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  • Papst Johannes Paul II. / Pape Jean Paul II.

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Papst Johannes Paul II nahm die Einladung der Schweizerischen Bischofskonferenz an, Anfang Juni ein Jugendtreffen in Bern zu besuchen. Bei seiner Ankunft auf dem Militärflughafen Payerne (VD) wurde er von Bundespräsident Deiss, Bundesrätin Calmy-Rey und Bundesrat Schmid empfangen. Anlässlich dieses Besuches normalisierte die Schweiz auch ihre diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. 1873, auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes, war der päpstliche Gesandte aus der Schweiz ausgewiesen worden. Erst 1920 war wieder eine Nuntiatur in Bern errichtet worden, doch hatte der Bundesrat aus Rücksicht auf die protestantische Bevölkerung auf die Eröffnung einer schweizerischen Vertretung beim Heiligen Stuhl verzichtet. 1991 hatte er in Folge der Auseinandersetzungen um den Churer Bischof Wolfgang Haas einen «Botschafter in Sondermission» beim Vatikan ernannt, dessen Titel nun in jenen eines ordentlichen Gesandten umgewandelt wurde.

Papst Johannes Paul II zu Besuch bei einem Jugendtreffen in Bern

Im Rahmen eines eintägigen Arbeitsbesuchs zu Jahresbeginn in Rom stattete Bundesrat Cotti auch dem Vatikan eine kurze Visite ab. Nach einer Audienz bei Papst Johannes Paul II. unterrichtete er Kardinal-Staatssekretär Sodano, den "Aussenminister" des Heiligen Stuhls, über die grosse Besorgnis der katholischen Bevölkerung der Schweiz bezüglich der Verhältnisse im Bistum Chur.

Cotti Verhältnisse im Bistum Chur 

Bischof Haas spaltete mit seiner Personalpolitik und seiner Verweigerung jeglichen Dialogs weiterhin das Bistum Chur. Die Bündner Kirchenbasis reagierte auf die unerfreuliche Situation mit der Einberufung einer Tagsatzung, an der 100 der 131 katholischen Kirchgemeinden Graubündens vertreten waren. Anders als Haas, der jede Zusammenarbeit mit der Tagsatzung ablehnte, stellte sich Weihbischof Vollmar voll hinter deren Zielsetzung, im Bistum Chur wieder Frieden und Einheit herzustellen. Aber auch ausserhalb Graubündens ging die Kirchenbasis immer weiter auf Distanz zu Haas. Der Entscheid der Urschweizer Landeskirchen, welche seit Jahren Haas den Bistumsbeitrag verweigern, das gesperrte Geld teilweise freizugeben, allerdings nicht, um es an Chur abzuliefern, sondern ausdrücklich zur Schaffung eines Urschweizer Generalvikarensekretariats, wurde allgemein als erster Schitt in Richtung einer Abspaltung von der Diözese Chur gewertet.

Immer wieder auftauchende Gerüchte, wonach Papst Johannes Paul II zur Einsicht gelangt sei, die Ernennung von Haas sei ein Fehler gewesen, weshalb er ihm den Rücktritt nahelege, wurden von Chur, dem päpstlichen Nuntius im Bern und vom Vatikan stets dementiert.

Churer Bischof Wolfgang Haas

In der römisch-katholischen Kirche, besonders im Bistum Chur, wollten sich die Wogen nicht glätten lassen, die bei der 1988 erfolgten Ernennung von Wolfgang Haas zum Weihbischof mit Nachfolgerecht aufgebrandet waren. Bischof Vonderach stellte sich zwar unverdrossen hinter ihn und behauptete, die Ernennung Haas sei hauptsächlich durch die Schuld der Medien zu einem kontroversen Ereignis geworden, doch konnte dies die Akzeptanz von Weihbischof Haas an der Kirchenbasis kaum fördern.

Um die Rechtmässigkeit des Vorgehens Roms im Fall Haas entbrannte unterdessen ein ausgedehnter Juristenstreit, in dem die rechtlichen Bedenken gegenüber der Entscheidung des Vatikans schwer ins Gewicht fielen. Der Kanton Schwyz weigerte sich weiterhin, die Wahl Haas anzuerkennen und bat den Bundesrat, beim Heiligen Stuhl zu intervenieren und die Rücknahme des Nachfolgerechts zu erwirken. Öl aufs Feuer goss in dieser emotional aufgeheizten Stimmung der ebenfalls als sehr konservativ eingestufte päpstliche Nuntius in Bern, Mgr Rovida, welcher laut einer – später zwar dementierten – Indiskretion die Ansicht vertreten haben soll, dass der Papst in jedem Fall das Recht zur Ernennung eines Weihbischofs mit Nachfolgerecht habe, auch dort, wo ein Konkordat der Ortskirche die Mitsprache sichert, in der Schweiz also in den Bistümern Basel (mit Sitz in Solothurn) und St. Gallen. Obgleich der Nuntius auf seinen Äusserungen nicht behaftet werden konnte, schien dem Bundesrat die Angelegenheit doch als heikel genug, um die Direktion für Völkerrecht anzuweisen, die diesbezüglichen rechtlichen Fragen zu prüfen. Nachdem bereits das Domkapitel Basel den Nuntius hatte wissen lassen, die Ernennung eines Weihbischofs mit Nachfolgerecht würde klar als Konkordatsverletzung betrachtet, traf sich ein EDA-Mitarbeiter mit Mgr Rovida: Der Inhalt des Gesprächs wurde zwar nicht veröffentlicht, doch konnte angenommen werden, der Bundesrat habe dem Nuntius dieselbe Antwort erteilt wie das Basler Domkapitel.

Prominente Unterstützung erhielten die ob diesen Vorgängen und Äusserungen besorgten römisch-katholischen Kreise durch 163 zum Teil namhafte katholische Theologieprofessoren aus der BRD, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz, die im Anschluss an weitere umstrittenen Bischofsweihen in Köln, Wien, Feldkirch und Salzburg gemeinsam eine papstkritische «Kölner Erklärung» publizierten. In dem Thesenpapier («Wider die Entmündigung – für eine offene Katholizität») warfen sie dem Papst Machtmissbrauch bei der Ernennung von Bischöfen und bedeutende Eingriffe in die Freiheit von Lehre und Forschung vor. Sie kritisierten die unzulässige Geltendmachung seiner lehramtlichen Kompetenz – damit sind die pointierten, «dogmatischen» Äusserungen Johannes Paul II. zur Geburtenregelung gemeint – und die Missachtung des Geistes der Öffnung, wie ihn das zweite Vatikanische Konzil gebracht hatte, was zu einer Gefährdung der Ökumene führe.

Kontroverse um Bischof Wolfgang Haas