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Jahresrückblick 2024: Föderativer Aufbau

Autorinnen: Marlène Gerber und Marie Del Priore

Wichtige im Jahr 2024 geführte Diskussionen rund um den Föderalismus standen in Zusammenhang mit den angespannten Bundesfinanzen. Einer Kürzung des Kantonsanteils an den direkten Bundessteuern, die der Bundesrat ursprünglich in seinem Entwurf über erste Massnahmen zur finanziellen und administrativen Entlastung ab 2025 vorgesehen hatte, standen die Kantone klar ablehnend gegenüber, worauf der Bundesrat nach der Vernehmlassung auf diese Massnahme verzichtete. Im Gegenzug wollte er jedoch ebenfalls darauf verzichten, sich an den ausserfamiliären Betreuungskosten von Eltern zu beteiligen, da er eine solche Unterstützung als Aufgabe der Kantone verstand. Auch die im September vom Bund präsentierten umfassenden Massnahmen zur Entlastung des Bundeshaushaltes dürften die Kantone wohl noch zu spüren bekommen. Dies unter anderem aufgrund eines Berichts, der dem Bund empfahl, auf die Übernahme von Kantonsaufgaben zu verzichten. Die Kantone werden sich im Rahmen der für 2025 in Aussicht gestellten Vernehmlassung zu den Massnahmen äussern können. Im Zusammenhang mit den geplanten Sparmassnahmen nahmen Bund und Kantone auch die Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung 2027 wieder in Angriff.

Die Jurafrage sorgte 2024 ab und zu für Ausschläge in der medialen Berichterstattung zum Themenbereich «Föderativer Aufbau» (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse). Im September sprachen sich die Stimmberechtigten der Kantone Bern und Jura jeweils deutlich für das Moutier-Konkordat aus, welches die zentralen Punkte zum Kantonswechsel der Gemeinde Moutier in den Jura regelt. Im November nahmen die Stimmberechtigten des Kantons Jura zudem deutlich eine Verfassungsänderung an, mit welcher der neue Bezirk Moutier geschaffen wird. Noch ausstehend ist die Gewährung der Änderung der Kantonsverfassung durch den Bund. Der Wechsel der Gemeinde Moutier zum Kanton Jura ist per 1. Januar 2026 vorgesehen.

National- und Ständerat gewährleisteten die meisten im Jahr 2024 diskutierten Änderungen der Kantonsverfassungen ohne grosse Diskussionen. Vorläufig nicht gewährleistet wurde jedoch eine Verfassungsänderung aus Genf, die den Kanton zur Einführung eines 24-wöchigen Elternurlaubs ermächtigen würde. Das Parlament sistierte die Gewährleistung dieser Änderung, um die Entwicklungen auf Bundesebene abzuwarten: Ende des Vorjahres hatte der Bundesrat eine Änderung der Erwerbsersatzordnung in die Vernehmlassung gegeben, mit der den Kantonen auch die entsprechende Kompetenz eingeräumt würde, weitergehende Lösungen als der Bund zu beschliessen. Die Ergebnisse der Vernehmlassung lagen bis Jahresende noch nicht vor.

Was innerkantonale Gemeindefusionen anbelangt, gingen die Printmedien unter anderem der Frage nach, ob die Kantone Gemeindefusionen durch finanzielle Unterstützung aktiv fördern sollen. Während der Berner Grossrat im Berichtsjahr ein entsprechendes totalrevidiertes Gemeindefusionsgesetz verabschiedete, kam diese Möglichkeit im Baselbieter Landrat im Rahmen der Beratung eines Vorstosses zur Sprache. Die geplante Grossfusion um Gruyère (FR) beanspruchte 2024 von allen konkreten Fusionsprojekten in den Zeitungen am meisten Druckerschwärze. Die Planung dieses Projektes, das 25 Gemeinden umfasst hätte, wurde im Juni nach Konsultativabstimmungen in den Gemeinden jedoch bereits in einem frühen Stadium beendet.

Insgesamt fanden die Föderalismus-Diskussionen auch im Jahr 2024 überwiegend ausserhalb der Bundeshausmauern statt. Dennoch befasste sich das Parlament auch mit politischen Geschäften in diesem Themengebiet, wenn auch ohne konkrete Wirkung. So scheiterte eine parlamentarische Initiative mit der Forderung nach einem öffentlichen Register für die Interessenvertretung der Kantone mit Zugangsberechtigung zum Bundeshaus im Vorprüfungsverfahren. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Postulat, das die Prüfung des vollen Ständerechts für beide Basel gefordert hätte. Zu guter Letzt blieb auch eine Motion mit der Forderung nach einer stärkeren Beteiligung ressourcenstarker Kantone am Finanz- und Lastenausgleich ergebnislos.

Jahresrückblick 2024: Föderativer Aufbau
Dossier: Rétrospective annuelle 2024

Mitte Dezember 2024 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur AVEG-Revision, durch welche einem GAV unterstellte Arbeitnehmende und Arbeitgebende künftig die Beiträge an die Vollzugskosten des GAV in den Jahresrechnungen der paritätischen Kommissionen einsehen können. Die Vorlage entsprang einer überwiesenen Motion der WAK-NR, welche unter anderem verlangte, dass die paritätischen Kommissionen ihre Jahresberichte publizieren. Bei der Umsetzung der Motion entschied sich der Bundesrat für ein Einsichtsrecht der Betroffenen anstelle der geforderten Veröffentlichung der Jahresberichte, da Letztere die Wirtschaftsfreiheit der paritätischen Kommissionen und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzen könnte.

Die Vernehmlassung hatte von Ende Januar bis Anfang Mai 2024 gedauert und war gemeinsam mit einer anderen AVEG-Revision zur Umsetzung einer überwiesenen Motion Ettlin (mitte, OW; Mo. 20.4738) durchgeführt worden. Auf den Entwurf zur Umsetzung der Kommissionsmotion hatten sich 58 Stellungnahmen bezogen. Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden – darunter 18 Kantone, die Grünen, die SP und der Grossteil der Dachverbände der Wirtschaft – hatte die Vorlage unterstützt, da sie dem «legitime[n] Bedürfnis der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden zu erfahren, wie ihre Beiträge verwendet werden», nachkomme, ohne zu stark in die Tätigkeit der paritätischen Kommissionen einzugreifen. Der Kanton Genf hatte die Vorlage abgelehnt, da Betroffene bereits nach geltendem Recht Einsicht nehmen könnten. Der Kanton Luzern hatte sich ablehnend zur Revision geäussert, da er einen «administrative[n] Mehraufwand» befürchtete. Die SVP hatte zwar die Stossrichtung der Revision begrüsst, sah jedoch «über die Vorlage hinaus weitere[n] Handlungsbedarf» und forderte analog zur Motion die Offenlegung der Jahresrechnung. Zehn Vernehmlassungsteilnehmende hatten schliesslich den Umstand kritisiert, dass die beiden Motionen, obschon sie im Parlament unabhängig voneinander überwiesen worden waren, nun gemeinsam beraten würden, und forderten deren Trennung. Diesem Anliegen war der Bundesrat im Anschluss an die Vernehmlassung nachgekommen.

Loi fédérale sur l'extension du champ d'application des conventions collectives de travail. Consultation des comptes annuels des organes responsables de l'exécution conjointe. Modification (MCF 24.097)

Nach Nemos Sieg für die Schweiz am Eurovision Song Contest 2024 in Malmö (Schweden), soll 2025 der Kanton Basel-Stadt den ESC ausrichten. Basel-Stadt konnte sich nach einem Bewerbungsverfahren mit dem Motto «Crossing Borders» überraschend gegen den Favoriten Genf, sowie gegen Zürich und Bern durchsetzen, wie die Medien berichteten. Der Basler Regierungsrat Conradin Cramer (BS, ldp) versprach gegenüber den Basler Zeitungen einen Event «Für Alle» zu organisieren und sah ein umfangreiches Rahmenprogramm vor: nebst der Hauptübertragung in der St. Jakobshalle, welche 9'000 Personen fassen kann, werde es im Stadion des FC Basels eine Live-Übertragung für 20'000 Personen geben und unter anderem sollen an der «Eurovision Street» zahlreiche Konzerte von lokalen Acts stattfinden. Wie die Medien berichteten, versprach sich der Kanton vom ESC dank dessen Bekanntheit eine grosse Wertschöpfung für Basel und die Region.

Für Kritik sorgte derweil die Finanzierung des Events. Der Event selbst wird jeweils vom Sender des Gastlandes, in der Schweiz also von der SRG und der European Broadcast Union (EBU) gemeinsam organisiert und finanziert. Für die SRG rechnete man mit geschätzten Kosten im Umfang von CHF 10 bis 20 Mio., wie der Tagesanzeiger berichtete. Die Medien nahmen an, dass diese grossen Ausgaben einen negativen Einfluss auf den Abstimmungskampf der SRG gegen die Halbierungsinitiative haben könnte.
Auch im Kanton Basel-Stadt selber sorgten die Finanzen für Diskussionen. Für die Infrastruktur, Sicherheit und das als «üppig» bezeichnete Rahmenprogramm sprach der Grosse Rat ein ESC-Budget von CHF 38.5 Mio. Dagegen ergriff die EDU erfolgreich das Referendum. Da die EDU in Basel-Stadt sehr schlecht vertreten sei und keine Unterstützung von anderen Parteien erhalten habe, hätten EDU-Parteisektionen anderer Kantone bei der Unterschriftensammlung ausgeholfen, wie die Medien berichteten. Auf der einen Seite kritisierte die EDU die Höhe der Ausgaben, welche an anderen Orten besser eingesetzt werden könnten. Auf der anderen Seite störte sich die christlich-konservative Partei an Auftritten vom ESC 2024, welche Themen wie Homosexualität oder Non-Binarität behandelten oder im Falle Irlands «okkulte bis satanistische Praktiken» zeigten. Diese würden die «göttliche Ordnung» zerstören, wie die EDU der Basler Zeitung zu Protokoll gab.

Auch der Sieger-Song von Nemo hatte das Thema Non-Binarität zum Thema, womit Nemo gemäss NZZ die Debatte über ein drittes Geschlecht in der Schweiz wieder auf das politische Tapet bringen konnte. Nicht zuletzt wurde der Anlass von der EDU, aber auch in den Medien als «woke und antisemitisch» (NZZ) bezeichnet. Tatsächlich war es beim ESC 2024 in Malmö zu Demonstrationen gegen die Teilnahme Israels und zu antisemitischen Vorfällen gekommen. Israel sollte wie Russland nach dessen Angriffskrieg in der Ukraine aus dem Wettbewerb ausgeschlossen werden, so die Forderungen gemäss Tagesanzeiger. Aufgrund der schwierigen geopolitischen Lage, den Demonstrationen und einer gleichzeitigen Erhöhung der Terrorwarnstufe in Schweden hatten die Organisatorinnen und Organisatoren 2024 unter anderem Scharfschützen um den Austragungsort positionieren lassen müssen. Gemäss den Basler Zeitungen werde sich zeigen, inwiefern solche strengen Sicherheitsmassnahmen auch in Basel nötig sein werden.

Letztendlich sprach sich am 24. November 2024 die baselstädtische Stimmbevölkerung mit 66.5 Prozent deutlich für den ESC-Kredit aus, womit der erste demokratisch legitimierte ESC im Mai 2025 in Basel inklusive Rahmenprogramm definitiv stattfinden dürfte.

Eurovision Songcontest 2024

Mitte Oktober 2024 veröffentlichte die WBK-SR den Ergebnisbericht zur Vernehmlassung zum von ihr erarbeiteten Alternativmodell zur Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Im Unterschied zum ersten, von der WBK-NR in Erfüllung einer eigenen parlamentarischen Initiative ausgearbeiteten Entwurf, der vom Bund eine Kostenbeteiligung an den familienexternen Kinderbetreuungskosten der Eltern forderte, sah das Alternativmodell die Einführung einer Betreuungszulage im Rahmen des Familienzulagengesetzes vor. Die Betreuungszulage würde somit über Beiträge der Arbeitgebenden und allenfalls auch der Arbeitnehmenden finanziert. Mit Ausnahme der Förderbeiträge für die Programmvereinbarungen wären die Ausgaben für den Bund somit haushaltsneutral. Im Unterschied zum Entwurf der WBK-NR verzichtete die WBK-SR in ihrem Entwurf zudem darauf, Massnahmen zur Verbesserung der Qualität der externen Kinderbetreuung in die Programmvereinbarungen aufzunehmen, da solche Massnahmen vorderhand in die Kompetenz der Kantone und Gemeinden fielen.
In der Vernehmlassung zum Alternativmodell äusserten sich neben 25 Kantonen und elf Parteien auch 20 Wirtschaftsverbände, über 50 Organisationen im Bereich der Kinderbetreuung und weitere interessierte Kreise, darunter insbesondere Frauen-, Kinder- und Familienorganisationen sowie Organisationen für Menschen mit Behinderungen. Der Ergebnisbericht zeigte ein deutlich gemischteres Bild der Reaktionen im Vergleich zum ersten, von der WBK-NR erarbeiteten Vernehmlassungsentwurf, welcher auf überwiegende Zustimmung gestossen war.

Von den Parteien stellten sich die EVP, die GLP sowie die Mitte (inklusive Mitte Frauen und Junge Mitte) im Grunde hinter den Entwurf, lehnten teilweise aber die vorgeschlagene Finanzierung ab. Die FDP und die SVP lehnten die Erarbeitung einer Vorlage zur Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung im Grundsatz ab – so auch den neuen Entwurf – während sich die FDP-Frauen, die Grünen, die SP und die SP Frauen explizit gegen das nun präsentierte Modell stellten, dem ursprünglichen Modell jedoch positiv gegenüberstanden. Trotz ihrer Unterstützung der Vorlage forderten die GLP und die Mitte Frauen ebenfalls eine Rückkehr zu einer Finanzierung durch den Bund. Während die GLP eine reine Bundesfinanzierung bevorzugte, sprach sich die Mitte für eine gemischte Finanzierung durch Arbeitnehmende, Arbeitgebende und die Kantone aus, während sich die SP und die SP Frauen gegenüber einer paritätischen Finanzierung durch Arbeitgebende und den Bund offen zeigten. Nicht zuletzt forderten die Grünen, die SP (inklusive Frauen) sowie die Mitte Frauen, den Geltungsbereich nicht auf Kinder bis zum Ende des 7. Lebensjahres zu beschränken, sondern bis zur Vollendung des 12. Jahres auszudehnen, da auch im Primarschulalter noch Betreuungsbedarf für die Kinder bestehe. Diese Forderung wurde auch von einem Grossteil der Interessenorganisationen eingebracht. Die Beschränkung der Betreuungszulage auf die institutionelle Betreuung hingegen wurde abgesehen von der SVP von den Parteien entweder nicht kommentiert oder gar explizit begrüsst.

Von den 25 Kantonen stellten sich deren 12 im Grunde hinter den von der zuständigen Kommission der Kantonskammer ausgearbeiteten Entwurf. Der Kanton Appenzell Ausserrhoden stand der Vorlage als dreizehnter Kanton zwar ebenfalls positiv gegenüber, betonte jedoch, dass demjenigen Modell Vorrang gegeben werden sollte, das politisch mehrheitsfähiger sei und dem Sinne der zugrunde liegenden parlamentarischen Initiative besser entspreche. Die verbleibenden 12 stellungnehmenden Kantone stellten sich gegen den neuen Entwurf, teilweise da sie das erste Modell bevorzugten. Das Modell mit Bundesbeteiligung hatten in der ersten Vernehmlassung zum Geschäft 23 von 26 stellungnehmende Kantonen unterstützt. Auch unter denjenigen Kantonen, die sich explizit zur Finanzierungsfrage äusserten, stellte sich lediglich eine Minderheit hinter die vorgeschlagene Finanzierung über die Arbeitgebendenbeiträge (BS, GL, NW, SH und ZH). Weitere sieben Kantone präferierten eine Mischfinanzierung durch zusätzliche Bundesbeteiligung und forderten in einzelnen Fällen auch dazu auf, die Arbeitnehmenden in die Pflicht zu nehmen. Sechs weitere Kantone sahen ausschliesslich den Bund in der Finanzierungspflicht (AG, GE, NE, SO, TI und VD). Mehrheitlich positiv äusserten sich die Kantone hingegen zur Möglichkeit, die Betreuungszulage über die Familienausgleichskassen zu entrichten; der mutmassliche administrative Aufwand wurde als vertretbar eingeschätzt.

Unter den Wirtschaftsverbänden fand sich kaum Unterstützung für das vorgelegte Alternativmodell, das in erster Linie durch deren Mitglieder finanziert würde. Eine solche Finanzierung wurde von Arbeitgebendenverbänden klar abgelehnt, so auch vom Schweizerischen Arbeitgeberverband, der die Vorlage ansonsten im Grunde unterstützte. Zehn Wirtschaftsverbände, darunter economiesuisse, lehnten die Vorlage grundsätzlich ab. Nicht zuletzt brachten einige dieser Akteure vor, dass sie die Kantone und Gemeinden in der Finanzierungspflicht sehen. Acht weitere Verbände, unter anderem der SGV, SGB, Travail.Suisse und Gastro.Suisse, betonten, dass sie einem anderen Modell als dem nun vorgelegten zustimmen würden, wobei sie sich teilweise auf die nationalrätliche Vorlage bezogen.

Obwohl auch die Mehrheit der Organisationen und interessierten Kreise die Vorlage grundsätzlich unterstützte, zeigten sich nur wenige mit der vorgeschlagenen Finanzierung einverstanden. Während sich etwa Alliance Enfance, Kinderschutz Schweiz und Pro Juventute für eine alleinige Finanzierung durch den Bund aussprachen, befürworteten unter anderem kibesuisse und verschiedene eidgenössische Kommissionen (EKFF, EKF, EKKJ) eine geteilte Finanzierung zwischen Arbeitgebenden und Bund. Die EKFF stellte sich zudem explizit gegen eine Mitfinanzierung durch die Arbeitnehmenden. Auch erachteten viele Interessenorganisationen, aber auch die SP, die Mitte Frauen und der SGB, die vorgeschlagene Höhe der Zulage als zu tief – der Entwurf der WBK-SR sah einen Mindestbetrag der monatlichen Zulage von CHF 100 pro Kind und Betreuungstag vor. Zudem forderten weitgehend dieselben Kreise eine starke Erhöhung der Betreuungszulage für Kinder mit Behinderungen, wobei nicht selten auch eine einkommensabhängige und an den tatsächlichen Betreuungskosten orientierte finanzielle Unterstützung gefordert wurde.

Die Interessenorganisationen begrüssten ebenso wie die Mehrheit der restlichen Vernehmlassungsteilnehmenden die drei mit Programmvereinbarungen unterstützten Förderbereiche, wovon diejenigen zur frühen Förderung von Kindern und zur Schaffung zusätzlicher institutioneller Betreuungsplätze bereits bestehen und derjenige zur Schaffung von Plätzen für Kinder mit Behinderungen neu eingeführt werden soll. Darüber hinaus forderten sie, ebenso wie elf Kantone und verschiedene Parteien (Grüne, SP, EVP, Mitte Frauen), die Wiederaufnahme des Förderbereichs Qualität. Dabei vertraten die Interessenorganisationen die Position, dass nur qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote in Anspruch genommen würden und sich somit nur diese positiv auf die Erwerbstätigkeit von Eltern auswirken können. Nicht zuletzt forderte die Mehrheit der Organisationen und interessierten Kreise zusätzliche Mittel für die Programmvereinbarungen, wobei sie Sukkurs erhielten von der SP, den Mitte Frauen, den Grünen, dem SGB und einigen Kantonen (AR, BL, BS, FR, OW, SO, TI, VD).

Nach Vorliegen der Vernehmlassungsergebnisse machte sich die WBK-SR daran, ihren Entwurf zu finalisieren, um ihn daraufhin ihrem Rat zur Beratung vorzulegen.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)
Dossier: Aides financières à l'accueil extra-familial pour enfants

Im Oktober 2024 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Umsetzung und Finanzierung der Initiative für eine 13. AHV-Rente. Die Volksinitiative war im März 2024 von Volk und Ständen angenommen worden, wobei der Initiativtext keine konkreten Angaben zur Kostendeckung der Zusatzrente enthielt. Der Bundesrat schrieb in seiner Botschaft, «dass die 13. Altersrente nicht über längere Zeit durch die bisherigen Mittel der AHV finanziert werden kann», weswegen er vier Finanzierungsvorschläge ausgearbeitet und in die Vernehmlassung geschickt habe. Alle Varianten sahen eine Erhöhung der Beitragssätze vor, die teilweise mit einer zusätzlichen Erhöhung der Mehrwertsteuer kombiniert würden. Zudem soll der Bundesbeitrag an die AHV reduziert werden, damit die Bundesfinanzen durch die Finanzierung nicht noch mehr in Schieflage gerieten. Dieser Ausfall des Bundesbeitrags werde je nach Variante unterschiedlich über die Lohnbeiträge, die Mehrwertsteuer oder das AHV-Vermögen kompensiert. Weiter soll die 13. AHV-Rente – analog zur Forderung der überwiesenen Motion Stark (svp, TG; Mo. 24.3221) – erstmals im Dezember 2026 und anschliessend jährlich in toto ausbezahlt und bei der Berechnung der EL nicht berücksichtigt werden.

Die Vernehmlassung fand von Ende Mai 2024 bis Anfang Juli 2024 statt, wobei insgesamt 100 Stellungnahmen (26 Kantone, 7 Parteien, 67 Organisationen und Weitere) eingereicht wurden. Die Vernehmlassungsteilnehmenden waren damit einverstanden, dass die 13. AHV-Rente bei der Berechnung der EL unberücksichtigt bleiben soll. Den angedachten Fahrplan, wonach die 13. AHV-Rente fristgerecht im Jahr 2026 zum ersten Mal ausbezahlt werden soll, beurteilten sechzehn Kantonen (AR, BL, FR, GE, GL, GR, LU, NW, OW, SH, SO, SZ, TI, VS, ZG, ZH) «als äusserst knapp». Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden sprach sich für eine jährliche Auszahlung aus; drei Kantone (FR, SG, SZ), die SP60+, der SGV sowie sieben weitere Organisationen und Interessierte befürworteten jedoch eine monatliche Auszahlung, da diese administrativ einfacher zu handhaben sei oder «weil Rentnerinnen und Rentner mit finanziellen Schwierigkeiten dadurch stärker entlastet würden», so beispielsweise die Stellungnahme des Kantons St. Gallen. Für viel Diskussionsstoff sorgten die verschiedenen Finanzierungsvarianten, denn obschon «[d]er Bedarf an zusätzlichen Einnahmen zur Finanzierung der 13. Altersrente [ ... ] grundsätzlich anerkannt» wurde, gingen hier die Meinungen teils weit auseinander. Während die Mitte und die SP betonten, dass möglichst schnell eine Finanzierungsmöglichkeit für die 13. AHV-Rente gefunden werden müsse, verlangten FDP, GLP und SVP sowie zwei Dachverbände der Wirtschaft (SGV und KFMV), dass die Finanzierung «im Rahmen der nächsten AHV-Reform» erfolgen müsse. Aus diesem Grund forderten einige Vernehmlassungsteilnehmende – darunter zwei Kantone (TG, OW), die FDP und einige Verbände – die vorliegende Finanzierungsvorlage vollständig abzulehnen und einen gänzlich neuen Weg einzuschlagen. Viel Kritik erntete in der Vernehmlassung die Senkung des Bundesbeitrags an die AHV: Die Kosten würden so zu stark auf die Bevölkerung abgewälzt und der Bund entziehe sich seiner Verantwortung. Die Vernehmlassungsteilnehmenden, bei denen der Vorschlag auf offene Ohren stiess, begründeten ihre Unterstützung mit dem wachsenden Defizit der Bundesfinanzen. Die Finanzierung über eine reine Erhöhung der Lohnbeiträge fand einzig im linken Lager Anklang, wurde aber von sämtlichen Kantonen und von der Grossmehrheit der weiteren Vernehmlassungsteilnehmenden abgelehnt, «weil dabei ausschliesslich die erwerbstätige Bevölkerung zur Kasse gebeten» würde. Die Finanzierungsvariante, welche eine Erhöhung der AHV-Beitragssätze und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorsah, erhielt hingegen viel Zuspruch: Dabei würde die 13. AHV-Rente generationenübergreifend finanziert und die Arbeitnehmenden nicht überproportional finanziell belastet. Ein Grossteil der teilnehmenden Wirtschaftsverbände zeigte sich mit allen vorgeschlagenen Finanzierungsvarianten unzufrieden und forderte «eine ausschliessliche Erhöhung der Mehrwertsteuer». Dies schone die Wirtschaft und verteile die Kosten auf die gesamte Gesellschaft. Einige Parteien wollten bei der Finanzierung alternative Wege gehen. So machten sich beispielsweise die Mitte, die EVP und die Grünen für eine Finanztransaktionssteuer stark.

Der Bundesrat entschied sich schliesslich in seiner Botschaft dazu, keinen der unterbreiteten Finanzierungsvorschläge weiterzuverfolgen und wählte stattdessen eine alleinige Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Finanzierung der 13. AHV-Rente. Konkret wolle «der Bundesrat den Normalsatz um 0.7 Prozentpunkte, den reduzierten Satz um 0.2 Prozentpunkte und den Sondersatz für Beherbergungsleistungen um 0.4 Prozentpunkte» erhöhen. Da für eine Änderung der Mehrwertsteuer die BV angepasst werden müsse, werde die Stimmbevölkerung über die Erhöhung in einer Volksabstimmung entscheiden. An der Senkung der Bundesbeiträge an die AHV, die in der Vernehmlassung auf viel Kritik gestossen war, hielt der Bundesrat fest. Diese sollen aber nur von 20.2 Prozent auf 19.5 Prozent und nicht wie ursprünglich vorgesehen auf 18.7 Prozent gesenkt werden. Bei den Modalitäten bezüglich der Auszahlung der 13. AHV-Rente gab es keine Überraschungen: Die Rente soll wie geplant im Dezember 2026 das erste mal und danach jährlich ausbezahlt und bei der Berechnung der EL nicht berücksichtigt werden.

Application et financement de l'initiative pour une 13e rente AVS (MCF 24.073)

Sarah Wyss (sp, BS) reichte im September 2022 ein Postulat mit dem Titel «Nachhaltig und innovativ die Auswirkungen der Tigermücken bekämpfen» ein. Darin betonte sie die zunehmende – durch den Klimawandel noch geförderte – Ausbreitung des Insekts sowie die damit einhergehenden Gesundheitsrisiken zum Beispiel durch das Dengue- und Chikungunya-Fieber. Kantone wie Basel-Stadt oder das Tessin hätten zwar unter anderem mittels Monitoring und Informationskampagnen bereits Anstrengungen unternommen, die Mücke zu bekämpfen, der Bundesrat habe in seiner Antwort auf eine gleichnamige Interpellation Wyss (Ip. 21.3521) hingegen keinen weiteren Handlungsbedarf eruiert als die vereinzelt schon existierenden (über-)kantonalen Projekte. Aus diesem Grund forderte Wyss mit ihrem Vorstoss neben dem Aufbau eines schweizweiten Monitorings und der Lancierung einer Informationskampagne, welche in Zusammenarbeit mit den Kantonen erfolgen sollten, auch die Unterstützung wissenschaftlich basierter Bekämpfungsprojekte sowie die «rigoros[e]» Bekämpfung neuer Populationen. Die Landesregierung zeigte Verständnis für die Bedenken der Postulantin, wies aber auf die vom Bund bereits ergriffenen respektive unterstützten Massnahmen hin. Dazu zählten ein Monitoring auf Hauptverkehrsrouten und Verkehrsknotenpunkten, die Informationsbereitstellung über eine Internetseite sowie innovative Forschungsprojekte. Angesichts der sich zurzeit im Gange befindenden Arbeiten empfehle die Exekutive indes die Ablehnung des Postulats. Der Vorstoss wurde in der Herbstsession 2024 vom Nationalrat behandelt. Weil sich Wyss für die Sitzung abgemeldet hatte, kam es ohne Diskussion zur Abstimmung, bei der das Postulat mit 95 zu 89 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) angenommen wurde. Die Fraktionen der SP, Grünen, Mitte und GLP sprachen sich geschlossen respektive grossmehrheitlich für den Vorstoss aus, die SVP- und FDP-Fraktionen hingegen stimmten geschlossen dagegen.

Nachhaltig und innovativ die Auswirkungen der Tigermücken bekämpfen (Po. 22.4018)

Le député écologiste Felix Wettstein (SO) a déposé, en juin 2024, une motion visant à modifier la PFCC de manière que les cantons à fort potentiel de ressources participent davantage à la péréquation financière et à la compensation des charges. Actuellement, la part de ces cantons se situe à la limite inférieure prévue par la Constitution, soit à deux tiers de la part de la Confédération – au minimum à deux tiers et au maximum à 80 pour cent selon la Cst. Ainsi, le parlementaire a souhaité modifier cette clé de répartition à 80 pour cent de la part de la Confédération. Il justifie sa demande par le fait que les 8 cantons concernés (ZG, SZ, NW, BS, GE, ZH, OW et AI) ont conclu l'année 2023 avec des budgets bénéficiaires et que la mesure contribuerait à réduire le déficit fédéral.
Le Conseil fédéral a estimé que la péréquation financière est un système développé en étroite collaboration avec les cantons et qu'il n'est donc pas en sa mesure de mettre en œuvre la motion car cela ne respecterait pas la procédure fédérale. De plus, le gouvernement a précisé que si la motion était acceptée, il serait demandé au second Conseil de la transformer en postulat.
Cela n'a pas été nécessaire car la proposition a été refusée par 115 voix, contre 57 et 5 abstentions. Le texte a reçu le soutien du groupe socialiste, du groupe des vert et de deux parlementaires centristes, ce qui n'a pas suffi.

Les cantons à fort potentiel de ressources doivent participer davantage à la péréquation financière et à la compensation des charges (Mo. 24.3545)
Dossier: Révision de la péréquation financière et la compensation des charges (depuis 2015)

In Erfüllung einer Motion Bulliard-Marbach (mitte, FR) präsentierte der Bundesrat im September 2024 seine Botschaft zur Änderung des Zivilgesetzbuches zur Verankerung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung. Darin griff er den bereits zwei Jahre zuvor in Erfüllung eines Postulats Bulliard-Marbach skizzierten Weg auf und schlug vor, im ZGB den Grundsatz der gewaltfreien Erziehung als programmatische Norm festzuschreiben. Diese Norm soll Leitbildcharakter haben, aber keinen neuen Rechtsanspruch des Kindes auf gewaltfreie Erziehung begründen. Konkret sollen die Bestimmungen zur elterlichen Erziehung im Artikel 302 ZGB durch ein Verbot von Körperstrafen und die Ausübung anderer erniedrigender Handlungen erweitert werden. Zudem sollen niederschwellige Hilfs- und Beratungsangebote für Eltern und Kinder ausgebaut werden.

Im Rahmen der Vernehmlassung zum Vorentwurf waren 77 Stellungnahmen (26 Kantone, 7 Parteien, 44 Organisationen und Weitere) eingegangen, die den Entwurf mehrheitlich begrüssten. Als einzige Vernehmlassungsteilnehmende lehnte die SVP den Entwurf vollumfänglich ab, da sie die Schaffung einer Norm mit Leitbildcharakter als nicht notwendig erachtete. Auf der anderen Seite begrüssten die Parteien die Mitte, FDP, GLP und die Grünen sowie 11 Kantone und 2 Organisationen den Entwurf vollumfänglich. Auch wenn sie die grundsätzliche Stossrichtung unterstützten, hatten viele Vernehmlassungsteilnehmende Änderungen am Entwurf gefordert. So verlangten unter anderem die SP, die EVP, sechs Kantone (BL, GE, OW, SO, TI, VD), die EKKJ, die SODK, die Vereinigung der Kinderärzt:innen (pädiatrie schweiz) und diverse Kinderrechts- und -schutzorganisationen die explizite Verankerung eines Rechts des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung oder zumindest dessen Erwähnung in der Botschaft zur Gesetzesvorlage. Besagte Organisationen sowie etwa die SODK, die EKFF, die EKKJ und zwei Kantone (FR, JU) bemängelten zudem die im Vorentwurf enthaltene Formulierung von «anderen Formen entwürdigender Gewalt» – gewisse Gewaltformen würden so nicht als entwürdigend und somit vermeintlich als erlaubt angesehen. Um Klarheit zu schaffen, sei der Bundesrat angehalten, in seiner Botschaft auszuführen, was genau unter gewaltfreier Erziehung gemeint sei. Diese Forderung wurde neben den genannten Organisationen auch von der SP, sechs Kantonen (BS, GR, LU, SH, VD, ZH) und den Universitäten Lausanne und Genf sowie von pädiatrie schweiz unterstützt. Auch psychische (SP; BS, GR, SH, VD, ZH sowie 20 Organisationen/Interessierte) und sexuelle Gewalt (12 Organisationen) oder das Miterleben von Gewalt (insieme Schweiz; pädiatrie schweiz) sollten nach deren Willen namentlich aufgeführt werden.

Als Reaktion auf die Vernehmlassungsergebnisse ersetzte der Bundesrat in seiner Botschaft den Begriff «entwürdigende Gewalt» durch «andere Formen erniedrigender Behandlung», um einen Auffangtatbestand zu schaffen. Auf die explizite Nennung des Verbots von psychischer Gewalt verzichtete der Bundesrat nach wie vor, stellte in seiner Botschaft jedoch klar, dass diese sowohl unter das generelle Gewaltverbot als auch unter die anderen Formen erniedrigender Behandlung fallen könne. Einer expliziten Verankerung des Rechts des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung stand der Bundesrat ablehnend gegenüber und verwies auf seine Ausführungen im eingangs erwähnten Postulatsbericht. Auch bezüglich der Beratungsangebote blieb der Bundesrat bei seiner ursprünglichen Fassung. Er stellte in seiner Botschaft jedoch klar, dass diese Formulierung umfassend zu verstehen und somit eine breite Form von fachgerechter Unterstützung mitgemeint sei. In der Vernehmlassung hatten verschiedene Teilnehmende gefordert, dass die entsprechende Formulierung zu den Hilfs- und Beratungsangeboten ausgeweitet werden sollte.

Änderung des Zivilgesetzbuches (Gewaltfreie Erziehung; BRG 24.077)

Mitte September 2024 legte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des UVG vor, mit der die Suva künftig die EFA mitfinanzieren kann. Die EFA – Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer – leistet finanzielle Unterstützung für Personen, die durch den Kontakt mit Asbest erkrankt sind und bei denen die Asbestexposition nicht beruflich bedingt war, sodass die Berufsunfallversicherung nicht für die erlittenen Schäden aufkommt. Am Runden Tisch Asbest, aus dem die EFA hervorgegangen war, war 2016 vereinbart worden, dass der Fonds durch freiwillige Zahlungen aus der Wirtschaft geäufnet werden soll. Diese finanzielle Unterstützung sei aber zunehmend in Gefahr, da «[s]eit dem Jahr 2020 [...] keine namhaften Zahlungen mehr registriert werden [konnten]». Die Suva sei obligatorischer Unfallversicherer für viele Branchen, die mit Asbest hantieren, dürfe aber heute aus rechtlichen Gründen keine finanziellen Beiträge an die EFA leisten, erklärte der Bundesrat. Dies wolle er nun ändern. Für künftige Zahlungen solle die Suva lediglich Ertragsüberschüsse der obligatorischen Versicherung der Berufsunfälle und Berufskrankheiten verwenden dürfen, wobei dem Suva-Rat die vollständige Kompetenz zur Verwaltung dieser Zuschüsse obliege.

Die Vernehmlassung dauerte von Ende November 2023 bis Anfang März 2024, wobei 43 Stellungnahmen (24 Kantone, 3 Parteien, 16 Organisationen und Weitere) eingereicht wurden. Mit Ausnahme der SVP sprachen sich sämtliche Vernehmlassungsteilnehmenden für den bundesrätlichen Entwurf aus. Einige Vernehmlassungsteilnehmende – darunter zwei Kantone (AG, SG), die SP und Travail.Suisse – bedauerten jedoch, dass die Gesetzesänderung aufgrund mangelnder Zuwendungen aus der Wirtschaft überhaupt nötig sei. Auch die SVP monierte «die fehlende Bereitschaft der problemverursachenden Branchen, zusätzliche Zahlungen zu leisten». Ihre Ablehnung der vorgeschlagenen Gesetzesänderung begründete sie damit, dass sich bei einer Umsetzung auch Unternehmen beteiligten müssten, die sich nichts hätten zuschulden kommen lassen. Der SGV stimmte der Finanzierung zwar zu, warf aber die Frage auf, «ob die Suva und deren Versicherte nicht überdurchschnittlich stark zur Kasse gebeten würden». Zudem forderte der Verband die Prüfung einer Mischfinanzierung aus Berufs- und Nichtberufsunfallversicherung, da es ja um die nicht-berufliche Asbestexposition gehe. Der Verein für Asbestopfer und Angehörige (VAO) und der Verein «Lunge Zürich» hielten dem entgegen, dass eine Finanzierung über die NBUV «dem Verursacherprinzip entgegenstehen würde».

UVG (Finanzierung der Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer). Änderung (BRG 24.074)

Ende August 2024 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des IVG hinsichtlich der Kostenbeteiligung der IV an der intensiven Frühintervention bei Autismus-Spektrum-Störungen. Die intensive Frühintervention (IFI) ist eine wissenschaftlich breit anerkannte und äusserst effektive Behandlungsmethode für frühkindlichen Autismus, die sich durch einen hohen zeitlichen Aufwand und eine interdisziplinäre Arbeitsweise ihrer Expertinnen und Experten aus Medizin und Pädagogik auszeichnet, erklärte der Bundesrat in seiner Botschaft. Diese interdisziplinäre Arbeitsweise in den Bereichen Medizin und Pädagogik führte jedoch in der Vergangenheit dazu, dass die Zuständigkeiten bei der Finanzierung einer Intervention nicht eindeutig geregelt waren, da innerhalb eines Therapieblocks medizinische und pädagogische Massnahmen schwer zu differenzieren sind, deren Kosten aber von unterschiedlichen Akteuren finanziert werden – Pädagogik von den Kantonen und Medizin von der IV. Deswegen war 2019 vom BSV ein Pilotversuch mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, «ein Modell für die IFI und ein Konzept für die Evaluation und Finanzierung der Interventionen zu entwickeln und zu konkretisieren». Der noch bis Ende 2026 laufende Pilotversuch hatte gezeigt, dass eine Mischfinanzierung zwischen Bund und Kantonen besonders effektiv sei, bei der die IV den Kantonen regelmässig Fallpauschalen entrichtet. Dieses Vorgehen soll nun mit der vorliegenden IVG-Revision gesetzlich verankert werden. Insgesamt werden Kosten von ungefähr CHF 60 Mio. pro Jahr erwartet, von denen die IV maximal 30 Prozent – also ca. CHF 18 Mio. pro Jahr – übernehmen soll. Die restlichen Kosten werden von den Kantonen getragen. Die Kantone sind verantwortlich für die Zusammenarbeit und die Bezahlung der Leistungserbringer der IFI.

Die Vernehmlassung hatte von Ende September bis Ende Dezember 2023 stattgefunden und es waren insgesamt 70 Stellungnahmen eingereicht worden. Der Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden – darunter 24 Kantone sowie drei Parteien (Mitte, SP und Grüne) – hatte sich mehrheitlich damit einverstanden gezeigt, dass sich die IV durch regelmässige Fallpauschalen an die Kantone an den IFI-Kosten beteiligt. Gegen die Revision hatten sich die Kantone Aargau und Appenzell Innerrhoden ausgesprochen, die unter anderem die «eng umgrenzte Zielgruppe» oder den grossen Aufwand für kleinere Kantone bemängelt hatten, sowie der SGV, der die IV nicht noch mehr in Bedrängnis bringen wollte, da diese bereits finanziell angeschlagen sei. Einige Vernehmlassungsteilnehmende hatten die Befürchtung geäussert, dass es zu einer «Ungleichbehandlung» kommen könnte, wenn die betroffenen Kinder in einem Kanton wohnten, der keine Vereinbarung mit dem BSV abschliesse, wodurch sich das Therapieangebot verkleinere. Auf viel Kritik war die Kostenobergrenze der IV gestossen, die entweder zu tief sei oder grundsätzlich zwischen den Kantonen und dem Bund ausgehandelt werden müsse.

Modification de la loi fédérale sur l’assurance-invalidité LAI (intervention précoce intensive en cas de troubles du spectre de l’autisme, IPI) (MCF 24.066)

Im November 2023 schickte die WAK-NR eine aus ihrer eigenen Kommissionsinitiative entstandene Vorlage zur Einführung einer Objektsteuer auf Zweitliegenschaften in die Vernehmlassung. Bis zum Fristende im März 2024 waren insgesamt 54 Stellungnahmen zur Vorlage eingegangen. Der Entwurf stiess in der Vernehmlassung auf erhebliche Kritik: Über zwei Drittel der Stellungnehmenden gaben ihre grundsätzliche Ablehnung zu den vorgeschlagenen Verfassungsbestimmungen bekannt. Insgesamt positionierten sich 19 Kantone (AI, AR, BE, BS, FR, GL, GR, JU, NE, NW, OW, SG, SH, SZ, TG, TI, UR, VD, VS) und 19 Verbände, so unter anderem die Allianz Zweitwohnungen Schweiz, der SBV, der Schweizerische Gemeindeverband und Organisationen aus der Bau- und Immobilienbranche, gegen die Vorlage. Einige Stellungnehmende (AI, BS, FR, GL, GR, JU, SG, UR, VD, VS; RKGK, SBV) sprachen sich grundsätzlich gegen eine Änderung des geltenden Systems der Wohneigentumsbesteuerung aus und andere (GR, OW, SH, TG, TI, VS; FDK, RKGK, SAB) zeigten sich unsicher darüber, ob eine Objektsteuer bei einer Abschaffung des Eigenmietwerts tatsächlich die Steuereinbussen der Berg- und Tourismuskantone zu kompensieren vermöge. Weiter befürchteten einige Stellungnehmende (AI, FR, JU, NE, SZ, TG, TI, VS; SSK) einen administrativen Mehraufwand statt der vorgesehenen Vereinfachung der Wohneigentumsbesteuerung. Zudem wurde die Vorlage etwa von Dachverbänden der Wirtschaft als «rechtsstaatlich problematisch» (Economiesuisse) und «inakzeptabel» (SGV) betitelt.
16 Stellungnehmende zeigten sich vom Entwurf grundsätzlich überzeugt, darunter sieben Kantone (AG, BL, GE, LU, SO, ZG, ZH), die drei stellungnehmenden Parteien (Grüne, SP, SVP) und sechs Organisationen und Verbände (u.a. HEV, SGB, SVIT). Die Grünen sahen in der Vorlage insbesondere eine Möglichkeit, «kalte Betten» in Tourismusgebieten zu reduzieren, da durch die Steuer neue Anreize zur Vermietung von Zweitliegenschaften gesetzt werden würden. Einige Stellungnehmende (ZH; SP, SVP) erkannten im Entwurf eine geeignete Massnahme, um kantonale Einnahmeausfälle im Falle einer Abschaffung des Eigenmietwerts auszugleichen. Der HEV Schweiz machte seine Unterstützung an zweierlei Voraussetzungen fest: Erstens müsse der Eigenmietwert auf alle selbstgenutzten Liegenschaften abgeschafft werden. Zweitens müsse die Steuer in der Bundesverfassung begrenzt werden. Letztere Voraussetzung unterstützten auch der Kanton Zürich und der SVIT Schweiz. Der SGB dagegen betonte, dass sich der Verband gegen einen Systemwechsel in der Wohneigentumsbesteuerung stemme, aber insbesondere die offen gehaltene Formulierung der Verfassungsbestimmung auf Zustimmung stosse. Der Kanton Zürich befürwortete, dass durch die Objektsteuer der administrative Aufwand der Behörden signifikant reduziert werden könne.

Die WAK-NR nahm die Vernehmlassungsergebnisse zur Kenntnis und beschloss mit 25 zu 0 Stimmen und der eingegangenen Kritik zum Trotz, am Entwurf festzuhalten. Dieser wird als nächstes dem Bundesrat zur Stellungnahme unterbreitet.

Introduction d'un impôt réel sur les résidences secondaires (Iv. pa. 22.454)

Dans son postulat déposé en décembre 2022, la conseillère nationale Katja Christ (pvl, BS) exigeait du Conseil fédéral de présenter un rapport examinant la possibilité de faire de Bâle-Ville et de Bâle-Campagne des cantons à part entière. La députée a justifié sa demande par le principe d'égalité des droits entre États membres de la Confédération. De plus, elle considère que les deux «demi-cantons» ont une taille suffisamment importante et que donner plus de poids à Bâle-Ville permettrait d'améliorer la sous-représentation des zones urbaines au Parlement.
Le Conseil fédéral a recommandé un refus du postulat évoquant les raisons historiques complexes qui justifient l'existence des anciennement nommés «demi-cantons». Il ne juge donc pas nécessaire d'élaborer une étude sur un nouvel équilibre fédéral.
Lors du vote au Conseil national, le postulat a été refusé par 118 voix (26 PLR, 61 UDC, 3 Vert-e-s et 28 Centre) contre 66 (2 PLR, 40 PS, 3 UDC, 11 Vert-e-s, 1 Centre et 9 Vert'libéraux) et 10 abstentions. Les parlementaires des deux Bâles ont voté à l'unanimité en faveur du texte, à l'exception d'Eric Nussbaumer (ps, BL), président de l'Assemblée fédérale qui n'a pas participé au vote.

Faire des deux Bâle des cantons à part entière (Po. 22.4558)
Dossier: Deux sièges au Conseil des États pour Bâle-Ville et Bâle-Campagne

Anfang Juni 2024 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des KVAG, mit der er die Kantone stärker in das Prämiengenehmigungsverfahren einbeziehen und bei der Rückerstattung von zu hohen Prämieneinnahmen besser vergüten will. Die Änderung geht auf eine überwiesene Motion Lombardi (ehemals cvp, TI; Mo. 19.4180) mit der gleichen Forderung zurück, welche nun abgeschrieben werden soll. Dieselbe Forderung hatten auch sechs lateinischsprachige Kantone gestellt. Bislang haben die Kantone das Recht, vor der Genehmigung der Prämientarife Stellung zur Kostenschätzung in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet zu nehmen. Dafür erhielten sie vom Bund und den Versicherungen die entsprechenden Unterlagen. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung sollen die Kantone zukünftig zusätzlich Stellung zu den Prämieneingaben der Versicherungen in ihrem Hoheitsgebiet nehmen können, wofür sie von den Versicherungen sämtliche zusätzlich relevanten Informationen erhielten – namentlich die entsprechenden Prämieneingaben, welche die Versicherer beim BAG einreichen. Neu sollen die Kantone ihre Stellungnahme zur Kostenschätzung und zu den Prämieneingaben nicht wie bisher direkt bei den Versicherungen, sondern bei der Aufsichtsbehörde des Bundes deponieren. Gleichzeitig soll überdies auch der Umgang mit zu hohen Prämieneinnahmen angepasst werden. Konkret sollen Rückvergütungen neu an die Kantone statt an die versicherte Person ausbezahlt werden, wenn die Kantone die Prämien der versicherten Person vollständig über Prämienverbilligungen finanziert haben.

Die Vernehmlassung hatte von Ende Mai bis Mitte September 2023 stattgefunden, wobei insgesamt 38 Stellungnahmen eingegangen waren. Beide Teile der Botschaft – der verstärkte Einbezug der Kantone in das Prämiengenehmigungsverfahren und der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen – waren in der Vernehmlassung insgesamt auf breite Zustimmung gestossen. Jedoch hatten die Mehrheit der Kantone und die GDK gefordert, dass die Liste der von den Versicherungen einzureichenden Unterlagen um einige Positionen erweitert werden soll. Zudem war die Streichung der Möglichkeit, bei den Versicherungen eine Stellungnahme einzureichen, unter anderem von der SP, den Grünen und dem SGB kritisiert worden. Die FDP, Curafutura und Groupe Mutuel hatten den verstärkten Einbezug der Kantone in das Prämiengenehmigungsverfahren als einzige Vernehmlassungsteilnehmende abgelehnt, da dies das Verfahren zusätzlich verkomplizieren und keinen grossen Mehrwert bringen würde.
Auch den Ausgleich der zu hohen Prämieneinnahmen hatten Curafutura und Groupe Mutuel abgelehnt. Zusammen mit fast allen Kantonen hatten sie sich daran gestört, dass die Rückerstattung nur bei vollständiger Kostenübernahme den Kantonen zugutekommen sollten. Dies würde zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten und derjenigen Kantone führen, die lediglich Teilverbilligungen gewähren und somit keine Rückerstattungen erhielten. Die sich dazu äussernden Kantone hatten als Alternative vorgeschlagen, dass die Kantone die «Rückerstattung bis maximal zur Höhe der gewährten Prämienverbilligung» erhalten sollten. Zudem sollten nicht nur die Prämienverbilligungen, sondern auch die Ergänzungsleistungen in die Regelung einbezogen werden. Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse hatte der Bundesrat in der Folge entschieden, die Ergänzungsleistungen in die Rückerstattung einzubeziehen. Jedoch hatte er daran festgehalten, dass die Kantone nur bei einer vollständigen Prämienübernahme eine Rückvergütung erhalten sollten. Und auch auf die Wiederaufnahme der Möglichkeit, als Kanton bei den Versicherungen eine Stellungnahme einzureichen, hatte er verzichtet.

Participation des cantons à la procédure d’approbation des primes, compensation des primes encaissées en trop; modification de la LSAMal (MCF 24.055)

Über das Jahr 2023 verteilt reichten vier Kantone je eine Standesinitiative ein, in welcher sie die Wiederassoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» forderten (Kt.Iv. FR 23.306; Kt.Iv. JU 23.316; Kt.Iv. VD 23.323; Kt.Iv. TI 23.324). Sie knüpften damit an die Forderungen der Standesinitiativen der beiden Basel und Genf an.
Die vier Kantonsinitiativen riefen die aktuelle Situation in Erinnerung, in welcher die Schweiz als nicht assoziiertes Drittland gilt und daher Forschende von Schweizer Hochschulen nur beschränkt an den Ausschreibungen für europäische Verbundprojekte teilnehmen können und diese auch nicht mehr koordinieren dürfen. Problematisch sei etwa auch der Umstand, dass Schweizer Start-ups und KMU keine Mittel mehr vom Europäischen Innovationsrat erhalten. Die Nichtassoziierung schade den Schweizer Hochschulen, den Forschenden sowie auch privaten Einrichtungen und isoliere das Schweizer Forschungsnetz. Diese Sorgen würden alle Akteurinnen und Akteure der Schweizer Wissenschaft teilen, so etwa der Kanton Waadt in seiner Begründung.
Die WBK-SR befasste sich im April 2024 mit den vier Initiativen und stellte erfreut fest, dass sich mit der Verabschiedung des Verhandlungsmandats mit der EU in Form des Paketansatzes Fortschritte eingestellt hätten. So sei es für Schweizer Forschende möglich, an den Ausschreibungen des Europäischen Forschungsrates für das Jahr 2024 und an der Ausschreibung des ERC Advanced Grant teilzunehmen. Nichtsdestotrotz beantragte sie mit 11 zu 0 Stimmen und 1 Enthaltung, den Initiativen Folge zu geben, um damit ihre Unterstützung für die Schweizer Forschung auszudrücken.

Vier Standesinitiativen zur Wiederassoziierung der Schweiz an das Forschungsprogramm «Horizon Europe» (Kt.Iv. FR 23.306; Kt.Iv. JU 23.316; Kt.Iv. VD 23.323; Kt.Iv. TI 23.324)
Dossier: Erasmus et Horizon

Lors de la session de printemps 2024, la CIP-CE a recommandé à sa chambre d'approuver le projet d'arrêté fédéral, concernant la garantie des constitutions cantonales de Bâle-Ville, de Berne et de Nidwald. Après examen, la commission a déclaré que les modifications constitutionnelles étaient conformes au droit fédéral. Le sénateur Hans Wicki (plr, NW) a également pris la parole pour prier l'assemblée d'approuver ces changements, saluant le rôle précurseur de son canton en matière de protection du climat à tous les niveaux étatiques.
Le 28 février, le Conseil des Etats a approuvé tacitement le projet du Conseil fédéral, suivi par le Conseil national le 14 mars.

Constitutions des cantons de Berne, de Nidwald et de Bâle-Ville (MCF. 23.064)
Dossier: Garantie des constitutions cantonales

Der Nationalrat widmete sich in der Frühjahrssession 2024 der Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt für eine baldige Einführung und Umsetzung der Individualbesteuerung auf Bundes- und Kantonsebene. Zuvor hatte die WAK-NR mit 21 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) beantragt, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Da die Botschaft des Bundesrates zur Einführung der Individualbesteuerung im März 2024 dem Parlament vorlegt werde, seien parallele Aktivitäten des Parlaments nicht angezeigt. Der Nationalrat folgte seiner Kommission und gab der Standesinitiative stillschweigend keine Folge.

Baldige Einführung und Umsetzung der Individualbesteuerung (Kt.Iv. BS 21.317)
Dossier: Réforme de l’imposition du couple et de la famille depuis 2000 – Imposition commune ou imposition individuelle?
Dossier: Tentatives d'introduction de l'imposition individuelle

Svizra27, un des quatre projets d'exposition nationale en lice, a présenté son plan de faisabilité. Avec la thématique de «Labor Ludens», le projet s'installe dans cinq cantons du nord ouest de la Suisse (Argovie, Soleure, Jura, Bâle-Ville et Bâle-Campagne). Les différents satellites évoqueront des questions sociétales, techniques et technologiques en suivant les cours d'eaux qui relient les sites. Ainsi, à Stein il sera question de l'agriculture et de l'alimentation du futur, à Baden de ressources et de pistes pour atteindre la neutralité carbone et à Aarau il sera question de démocratie et de la question du vivre ensemble. La sécurité et la résilience seront évoquées à Olten et la globalisation et le commerce mondial occuperont Grenchen. A Sainte-Ursanne, la robotique et l'IA seront au centre de l'attention et à Delémont les questions: «Quel regard portons-nous sur les autres et comment nous regardent-ils ? – et qui fait partie de nous ?» seront posées. Laufen traitera de la virtualité et de l'univers, alors qu'Arlesheim s'attaquera aux questions de santé et de l'aide sociale. A Bâle, les relations entre la Suisse et le monde seront évoquées. Les organisateur.trice.s estiment attirer 12.6 millions de personnes en 6 mois. Ils ont souligné que la météo et les pics d'affluence influenceront ce chiffre. Toutefois, le comité à la tête du projet a rappelé que le Conseil fédéral laisse planer l'incertitude en ne prenant pas de décision claire sur la planification d'une future exposition nationale, invoquant ses finances serrées. Pour ne pas perdre les dix ans de travaux et les CHF 4 millions engagés dans le projet, les organisateur.trice.s attendent une réponse au plus tard en 2026. Sans le soutien du Conseil fédéral à hauteur de CHF 500 millions, ce projet, estimé à CHF 1 milliard, ne verra pas le jour.

Exposition nationale 2024

En 2023, le Conseil fédéral a annoncé ne pas souhaiter se prononcer sur son soutien financier pour une nouvelle exposition nationale avant 2028, empiétant sur les délais prévus des divers projets en cours. En effet, les plus ambitieux prévoyaient une exposition pour 2027 ou même 2032. Le Conseil fédéral s'est justifié en avançant que la situation financière était tendue. De plus, suite à l'échec financier d'Expo.02 – la dernière exposition nationale en date – les Sept sages misent sur une préparation réfléchie. Citant comme exemple le budget d'Expo.02 qui avait été multiplié par dix pour atteindre finalement près d'CHF 1 million.
Toutefois, suite à l'engouement populaire de 2002, avec près de 10 millions d'entrées, 4 idées sont en lice pour retenter l'expérience: Svizra27, NEXPO, X27 et Muntagna. Svizra27 mise sur 5 cantons du nord-ouest helvétique – les deux Bâle, Argovie, Soleure et le Jura. Avec un projet qui relie les sites symboliquement par les cours d'eaux, le Svizra27 vise à mettre en avant ces régions peu connues pour leur tourisme et qui pourraient se sentir parfois «négligées», comme souligné par Doris Leuthard lors de la présentation des lignes directrices devant trente entrepreneurs conviés par la Chambre de commerce et d'industrie du Jura (CCIJ) et par FER-Arcju en avril 2023.
Les médias ont surtout évoqué NEXPO qui a présenté sa vision d'une future exposition en mai 2023. Le projet se veut novateur et inédit avec une proposition durable, orientée vers l'avenir et surtout décentralisée. Concrètement, les sites seraient répartis dans toute la Suisse, entre ville, campagne et montagne. Au moment de la présentation, 18 cantons et 26 villes étaient comptés dans le programme. Suite à la pandémie, les initiant.e.s ont souhaité mettre l'accent sur l'échange s'opposant au message alors répandu qui demandait de «rester à la maison». Ainsi, pour promouvoir les discussions entre les habitant.e.s, en plus des divers sites prévus, 3'000 bancs seraient répartis dans toute la Suisse pour que les passant.e.s s'y arrêtent et y partagent une discussion. NEXPO vise à réduire les fossés et à renforcer la cohésion nationale, suivant la devise: «comment vivre ensemble dans le futur». «On constate en effet dans le monde entier que la cohésion sociale telle que nous la connaissons ne va pas de soi et qu'elle nécessite d'être constamment entretenue» a souligné Corine Mauch – maire de ZH et présidente de NEXPO. De plus, NEXPO souhaite minimiser son impact sur l’environnement et le climat en utilisant des bâtiments existants non-utilisés plutôt que d'en construire des nouveaux et de les détruire après les festivités. Enfin, relativement aux nombreuses idées en discussion, NEXPO a annoncé avoir signé une coopération avec X27, une des autres initiatives, axée sur l'innovation et constituée d'environ 50 groupes. Du côté de Muntagna, dernier projet en lice qui souhaite placer l'événement dans les Alpes pour promouvoir les régions de montagne, une collaboration avec d'autres projets serait accueillie positivement. Seul Svizra27, en raison d'une ligne de mire très différente, n'a pas officiellement envisagé de collaboration en 2023.
Finalement, bien que le Conseil fédéral se positionne contre la motion de la CSEC-CE, si celle-ci est acceptée par la deuxième chambre parlementaire en 2024, les discussions autour de la prochaine exposition nationale pourraient se dérouler plus vite que proposé par le Conseil fédéral.

Expo 2027 – évolution des divers projets en lice
Dossier: Exposition nationale Expo 2027

An der Spitze mehrerer SP-Kantonalparteien kam es im Jahr 2023 zu Wechseln, wobei alle ohne Kampfwahlen über die Bühne gingen:
Die SP Freiburg wählte im Januar Thomas Gremaud zu ihrem neuen Präsidenten. Der 24-Jährige war davor Co-Präsident der Freiburger Juso gewesen, ein öffentliches Amt hatte er nicht inne. Seine Vorgängerin Alizée Rey hatte die Kantonalpartei seit September 2020 geleitet. Ihren Rücktritt begründete sie damit, dass sie sich ganz auf ihre – letztlich erfolglose – Ständeratskandidatur konzentrieren wolle. In ihre Amtszeit fiel das Überschreiten der Marke von 1'000 Parteimitgliedern, aber auch der Verlust des SP-Ständeratssitzes, eines Regierungsratssitzes und eines Fünftels der Grossratssitze.
In Basel-Stadt wurde die Grossrätin und bisherige Co-Präsidentin Lisa Mathys im Mai zur alleinigen Präsidentin der Kantonalpartei bestimmt. Ihre bisherige Kollegin im Co-Präsidium, Jessica Brandenburger, war zurückgetreten, nachdem ihre Beziehung zum Mitte-Kantonalpräsidenten Balz Herter bekannt geworden war. Dabei wurden in der regionalen Presse unterschiedliche Einschätzungen geäussert, ob wie von Brandenburger kommuniziert potenzielle Interessenkonflikte aufgrund dieser Beziehung der ausschlaggebende Rücktrittsgrund waren oder Brandenburger vielmehr wegen ihres Führungs- und Kommunikationsstils in der Partei unter Druck geraten war. Mathys und Brandenburger waren im April 2021 gemeinsam in das Co-Präsidium gewählt worden.
Den Schritt zu einem Co-Präsidium machte dagegen zum ersten Mal in ihrer Parteigeschichte die SP des Kantons Zug. Drin Alaj, Kantonsrat und Gemeinderat in Cham, sowie Zari Dzaferi, alt Kantonsrat und Gemeinderat in Baar, traten im Mai die Nachfolge von Barbara Gysel an, die die Partei 15 Jahre lang geleitet hatte.
Bei zwei weiteren SP-Kantonalparteien kam es derweil nicht zu Wechseln im Parteipräsidium, sondern an der Spitze der Parteisekretariate: In Bern wurde Zora Schindler, die schon seit 2015 im mehrköpfigen Parteisekretariat arbeitete, im Dezember per 1. März 2024 zur Nachfolgerin von David Stampfli als Geschäftsführerin bestimmt. Die Obwaldner SP wiederum schuf im November erstmals überhaupt ein bezahltes Parteisekretariat. Das 20%-Pensum übernahm im November Dario Bellwald, der auch Co-Präsident der kantonalen Juso ist.

Kantonale Parteiämter bei der SP 2023
Postes de direction dans les partis cantonaux du PS
Dossier: Postes de direction dans les partis cantonaux zougois
Dossier: Postes de direction dans les partis cantonaux bernois
Postes de direction dans les partis cantonaux d'Obwald
Dossier: Postes de direction dans les partis cantonaux fribourgeois
Dossier: Postes de direction dans les partis cantonaux de Bâle-Ville

Le Conseil fédéral invite le Parlement à accorder la garantie fédérale aux constitutions cantonales révisées des cantons de Bâle-Ville, de Berne et de Nidwald. En résumé, les modifications constitutionnelles concernent une réforme de la justice et des droits politiques dans le canton de Berne, ainsi que la protection du climat pour les cantons de Nidwald et de Bâle-Ville.
D'abord, le corps électoral bernois a adopté, lors de la votation populaire du 12 mars 2023, une réforme de la justice, inscrivant le principe d'autoadministration judiciaire au niveau constitutionnel. Ce principe définit que l'autorité judiciaire administre elle-même son organisation et son fonctionnement sans être soumise à une ingérence directe des autres pouvoirs. Les droits politiques ont également fait l'objet de modifications (art. 68, al 1a, Cst. BE), permettant au Grand Conseil de prévoir des exceptions pour l’éligibilité du personnel de l’administration cantonale au Parlement cantonal. Ensuite, la Constitution du canton de Nidwald a été enrichie d'un article (art. 21a, Cst. NW) qui engage le canton et les communes à atténuer le changement climatique, en prenant en compte les objectifs de la Confédération. Dans le même sens, les modifications constitutionnelles de Bâle-Ville prévoient que l'Etat contribue, à ce que le réchauffement climatique ne dépasse pas 1.5 degré (art. 15, al. 2, Cst. BS) et que les émissions de gaz à effet de serre du canton soient réduites à zéro d'ici à 2037 (art. 16a, Cst. BS).
La CIP-CN propose l'adoption du projet d'arrêté fédéral, sous réserve de l'approbation du Conseil des Etats.

Constitutions des cantons de Berne, de Nidwald et de Bâle-Ville (MCF. 23.064)
Dossier: Garantie des constitutions cantonales

Sowohl in den Parteien als auch in den Medien gaben die Listenverbindungen für die Nationalratswahlen 2023 viel zu reden. Aus wahlarithmetischer Sicht sind diese ein Mittel, um Verzerrungen durch die meist kleinen Nationalratswahlkreise entgegenzuwirken: Zwar gilt bei den Nationalratswahlen in allen 20 Kantonen mit mehr als zwei Mandaten das Proporzsystem, doch die meist kleine Wahlkreisgrösse – nur in 6 Kantonen sind mehr als 10 Mandate zu vergeben – bedeutet, dass kleinere Parteien in den meisten Kantonen praktisch keine Aussichten auf einen Sitz haben, wenn sie alleine antreten; ihre Stimmen gehen in der Konsequenz verloren. Mit Listenverbindungen können sie teilweise Abhilfe schaffen, weil dadurch für die Sitzverteilung die Stimmen aller Partnerlisten zusammengezählt werden. Doch auch für grössere Parteien sind Listenverbindungen angesichts der kleinen Wahlkreise beziehungsweise der vielen resultierenden Reststimmen ein «probate[s] Mittel, um für die eigene Partei Restmandate zu holen oder doch mindestens dafür zu sorgen, dass sie einer nahestehenden Partei zugutekommen», wie die NZZ festhielt. Rein arithmetisch sind somit breite Verbindungen aus mehreren Parteien in der Regel vorteilhaft, Alleingänge hingegen nachteilig. Eine Auswertung des Tages-Anzeigers kam zum Schluss, dass die Listenverbindungen 2019 für die Sitzverteilung eine erhebliche Rolle spielten: Die GLP habe dank geschickten Listenverbindungen landesweit fünf zusätzliche Sitze geholt, während die vielerorts isolierte SVP insgesamt sieben Sitze mehr erhalten hätte, wenn auch alle anderen Parteien überall alleine angetreten wären.

Entsprechend verbreitet war das Instrument der Listenverbindungen auch bei den Nationalratswahlen 2023. Eine Übersicht des Bundesamts für Statistik zeigt, welche Parteien ihre Listen am häufigsten miteinander verbanden. Zu beachten ist dabei, dass nur in jenen 20 Kantonen, denen mehr als ein Nationalratssitz zusteht, Listenverbindungen überhaupt in Frage kamen. In diesen wurden insgesamt 80 parteiübergreifende Listenverbindungen geschlossen, 2019 waren es 81 gewesen. Unter Ausklammerung von Verbindungen mit (Unter-)Listen der eigenen Partei ergeben sich für die acht wählendenstärksten Parteien 2023 folgende Allianzmuster: SP und Grüne verbanden ihre Listen ohne Ausnahme in all diesen 20 Kantonen. In 5 Kantonen nahmen diese beiden Parteien auch die GLP an Bord, in 4 Kantonen die PdA, in 3 Kantonen SolidaritéS und in je einem Kanton die EVP, die CSP, die AL oder andere Parteien. – Häufigste Listenverbindungspartnerin der GLP war derweil die Mitte (in 10 Kantonen), gefolgt von EVP (8), SP und Grünen (je 5) sowie FDP und anderen (je 1). – Die EVP verband ihre Listen am meisten mit der Mitte (in 13 Kantonen), gefolgt von der GLP (8), der FDP (2) sowie der SP, Grünen und anderen (je 1). – Für die Mitte war ihrerseits die EVP die häufigste Partnerin (in 13 Kantonen), gefolgt von der GLP (10), der FDP (5) sowie der SVP, dem MCG und anderen (je 1). – Die FDP spannte am häufigsten mit der SVP zusammen (in 9 Kantonen), vor der Mitte (5), der EVP und der EDU (je 2) sowie der GLP und dem MCG (je 1). – Für die SVP war umgekehrt ebenfalls die FDP die häufigste Listenverbindungspartnerin (in 9 Kantonen), gefolgt von der EDU (7), Mass-voll (2), der Mitte, der Lega, dem MCG und anderen (je 1). – Die EDU schliesslich setzte am häufigsten auf eine Allianz mit der SVP (in 7 Kantonen), vor der FDP und den SD (je 2) sowie anderen Parteien (1).

Für die heftigsten Diskussionen und Kontroversen in den Medien sowie innerhalb der betroffenen Parteien sorgten dabei nicht die am häufigsten vorkommenden Allianzen, sondern jene zwischen FDP und SVP sowie jene zwischen SVP und Mass-voll. Diese Kontroversen sind Ausdruck davon, dass Listenverbindungen für eine Partei auch einen Preis haben können: Eine Partei signalisiert damit, welche andere Partei(en) sie als nahestehend betrachtet und im Zweifelsfall mit ihren Reststimmen begünstigen will. Dies kann eine eigenständige Profilierung erschweren und Teile der eigenen potenziellen Wählerschaft abschrecken, wenn diese mit den Listenverbindungspartnern so wenig anfangen können, dass sie diesen keinesfalls ihre Stimme zugutekommen lassen möchten. In genau diesem Spannungsfeld bewegten sich denn auch die Diskussionen im Wahlkampf 2023: Während jeweils von der einen Seite die entsprechenden Partnerschaften als Ausverkauf der eigenen politischen Werte kritisiert und die inhaltliche Kompatibilität der Partnerparteien in Zweifel gezogen wurden, verteidigte die andere Seite sie jeweils als rein arithmetische Zweckbündnisse, die bloss der Stimmenaggregation dienten und nicht inhaltlich interpretiert werden sollten.

Für die Kooperationen zwischen FDP und SVP gab SVP-Präsident Marco Chiesa an einer Delegiertenversammlung im Januar 2023 das Ziel aus, «flächendeckende Listenverbindungen» seiner Kantonalparteien mit den Freisinnigen anzustreben; es gehe darum, einen Vormarsch der Linken zu verhindern. Noch bis 2007 waren Allianzen zwischen FDP und SVP bei den Nationalratswahlen auch recht verbreitet gewesen, zwischen 2011 und 2019 war es aber nie in mehr als drei Kantonen dazu gekommen – gemäss NZZ nicht nur weil von einer Listenverbindung grundsätzlich häufiger der grössere Partner – also die SVP – profitiert, sondern auch weil die meisten freisinnigen Kantonalparteien ihr eigenständiges Profil schärfen und sich von der SVP abgrenzen wollten. FDP-Präsident Thierry Burkart verwies denn auch diesmal auf die Autonomie der Kantonalparteien in dieser Frage. Dabei sagte er gegenüber der NZZ, für ihn seien «Listenverbindungen vor allem unter dem Gesichtspunkt der Wahlarithmetik [zu] beurteilen und weniger mit Blick auf die inhaltliche Zusammenarbeit». In den Kantonen zeigte sich jedoch, dass es für viele Freisinnige um mehr ging als um nüchterne Arithmetik – die möglichen Liaisons mit der SVP waren gemäss einem NZZ-Bericht vom Juli innerhalb des Freisinns «überall» umstritten. Exemplarisch dafür war die Zürcher FDP, deren Delegierte sich nach einer intensiven Auseinandersetzung letztlich hauchdünn, mit 82 zu 81 Stimmen, erstmals seit 2007 wieder für eine Listenverbindung mit der SVP entschieden (während der SVP-Kantonalvorstand einstimmig Ja sagte). Auf der einen Seite warb der FDP-Kantonalparteipräsident für eine solche «Zweckgemeinschaft», auch wenn es für eine Zusammenarbeit «nicht hilfreich» sei, dass die SVP im Zusammenhang mit dem Credit-Suisse-Niedergang von FDP-Filz spreche und «dumme und haltlose Vorwürfe» gegen die FDP erhebe, wie er im Tages-Anzeiger sagte. Verzichte man auf eine Allianz, profitierten davon jedoch die Linken. Auf der anderen Seite wandten Gegnerinnen und Gegner laut NZZ ein, die SVP habe sich zuletzt «radikalisiert». Wenn die SVP einen rassistischen Wahlkampf gegen Asylsuchende führe, muslimische Schweizer Soldaten verunglimpfe oder Bundesratsmitglieder als «Saboteure» bezeichne, werde «ein Teil des Schmutzes» auch auf die FDP als Listenverbindungspartnerin abfallen. Die Wählenden würden die arithmetischen Überlegungen hinter einer Listenverbindung nicht verstehen. Das Risiko sei gross, Stimmen und die politische Glaubwürdigkeit zu verlieren sowie einen Imageschaden davonzutragen. Zudem erinnerten sie an frühere Angriffe und Beleidigungen der SVP auf FDP-Exponentinnen und -Exponenten. Mit ähnlichen Argumenten entschied sich etwa in St. Gallen oder Solothurn eine Mehrheit der FDP gegen eine Wahlallianz mit der SVP. Besonders war die Ausgangslage in Basel-Stadt, wo eine Listenverbindung nicht an der FDP scheiterte, sondern an der LDP – welche zwar ebenfalls Mitglied der FDP.Liberalen Schweiz ist, auf kantonaler Ebene aber unabhängig von der Basler FDP politisiert. Die LDP argumentierte gemäss Basler Zeitung, bei lokalen Themen könne man mit der SVP zwar durchaus zusammenarbeiten, aber auf nationaler Ebene vertrete die Volkspartei einen Stil und Werte, die «man als liberale Partei nicht teilen kann» – etwa mit dem Kampf für ein Verhüllungsverbot oder gegen die Personenfreizügigkeit und Immigration. Weil die LDP als Listenverbindungspartnerin der FDP in Basel gesetzt war, kam nach ihrem Veto auch für letztere eine Allianz mit der SVP nicht mehr in Frage. Derweil kam es nebst Zürich unter anderem auch in Bern, Aargau und der Waadt zu FDP-SVP-Listenverbindungen.
Die von den parteiinternen Kritikerinnen und Kritikern vorausgesagten Vorwürfe gegenüber der Allianzpolitik der FDP liessen nicht auf sich warten und wurden medial auch weit über die neun betroffenen Kantone hinaus aufgenommen (ähnlich gelagerte Kritik, dass sich die FDP zu sehr an die SVP anlehne und damit ihr moderates Profil verliere, wurde im Übrigen auch im Zusammenhang mit den Ständeratswahlen laut): Wer die FDP wähle, wähle nun die SVP mit, warnten Linke und Grünliberale. Mit Blick auf den Kanton Aargau schrieb auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister, dass jede Stimme für die FDP somit eine Stimme für Andreas Glarner (svp, AG) sei. Und ein umstrittener Wahlkampf-Sticker der Kampagnenorganisation Campax etikettierte nebst der SVP auch die FDP als «Nazis». Doch auch die traditionell FDP-nahe NZZ konstatierte im Sommer, «die Nähe zur SVP» in der öffentlichen Wahrnehmung werde für die FDP «zunehmend zum Problem». FDP-Präsident Burkart verteidigte sich im Tages-Anzeiger und der Aargauer Zeitung, man sei aufgrund des Wahlsystems praktisch gezwungen, trotz inhaltlicher Unterschiede Verbindungen einzugehen. In mehreren Kantonen habe die FDP Verbindungen mit der Mitte eingehen wollen, habe von dieser jedoch einen Korb bekommen. Burkart vermutete dahinter ein Manöver von Mitte-Präsident Pfister: Indem er die FDP faktisch zu Kooperationen mit der SVP zwinge, könne sich stattdessen die Mitte als «die vernünftige Kraft der Mitte» positionieren. Dieses «Spiel» von Pfister scheine «aufgrund der linken Polemik und dank Mithilfe der Medien» aufzugehen. Im Übrigen sei die Kritik insbesondere von Seiten der GLP «scheinheilig»: Dass diese in mehreren Kantonen mit SP und Grünen zusammenspanne, sei ebenso kritikwürdig wie die Verbindungen von FDP und SVP; man könne Stimmen für die GLP mit gleichem Recht auch als «Stimmen für Juso und Klimakleber» bezeichnen, sagte Burkart.

Ganz ähnliche Argumentationsmuster waren auch in der SVP zu beobachten, allerdings in Bezug auf die Listenverbindungen mit Mass-voll. Zwar räumte die SVP überall dort, wo die FDP wollte, dieser Partnerschaft den Vorrang ein und hielt sich an die FDP-Bedingung, dass es für Mass-voll keinen Platz in den entsprechenden Verbindungen geben dürfe (wobei Mass-voll seinerseits verlauten liess, dass man «niemals» gemeinsam mit der FDP in die Wahlen gehen würde, weil diese eine «menschenverachtende Corona-Politik» unterstützt habe). In mehreren Kantonen, in denen sich die FDP gegen eine Listenverbindung mit der SVP entschieden hatte, prüfte die SVP in der Folge aber ein Zusammengehen mit den Covid-Massnahmengegnerinnen und -gegnern. In Solothurn und Luzern kamen entsprechende Listenverbindungen schliesslich zustande – wobei die jeweiligen SVP-Spitzen in der Presse betonten, es handle sich um reine «Zweckgemeinschaften». Es gehe schlicht darum, zu verhindern, dass die Stimmen der am rechten Rand zu verortenden Mass-voll-Bewegung einfach verloren gingen. Ganz ähnlich wie bei der FDP, wenn auch in geringerem Umfang, kursierten aber auch hier SVP-interne Stimmen in der Presse, die befürchteten, der Schuss könne selbst bei einer arithmetischen Betrachtungsweise nach hinten losgehen, weil eigene Wählende abgeschreckt werden. Auch wisse man «gar nicht so recht, auf wen man sich da jetzt einlässt. Diese Bewegung ist einigermassen unberechenbar, ihre Mitglieder sind in unserem Kanton ein unbeschriebenes Blatt», wie es ein anonymes Mitglied der Solothurner SVP-Parteileitung in der Solothurner Zeitung ausdrückte. Trotz solcher Bedenken und gemäss Solothurner Zeitung «lautstarker» interner Kritik entschied sich die Parteileitung der Solothurner SVP mit 17 zu 4 Stimmen letztlich aber deutlich zugunsten der Allianz. Laut Basler Zeitung jagte dieser Entscheid «Schockwellen durchs ganze Land». Die SVP-Präsidenten von Basel-Stadt und Basel-Landschaft äusserten in der Presse die Sorge, die Solothurner Allianz könnte auch in ihren Kantonen moderatere SVP-Wählende verschrecken. Die Juso wiederum forderte von der SVP in einer Medienmitteilung «mehr Verantwortung im Umgang mit demokratischen Werten»; Mass-voll könne nicht zum bürgerlichen Lager gezählt werden, sondern hege «rechtsextremes und antidemokratisches Gedankengut», wie sich etwa mit der Teilnahme von «Mass-voll»-Chef Nicolas Rimoldi an einer «Remigrations»-Demonstration der Identitären Bewegung in Wien gezeigt habe. Der Wahlkampfleiter der SVP Schweiz, Marcel Dettling (svp, SZ), erachtete die Allianz indessen als sinnvoll, um keine Stimmen an Mass-voll zu verlieren. In Luzern wiederum sprach die SVP-Kantonalpräsidentin selbst in der Presse von einem «Abwägen», ob eine Verbindung mit Mass-voll der SVP mehr schade als nütze. Letztlich sei man zum Schluss gekommen, aus arithmetischer Sicht sei in Luzern eine Listenverbindung nötig, damit die SVP ihr Ziel eines Sitzgewinns erreichen könne. Zudem argumentierte die Präsidentin, man wolle damit jene, «die sich in der Corona-Zeit von den etablierten Parteien nicht mehr verstanden gefühlt haben», abholen. Um eine «Liebesheirat» handle es sich bei der Verbindung aber nicht. In Schwyz wiederum schloss die SVP eine Verbindung mit Mass-voll dezidiert aus, ging jedoch eine Allianz mit der «Freien Liste» von Josef Ender ein, der sich ebenfalls im Rahmen der Bewegung gegen die Covid-19-Massnahmen einen Namen gemacht hatte. Hier war es Ender, der sich veranlasst sah in der Presse zu betonen, die Kooperation mit der SVP sei eine rein wahltaktische, punktuelle Angelegenheit ohne inhaltliches Gewicht, die ihm vom Wahlsystem quasi aufgezwungen werde. Die Äusserungen sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass Ender seine Unabhängigkeit und Distanz zu allen Parteien zu betonen pflegte, um Wählende aus «möglichst allen Lagern» anzusprechen, die ihre Stimme keiner etablierten Partei mehr geben wollten. Gemäss einer NZZ-Analyse nach den Wahlen kamen die Ender-Stimmen letztlich aber tatsächlich der SVP zugute, denn diese habe ihren zweiten Schwyzer Nationalratssitz dank der Verbindung mit der Freien Liste verteidigen können.

Überregionale mediale Aufmerksamkeit, wenn auch in deutlich geringerem Ausmass, erhielten auch einige weitere Allianzen. So gaben die nationalen Zentralen von Mitte, GLP und EVP im Frühling bekannt, grundsätzlich überall Listenverbindungen zwischen diesen drei Parteien anzustreben. Tatsächlich kam eine solche Zentrumsallianz in acht Kantonen zustande. Zu den Gegenbeispielen gehörten jene fünf Kantone, in denen sich die GLP stattdessen zu einer sogenannten Klimaallianz mit Grünen und SP verband. In Genf wiederum bildete sich eine ausserordentlich breite Verbindung, die das bürgerliche Lager von der Mitte über die FDP und die MCG bis zur SVP umfasste. Eine derart breite Kooperation hatten die Genfer Bürgerlichen letztmals 1987 zustande gebracht, wie es in der Tribune de Genève hiess. Sie erstreckte sich zudem auch auf die Ständeratswahlen, für die sich die vier Partnerparteien verpflichteten, nach dem ersten Wahlgang geschlossen die zwei stimmenstärksten Kandidaturen aus ihren Reihen zu unterstützen – eine Strategie, die die Wahl von MCG-Kandidat Mauro Poggia auf Kosten von Lisa Mazzone (GE, grüne) erst ermöglicht haben dürfte.

Insgesamt waren die unmittelbaren rechnerischen Auswirkungen der Listenverbindungen auf die Nationalratswahlergebnisse 2023 geringer als noch vier Jahre davor. Zu diesem Schluss kam jedenfalls eine Analyse des Tages-Anzeigers, die freilich die Annahme traf, dass in einem System ohne Listenverbindungen alle Wählenden ihre Stimmen an dieselben Parteien verteilt hätten, wie sie es im existierenden System taten; sie blendete also aus, dass potenzielle Wählende durch für sie unwählbare Listenverbindungspartner davon abgehalten werden können, ihre eigentlich bevorzugte Partei zu wählen. Unter besagter Annahme wären ohne jegliche Listenverbindungen insgesamt 12 Sitze in 11 Kantonen anders vergeben worden; unter dem Strich und über alle Kantone hinweg hätten die SVP und die Mitte in diesem Szenario je zwei Sitze mehr verbuchen können als in der Realität, die FDP einen. Weniger Mandate hätte es ohne Listenverbindungen für die Grünen (2), die SP, die GLP und die EDU (je 1) gegeben. Ausserdem ergab die Simulationsrechnung des Tages-Anzeigers, dass ein flächendeckendes Zusammenspannen von FDP und SVP in allen Kantonen quasi ein Nullsummenspiel gewesen wäre: Die SVP hätte dadurch schweizweit einen Sitz mehr gewinnen können, die FDP hingegen einen weniger.

Die mitunter heftige interne und externe Kritik, die insbesondere FDP und SVP an ihrer Allianzpolitik gewärtigen mussten, aber auch Bedenken wegen der schweren Überschaubarkeit der zahlreichen Listenverbindungen für die Wählenden, führten vor und nach den Wahlen zu Vorschlägen und parlamentarischen Vorstössen für eine Reform der institutionellen Spielregeln. Auf der einen Seite forderten FDP und SVP, Listenverbindungen künftig schlicht zu verbieten. Die beiden Parteien dürften – wie es auch die Simulationsrechnung des Tages-Anzeigers nahelegt – von einem solchen Schritt profitieren, da er die grösseren Parteien bevorteilen würde. Auf der anderen Seite propagierten insbesondere die GLP und die EVP einen Wechsel zum sogenannten Doppelten Pukelsheim (Doppelproporz): Dieses System, das neun Kantone für die kantonalen Wahlen kennen, macht Listenverbindungen obsolet, weil es das Problem der «verlorenen» Stimmen in kleinen Wahlkreisen anderweitig löst. Es würde gegenüber heute insbesondere die Aussichten kleinerer Parteien – wie der GLP und der EVP selbst – verbessern. Die NZZ schätzte die Mehrheitsfähigkeit beider Reformoptionen zurückhaltend ein; grössere Erfolgsaussichten schrieb sie aber dem Vorschlag für den Doppelten Pukelsheim zu. Versagten SVP und FDP diesem wie schon in der Vergangenheit ihre Unterstützung, würden diese beiden Parteien «in vier Jahren wieder schimpfen, wie mühsam das heutige System doch sei», prognostizierte die NZZ.

Listenverbindungen für die Nationalratswahlen 2023

Mit drei Kandidierenden trat die kommunistische «PdA Basel» bei den Nationalratswahlen 2023 in Basel-Stadt erstmals seit dem Jahr 2000 wieder zu einer Wahl an. Dass sie einen Sitzgewinn mit einem Wählendenanteil von 0.86 Prozent deutlich verpasste, stellte keine Überraschung dar. Eine von der PdA Basel angestrebte Aufnahme in die Listenverbindung von SP, Grünen und BastA war laut einem Bericht in der BaZ an der Ablehnung der SP gescheitert, die die Haltung der PdA Basel zu Russlands Krieg gegen die Ukraine als nicht kompatibel mit ihrer eigenen bezeichnet habe. In der Tat lehnte die PdA Basel anders als die potenziellen Listenverbindungspartnerinnen die Schweizer Sanktionen gegen Russland ab und stellte sich auf ihrer Website auf den Standpunkt, aufgrund der Vorgeschichte seien die «Meinungen dazu, ob es legitim war, [Russlands] Forderungen mit militärischer Gewalt durchzusetzen […], geteilt. Ebenso gehen die Meinungen auseinander, ob damit das Völkerrecht ohne Rechtfertigungsgrund verletzt worden ist.» Im Interesse einer «strikten Neutralität» der Schweiz unterstütze man auch die Neutralitäts-Initiative aus SVP-Kreisen, «obwohl wir der SVP nicht nahestehen». Weitere Unterschiede zu anderen Schweizer Linksparteien sah die PdA Basel nach ihrer eigenen Darstellung etwa darin, dass sie gegen einen EU-Beitritt sei, «unkontrollierte Zuwanderung aus dem Ausland» ablehne, «schon immer für die volle Gleichberechtigung der Frau» gewesen, aber gegen einen männerfeindlichen «Extremfeminismus» und «Genderextremismus in der Sprache» sei oder dass sie «die Entwicklung der VR China mit Sympathie und kritischer Solidarität [verfolgt und] die Bemühungen der VR China für die Durchsetzung einer neuen multipolaren Weltordnung und die Überwindung der globalen Hegemonie der USA [begrüsst]».

Zu beachten ist dabei, dass zu diesen «anderen Linksparteien», von denen sich die PdA Basel abgrenzt, auch die PdA Schweiz und deren Basler Sektion gehört. Bereits seit Ende der Achtziger Jahre ist die PdA Basel nämlich nicht mehr Teil der PdA Schweiz, weil sie von der Mutterpartei ausgeschlossen wurde. In der Folge kam es zu einer Spaltung der baselstädtischen Kommunistinnen und Kommunisten in die unabhängige «PdA – gegründet 1944» und die zur PdA Schweiz gehörende «Neue PdA». Ab dem Jahr 2000 hatte keine der Parteien mehr ein öffentliches Mandat inne. 2014 löste sich dann die «Neue PdA» – gemäss BLZ «in der Bedeutungslosigkeit und hoffnungslos überaltert» – auf, worauf die «PdA 1944» den seither geltenden Namen «PdA Basel» annahm. Als im Jahr 2019 wiederum eine baselstädtische Sektion der schweizerischen PdA gegründet wurde, wählte diese die Bezeichnung «Partei der Arbeit der Schweiz Sektion Basel (PdAS Sektion Basel)». Im Gegensatz zur PdA Basel hatte die PdAS Sektion Basel 2020 an den kantonalen Grossratswahlen teilgenommen (und einen Wählendenanteil von 0.78 Prozent erzielt), sah aber von einer Kandidatur bei den Nationalratswahlen 2023 ab. Sie begründete dies in einer Medienmitteilung damit, dass auch sie wegen ihren Positionen zum Ukraine-Krieg sowie zum erneut eskalierten Konflikt in Israel/Palästina als Listenverbindungspartnerin bei SP, Grünen und BastA auf Ablehnung gestossen war. Eine Zusammenarbeit mit der «PdA Basel» wiederum sei an «taktischen und politischen Differenzen» gescheitert, die in der Medienmitteilung aber nicht konkretisiert wurden. Die BLZ vermutete auch «persönliche Animositäten» als Grund und schrieb, die beiden kommunistischen Basler Kleinstparteien politisierten nach wie vor «unversöhnlich» nebeneinander.

PdA in Basel-Stadt

Die Nationalratswahlen 2023 in Basel-Stadt versprachen spannend zu werden, zumal dem Basler Stadtkanton für die kommende Legislaturperiode aufgrund der Bevölkerungsverteilung nur noch vier der bisher fünf Nationalratssitze zustanden. Für diese bewarben sich insgesamt 122 Kandidierende – leicht weniger als noch 2019 (133 Kandidierende). Der Frauenanteil lag wie 2019 bei 45.9 Prozent (56 Frauen und 66 Männer). Da alle fünf Bisherigen eine weitere Legislatur anstrebten, diskutierten die Medien im Vorfeld darüber, wer wohl seinen oder ihren Platz werde räumen müssen und wie die vier Sitze zwischen dem linken und dem bürgerlichen Lager aufgeteilt würden.

Im linken Lager gingen die SP und das Grüne Alternative Bündnis (GAB), bestehend aus Basta, Grünen und Jungem Grünen Bündnis Nordwest, eine Listenverbindung ein. Nicht dabei war die PdA, welche in Basel nach 20 Jahren erstmals wieder zu den Nationalratswahlen antrat. Aufgrund ihrer Haltung gegenüber dem Ukrainekrieg lehnten die SP und das GAB eine Listenverbindung mit der PdA ab. Derweil spekulierten die Medien, dass die SP als mit Abstand stärkste Kraft im Basler Stadtkanton ihre beiden Sitze wohl nicht werde halten können, da ihr mit Eva Herzog (sp, BS), die erneut für den Ständerat kandidierte, und Beat Jans, der in den Bundesrat gewählt worden war, zwei wichtige «Zugpferde» fehlten. Gute Chancen schrieben sie Mustafa Atici (sp, BS) zu, der 2019 für Eva Herzog in den Nationalrat nachgerückt war. Die Medien spekulierten, dass ihm seine Kandidatur für das SP-Bundesratsticket, welche er zugunsten von Beat Jans zurückgezogen hatte, bei der Wiederwahl helfen könnte. Geringer erschienen die Chancen von Sarah Wyss (sp, BS), die 2020 für Beat Jans nachgerückt war – aber auch von Sibel Arslan (basta, BS) für das GAB. Einerseits sei Arslan eine im ganzen Land bekannte Politikerin, was ihre Wiederwahlchancen gemäss den Balser Zeitungen erhöhte, andererseits war unklar, wie stark die erwarteten Verluste der Grünen ausfallen würden und ob diese sie einen Sitz kosten würden.
Auf der bürgerlichen Seite gingen LDP, FDP, GLP und Mitte eine grosse Listenverbindung ohne die SVP ein. Die Mitte und die GLP hatten sich früh gegen eine Zusammenarbeit mit der SVP ausgesprochen, während die FDP einige Zeit darüber diskutierte, sich aber letztlich von einer Zusammenarbeit mit den anderen Parteien eine grössere Chance erhoffte, die zwei bürgerlichen Sitze zu verteidigen. Medial diskutiert wurde unter anderem, ob es der LDP als stärkste bürgerliche Kraft gelingen werde, neben der als gesetzt angesehenen LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein (ldp, BS) diesen zweiten Sitz zu ergattern. Dafür müsste die LDP jedoch doppelt so stark abschneiden wie die restlichen bürgerlichen Parteien. Als schwierig werde sich die Verteidigung des GLP-Sitzes von Katja Christ (glp, BS) herausstellen, prognostizierten die Medien, da sie diesen 2019 trotz einem relativ tiefen Wähleranteil von 5.7 Prozent nur dank einer umstrittenen – und in der Zwischenzeit verbotenen – Unterlistenverbindung mit der BDP und der EVP gewonnen hatte. In der Folge gab die GLP bekannt, 2023 mit insgesamt neun Wahllisten anzutreten. Nach einigen hitzigen Diskussionen im bürgerlichen Lager reduzierte die GLP ihre Listenzahl auf sieben. Die SVP zog im Kanton Basel-Stadt ohne Verbündete in den Wahlkampf. Da die Partei im Stadtkanton traditionell über keine hohe Zustimmung verfügt, wurde ein Sitzgewinn als eher unwahrscheinlich erachtet. Schliesslich trat auch die aus der Bewegung der Covid-19-Massnahmengegnerinnen und -gegner hervorgegangene Partei Mass-voll im Kanton Basel-Stadt mit einer eigenen Liste zu den Nationalratswahlen an.

Am Wahlsonntag zeichnete sich bald ab, dass der Basler Stadtkanton eine reine Frauendelegation nach Bern entsenden würde. Bei den Bürgerlichen verteidigte zwar LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein ihren Sitz mit 9'792 Stimmen, ansonsten musste die LDP jedoch eine Wahlschlappe hinnehmen: Die bisher stärkste bürgerliche Partei verlor 5 Prozentpunkte (neu: 10.3%). Die GLP konnte den zweiten bürgerlichen Sitz von Katja Christ verteidigen (6'655 Stimmen) und legte im Vergleich zu 2019 nochmals um 3.4 Prozentpunkte zu (neu: 9.1%). Im linken Lager gelang es Sibel Arslan ihren Sitz mit 14'239 Stimmen erneut zu sichern, obwohl das GAB leicht an Wähleranteilen verlor (-0.6 Prozentpunkte, neu: 17.1%). Das beste Ergebnis erreichte hingegen überraschend Sarah Wyss mit 22'032 Stimmen, die damit besser abschnitt als Mustafa Atici (20'138 Stimmen), für den trotz seines guten Resultats kein Sitz mehr übrigblieb. Die SP blieb zwar mit 31.8 Prozent (-0.9 Prozentpunkte) mit Abstand die stärkste Partei in Basel-Stadt, verlor jedoch ihren zweiten Sitz. Die Medien erklärten sich die verpasste Wiederwahl von Atici damit, dass wohl viele Wählende in der Hoffnung auf drei linke Nationalratssitze Arslan auf die SP-Liste panaschiert hätten. Ein Drittel ihrer Stimmen kam denn auch von SP-Wählenden. Keine Sitze holten sich die FDP (+0.9 Prozentpunkte, neu: 6.9%), die Mitte (neu: 5.8%. 2019: CVP: 4.5%; BDP: 0.4%) und die SVP. Letztere stieg mit 13.6 Prozent Wähleranteil (+1.2 Prozentpunkte) wieder zur stärksten bürgerlichen Partei im Kanton auf.
Die Wahlbeteiligung lag mit 49.7 Prozent um 3 Prozentpunkte höher als im nationalen Durchschnitt (46.7%) und auch höher als 2019 (47.7%).

Nationalratswahlen 2023 – Basel-Stadt

Bei den Ständeratswahlen 2023 im Kanton Basel-Stadt mutmassten die Medien bereits früh, dass die bisherige SP-Ständerätin Eva Herzog (sp, BE) im SP-dominierten Stadtkanton die Wiederwahl schaffen würde. Folglich stand in ihrer Berichterstattung nicht die Frage nach der Gewinnerin des baselstädtischen Ständeratssitzes im Zentrum, sondern die Frage: «Wer verliert gegen Eva Herzog?». Dabei verlief die Suche der Parteien nach einer Gegenkandidatin oder einem Gegenkandidaten harzig, zumal «niemand [...] den Verlierer-Stempel» aufgedrückt bekommen wollte, wie es etwa FDP-Präsident Johannes Barth (BS, fdp) gegenüber der BLZ ausdrückte. So verzichtete die 2019 bei der Ständeratswahl gegen Herzog gescheiterte Patricia von Falkenstein (ldp, BS) auf eine erneute Kandidatur. Der ehemalige FDP-Regierungsrat Baschi Dürr (BS, fdp) lehnte eine Kandidatur ebenfalls ab, obwohl er bei einer Wahl von Herzog in den Bundesrat als Ersatzkandidat bereitgestanden wäre. Dass 2024 bereits die Regierungsratswahlen in Basel-Stadt anstanden, hinderte nach eigenen Aussagen auch Regierungsrat Lukas Engelberger (BS, mitte) an einer Kandidatur – obwohl ihm die Basler Zeitung einen Erfolg noch am ehesten zutraute. Das bürgerliche Lager entschied sich in der Folge dazu, mit Mitte-Präsident Balz Herter (BS, mitte) einen Nationalratskandidaten ins Rennen zu schicken. Dieser erhoffte sich dadurch nicht nur zusätzliche Werbung für die Nationalratswahlen, sondern auch für eine spätere Kandidatur als Regierungsrat von Basel-Stadt, wie die Basler Zeitung schrieb. Die Medien erachteten die Kandidatur als «verständlich», aber auch «mutig», da ein schlechtes Abschneiden seine Stellung als «logischer Nachfolger» von Lukas Engelberger gefährden könnte. Da die SVP bei den Nationalratswahlen aus der bürgerlichen Listenverbindung ausgeschlossen worden war, stellte sie einen eigenen Kandidaten, anstatt Herter zu unterstützen, wie die Medien berichteten. Auch ihr zu den Ständeratswahlen antretender Präsident, Pascal Messerli, (BS, svp) nutzte dabei die Wahlen gemäss Medien dafür, seine Bekanntheit auszubauen. Trotz seiner Ständeratskandidatur erhielt hingegen der Basler Grossrat Eric Weber (BS, va) kaum mediale Aufmerksamkeit.
Am Wahlsonntag gelang der von den Basler Medien als «Kronfavoritin» bezeichneten Eva Herzog ein «überragendes» Ergebnis (BaZ): Mit 42'677 Stimmen holte sie sechsmal mehr Stimmen als ihre beiden stärksten Herausforderer und schaffte damit die Wiederwahl mehr als deutlich – das absolute Mehr lag bei 29'208 Stimmen. Balz Herter musste sich mit 6'959 Stimmen klar geschlagen geben, erzielte jedoch leicht mehr Stimmen als der SVP-Kandidat Pascal Messerli (6'731 Stimmen). Eric Weber erzielte 974 Stimmen. Die Stimmbeteiligung lag bei 51.4 Prozent.

Ständeratswahlen 2023 – Basel-Stadt

Im Oktober 2023 präsentierte die SPK-NR in Umsetzung einer eigenen parlamentarischen Initiative ihren Entwurf zur Anpassung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG), mit dem ausländische Opfer von häuslicher Gewalt ausländerrechtlich besser geschützt werden sollen. Um zu verhindern, dass Opfer gewalttätige Beziehungen aufrechterhalten, weil sie die Wegweisung aus der Schweiz fürchten, beantragte die Kommission eine Änderung von Artikel 50 des AIG zur Auflösung der Familiengemeinschaft. Dadurch sollte die bereits bestehende Härtefallregelung, die die Erteilung oder Verlängerung der bisherigen Aufenthaltsbewilligung auch nach der Trennung möglich macht, auf alle von häuslicher Gewalt betroffenen Ausländerinnen und Ausländer ausgedehnt werden. Bis anhin konnten nur ausländische Familienangehörige von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern sowie Personen mit einer Niederlassungsbewilligung von dieser Härtefallregel profitieren. Darüber hinaus sollen neu auch nicht verheiratete Paare mitgemeint sein, sofern sie im Konkubinat oder in einer eingetragenen Partnerschaft leben, ebenso wie die Kinder dieser Personen. Nicht zuletzt soll es auch leichter werden, den Nachweis für das Vorliegen von häuslicher Gewalt zu erbringen, was auch durch eine verstärkte Kohärenz mit dem Opferhilfegesetz gelingen soll.

In der Vernehmlassung war der Entwurf von einem Grossteil der 143 Teilnehmenden befürwortet worden. Viele interessierte Kreise – darunter etwa Amnesty International, verschiedene Hilfswerke und etliche Frauenhäuser – hoben hervor, dass die Gesetzesanpassung mehr Rechtsgleichheit für Gewaltbetroffene sowie einen besseren Opferschutz bringen würde. Etliche Vernehmlassungsteilnehmende betonten ferner, dass das von der Schweiz ratifizierte Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) damit besser eingehalten werden könnte. Sollte die Gesetzesänderung vom Parlament angenommen werden, könnte folglich ein von der Schweiz angebrachter Vorbehalt zur Istanbul-Konvention geprüft und gegebenenfalls gestrichen werden. Die meisten Kantone sowie fünf von sechs stellungnehmenden Parteien (SP, Grüne, EVP, Mitte und FDP) begrüssten den Vorentwurf; einige stellten sich jedoch gegen einzelne Bestandteile daraus. Acht Kantone (AI, AR, BE, NW, OW, SO, TI, ZG) sowie die VKM lehnten es generell ab, dass die Härtefallregelung auch neue Rechtsansprüche schaffe für Personen, die zuvor keinen eigenständigen Rechtsanspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung hatten, da ihre Bewilligung ursprünglich mittels Ermessensentscheid im Rahmen des Familiennachzugs erteilt worden war. Wenn aus Ermessen in diesen Fällen ein Anspruch würde, widerspräche dies gemäss Vernehmlassungsbericht «der Logik und der Systematik des Ausländerrechts, wonach der nachziehende Ehegatte dem nachgezogenen Gatten nicht mehr Rechte verschaffen könne, als er selbst besitzt». Die Kantone Freiburg und Neuenburg stellten sich nicht generell gegen die Schaffung neuer Rechtsansprüche, sondern lediglich gegen diejenigen bei der Erteilung von Kurzaufenthaltsbewilligungen an Personen, deren Ehegatte über eine Kurzaufenthaltsbewilligung verfügt. Elf Kantone (AG, AI, AR, BE, BS, FR, OW, SO, TG, TI, ZG), die VKM und die FDP störten sich ferner an der Bestimmung, dass die Integrationskriterien bis drei Jahre nach Erteilen der eigenständigen Aufenthaltsbewilligung gemäss Revision des Artikels 50 keinen Einfluss auf die Verlängerung der Bewilligung haben sollen. Die Kommission wollte mit ebendieser Regelung der schwierigen Situation, in der sich die betroffenen Personen befinden, Rechnung tragen. Auch wenn die Integrationskriterien während dieses Zeitraums nicht entscheidungsrelevant seien, sollen sie dennoch geprüft und die Integration bei Bedarf gefördert werden, so die Kommission. Von den sechs stellungnehmenden Parteien stellte sich lediglich die SVP gegen den Entwurf. Sie argumentierte, dass eine Gesetzesrevision aufgrund der bestehenden Rechtsprechung und Verwaltungspraxis weitgehend überflüssig sei. Eine Gesetzesanpassung wie die vorgesehene berge zudem Missbrauchspotential, so die SVP abschliessend.

Besserer Schutz für ausländische Opfer von häuslicher Gewalt (Pa.Iv. 21.504)
Dossier: Violences contre les femmes* / violence domestique (depuis la ratification de la Convention d'Istanbul)