Die Nationalratswahlen 2023 in Basel-Stadt versprachen spannend zu werden, zumal dem Basler Stadtkanton für die kommende Legislaturperiode aufgrund der Bevölkerungsverteilung nur noch vier der bisher fünf Nationalratssitze zustanden. Für diese bewarben sich insgesamt 122 Kandidierende – leicht weniger als noch 2019 (133 Kandidierende). Der Frauenanteil lag wie 2019 bei 45.9 Prozent (56 Frauen und 66 Männer). Da alle fünf Bisherigen eine weitere Legislatur anstrebten, diskutierten die Medien im Vorfeld darüber, wer wohl seinen oder ihren Platz werde räumen müssen und wie die vier Sitze zwischen dem linken und dem bürgerlichen Lager aufgeteilt würden.
Im linken Lager gingen die SP und das Grüne Alternative Bündnis (GAB), bestehend aus Basta, Grünen und Jungem Grünen Bündnis Nordwest, eine Listenverbindung ein. Nicht dabei war die PdA, welche in Basel nach 20 Jahren erstmals wieder zu den Nationalratswahlen antrat. Aufgrund ihrer Haltung gegenüber dem Ukrainekrieg lehnten die SP und das GAB eine Listenverbindung mit der PdA ab. Derweil spekulierten die Medien, dass die SP als mit Abstand stärkste Kraft im Basler Stadtkanton ihre beiden Sitze wohl nicht werde halten können, da ihr mit Eva Herzog (sp, BS), die erneut für den Ständerat kandidierte, und Beat Jans, der in den Bundesrat gewählt worden war, zwei wichtige «Zugpferde» fehlten. Gute Chancen schrieben sie Mustafa Atici (sp, BS) zu, der 2019 für Eva Herzog in den Nationalrat nachgerückt war. Die Medien spekulierten, dass ihm seine Kandidatur für das SP-Bundesratsticket, welche er zugunsten von Beat Jans zurückgezogen hatte, bei der Wiederwahl helfen könnte. Geringer erschienen die Chancen von Sarah Wyss (sp, BS), die 2020 für Beat Jans nachgerückt war – aber auch von Sibel Arslan (basta, BS) für das GAB. Einerseits sei Arslan eine im ganzen Land bekannte Politikerin, was ihre Wiederwahlchancen gemäss den Balser Zeitungen erhöhte, andererseits war unklar, wie stark die erwarteten Verluste der Grünen ausfallen würden und ob diese sie einen Sitz kosten würden.
Auf der bürgerlichen Seite gingen LDP, FDP, GLP und Mitte eine grosse Listenverbindung ohne die SVP ein. Die Mitte und die GLP hatten sich früh gegen eine Zusammenarbeit mit der SVP ausgesprochen, während die FDP einige Zeit darüber diskutierte, sich aber letztlich von einer Zusammenarbeit mit den anderen Parteien eine grössere Chance erhoffte, die zwei bürgerlichen Sitze zu verteidigen. Medial diskutiert wurde unter anderem, ob es der LDP als stärkste bürgerliche Kraft gelingen werde, neben der als gesetzt angesehenen LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein (ldp, BS) diesen zweiten Sitz zu ergattern. Dafür müsste die LDP jedoch doppelt so stark abschneiden wie die restlichen bürgerlichen Parteien. Als schwierig werde sich die Verteidigung des GLP-Sitzes von Katja Christ (glp, BS) herausstellen, prognostizierten die Medien, da sie diesen 2019 trotz einem relativ tiefen Wähleranteil von 5.7 Prozent nur dank einer umstrittenen – und in der Zwischenzeit verbotenen – Unterlistenverbindung mit der BDP und der EVP gewonnen hatte. In der Folge gab die GLP bekannt, 2023 mit insgesamt neun Wahllisten anzutreten. Nach einigen hitzigen Diskussionen im bürgerlichen Lager reduzierte die GLP ihre Listenzahl auf sieben. Die SVP zog im Kanton Basel-Stadt ohne Verbündete in den Wahlkampf. Da die Partei im Stadtkanton traditionell über keine hohe Zustimmung verfügt, wurde ein Sitzgewinn als eher unwahrscheinlich erachtet. Schliesslich trat auch die aus der Bewegung der Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegner hervorgegangene Partei Mass-voll im Kanton Basel-Stadt mit einer eigenen Liste zu den Nationalratswahlen an.
Am Wahlsonntag zeichnete sich bald ab, dass der Basler Stadtkanton eine reine Frauendelegation nach Bern entsenden würde. Bei den Bürgerlichen verteidigte zwar LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein ihren Sitz mit 9'792 Stimmen, ansonsten musste die LDP jedoch eine Wahlschlappe hinnehmen: Die bisher stärkste bürgerliche Partei verlor 5 Prozentpunkte (neu: 10.3%). Die GLP konnte den zweiten bürgerlichen Sitz von Katja Christ verteidigen (6'655 Stimmen) und legte im Vergleich zu 2019 nochmals um 3.4 Prozentpunkte zu (neu: 9.1%). Im linken Lager gelang es Sibel Arslan ihren Sitz mit 14'239 Stimmen erneut zu sichern, obwohl das GAB leicht an Wähleranteilen verlor (-0.6 Prozentpunkte, neu: 17.1%). Das beste Ergebnis erreichte hingegen überraschend Sarah Wyss mit 22'032 Stimmen, die damit besser abschnitt als Mustafa Atici (20'138 Stimmen), für den trotz seines guten Resultats kein Sitz mehr übrigblieb. Die SP blieb zwar mit 31.8 Prozent (-0.9 Prozentpunkte) mit Abstand die stärkste Partei in Basel-Stadt, verlor jedoch ihren zweiten Sitz. Die Medien erklärten sich die verpasste Wiederwahl von Atici damit, dass wohl viele Wählende in der Hoffnung auf drei linke Nationalratssitze Arslan auf die SP-Liste panaschiert hätten. Ein Drittel ihrer Stimmen kam denn auch von SP-Wählenden. Keine Sitze holten sich die FDP (+0.9 Prozentpunkte, neu: 6.9%), die Mitte (neu: 5.8%. 2019: CVP: 4.5%; BDP: 0.4%) und die SVP. Letztere stieg mit 13.6 Prozent Wähleranteil (+1.2 Prozentpunkte) wieder zur stärksten bürgerlichen Partei im Kanton auf.
Die Wahlbeteiligung lag mit 49.7 Prozent um 3 Prozentpunkte höher als im nationalen Durchschnitt (46.7%) und auch höher als 2019 (47.7%).