Im Frühjahr 2025 begann der Nationalrat mit der Differenzbereinigung zur Einführung eines eigenen Straftatbestandes «Stalking». Auf Antrag seiner Rechtskommission hiess er dabei den Vorschlag des Ständerats einstimmig gut, wonach der neue Straftatbestand als Gefährdungs- und nicht als Erfolgsdelikt ausgestaltet werden soll. Somit würde künftig die Verhaltensweise des Täters oder der Täterin an sich bereits strafbar, wenn sie die Lebensweise des Opfers potenziell einschränken könnte. Im Gegensatz zur Kantonskammer empfahl die RK-NR jedoch mit 18 zu 6 Stimmen, an einer Strafverfolgung von Amtes wegen für Fälle in Paarbeziehungen festzuhalten. Sprecher Phillippe Nantermod (fdp, VS) führte im Plenum das Unverständnis der Kommissionsmehrheit über den Entscheid des Ständerats aus, wonach Stalking anders als andere Delikte im Bereich der häuslichen Gewalt behandelt werden würde. Gerade weil Stalking in grosser Zahl (ehemalige) Paare betreffe, müssten diese Fälle von Amtes wegen verfolgt werden, so Nantermod. Minderheitssprecher Beat Flach (glp, AG) plädierte dafür, dem Ständerat zu folgen, da die tatsächliche Wirkung des neuen Straftatbestandes wirkungsvoller sei, wenn die Opfer selber über eine Anzeige entscheiden können. Diese Argumentation wurde auch von Bundesrat Jans unterstützt, der zusätzlich zu Bedenken gab, dass in spezifischen Fällen das Opfer möglicherweise gar kein Interesse an einem Strafverfahren haben und daher eine Verfolgung von Amtes wegen sogar kontraproduktiv sein könnte. Diese Gegenargumente überzeugten jedoch nur eine Mehrheit der GLP- und SVP-Fraktion und der Nationalrat hielt mit 123 zu 62 Stimmen (3 Enthaltungen) an einer amtlichen Verfolgung des Straftatbestandes «Stalking» innerhalb von Paarbeziehungen fest.
Der Ständerat befasste sich in der Sommersession 2025 mit der letzten verbleibenden Differenz. Auf Antrag der RK-SR blieb die kleine Kammer jedoch einstimmig dabei, die Strafverfolgung für Fälle von Stalking in Paarbeziehungen ebenfalls als Antragsdelikt auszugestalten. Kommissionssprecherin Mathilde Crevoisier Crelier (sp, JU) betonte die Wichtigkeit, den Opfern von Stalking die Freiheit einer Anzeige zu lassen, da die Straftat häufig in der Phase einer Trennung stattfinde und ein von Amtes wegen auferlegtes Verfahren zu erzwungenem weiteren Kontakt zwischen der Tatperson und dem Opfer führen könne. Eine Mehrheit der RK-NR zeigte sich mit diesem Entscheid nicht einverstanden und empfahl dem Nationalrat weiterhin, Nachstellung in Paarbeziehungen als Offizialdelikt auszugestalten. Wie die Mehrheitssprecherin Sibel Arslan (basta, BS) ausführte, würden Opfer von häuslicher Gewalt oftmals so stark unter Druck gesetzt, dass eine Anzeige unmöglich sei und daher Stalking von Amtes wegen verfolgt werden müsse. Eine Minderheit um Beat Flach wollte erneut dem Ständerat folgen. Der Nationalrat entschied jedoch mit 90 zu 89 Stimmen bei 5 Enthaltungen, am Offizialdelikt festzuhalten. Die hauchdünne Mehrheit kam dabei durch die geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der Grünen, SP und FDP sowie durch Unterstützung einzelner Mitglieder der Mitte-Fraktion und eines SVP-Mitglieds zustande. Da anschliessend auch der Ständerat weiterhin an der verbleibenden Differenz festhielt, wurde eine Einigungskonferenz einberufen.
In der letzten Woche der Sommersession beugten sich die Mitglieder der beiden Räte über den Antrag der Einigungskonferenz. Diese beantragte mit 19 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung, der Variante des Ständerats zu folgen und Stalking in Paarbeziehungen als Antragsdelikt auszugestalten, woraufhin die Kantonskammer diesem Antrag einstimmig nachkam. Im Nationalrat wurde der Antrag der Einigungskonferenz mit 115 zu 46 Stimmen bei einer Enthaltung ebenfalls angenommen, wobei einzig Mitglieder der SVP-Fraktion dagegen votierten.
In den Schlussabstimmungen passierte der neue Straftatbestand «Stalking» den Nationalrat mit 138 zu 51 Stimmen (8 Enthaltungen) und den Ständerat mit 31 zu 12 Stimmen (0 Enthaltungen). Während sich in der Volkskammer die SVP-Fraktion gegen die Vorlage stellte oder sich enthielt, gesellten sich im Ständerat vier Mitglieder der Mitte-Fraktion und ein SP-Mitglied zu den ablehnenden Stimmen.
Dossier: Amélioration de la protection des victimes de harcèlement