svp, BE), der den Platz von Werner Salzmann (svp, BE) einnahm, nachdem letzterer im zweiten Wahlgang in den Ständerat gewählt worden war. Bühler gab zu Protokoll, dass es wichtig sei, dass ein zweisprachiger Kanton mit Abgeordneten aus beiden Sprachregionen vertreten sei. Die Kultur im französischsprachigen Teil des Kantons Bern sei eine andere als im Deutschschweizer Teil.

Andreas Meier, 60-jähriger Winzer und Aargauer Grossrat, rückte für Ruth Humbel (mitte, AG) nach, über deren vorzeitigen Rücktritt in den Medien bereits im März 2022 spekuliert worden war. Ruth Humbel hatte seit 2003 im Nationalrat gesessen und war zum Zeitpunkt ihres Rücktritts das amtsälteste Nationalratsmitglied. Sie war damals für Guido A. Zäch (cvp, AG) nachgerutscht und insgesamt fünfmal wiedergewählt worden. Die Aargauer Zeitung erinnerte daran, dass bereits vor den letzten eidgenössischen Wahlen 2019 spekuliert worden sei, dass Ruth Humbel zurücktreten werde. Ihr nochmaliges Antreten als Spitzenkandidatin habe der damaligen CVP wohl einen zusätzlichen Sitzgewinn eingebracht. Gemäss parteiinternen Quellen habe es damals aber einen Deal gegeben. Sollte Ruth Humbel das Präsidium der SGK erhalten, würde sie frühzeitig zurücktreten, um einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger Platz zu machen. Dies würde deren oder dessen Wahlchancen im Herbst 2023 erhöhen, womit die Mitte weiterhin auf zwei Nationalratsmandate aus dem Kanton Aargau hoffen könnte. In der Tat präsidierte Humbel die Kommission von 2019 bis 2021. Obwohl Andreas Meier in der Folge seinen Rücktritt als Aargauer Grossrat ankündigte, um sich für sein Amt in Bern vorzubereiten, gab Humbel ihren Rücktritt lange Zeit nicht bekannt, was der Tages-Anzeiger als «Kommunikatives Desaster» bezeichnete. Erst in der Wintersession 2022 gab die Aargauer Mitte-Politikerin dann schliesslich offiziell zu Protokoll, dass dies ihre letzte Session sei. Sie hätte zwar gerne noch die Reform der beruflichen Vorsorge und die Gesundheitsreform zur einheitlichen Finanzierung von Gesundheitsleistungen (Efas) begleitet, gegen diese würden aber wohl Referenden ergriffen, die erst nach den Wahlen 2023 zur Abstimmung kämen. Zudem habe sie ihrer Partei versprochen, einem Nachfolger frühzeitig Platz zu machen, um dessen Wahlchancen zu erhöhen. An ihrem letzten Sessionstag wurde Ruth Humbel mit einer Standing Ovation verabschiedet.

Die beiden Neuzugänge waren in der bald zu Ende gehenden 51. Legislatur in der grossen Kammer die Mutationen Nummer 15 und 16.

Dossier: Mutationen im nationalen Parlament

Ziemlich überraschend gab Paul Rechsteiner (sp, SG) Anfang Oktober 2022 bekannt, auf die kommende Wintersession zurückzutreten. Nach 36 Jahren Bundesbern gehe eine «aussergewöhnliche Politkarriere» zu Ende, titelte das St. Galler Tagblatt. «Eine zentrale Figur der Linken» trete ab, meinte der Appenzeller Volksfreund. Der SP-Politiker sass schon 1977 im Stadtparlament von St. Gallen und von 1984 bis 1986 im Kantonsparlament, bevor er 1986 in den Nationalrat nachrutschte. 1998 wurde er zudem Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, dem er während 20 Jahren vorstand, was ihn zu einem «politischen Schwergewicht» gemacht, aber auch seine Politik «im Dienst für die sozial Schwächeren» geprägt habe, urteilte der Tages-Anzeiger. 2011 schaffte der St. Galler Sozialdemokrat dann «eine kleine Sensation» – so die WoZ –, nämlich den Sprung in den Ständerat, für den er in der Folge zwei Mal bestätigt wurde. Rechsteiner wäre nicht Rechsteiner, wenn er nicht auch seinen Rücktritt «als Schachzug» geplant hätte, kommentierte das St. Galler-Tagblatt: Es sei zwar erwartet worden, dass er zurücktrete, weil er dies aber nun kurz vor Ende der Legislatur tue, setze er die FDP und die SVP, die den St. Galler SP-Sitz im Ständerat angreifen wollten, unter Druck, dies nun innert kürzester Zeit aufgleisen zu müssen. Rechsteiner selber begründete seinen Schritt damit, dass die Wahlbevölkerung sich bei einer Einervakanz besser für eine Kantonsvertretung entscheiden könne als gleichzeitig mit den Nationalratswahlen im Herbst 2023, die zu sehr «parteipolitisch geprägt» seien.

Der Plan der SP zur Verteidigung ihres Ständeratssitzes ging freilich nicht auf. Im zweiten Wahlgang eroberte die SVP erstmals in ihrer Geschichte den St. Galler Ständeratssitz. Esther Friedli (svp, SG) setzte sich Ende April gegen Barbara Gysi (sp, SG) durch. Die 2019 in den Nationalrat gewählte 45-jährige SVP-Politikerin hatte damals trotz Sitzverlust der SVP mehr Stimmen geholt als zwei Bisherige. 2016 war Friedli für ihre Kandidatur für die St. Galler Regierungsratswahlen als ehemaliges CVP-Mitglied zur SVP gewechselt und wurde 2022 auch als mögliche Bundesrätin gehandelt. Nun nahm sie in der Sommersession 2023 erstmals in der kleinen Kammer Platz, nachdem sie dort den Amtseid geleistet hatte. Bereits bei den eidgenössischen Wahlen 2023 wird sie diesen Sitz verteidigen müssen.

Zusammen mit der Vereidigung von Esther Friedli war es im Ständerat in der 51. Legislatur insgesamt lediglich zu drei Wechseln gekommen (2021: Rücktritt von Christian Levrat (sp, FR) und Wahl von Isabelle Chassot (mitte, FR); 2022: Wahl von Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) in den Bundesrat und Nachrücken von Mathilde Crevoisier Crelier (sp, JU)). Seltene Wechsel sind – im Gegensatz zum Nationalrat – im Ständerat normal; so gab es in der 50. Legislatur zwei und in der 49. Legislatur ebenfalls nur drei Mutationen in der kleinen Kammer. In der laufenden 51. Legislatur musste die SP dreimal einen Sitz verteidigen, was ihr lediglich beim Jura-Sitz gelang. Im Kanton Jura gibt es freilich keine Ersatzwahlen, sondern die Listenwahl macht ein Nachrutschen auch im Ständerat möglich. In Freiburg verlor die SP ihren Sitz an die Mitte und in St. Gallen an die SVP. Da in zwei dieser drei Fälle Frauen Männer ersetzten, erhöhte sich der Frauenanteil in der kleinen Kammer von 26.1 Prozent (12 Ständerätinnen Anfang Legislatur) auf 30.4 Prozent (14 Ständerätinnen Ende Legislatur).

Allerdings besteht ab der Sommersession 2023 in der kleinen Kammer eine Vakanz. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI), ebenfalls von der SP, wurde im März 2023 in die Tessiner Kantonsregierung gewählt und gab entsprechend ihren Rücktritt aus dem Ständerat bekannt. Der Tessiner Staatsrat entschied dann allerdings, dass keine Ersatzwahlen für den frei gewordenen Standessitz abgehalten würden, da der früheste Termin für eine entsprechende Wahl Mitte Juni gewesen wäre und ein möglicher zweiter Wahlgang gar erst Anfang September hätte durchgeführt werden können – im Kanton Tessin dürfen im Juli und im August keine Urnengänge stattfinden. Folglich hätte die neue Kantonsvertretung lediglich noch an der Herbstsession 2023 teilnehmen können, anschliessend standen bereits die eidgenössischen Wahlen an. Die Kosten und der Verwaltungsaufwand für zwei kurz nacheinander erfolgende Wahlen seien «nicht opportun», so die Begründung der Tessiner Regierung. Dieser Entscheid stiess auf einige Kritik, die aber nichts daran änderte, dass der Ständerat bis Ende Legislatur lediglich aus 45 Mitgliedern bestand.

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In der Sommersession 2023, also in der zweitletzten Session der laufenden 51. Legislatur (2019 bis 2023) wurden noch einmal zwei neue Mitglieder im Nationalrat aufgenommen. Mit Michael Götte (svp, SG) und Thomas Bläsi (svp, GE) kam es zur 17. bzw. 18. Mutation in der grossen Kammer.

Der 43-jährige Michael Götte, Gemeindepräsident von Tübach (SG), SVP-Kantonsrat und Leiter der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell rutschte für die Ende April für den Kanton St. Gallen in den Ständerat gewählte Esther Friedli (svp. SG) nach. Dies war allerdings nicht von Beginn weg klar gewesen, weil auf der St. Galler SVP-Liste eigentlich noch alt-Nationalrat Thomas Müller (SG, svp) und alt-Nationalrätin Barbara Keller-Inhelder (svp, SG) vor Götte platziert gewesen waren. Thomas Müller gab allerdings schon früh zu verstehen, dass er mit der Politik abgeschlossen habe und auf das Mandat verzichte. Nach reiflicher Überlegung verzichtete schliesslich gegen auch Barbara Keller-Inhelder. Ihr habe lediglich 30 Prozent der Arbeit in Bern Freude bereitet und sie habe keine Lust mehr auf «Pseudodebatten», «grossmaulige Reden» und «Schaukämpfe», begründete sie im St. Galler-Tagblatt ihren Entscheid. Götte meldete in derselben Zeitung, er werde bei einer allfälligen Wiederwahl im Herbst 2023, für die er sich als nun Bisheriger gute Chancen ausrechnen dürfe, entscheiden, welches seiner Ämter er niederlegen werde.

Yves Nidegger war Anfang April 2023 in Genf ins kantonale Parlament gewählt worden. Da ein Doppelmandat im Kanton Genf verboten ist, verzichtete der seit 2007 in Bundesbern politisierende SVP-Politiker auf seinen Nationalratssitz. Bereits vor seiner Wahl in den Nationalrat hatte Nidegger im Genfer Grossen Rat gesessen und übernahm dort nun sogleich das kantonale Fraktionspräsidium. Sozusagen den umgekehrten Weg nahm der 52-jährige Apotheker Thomas Bläsi. Er sass seit 2013 im Genfer Kantonsparlament und wäre ebenfalls für die neue kantonale Legislatur gewählt worden. Es war allerdings mit seiner Partei abgesprochen, dass er diese Wahl nicht antreten und stattdessen für Yves Nidegger in den Nationalrat nachrutschen werde. Dies werde Thomas Bläsi für eine Wiederwahl im Herbst bessere Chancen bescheren, war Nidegger gegenüber Le Temps überzeugt.

Die beiden neuen Nationalräte legten am ersten Tag der Sommersession den Amtseid ab. Damit wurden in der 51. Legislatur also 18 Wechsel vollzogen und nicht ganz ein Zehntel der ursprünglich gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter durch Nachrückende ersetzt, was im Vergleich zu den beiden früheren Legislaturen ein deutlich geringerer Anteil darstellt (50. Legislatur: 26 Wechsel; 49. Legislatur: 27 Wechsel). Den mit 13.8 Prozent grössten Anteil an nachrückenden Volksvertreterinnen und Volksvertreter wies die FDP-Fraktion auf (4 von 29 Mitgliedern machten während der Legislatur Platz), gefolgt von der SVP (10.9%; 6 von 55) und der grünen Fraktion (10%; 3 von 30). Weniger häufig waren die Wechsel in der Mitte-EVP-Fraktion (6.4%; 2 von 31), wobei eine der beiden Rochaden innerhalb der dreiköpfigen EVP stattfand, in der GLP-Fraktion (6.3%; 1 von 16) und in der SP-Fraktion (5.1%; 2 von 39). Weil die 7 zurücktretenden Frauen und die 11 zurücktretenden Männer durch 5 Frauen und 13 Männer ersetzt wurden, sank der Frauenanteil von Anfang (42%; 84 von 200 Sitzen) auf Ende Legislatur um einen Prozentpunkt (41%; 82 von 200 Sitzen).

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