UNO-Konvention über die Rechte der Kinder

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Im April kündigte der Bundesrat an, dass er die UNO-Konvention über die Rechte der Kinder unterzeichnen werde. Bestehenden Unstimmigkeiten zur schweizerischen Rechtsordnung — beispielsweise in Zusammenhang mit dem fehlenden Recht auf Familiennachzug für bestimmte Ausländerkategorien — möchte er mit einem Vorbehalt begegnen. Die Regierung bekräftigte damit ihre Stellungnahme zu einer Motion Longet (sp, GE), welche den Bundesrat aufforderte, den Räten die Ratifizierung der UNO-Konvention zu beantragen und gleichzeitig die nötigen Anpassungen des Landesrechts vorzulegen. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Bundesrat, dass er dieses Übereinkommen den Räten erst nach Vorliegen der Botschaften zu den internationalen Abkommen über die Menschenrechte und die Rassendiskriminierung unterbreiten werde. Da die Motion im Rat bekämpft wurde, musste die Diskussion verschoben werden.

In der Herbstsession zeigte sich der Nationalrat aber bereit, in dieser Frage eine härtere Gangart einzuschlagen. Gemäss dem Antrag der Petitions- und Gewährleistungskommission zeigte er zwar wenig Neigung, einer parlamentarischen Initiative Spielmann (pda, GE), welche eine vorbehaltlose Unterzeichnung der Konvention verlangt hatte, Folge zu geben, verabschiedete aber eine entsprechende Kommissionsmotion. Gleichzeitig überwies er eine analoge Petition der Schweizer Kirchen zur Kenntnisnahme an den Bundesrat.

Im Vorjahr hatte der Nationalrat den Bundesrat mit einer Motion verpflichten wollen, die notwendigen Gesetzesrevisionen für eine vorbehaltlose Ratifizierung der UNO-Konvention über die Rechte der Kinder vorzulegen. Dies hätte vor allem Anpassungen in der Ausländer- und Asylgesetzgebung zur Folge gehabt, da die Konvention den Grundsatz der Familienzusammenführung bekräftigt. Weil die zeitraubenden Gesetzgebungsarbeiten die Ratifikation unnötig verzögern würden, gab der Ständerat dem Antrag des Bundesrates statt und überwies die Motion lediglich als Postulat. Die kleine Kammer betonte dabei allerdings nachdrücklich, dass sie nun auch tatsächlich eine rasche Ratifikation bzw. in nächster Zeit die Botschaft des Bundesrates erwartet. Die Regierung kam dieser Aufforderung nach und gab Mitte September ihre diesbezüglichen Vorschläge in die Vernehmlassung.

Nach mehrheitlich positivem Echo in der Vernehmlassung beauftragte der Bundesrat das EDA mit der Ausarbeitung der Botschaft zur Ratifikation der Uno-Konvention über die Rechte des Kindes von 1989, welche bisher von 119 Staaten ratifiziert worden ist. Allerdings wurden in der Vernehmlassung zahlreiche Fragen aufgeworfen. Das EDA soll diese bei der Ausarbeitung der Botschaft klären. Wo sich Unvereinbarkeiten zeigen, will der Bundesrat dem Parlament allenfalls Vorbehalte oder Rechtsänderungen vorschlagen.
Ein zentrales Problem ist das in der Konvention verankerte Recht auf Familienzusammenführung, auf das ausländische Kurzaufenthalter, Saisonniers und vorläufig Aufgenommene nach Schweizer Recht keinen Anspruch haben. Die FDP und die CVP, die Konferenz der kantonalen Fürsorgedirektoren sowie die Kantone Zürich und Schwyz empfahlen einen entsprechenden Vorbehalt. Die CVP verlangte eine schrittweise Abschaffung des Saisonnierstatuts, damit der Vorbehalt zurückgezogen werden könnte. Die SP, der SGB, die Kantone Tessin, Waadt und Jura sowie fast alle interessierten Organisationen forderten dagegen die sofortige Anpassung der Schweizer Gesetzgebung.
Das Schweizer Recht genügt den Anforderungen der Kinderrechtskonvention nach Ansicht verschiedener Vernehmlasser auch in weiteren Punkten nicht. So ist beispielsweise im geltenden Scheidungsrecht die Anhörung der Kinder zur Zuteilung der elterlichen Gewalt nicht vorgesehen. Kritisiert wurde weiter ein ungenügendes Engagement der öffentlichen Hand bei der Schaffung von Kinderkrippen und Tagesschulen sowie das Fehlen einer Mutterschaftsversicherung.

Der Bundesrat leitete dem Parlament die Botschaft zur Ratifikation der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes zu. Da die schweizerische Gesetzgebung nicht in allen Punkten den UNO-Forderungen entspricht, soll die Konvention nach dem Willen der Landesregierung nur mit den entsprechenden Vorbehalten ratifiziert werden. So ist das Recht eines Kindes auf ein Zusammenleben mit seinen Eltern in der Schweiz wegen des Verbots des Familiennachzugs für Ausländer ohne dauernde Arbeitsbewilligung nicht verwirklicht. Vorbehalten bleibt im weiteren die schweizerische Bürgerrechtsordnung, die keinen Anspruch auf Erwerb der Staatsangehörigkeit einräumt. Auch die Trennung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen im Freiheitsentzug ist nicht ausnahmslos gewährleistet.

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates zog die für die Herbstsession bereits traktandierte Beratung über die Ratifizierung der UNO-Kinderkonvention kurzfristig zurück, da der Bundesrat erklärte, dass er sich weigern werde, eine von dieser Kommission eingereichte Motion entgegenzunehmen, welche ihn verpflichtet hätte, den Kindern aller ausländischer Arbeitnehmer möglichst rasch das Recht auf eine uneingeschränkte Familienzusammenführung zuzugestehen. Die Landesregierung begründete ihre ablehnende Haltung, welche einen Vorbehalt zur UNO-Konvention bedingt, mit der Absicht, vorgängig das gesamte Ausländerrecht neu zu regeln. Die Ständeratskommission wollte dagegen die Konvention ohne peinlichen Vorbehalt ratifizieren können. Um keine Stellvertreterdebatte über die anstehende Änderung der Ausländergesetzgebung zu führen und dem im Herbst neu gewählten Parlament die Möglichkeit zu geben, über diese grundsätzliche gesellschaftspolitische Frage zu bestimmen, beschloss die Kommission deshalb einstimmig, auf die Behandlung des von ihr bereits gutgeheissenen Geschäfts zurückzukommen und die Beratung im Plenum auszusetzen.

Wenn die Ratifizierung schon nicht abzuwenden war, so wollte Schmid, unterstützt von Reimann (svp, AG), Wicki (cvp, LU), Frick (cvp, SZ) und einigen weiteren Ratskollegen, die Konvention zumindest mit einem generellen Vorbehalt versehen. Danach sollte die Schweiz erklären, dass das Übereinkommen innerstaatlich keine direkte Anwendung findet. Aus den bereits in der Eintretensdebatte angeführten Gründen verneinte die Mehrheit des Rates die Notwendigkeit eines derartigen Vorgehens. Bundesrat Cotti und Kommissionssprecher Danioth (cvp, UR) machten auf die internationalen Implikationen eines generellen Vorbehalts aufmerksam. Insbesondere Cotti erklärte, der Aufschub der Ratifikation habe dem Ansehen der Schweiz im Ausland bereits erheblich geschadet. Auch in diesem Punkt konnte sich der Antrag Schmid - obgleich etwas weniger deutlich - mit 30 zu 9 Stimmen nicht durchsetzen.

Die Debatte in der kleinen Kammer hatte über weite Strecken wenig bis nichts mit dem Schutz der Kinder zu tun, wohl aber mit generellen juristischen Überlegungen. Schmid (cvp, AI) beantragte dem Rat, auf die Vorlage überhaupt nicht einzutreten. Er drückte sein Unbehagen über das zunehmende Einfliessen von direkt anwendbaren völkerrechtlichen Bestimmungen in die schweizerische Rechtsordnung aus. Zudem machten ihm einzelne Bestimmungen der Konvention Angst. Sie seien dazu angetan, die elterliche Gewalt auszuhöhlen und würden zu einer verstärkten Einmischung der Kinderschutzorganisationen und der Gerichte in innerfamiliäre Belange führen. Diesen Ausführungen hielt Beerli (fdp, BE) entgegen, die Schweiz verfüge schon heute über einen umfassenden Kinderschutz, weshalb der Beitritt zur Konvention keine Änderung des innerstaatlichen Rechts erfordere. Das Abkommen äussere sich nicht zu Erziehungsmitteln und -grundsätzen, und das Gleichgewicht zwischen Führungsanspruch der Eltern und Rechten der Kinder bleibe unangetastet. Der Nichteintretensantrag unterlag schliesslich mit 35 zu 4 Stimmen.

Ganz auszuräumen vermochten die Befürworter der Vorlage die Bedenken der konservativen Kreise des Rates dennoch nicht. In der Detailberatung nahm der Ständerat auf Antrag seiner Kommission einen weiteren punktuellen Vorbehalt an, wonach die Gesetzgebung über die elterliche Sorge Vorrang gegenüber der Konvention hat. Vergeblich plädierten die beiden Freisinnigen Forster (SG) und Leumann (LU) dafür, diesen Vorbehalt nicht einzufügen. Er erwecke erst den Eindruck, dass es zwischen dem schweizerischen Verständnis der elterlichen Gewalt und der Konvention einen Widerspruch gebe, was dem internationalen Image der Schweiz nur Schaden zufügen könne. Der Rat zog es aber mit 28 zu 9 Stimmen vor, "ein innenpolitisches Zeichen zu setzten". Die bereits vom Bundesrat vorgeschlagenen Vorbehalte waren unbestritten, weshalb die Vorlage schliesslich mit 37 zu 1 Stimmen angenommen wurde. Ein letzter Versuch, die Konvention vielleicht später doch noch zu kippen, nämlich ein Minderheitsantrag Reimann / Schmid auf Unterstellung unter das fakultative Staatsvertragsreferendum unterlag mit 34 zu 7 Stimmen .

Trotz der Zustimmung des Rates zu den Vorbehalten des Bundesrates beantragte eine Kommissionsminderheit - vor den Neuwahlen vom Herbst 1995 war es noch eine Mehrheit gewesen -, den Bundesrat zu verpflichten, Gesetzesänderungen vorzulegen, welche erlauben, den Vorbehalt zum Familiennachzug möglichst bald zurückzuziehen. Dazu müsste insbesondere das Saisonnier-Statut geändert werden. Die beiden Genfer Ständerätinnen Brunner (sp) und Saudan (fdp) wollten mit ihrer Motion deutlich machen, dass "bestehendes Unrecht" nicht unbeschränkt aufrechterhalten werden darf. Die EU-Verhandlungen abzuwarten sei unbefriedigend, da die bilateralen Vereinbarungen über den Personenverkehr für Kinder aus Nicht-EU-Ländern nichts änderten. Bundesrat und Kommissionsmehrheit räumten zwar ein, dass Änderungen nötig seien. Trotzdem sei ein verbindlicher Auftrag im jetzigen Zeitpunkt verfehlt. Das Plenum folgte ihnen und überwies den Vorstoss mit 24 zu 5 Stimmen als Postulat.

Die Rechtskommission des Nationalrates befürwortete mit 15 zu 3 Stimmen die Ratifikation des Übereinkommens und empfahl dabei mit 13 zu 6 Stimmen, den vom Ständerat eingefügten Vorbehalt in Sachen elterliche Sorge wieder zu streichen. Trotz dieser klaren Ausgangslage entbrannte in der grossen Kammer erneut eine heftige Diskussion. Eine Ratsminderheit, welcher praktisch die ganze SVP-Fraktion angehörte, sowie die FP, die LP und die SD plädierte erneut für Nichteintreten auf die Vorlage. Deren Vertreter malten das Schreckgespenst einer "Kinderdiktatur" an die Wand und argumentierten, das ganze Abkommen sei von einem rot-grünen Geist durchdrungen, der zwangsläufig zu einer "Verstaatlichung der Erziehung" führe. Ihr Nichteintretensantrag unterlag aber mit 126 gegen 50 Stimmen deutlich. In der Folge gaben noch die diversen Vorbehalte zu reden. Dabei wurde ein SP-Antrag zur vorbehaltlosen Ratifizierung ebenso abgelehnt wie jener einer Kommissionsminderheit aus der SVP-Fraktion, das in der Konvention aufgeführte Recht auf Bildung ebenfalls auszunehmen, weil der Souverän dieses Recht noch vor 23 Jahren ausdrücklich verneint habe. Der vom Ständerat eingefügte Vorbehalt wurde mit der Begründung gestrichen, er stelle eher eine auslegende Erklärung dar und sei aus rechtlichen Gründen nicht notwendig. Den vom Bundesrat formulierten Vorbehalten wurde, ebenfalls auf Antrag der Kommission, zugestimmt. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Konvention mit 116 zu 46 Stimmen an. Der Antrag auf die Unterstellung unter das fakultative Referendum wurde mit 105 zu 54 Stimmen abgelehnt.

Der Ständerat behandelte als Erstrat die Ratifikation der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes. Dieses Abkommen konkretisiert die beiden UNO-Menschenrechtspakte für die Lebensbereiche des Kindes, wobei grundsätzlich jeder Mensch bis zum 18. Altersjahr als Kind gilt. Die schweizerische Rechtsordnung genügt in weiten Teilen den Anforderungen des Übereinkommens. Wo das nicht der Fall ist (Recht auf Familiennachzug für die Kinder ausländischer Wanderarbeitnehmer, Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen im Strafverfahren und -vollzug, Bürgerrecht) hatte der Bundesrat bereits in seiner Botschaft punktuelle Vorbehalte beantragt.

Die kleine Kammer hielt jedoch an ihrem Vorbehalt bezüglich der elterlichen Sorge mit dem Argument fest, dass er rechtlich zwar nicht zwingend, der Interpretation aber doch dienlich sei. Schliesslich stimmte ihm der Nationalrat - wenn auch widerwillig - zu, um die Ratifizierung der Konvention nicht noch weiter zu verzögern.