Bei den Nationalratswahlen 2023 im Kanton Luzern kämpften fast 400 Kandidierende auf 48 Listen um die neun Luzerner Sitze in der Volkskammer – ein Rekord im Zentralschweizer Kanton. Dass die Luzerner Sitze so umkämpft waren wie noch nie, lag unter anderem an mehreren vakanten Sitzen. Denn im Vorfeld der Wahlen hatten gleich drei Luzerner Nationalrätinnen ihren Rücktritt verkündet: So trat die langjährige Mitte-Nationalrätin Ida Glanzmann, welche bereits seit fast 17 Jahren in Bundesbern politisiert hatte, nicht mehr zu den Wahlen an. Auch Yvette Estermann (svp) kündigte nach 16 Jahren ihren Abschied von der nationalen Politbühne an. Die dritte Abtretende im Bunde, Prisca Birrer-Heimo (sp), konnte immerhin auf 13 Jahre Bundesbern zurückschauen. Das Feld der potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger auf die drei freigewordenen Sitze in der Volkskammer fiel durch einen Frauenanteil von 35.1 Prozent (-7.8 Prozentpunkte) klar männerdominierter als bei den letzten Wahlen aus. Der Frauenanteil unterschied sich deutlich zwischen den Parteien: Während beispielsweise über die Hälfte der Kandidierenden der SP weiblich waren, machten Frauen nur knapp einen Viertel der SVP-Kandidierenden aus.
Für die Wahlen 2023 hatte sich die FDP den Rückgewinn des 2019 verlorenen zweiten Nationalratssitzes als primäres Ziel gesetzt, doch Umfrageergebnisse im Vorfeld der Wahlen prognostizierten einen leichten Verlust an Wählerinnen und Wähler verglichen mit den letzten Wahlen. Vor diesem Hintergrund gingen die Liberalen zum dritten Mal eine Listenverbindung mit der Mitte ein. Diese hatte als traditionell stärkste Kraft im Zentralschweizer Kanton den Erhalt ihrer drei Nationalratssitze im Auge. Dies zu verhindern beabsichtigte die SVP, welche als grosse Gewinnerin aus den Luzerner Kantonsratswahlen galt, und deshalb plante, ihren bei den vergangenen eidgenössischen Wahlen verlorenen dritten Sitz zurückzugewinnen und die Mitte als stärkste Partei im Kanton abzulösen, wobei dies unter Konsultation der Umfragen laut der Luzerner Zeitung wahrscheinlich erschien. Um dies tatsächlich zu erreichen, setzte die Volkspartei auf eine Listenverbindung mit der erstmals zu den Wahlen antretenden Bewegung «Mass-Voll». Letztere trat unter anderem mit dem ehemaligen Stadtluzerner FDP-Präsidenten Daniel Wettstein an. Man habe zwar in erster Linie eine Zusammenarbeit mit der FDP angestrebt, diese sei aber stattdessen ein Bündnis mit der Mitte eingegangen, erklärte die Luzerner SVP-Präsidentin Angela Lüthold gegenüber der Luzerner Zeitung.
Im links-grünen Lager machte sich die SP aufgrund guter Umfragewerte Hoffnungen auf einen zweiten Nationalratssitz, den die Partei 2019 knapp verpasst hatte. Weniger optimistisch zeigte sich dagegen die GLP: Co-Präsidentin Riccarda Schaller bezeichnete – unter anderem in Angesicht von kantonalen Vorwahlbefragungen – die Sitzverteidigung gegenüber der Luzerner Zeitung als «kein[en] Spaziergang». Obschon auch den Grünen gemäss Umfragen ein starker Einbruch der Wähleranteile drohte, machte sich Co-Präsident Hannes Koch kaum Sorgen um den Nationalratssitz von Michael Töngi: Da der Klimawandel, ein grosses Wahlkampfthema der Partei, weiterhin den ersten Rang des Sorgenbarometers belege, rechne man weiterhin mit einem Mandat in Bern, äusserte sich Koch gegenüber der Luzerner Zeitung. Wie bereits 2019, gingen die SP, die Grünen und die GLP eine Listenverbindung ein. Das Dreiergespann hatte sich bei den letzten Wahlen bereits bewährt und vor allem die GLP sah laut Luzerner Zeitung von einem Alleingang ab.
Am Wahlsonntag konnte die SP ihren Erwartungen gerecht werden: Sie gewann wie erhofft ihren zweiten Nationalratssitz auf Kosten der GLP, obschon im Vergleich zu den letzten Wahlen kaum Wählerinnen- und Wähleranteile dazugewonnen werden konnten (13.6 Prozent; +0.1 Prozentpunkte). Roland Fischer (glp), einziger Luzerner GLP-Nationalrat, musste sich ein zweites Mal aus Bundesbern verabschieden, nachdem er bereits 2015 die Wiederwahl als Nationalrat nicht geschafft hatte, wobei er 2019 ein zweites Mal in den Nationalrat gewählt wurde. Lange Zeit habe es so ausgesehen, als ob die SVP einen Sitzgewinn verzeichnen könne, erklärte die Luzerner Zeitung, hatte die Volkspartei doch fast doppelt so viele Parteistimmen geholt wie die SP. Schliesslich gewann jedoch Hasan Candan (sp) aufgrund zahlreicher Stimmen aus dem Hauptort Luzern sowie dank den Listenverbindungen mit den Grünen und der GLP den Sitz der Grünliberalen. Keine Überraschungen gab es bei den übrigen Sitzen: Sämtliche Bisherige wurden wiedergewählt und David Roth (sp), Pius Kaufmann (mitte) und Vroni Thalmann-Bieri (svp) wurden ihren Favoritenrollen auf die freigewordenen Sitze ihrer Parteien gerecht und komplettierten also das Quartett der frisch gewählten Luzerner Volksvertreterinnen und Volksvertreter.
Die SVP konnte zwar bezüglich Wähleranteilen zulegen (25.8 Prozent; +1 Prozentpunkt), wurde aber trotzdem durch die Mitte (27.9 Prozent; +2.4 Prozentpunkte) ausgestochen, welche ihren Status als stärkste Kraft im Kanton unter Beweis stellte und im Besitz ihrer drei Nationalratssitze bleiben konnte. Die FDP konnte den 2019 verlorenen Nationalratssitz nicht zurückholen und verzeichnete eine leichte Einbusse bei den Wählerinnen- und Wähleranteilen (15.4 Prozent; -0.2 Prozentpunkte). Als grosse Verliererin entpuppte sich die Grüne Partei, welche noch grössere Verluste bei den Wählerinnen- und Wähleranteilen einfuhr (8.1 Prozent; -4.1 Prozentpunkte) als die GLP (6.5 Prozent; -0.6 Prozentpunkte). Da aber Michael Töngi seinen Nationalratssitz verteidigen konnte, zeigte sich Co-Präsident Koch gegenüber der Luzerner Zeitung zufrieden über den Wahlausgang. Die Luzerner Wahlbeteiligung fiel 2023 mit 50.3 Prozent leicht höher aus als 2019 (+1.9 Prozentpunkte).
Im Anschluss an die Wahlen kritisierten laut der Luzerner Zeitung Wählerinnen und Wähler unter anderem die Listenflut, wobei die Mitte und die FDP mit je zehn Unterlisten herausstachen. In diesem Zusammenhang lancierte GLP-Kantonsrat Mario Cozzio gleich drei Vorstösse, um die Anzahl Wahllisten pro Partei zu beschränken. Die Luzerner SVP-Fraktion setzte sich dafür ein, Listenverbindungen künftig gänzlich zu unterbinden. Rückerhalt erhielt er von Mitte-Präsident Christian Ineichen, welcher sich gegen Unterlisten aussprach und – trotz der erfolgreichen Listenverbindung der Mitte und FDP – Listenverbindungen kritisch beurteilte.