Mifid II und Zugang zum Finanzmarkt (Po. 17.3744)

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Ein Postulat von Giovanni Merlini (fdp, TI) hatte eine Erleichterung der grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen für italienische und französische Privatkundinnen und Privatkunden zum Ziel. Da Italien und Frankreich die MiFID-II-Richtlinie der EU restriktiv ausgelegt habe, dürften Finanzintermediäre aus Nicht-EU-Staaten in den beiden Staaten nur noch Finanzdienstleistungen anbieten, wenn sie darin über eine Zweigniederlassung verfügen. Entsprechend solle der Bundesrat einen Bericht zur Situation des Tessiner und Genfer Finanzsektors, die von diesen Regelungen besonders stark betroffen seien, sowie zu deren Zugang zum italienischen respektive französischen Markt ausarbeiten. Darin solle er auch Massnahmen darlegen, die solche Dienstleistungen für schweizerische Finanzintermediäre erleichtern sollen.

Da das Postulat vom Bundesrat zur Annahme empfohlen und von Prisca Birrer-Heimo (sp, LU) in der Wintersession 2017 bekämpft worden war, beschäftigte sich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2018 damit. Dabei wies der Postulant auf die in seinen Augen ungerechte Behandlung der Schweiz durch die EU hin, etwa bezüglich der zeitlich beschränkten Anerkennung der schweizerischen Vorschriften bezüglich der Börse oder bezüglich der Aufnahme der Schweiz auf die graue Liste der Staaten mit privilegierter Besteuerung. Deshalb wolle er nun den Bundesrat mit der Verfassung dieses Berichts beauftragen. So sei den Privatbanken die Eröffnung einer Zweigniederlassung „aus wirtschaftlichen, steuerlichen und unternehmerischen Gründen nicht zumutbar“. Ohne Zweigniederlassung(en) verlören sie jedoch Kundschaft und würden weniger Umsatz machen, wodurch Arbeitsplätze verloren gingen. Man müsse daher mit diesen Staaten „auf Augenhöhe sprechen und verhandeln“; insbesondere da sich Italien gemäss dem Postulanten mit der Roadmap vom Februar 2015 verpflichtet habe, den Zugang zu grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen zu erleichtern. Prisca Birrer-Heimo erklärte ihren Widerstand gegen den Vorstoss damit, dass sie nicht noch ein „Sonderzügli“ sehen möchte: Wenn das Fidleg und das Finig äquivalent der Mifid-II-Bestimmungen umgesetzt würden, gäbe es keine Probleme mit dem EU-Marktzugang. Stattdessen versuche man, möglichst viel herauszuholen, obwohl man gesehen habe, dass die EU da nicht mitspiele. Finanzminister Maurer hingegen stellte sich im Namen des Bundesrates hinter das Postulat und erklärte, man werde die Situation analysieren und anschliessend versuchen, entsprechende Verträge, wie sie mit Deutschland bereits existierten, abzuschliessen. Den Erfolg des Vorhabens könne er jedoch nicht garantieren.
Der Nationalrat stimmte dem Postulat mit 138 zu 47 Stimmen zu, dagegen sprachen sich geschlossen die Fraktionen der SP und der Grünen aus.

Ende Oktober 2021 veröffentlichte der Bundesrat in Erfüllung des Postulats Merlini (fdp, TI) einen Bericht zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen MiFID-II. Der Bericht hält fest, dass aufgrund der Digitalisierung Regeln für physische Geschäftseinrichtungen ohnehin zunehmend hinterfragt würden. Innerhalb der EU zeige sich eine offene und neutrale Haltung zur rechtlichen Situation, obwohl Frankreich und Italien bisher den grenzüberschreitenden Marktzugang bei der Vermögensverwaltung von Drittlandbanken eingeschränkt und ein Zweigniederlassungserfordernis eingeführt hätten. Die Erschliessung des grenzüberschreitenden Marktzugangs für die Vermögensverwaltung aus der Schweiz scheitere somit nicht an rechtlichen Hürden, sondern hänge vielmehr von der politischen Bereitschaft der einzelnen EU-Staaten ab. Wirtschaftspolitische Überlegungen und die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU würden dabei ebenfalls eine Rolle spielen. Die Spielräume und Strategien der Schweiz seien durch diese Faktoren begrenzt. Dennoch werde die Schweiz bilaterale Lösungen mit Italien, Frankreich und Deutschland für den grenzüberschreitenden Marktzugang anstreben und verfolgen.

Nachdem der Bundesrat im Oktober 2021 einen Bericht in Erfüllung des Postulats Merlini (fdp, TI) zum grenzüberschreitenden Marktzugang für Wertpapierdienste von Schweizer Banken für die Privatkundschaft in Italien und in Frankreich veröffentlicht hatte, beantragte er das Postulat zur Abschreibung.
Im Rahmen der Behandlung des Berichts über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2021 folgte der Nationalrat in der Sommersession 2022 stillschweigend diesem Antrag.