Die Willensbildung im Nationalrat, wo die Vorlage im Herbst zur Debatte stand, gestaltete sich schwierig. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission die sich vor allem auf CVP- und SVP-Kreise stützte, sekundierte den Bundesrat. Die Linksparteien griffen demgegenüber auf den Expertenentwurf zurück, der keine Differenzierung des Gewissens vorgenommen hatte. Aus bürgerlichen Kreisen wurden dagegen zusätzliche Einschränkungen für die Zulassung zum Ersatzdienst gewünscht; ein republikanischer Antrag wollte vollends die grundsätzliche Zustimmung zur Initiative wieder rückgängig machen. Gegen alle diese Varianten setzte sich jedoch mit 92 zu 86 Stimmen eine Fassung durch, die der Präsident der Expertenkommission, Dürrenmatt, mit dem christlichdemokratischen Psychiater Condrau ausgearbeitet hatte und die den Gewissensentscheid an ein Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit knüpfte; dieses sollte die Ernsthaftigkeit der Gewissensnot zuverlässiger dartun als andere Kriterien. Der Beschluss der Grossen Kammer, der in der Presse ein gutes Echo fand und auch vom Initiativkomitee begrüsst wurde, stiess jedoch im Dezember bei den Ständevertretern auf Ablehnung; hier drang die Formel des Bundesrates durch. Der starke Rückgang der Dienstverweigerungsfälle mochte das Problem weniger dringlich erscheinen lassen. Anderseits äusserten sich bei einer gesamtschweizerischen Meinungsumfrage 73 Prozent positiv zur Einführung eines zivilen Ersatzdienstes. 1976 wurden 367 Dienstverweigerer verurteilt (1975: 520), davon beriefen sich 181 (227) auf ethische oder religiöse und 35 (59) auf politische Gründe.
Bundesbeschluss über die Einführung eines zivilen Ersatzdienstes (BV Art. 18) auf der Basis der Volksinitiative «für die Schaffung eines Zivildienst (Münchensteiner Initiative)» (76.060)Dossier: Einführung des Zivildienstes