Neues Strafrecht in der Vernehmlassung

Im Juli gab der Bundesrat den Entwurf einer Expertenkommission für die Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs in die Vernehmlassung. Das Ziel dieser Reform besteht in einer Erweiterung des Katalogs an strafrechtlichen Sanktionen, um den unterschiedlichen Formen der Kriminalität besser gerecht zu werden. Dabei sollen bei den kleinen und mittleren Delikten vermehrt Resozialisierungs- und Verhütungsziele verfolgt werden. Die Experten schlagen vor, auf kurze Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten zu verzichten und diese durch Geldstrafen, oder – mit dem Einverständnis des Verurteilten – durch gemeinnützige Arbeiten zu ersetzen. Da diese kurzen Freiheitsentzüge heute mehr als 80 Prozent aller Freiheitsstrafen ausmachen, würde damit auch ein Beitrag zur Entlastung der überfüllten Gefängnisse geleistet. Die Maximaldauer für bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafen möchten die Experten von 18 auf 36 Monate erweitern. Bei schweren Gewaltdelikten soll die Obergrenze von 20 Jahren (d.h. lebenslänglich) beibehalten werden, wobei aber bei der Gefahr von weiteren schweren Taten eine anschliessende Verwahrung angeordnet werden kann. Das Konzept des Verzichts auf kurze Freiheitsstrafen stiess vor allem in der in Strafrechtsfragen repressiveren Westschweiz, vereinzelt aber auch in der Deutschschweiz auf Kritik.

Das Parlament befasste sich bereits mit einzelnen Vorschlägen der Expertenkommission. Beide Kammern überwiesen eine unbestrittene Motion Zisyadis (pda, VD) für die Einführung von Gemeinschaftsdiensten als Strafen. Eine vom Nationalrat gutgeheissene Motion Iten (cvp, NW; Mo. 91.3307) für eine Ausdehnung der Maximaldauer von bedingten Strafen auf 36 Monate wandelte die kleine Kammer hingegen in ein Postulat um. Dieser Entscheid wurde einerseits damit begründet, dass dieses Anliegen ohnehin bereits von der oben erwähnten Expertenkommission eingebracht worden sei, andererseits machte sich aber auch grundsätzliche Kritik an einer Milderung der Strafbestimmungen bemerkbar.

Auf Wunsch der Kantone und der Parteien verlängerte der Bundesrat die Frist für die im Vorjahr begonnene Vernehmlassung über den Expertenentwurf für die Revision des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs. Er kündigte an, dass er deshalb die Botschaft wohl erst in der nächsten Legislatur dem Parlament werde vorlegen können. Für die geforderte beschleunigte Behandlung der Bestimmungen, welche die Umwandlung von kurzen Freiheitsstrafen in eine Arbeitsverpflichtung vorsehen, sah er einstweilen keinen Anlass. In der Vernehmlassung wurde die Reform von allen Bundesratsparteien grundsätzlich begrüsst. Die FDP und die SVP forderten aber eine Überarbeitung, da der Vorentwurf zu sehr auf die Wahrung der Interessen der Straftäter angelegt sei. In dieselbe Richtung zielte auch die von Staatsanwälten und einzelnen Strafrechtsexperten geäusserte Kritik. Beanstandet wurde insbesondere auch die Ausdehnung der Obergrenze für die Möglichkeit des bedingten Strafvollzugs von 18 auf 36 Monate. CVP, SP und SVP schlugen als Alternative das in Frankreich und Belgien praktizierte Modell des teilbedingten Strafvollzugs vor, bei dem ein Teil der Strafe auf jeden Fall abgesessen werden muss.

Der Bundesrat beauftragte im September das EJPD mit der Ausarbeitung einer Botschaft für eine Teilrevision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs, namentlich der Bestimmungen über die Sanktionen. Trotz der zum Teil heftigen Kritik in der Vernehmlassung hielt der Bundesrat an zentralen Punkten des Vorentwurfs fest. So sollen anstelle kurzer Freiheitsstrafen vermehrt alternative Strafformen wie Bussen oder gemeinnützige Arbeiten treten, und der bedingte Strafvollzug soll auch für Freiheitsstrafen von mehr als 18 Monaten ermöglicht werden. Neu soll zudem das Jugendstrafrecht in einem separaten Teil festgehalten werden.

Motion Chiffelle, Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen (Mo. 96.3247)

Der Bundesrat beabsichtigt die 1993 in die Vernehmlassung gegebene Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs im Sommer 1997 dem Parlament vorzulegen. Der Nationalrat stimmte nun aber zwei Motionen zu, welche verlangen, gewisse Elemente vorzuziehen. Die erste Motion (Mo. 96.3370) stammte von seiner Rechtskommission und forderte eine vollständige Garantie der Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen beim Freiheitsentzug, damit auf den entsprechenden Vorbehalt beim Übereinkommen über die Rechte des Kindes verzichtet werden kann. Der Ständerat sah, wie auch der Bundesrat, keinen Anlass für ein Vorziehen und wandelte diesen Vorstoss in ein Postulat um. Die zweite Motion war von Chiffelle (sp, VD) eingereicht worden und verlangt, dass bei der Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen nicht mehr der für heutige Verhältnisse tiefe Tagessatz von CHF 30 gelten soll, sondern das mittlere Nettotageseinkommen des Delinquenten. Bundesrat Koller bekämpfte diesen Antrag vergeblich, indem er geltend machte, dass davon vor allem gutverdienende Verurteilte profitieren würden.

Arbeitseinsätze auch anstelle von bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen (Mo. 97.3532)

Der Ständerat wandelte die im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion Chiffelle (sp, VD) (Mo. 96.3247) für eine Neufestlegung der Sätze bei der Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen in ein Postulat um. Eine Anpassung an die Teuerungsentwicklung sei seiner Ansicht nach zwar erwünscht, das Problem sei aber nicht so dringend, dass es vor der geplanten Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs gelöst werden müsse. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Arbeitseinsätze anstelle von Freiheitsstrafen als sinnvolle Sanktionen betrachtet. Mit einer überwiesenen Motion Wiederkehr (ldu, ZH) beauftragte der Nationalrat die Regierung, im Rahmen der erwähnten Revision solche Arbeitseinsätze auch anstelle von bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen vorzusehen.

Revision des Strafgesetzbuchs (2003) Parlamentarisches Verfahren

Im September publizierte der Bundesrat die Botschaft für eine Revision des Strafgesetzbuchs (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung). Während den rund zehnjährigen Vorarbeiten hatten sich – ausgelöst von Morden durch rückfällige Gewalttäter – einige Akzentverschiebungen ergeben. Der Entwurf verfolgt zwar immer noch das Ziel, kurze, d.h. nicht länger als sechs Monate dauernde Freiheitsstrafen durch Geldstrafen und gemeinnützige Arbeiten zu ersetzen. Er enthält aber auch Massnahmen zum Schutz vor gemeingefährlichen und nicht resozialisierbaren Gewalttätern. Diese sollen von den Richtern auf über die Freiheitsstrafe hinausgehende Zeit verwahrt werden können. Die Fortführung dieser Verwahrung würde jährlich von den Vollzugsbehörden und alle fünf Jahre durch ein Gericht überprüft. Eine bedingte vorzeitige Entlassung (nach Verbüssen von zwei Dritteln der Strafe) müsste bei gefährlichen Tätern neu von einer interdisziplinären Konsultativkommission beurteilt werden. Als weitere Neuerung schlägt der Gesetzesentwurf eine Verbesserung der strafrechtlichen Mittel für Fälle vor, bei denen es schwierig ist, Einzelpersonen verantwortlich zu machen (z.B. Umweltkatastrophen). Hier soll in Zukunft auch ein ganzes Unternehmen strafrechtlich verfolgt werden können.
Der StGB-Revisionsentwurf sieht weiteren vor, ein spezielles Jugendstrafrecht zu schaffen. Dabei soll die Strafmündigkeitsgrenze von sieben auf zehn Jahre erhöht werden. Andererseits sollen Jugendliche über 16 Jahre für schwere Straftaten strenger bestraft werden können als bisher, indem für die die Maximaldauer des Freiheitsentzugs von einem auf vier Jahre erhöht wird.

Der Ständerat befasste sich in der Dezembersession mit der im Vorjahr vom Bundesrat präsentierten Revision des Strafgesetzbuchs (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung) und stimmte der Vorlage zu. Grundsätzlich umstrittene Punkte gab es in der kleinen Kammer keine, jedoch wurde eine grosse Anzahl von Detailveränderungen am Regierungsentwurf und zudem einige Verschärfungen beschlossen. Die wichtige Neuerung, die vorsieht, dass anstelle von kurzen Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten eine neue Geldstrafe (oder eine gemeinnützige Arbeit) eingeführt wird, blieb unbestritten. Auf Antrag seiner Rechtskommission setzte der Rat aber den Höchsttagessatz von 2000 auf 3000 Fr. hinauf. Als neue Strafe im Sinne einer Zusatzmassnahme fügte er auch noch ein Fahrverbot für Delikte ein, die nicht in Zusammenhang mit dem Strassenverkehrsgesetz stehen. Es kann bei Tätern angeordnet werden, die ein Fahrzeug zur Tatbegehung verwendet haben. Die vom Bundesrat beantragte Heraufsetzung der Maximaldauer der bedingt ausgesprochenen Strafen von 18 Monaten auf drei Jahre wurde etwas modifiziert, indem dem Richter die Kompetenz eingeräumt wird, abhängig vom Verhalten des Verurteilten, auch bei kürzeren Haftstrafen den bedingten Strafvollzug nicht zu gewähren. Die vom Bundesrat beantragte Verwahrung von gemeingefährlichen und nicht resozialisierbaren Gewalttätern wurde in dem Sinne verschärft, dass der Richter sie nicht bloss anordnen kann, sondern, wenn die Gefahr weiterer Taten besteht, bereits bei Ersttätern aussprechen muss. Bei der Bestrafung von sexuellen Delikten mit Kindern beschloss der Rat auf Antrag seiner Kommission ebenfalls eine Verschärfung gegenüber dem Bundesratsentwurf. Diesbezügliche Straftaten, die in einem Land begangen werden, wo sie nicht als Delikt gelten, sollen nicht nur bei Einheimischen, sondern auch bei Personen, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben, sich aber vorübergehend hier aufhalten, verfolgt werden.

Der Ständerat setzte im Berichtsjahr die Beratung der Revision des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes fort. Es galt nun noch, die Bestimmungen des Militärstrafgesetzes an die Reform anzupassen und das totalrevidierte und neu in einem eigenen Gesetz festgehaltene Jugendstrafrecht zu beraten. Er hielt sich beim Jugendstrafrecht weitgehend an die Vorgaben des Bundesrates und nahm einige Präzisierungen vor. Als Neuerung führte er die Mediation ein, die bei geringfügigen Vergehen und mit dem Einverständnis aller Beteiligten anstelle einer Strafe treten kann.

Als Zweitrat nahm der Nationalrat in der Sommersession die Beratung der Revision des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes auf. Er schuf eine ganze Reihe von Differenzen zur kleinen Kammer. Bei der Heraufsetzung der Obergrenze für die Möglichkeit des bedingten Strafvollzugs waren ihm die vom Ständerat beschlossenen drei Jahre zu grosszügig; er reduzierte sie auf 24 Monate. Für Freiheitsstrafen von mindestens einem und maximal drei Jahren soll, wie vom Bundesrat beantragt und vom Ständerat beschlossen, die neue Strafnorm der teilweise bedingten Freiheitsstrafe möglich sein, bei der ein Teil auf jeden Fall abzusitzen ist. Weniger streng als der Ständerat war er bei den kurzen Freiheitsstrafen. Während der Ständerat entschieden hatte, dass diese ab 10 Tagen möglich sein sollen (im geltenden Recht sind es drei), hielt sich die grosse Kammer an das Konzept des Bundesrates, bisherige Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten durch einkommens- und vermögensabhängige Tagesgeldsätze (Maximaltagessatz: 3000 Fr.) und gemeinnützige Arbeiten zu ersetzen. Bei den Bestimmungen über die Verwahrung von gefährlichen und rückfallgefährdeten Gewalt- und Sexualtätern argumentierte die SP vergeblich dafür, dass diese aus rechtsstaatlichen Gründen für psychisch gesunde Ersttäter nicht verhängt werden darf. Mehr Erfolg hatte die Linke, als sie zusammen mit dem Bundesrat den Antrag der Mehrheit der Rechtskommission bekämpfte, die Landesverweisung als zusätzliche Strafsanktion beizubehalten (dabei ist eine Wegweisung durch die Ausländerbehörde gestützt auf die Bestimmungen im Ausländerrecht weiterhin möglich). In der Differenzbereinigung wurden vom Ständerat in der Herbstsession die meisten Beschlüsse des Nationalrats übernommen.

Im Rahmen dieser Strafrechtsreform befasste sich der Nationalrat als Zweitrat auch mit den neuen Bestimmungen des Jugendstrafrechts. Er stimmte der Erhöhung des Strafmündigkeitsalters von sieben auf zehn Jahre und der Einführung eines Mediationsverfahrens zu. Am umstrittensten war die Neuerung, dass für bestimmte schwere Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung etc. über sechzehn Jahre alte Jugendliche auch mit einem Freiheitsentzug von bis zu vier Jahren bestraft werden können (statt wie bisher mit maximal einem Jahr). Diese Abweichung vom Prinzip, dass bei allen Jugendlichen vor allem erzieherische Massnahmen (z.B. Einweisung in Heime) zum Zuge kommen sollen, wurde von der Linken vergeblich bekämpft. Die Differenzbereinigung der beiden Räte konnte im Berichtsjahr noch nicht abgeschlossen werden.

Die im Vorjahr vom Ständerat beschlossene Harmonisierung der neuen Verjährungsregeln mit den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über Nebenstrafen und Übertretungen wurde auch vom Nationalrat gutgeheissen.

Das Parlament führte seine Beratungen über die Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches zu Ende. In der Differenzbereinigung war noch umstritten, ob bei in Bussen umgewandelten Freiheitsstrafen ein minimaler Tagessatz festgelegt werden soll, wie dies der Ständerat verlangte, oder ob, wie es der Nationalrat wünschte, darauf aus sozialen Gründen (damit der Richter frei ist bei der Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse der Verurteilten) verzichtet werden soll. Der Nationalrat hielt ferner an seiner Auffassung fest, dass die Obergrenze für den bedingten Vollzug von Freiheitsstrafen bei 24 und nicht wie vom Ständerat beschlossen bei 36 Monaten liegen soll. Bei der Verwahrung besonders gefährlicher Täter nach dem Verbüssen der Gefängnisstrafe stimmte der Nationalrat der kleinen Kammer zu, dass dies nicht nur für rückfällig gewordene Täter gelten soll. Nachdem der Ständerat die letzten Differenzen im Sinne des Nationalrats bereinigt hatte, wurde die Revision in der Schlussabstimmung mit 136:29 resp. 39:1 Stimmen angenommen. Dagegen gestimmt hatte im Nationalrat eine Mehrheit der SVP-Fraktion. Obwohl diverse Lockerungsanträge abgelehnt worden waren, gingen diese neuen Bestimmungen den Promotorinnen der Volksinitiative „für eine lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewalttäter“ noch zu wenig weit. Sie beschlossen, ihr Begehren, für welches eine Verwahrung definitiv ist und auf eine periodische Überprüfung der Gefährlichkeit des Verwahrten verzichtet wird, nicht zurückzuziehen.

Anpassungen an der Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs

Bei der Ende 2002 vom Parlament verabschiedeten, aber vom Bundesrat noch nicht in Kraft gesetzten umfassenden Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs waren im Nachhinein, d.h. bei der Anpassung der kantonalen Rechtsordnungen, Zweifel am Sinn von bestimmten Beschlüssen aufgetaucht. Namentlich bei der Umsetzung der Grundsatzidee, kurze Freiheitsstrafen durch Geldbussen zu ersetzen, ergaben sich Widersprüche zum bestehenden Ordnungsbussensystem. Konkret konnte dies bedeuten, dass im Strassenverkehr für eine Person mit niedrigem Einkommen eine Ordnungsbusse für eine kleine Übertretung höher ausfiel als die – nach Einkommensverhältnissen abgestufte – Busse für ein wesentlich schwereres Vergehen. Der Bundesrat beantragte deshalb, einige Regelungen zu revidieren. Gleichzeitig schlug er auch vor, die in der Strafrechtsreform geschaffenen Bestimmungen über die ordentliche Verwahrung in zwei Punkten zu verschärfen. Erstens soll eine Verwahrung auch für rückfallgefährdete Täter bestimmter Delikte (z.B. sexuelle Handlungen mit Kindern resp. Abhängigen) angeordnet werden können, die zu einer Strafe von mindestens fünf Jahren (statt zehn, wie im revidierten Gesetz vorgesehen) verurteilt worden sind. Zweitens soll es möglich sein, eine ordentliche Verwahrung – nicht aber eine lebenslängliche Verwahrung – nachträglich auch gegen bereits verurteilte Täter auszusprechen. Diese Bestimmung soll zudem rückwirkend angewendet werden, d.h. auch auf Täter, die vor Inkraftsetzung des Gesetzes verurteilt worden sind; gemäss Botschaft allerdings nicht auf psychisch nicht gestörte Ersttäter. Der praktische Hintergrund dieses Vorschlags war, dass ohne diese neuen Bestimmungen mehrere verwahrte rückfallgefährdete Sexualstraftäter und Gewaltverbrecher mit dem Inkrafttreten des revidierten Gesetzes unverzüglich hätten frei gelassen werden müssen. Auf Antrag seiner Rechtskommission hiess der Ständerat die Vorschläge in der Dezembersession weitgehend in der Fassung des Bundesrates gut. Umstritten war die Möglichkeit der nachträglichen, also nach der Verkündung eines Gerichtsurteils verhängten Verwahrung. Nachdem Bundesrat Blocher versichert hatte, es gehe hier nur um diejenigen seltenen Fälle, bei denen bei einem Gewaltverbrecher erst während des Strafvollzugs eine schwere Anomalie entdeckt werde, die ihn zu einem Wiederholungstäter machen könnte, stimmte der Rat mit 21 zu 11 Stimmen auch diesem Passus zu.

Als Zweitrat befasste sich der Nationalrat mit den Korrekturen bestimmter Bestimmungen der Ende 2002 vom Parlament verabschiedeten, aber vom Bundesrat noch nicht in Kraft gesetzten umfassenden Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs. Bei der Verwahrung bekämpfte die Linke vergeblich die beiden beantragten Verschärfungen. Wie bereits in der kleinen Kammer stiessen sowohl die ausgeweitete Definition der Straftaten, bei welchen eine Verwahrung angeordnet werden kann (solche, die mit minimal fünf statt, wie ursprünglich beschlossen, zehn Jahren Gefängnis bestraft werden), als auch die Möglichkeit der nachträglichen, also nach der Verkündung eines Gerichtsurteils verhängten Verwahrung auf Zustimmung. Nachdem sich der Ständerat bei den wenigen noch verbliebenen Differenzen den Beschlüssen der grossen Kammer angeschlossen hatte, verabschiedete das Parlament die Zusätze in der Frühjahrssession. Der Bundesrat setzte die neuen Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs auf Anfang 2007 in Kraft.