Vorstösse zu Reformen der Wahlprozesse haben im Parlament nach eidgenössischen Wahlen jeweils Hochkonjunktur. Dies war auch im Frühling 2024 der Fall, als beide Kammern in der Frühjahrssession und in der Sondersession insgesamt fünf entsprechende Motionen (Mo. 23.4477; Mo. 23.4220; Mo. 23.4083; Mo. 23.4355 und Mo. 23.4356) berieten.
Im Zentrum der Motion von Leo Müller (mitte, LU; Mo. 23.4477) stand die Forderung nach einer Begrenzung der Zahl der Listen, die verbunden werden dürfen. In seiner im Nationalrat vorgebrachten Begründung beklagte Müller die «Listenflut», die er stoppen wolle. Er habe im Rahmen der Wahlen 2023 zahlreiche Rückmeldungen von Wählerinnen und Wählern erhalten, die gezeigt hätten, dass die vielen Listen- und Unterlistenverbindungen zu Verwirrung geführt hätten. Teilweise seien die Wahlberechtigten gar derart «abgeschreckt» worden, dass sie nicht an die Urne gegangen seien. Er wolle weder das Wahlsystem ändern noch Listen gänzlich verbieten, so Müller weiter. Mit einer Beschränkung der Verbindungen auf maximal fünf Listen oder Unterlisten könne Transparenz geschaffen und der Demobilisierung Einhalt geboten werden.
Bundeskanzler Viktor Rossi beantragte im Namen des Bundesrats die Ablehnung der Motion. Es sei in der Tat so, dass die Zahl der Kandidierenden und der Listen gegenüber früheren Wahlen stark zugenommen habe, was in der Öffentlichkeit auch breit diskutiert worden sei. Die Zahl der Listen variiere aber zwischen den Kantonen stark und es gebe keine Studien, die zeigten, wie sich die Zahl der Listen auf die Partizipationsbereitschaft auswirke. Er begründete die ablehnende Haltung des Bundesrats schliesslich aber mit den Arbeiten, welche die SPK-NR im Rahmen von drei noch ausstehenden parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 23.481, Pa.Iv. 23.482 und Pa.Iv. 23.452) zu einem «Gesamtpaket» Wahlrechtsreformen (Pa.Iv. 24.422) aufgenommen habe. In diesem soll nicht nur das Thema «Listenverbindungen», sondern auch das Thema «Wahlsystem» angegangen werde. Die Motion solle also abgelehnt werden, um den Bemühungen der SPK-NR nicht vorzugreifen, so Rossi. Die grosse Kammer zeigte sich in dieser Frage gespalten. Das Patt aus 93 zu 93 Stimmen (1 Enthaltung) wurde durch die ablehnende Stimme des Nationalratspräsidenten Eric Nussbaumer (sp, BL) zu Ungunsten des Vorstosses entschieden. Für die Motion stimmten die geschlossene FDP-Fraktion, grossmehrheitlich die SVP-Fraktion sowie sechs Mitglieder der Mitte-EVP-Fraktion.

Apparentements et système d'attribution des mandats – Propositions de réforme pour les élections fédérales