Eindämmung der häuslichen Gewalt (Mo. 09.3059)

Der Nationalrat überwies in der Sommersession eine Motion Heim (sp, SO) zur Eindämmung von „häuslicher Gewalt“. Die kleine Kammer wandelte den Vorstoss in der Herbstsession in einen Prüfungsauftrag um. Der Bundesrat muss einen Bericht zur Einstellungspraxis beim Tatbestand der häuslichen Gewalt in den Kantonen erarbeiten. Dabei hat er unter anderem zu untersuchen, ob die provisorische Einstellung des Verfahrens auf Antrag vom Besuch eines Lernprogramms gegen Gewalt abhängig gemacht und von Amtes wegen wieder aufgenommen werden soll, wenn sich die Tatperson dem Programm entzöge.

Mit der Überweisung einer Motion Heim (sp, SO) sprach sich der Nationalrat für eine Verschärfung der Gesetzesbestimmungen gegen häusliche Gewalt aus. Der Motionstext verlangt insbesondere, dass eine auf Wunsch der Betroffenen eingestellte Strafuntersuchung unwiderruflich wieder aufgenommen wird, wenn die Tatperson rückfällig geworden ist. Eine Motion Geissbühler (svp, BE) (Mo. 09.3169), die Bestimmung zu streichen, wonach ein Opfer eine Sistierung des Verfahrens beantragen kann, und häusliche Gewalt eindeutig entweder zum Antrags- oder zum Offizialdelikt zu erklären, scheiterte im Nationalrat äusserst knapp.

Der Ständerat hatte 2009 die vom Nationalrat angenommene Motion Heim (sp, SO) in einen Prüfungsantrag umgewandelt. Die Motion hatte eine Verschärfung der Gesetzesbestimmungen gegen häusliche Gewalt und insbesondere die unwiderrufliche Wiederaufnahme der Strafuntersuchung bei einem Rückfall des Täters verlangt. Der Nationalrat war mit der Überweisung als Prüfungsauftrag einverstanden.

In der grossen Kammer ebenfalls angenommen wurde eine Motion Heim (sp, SO), welche einerseits einen Bericht zur Einstellungspraxis betreffend dem Tatbestand „Häusliche Gewalt“ in den Kantonen verlangte und andererseits eine Änderung dieser Bestimmung zwecks Eindämmung der häuslichen Gewalt und Stärkung der Opfer forderte.

Im Jahr 2009 hatte der Ständerat eine Motion Heim (sp, SO) zur Eindämmung von häuslicher Gewalt in einen Prüfungsauftrag umgewandelt. Der abgeänderte Vorstoss wurde vom Nationalrat in der Frühjahrssession überwiesen. Der Bundesrat wird damit beauftragt, einen Bericht zur Einstellungspraxis beim Tatbestand der häuslichen Gewalt in den Kantonen zu erarbeiten.

In Erfüllung der als Prüfauftrag überwiesenen Motion Heim (sp, SO) veröffentlichte der Bundesrat im Januar 2015 einen Bericht zur Eindämmung der häuslichen Gewalt. Darin wurden verschiedene Massnahmen geprüft, welche den Schutz für Opfer von Gewalt verbessern sollen. Nach aktueller Gesetzgebung können Opfer einfacher Körperverletzung, wiederholter Tätlichkeiten sowie von Drohung oder Nötigung die Sistierung und Einstellung des Strafverfahrens beantragen. Wenn dies freiwillig geschieht, müssen die Behörden dem Antrag stattgeben. Opfer häuslicher Gewalt falle es schwer, den beschuldigten Partner oder die beschuldigte Partnerin strafrechtlich verfolgen und verurteilen zu lassen. Diese Vermutung wird durch die hohe Einstellungsquote von Strafverfahren, welche je nach Kanton zwischen 53 und 92 Prozent variiert, gestützt. Um diese beunruhigenden Zahlen künftig senken zu können, solle der Strafverfolgungsbehörde ein grösserer Ermessensspielraum zugesprochen werden, so der Vorschlag des Bundesrats. Das Opfer würde zwar noch immer angehört, die Verantwortung über die Sistierung, Einstellung oder Weiterführung des Strafverfahrens läge jedoch künftig bei den Behörden. Ist die beschuldigte Person wegen eines Delikts der häuslichen Gewalt vorbestraft, soll eine Sistierung des Strafverfahrens in Zukunft zudem nicht mehr möglich sein.
Dazu seien einige Anpassungen im StGB nötig, welche zusammen mit der Umsetzung der Motion Keller-Sutter (fdp, SG; Mo. 12.4025) vorgenommen werden sollen. Weitere Massnahmen wie höhere Strafdrohungen bei bestimmten Gewaltdelikten oder eine Beschränkung des nächtlichen Alkoholverkaufes im Detailhandel seien zudem im Rahmen der Harmonisierung der Strafrahmen bzw. der Revision des Alkoholgesetzes denkbar.
Motionärin und Nationalrätin Bea Heim hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass eine Einstellung des Strafverfahrens nur dann möglich sein soll, wenn der Täter ein «Lernprogramm gegen Gewalt» besucht. Dadurch könne eine Deeskalation bewirkt werden und es bestehe die «Chance, dass die Familie in Frieden wieder zusammenfinden kann», argumentierte sie im Gespräch mit der NZZ. Auf eine solche Pflicht verzichtete der Bundesrat in seinem Vorschlag mit dem Argument, dass viele Gewalttäter trotz Besuch eines solchen Trainings rückfällig würden.

Stalking (Mo. 08.3495)

Der Nationalrat unterstützte eine Motion Fiala (fdp, ZH) für die Schaffung eines besonderen Straftatbestandes Stalking. Der Bundesrat argumentierte vergeblich, dass dieser Vorstoss überflüssig sei, weil der Tatbestand der Nachstellung bereits im Strafrecht enthalten sei.

Die im Sommer 2009 vom Nationalrat angenommene Motion Fiala (fdp, ZH), welche einen besonderen Straftatbestand Stalking forderte, wurde vom Ständerat in der Herbstsession abgelehnt. Die kleine Kammer folgte damit dem Argument des Bundesrats, dass Nachstellung bereits strafrechtlich geregelt sei.

Geschlagene Frauen schützen (Mo. 09.4017)

Mit einer Motion forderte der SVP Politiker Yvan Perrin(NE) den Einsatz von elektronischen Geräten, die das Kommen und Gehen des gewalttätigen Partners überwachen und signalisieren, wenn dieser gegen eine Fernhaltemassnahme verstösst. Dieser Vorstoss wurde vom Nationalrat ebenfalls gutgeheissen.

Der Nationalrat nahm eine Motion Perrin (svp, NE) an, welche nach dem Beispiel von Spanien den Schutz von geschlagenen Frauen mithilfe elektronischer Vorrichtungen erhöhen wollte. Der Bundesrat hatte die Motion zur Annahme empfohlen, da es für die gerichtliche Anordnung von elektronischen Vorrichtungen zur Durchsetzung von Fernhaltemassnahmen gegen gewalttätige Personen eine gesetzliche Grundlage brauche.

Nach dem Nationalrat im Vorjahr hiess nun auch der Ständerat eine Motion Perrin (svp, NE) gut, mit welcher Opfer häuslicher Gewalt durch den Einsatz von elektronischen Geräten zur Überwachung des gewalttätigen Partners besser geschützt werden sollen. Diese Geräte geben ein Warnsignal ab, sobald ein mit Fernhaltemassnahmen belegter Partner gegen die Auflagen verstösst und sich unbewilligt dem potentiellen Opfer nähert.

Opfer häuslicher Gewalt besser schützen (Mo. 12.4025)

Opfer häuslicher Gewalt sollen künftig besser geschützt werden. Beide Kammern beauftragten den Bundesrat mittels Überweisung einer Motion Keller-Sutter (fdp, SG) mit einer Anpassung des Strafgesetzbuches, wonach vor der definitiven Einstellung eines Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft das Opfer nochmals anzuhören ist.

Bekämpfung von Stalking in der Schweiz verbessern (Po. 14.4204)

Im Frühjahr 2015 gab der Nationalrat beim Bundesrat einen Bericht über erfolgreiche nationale und internationale Massnahmen im Kampf gegen Stalking in Auftrag. Den zweiten Punkt desselben Postulats Feri (sp, AG), der vom Bundesrat darüber hinaus noch wissen wollte, wie eine nationale Strategie zur Bekämpfung von Stalking ausgestaltet werden könnte, lehnte der Rat jedoch ab.

In Erfüllung eines Postulats Feri (sp, AG) legte der Bundesrat im Oktober 2017 seinen Bericht zu Stalking vor. Dieser enthält eine Übersicht über Massnahmen gegen Stalking im In- und Ausland sowie Empfehlungen für Massnahmen, welche aus Sicht der Forschung und im Lichte der Erfahrungen in der Schweiz breitere Anwendung finden sollten. Da die Bekämpfung von Stalking in den Kompetenzbereich der Kantone fällt, sieht der Bundesrat seine Rolle vor allem in der Unterstützung der Kantone mit den nötigen gesetzgeberischen Massnahmen sowie mit Koordinations- und Informationsaufgaben. Der Nationalrat schrieb das Postulat im Juni 2018 ab.

Bedrohungsmanagement bei häuslicher Gewalt. Überblick über die rechtliche Situation und Schaffen eines nationalen Verständnisses (Po. 14.4204)

Nationalrätin Yvonne Feri (sp, AG) reichte im Juni 2013 ein Postulat ein, das den Bundesrat beauftragte, einen Grundlagenbericht zum Bedrohungsmanagement bei häuslicher Gewalt in der Schweiz zu verfassen, mit besonderem Fokus auf den rechtlichen Aspekt des für ein koordiniertes Vorgehen notwendigen Datenaustauschs. Der Bundesrat empfahl das Postulat zu Annahme.
In der Herbstsession 2013 wurde fälschlicherweise die Annahme des Postulats festgehalten, obwohl Andrea Geissbühler (svp, BE) es bekämpft hatte. In der Sondersession vom Mai 2015 debattierte der Nationalrat deshalb über das Postulat. Geissbühler argumentierte dabei, der geforderte Bericht sei unnötig, da die Kantone in dieser Sache zuständig und sich des Problems sehr wohl bewusst seien. Laut Bundesrätin Simonetta Sommaruga könne der Bericht hingegen bundesrechtliche Hindernisse beim Datenaustausch der Kantone in diesem Bereich beleuchten, was den Kantonen helfen würde, ein Bedrohungsmanagement aufzubauen und Eskalationen bei häuslicher Gewalt zu verhindern. Der Nationalrat nahm das Postulat schliesslich mit 133 zu 52 Stimmen an. Als einzige Fraktion stimmte diejenige der SVP geschlossen dagegen.

Im Oktober 2017 legte der Bundesrat dem Parlament seinen Bericht «Bedrohungsmanagement, insbesondere bei häuslicher Gewalt» vor, mit dessen Ausarbeitung er vom Nationalrat durch die Annahme eines Postulates Feri (sp, AG) beauftragt worden war. Im Bericht hielt der Bundesrat fest, dass sich die Koordination zwischen den Kantonen auf polizeilicher Ebene bewährt habe und forderte die Kantone auf, ihre Zusammenarbeit und den Datenaustausch im Bereich der häuslichen Gewalt zu verstärken. Weiter empfahl er, die Ausbildung von Fachpersonen zum Risikomanagement vermehrt interkantonal zu organisieren und bot dazu Ausbildungshilfe an. Vorgaben zur Ausgestaltung des Bedrohungsmanagements seitens des Bundes seien dagegen zurzeit nicht angezeigt. Der Nationalrat schrieb das Postulat im Sommer 2018 als erfüllt ab.

Stalking-Thema nicht auf die lange Bank schieben (Mo. 13.3742)

Nach 2008 reichte Doris Fiala (fdp, ZH) 2013 erneut eine Motion zum Stalking ein und wollte damit verhindern, dass das Thema auf die lange Bank geschoben wird. Die frühere Motion war mit der Begründung abgelehnt worden, das geltende Strafrecht und der damals neu geschaffene Artikel 28b ZGB (Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen) böten ausreichenden Schutz für Stalking-Opfer. Gleichzeitig hatte der Bundesrat versprochen, fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Artikels am 1. Januar 2007 dessen praktische Umsetzung und Wirksamkeit zu evaluieren. Mit der neueren Motion forderte Fiala vom Bundesrat, den in Aussicht gestellten Evaluationsbericht vorzulegen. Allfällige Massnahmen zum verbesserten Schutz von Stalking-Opfern sollen zudem nicht nur geprüft, sondern umgehend in die Wege geleitet werden. Der Bundesrat liess in seiner Stellungnahme verlauten, die Evaluation sei im Gange und der Schlussbericht werde voraussichtlich bis Ende 2014 vorliegen. Er beantragte die Ablehnung der Motion; es sei verfrüht, den Handlungsbedarf vor Vorliegen der Evaluationsergebnisse zu bejahen.
In der Herbstsession 2015 nahm der Nationalrat die Motion schliesslich mit überwältigender Mehrheit an. Der Evaluationsbericht lag zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht vor. Bundesrätin Simonetta Sommaruga versicherte jedoch, der Bundesrat arbeite mit Nachdruck daran und das Anliegen der Motion werde bald erfüllt sein, weshalb eine Annahme der Motion jetzt auch nichts mehr ändere.

Der Ständerat lehnte die Motion Fiala (fdp, ZH) zum Stalking, welche von der grossen Kammer im Herbst 2015 angenommen worden war, in der Frühjahrssession 2016 stillschweigend ab. Im Vorentwurf über Massnahmen zum verbesserten Schutz für Opfer von Gewalt und Stalking, den der Bundesrat im vergangenen Herbst in die Vernehmlassung gegeben hatte, sah die kleine Kammer das Anliegen des Vorstosses erfüllt.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)

Die durch eine Motion Fiala (fdp, ZH) zum Thema Stalking (Mo. 08.3495) angestossene Evaluation von Art. 28b ZGB konnte im Jahr 2015 abgeschlossen werden. Am 7. Oktober 2015 stellte der Bundesrat die Evaluationsergebnisse vor. Der Schutz von gewaltbetroffenen Personen sei demzufolge teilweise unbefriedigend. Hohe Anforderungen im Zivilprozess sowie die uneinheitliche Praxis der vielen Gerichte in der Schweiz stellten die Hauptprobleme dar. Zudem werde die Norm in den Kantonen sehr unterschiedlich umgesetzt und die Koordination zwischen polizeilichen und zivilrechtlichen Massnahmen sei verbesserungswürdig.

Zum effektiveren Schutz von Gewalt- und Stalking-Opfern schickte der Bundesrat am selben Tag einen Vorentwurf in die Vernehmlassung. Verschiedene Änderungen im Zivil- und im Strafrecht sollen die Situation gewaltbetroffener Personen verbessern. Ein Kontakt- oder Rayonverbot soll künftig mittels elektronischer Fussfessel oder Armband durchgesetzt werden, um zu verhindern, dass sich der Täter dem Opfer trotz Verbot weiterhin nähern kann. Durch die Abschaffung von Schlichtungsverfahren und Gerichtskosten sollen Hürden im Zivilprozessrecht abgebaut werden. Ausserdem soll das Opfer ein Strafverfahren in Zukunft nicht mehr verhindern können, wenn die Täterin oder der Täter bereits wegen Gewalt verurteilt worden ist.

Zur Vernehmlassung zum Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen, deren Frist Ende Januar 2016 abgelaufen war, wurde im Juli 2017 der Ergebnisbericht veröffentlicht. Die 58 eingegangenen Stellungnahmen verteilten sich auf 25 Kantone (der Kanton Glarus verzichtete ausdrücklich auf eine Stellungnahme), sechs politische Parteien (BDP, CVP, FDP, GP, SP, SVP) und 27 weitere Organisationen. Die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen wurde von allen Vernehmlassungsteilnehmenden als Notwendigkeit anerkannt, wenn auch die Meinungen darüber auseinandergingen, wie diese Verbesserung erzielt werden soll.
Bei den zivilrechtlichen Gewaltschutzmassnahmen war vor allem die Möglichkeit der elektronischen Überwachung («Electronic Monitoring») von Tatpersonen sehr umstritten. Während die grosse Mehrheit der Vernehmlasserinnen und Vernehmlasser die Einführung einer solchen Möglichkeit grundsätzlich begrüsste, zweifelten andere die Wirksamkeit einer solchen Massnahme generell an, da das resultierende Sicherheitsgefühl trügerisch und die Massnahme gegen telefonisches oder Online-Stalking erfolglos sei. Doch auch von den Befürwortern des Electronic Monitoring äusserten Viele Bedenken im Hinblick auf dessen Umsetzung. So stosse die Überwachungstechnologie heutzutage noch an Grenzen, innerhalb derer nur eine passive, retrospektive Überwachung möglich sei und keine aktive Überwachung mit unmittelbarer polizeilicher Intervention, wie sie im Vorentwurf angedacht wäre. Auch die Ortungsgenauigkeit der verfügbaren GPS- und LBS-Systeme lasse – mit geografisch bzw. topografisch bedingten Abweichungen von bis zu 25 km im schlechtesten Fall – zu wünschen übrig und ermögliche kaum ein genügend schnelles Eingreifen, um eine Gewalttat zu verhindern. Geeignet sei eine solche Massnahme ohnehin nur, wenn das Risiko einer Gewaltausübung nicht zu gross sei, weshalb die Eignungsabklärung immer mit einer Risikoabschätzung verbunden werden müsste. Neben der Kritik am hohen finanziellen und personellen Aufwand wurde auch die Verhältnismässigkeit angezweifelt: Angesichts dessen, dass es sich bei den betroffenen Personen nicht um rechtskräftig Verurteilte handle, stehe die vorgesehene 12-monatige Tragepflicht der elektronischen Fussfessel in keinem Verhältnis zur Sanktion, welche im Falle eines strafrechtlichen Schuldspruchs zu erwarten wäre. Ganz allgemein wurde auch kritisiert, dass das Electronic Monitoring als eine eigentlich strafrechtliche Vollzugsmassnahme im Zivilrecht fehl am Platz sei. Solche Skepsis äusserten nebst 20 Kantonen, der Grünen Partei und der SP auch mehrere juristische Vereinigungen, das Centre Patronal, die KKJPD, der SGV, die Universität Lausanne, die KKPKS, der Kinderschutz Schweiz, die Schweizerische Konferenz gegen häusliche Gewalt, die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, der Städteverband und Travail.Suisse.
Ebenfalls kontrovers aufgenommen wurde die Bestimmung, wonach die Kantone Weiterbildungsmöglichkeiten für Personen, die mit Gewaltschutzfällen zu tun haben – beispielsweise im Rahmen einer Tätigkeit bei der Kriseninterventionsstelle oder bei Gerichten –, bereitstellen müssen. Während sich knapp die Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden positiv dazu äusserte, kam das Vorhaben bei rund einem Fünftel der Stellungnehmenden nicht gut an. Moniert wurde hauptsächlich der Verstoss gegen das föderalistische Prinzip, da es sich bei der Weiterbildung um eine kantonale Kompetenz handle. Von einer breiten Mehrheit begrüsst wurde hingegen die vorgesehene Mitteilungspflicht von Gewaltschutzentscheiden des Zivilgerichtes an andere Behörden wie die KESB und die kantonale Kriseninterventionsstelle, soweit dies notwendig erscheint, damit letztere ihre Aufgaben erfüllen können. Ebenso mehrheitlich positiv aufgenommen wurden die Anpassungen an der Zivilprozessordnung, darunter der Wegfall der Gerichtskosten und des Schlichtungsverfahrens.
Bei den strafrechtlichen Gewaltschutzmassnahmen wurde vor allem die Änderung begrüsst, dass die Sistierung, Wiederanhandnahme und Einstellung eines Verfahrens nicht mehr allein vom Willen des Opfers abhängig sein und der Behörde eine umfassende Interessenabwägung ermöglicht werden soll. Kritisiert wurde hierbei jedoch der umfangreiche Katalog der bei der Sistierung zu beachtenden Kriterien sowie im Detail die Vorschrift, dass die Behörde ein allfällig von der beschuldigten Person besuchtes Lernprogramm gegen Gewalt beim Sistierungsentscheid berücksichtigen soll. Mehrere Kantone bedauerten, der Anreiz zum Besuch solcher Lernprogramme sei zu lasch und Weitere forderten zusammen mit der SP, den Juristinnen Schweiz, der Schweizerischen Konferenz gegen häusliche Gewalt, der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten und dem Städteverband gar eine obligatorische Verknüpfung der Verfahrenssistierung mit dem Besuch eines Lernprogramms gegen Gewalt. Sehr umstritten war ausserdem die Frage, ob das Opfer vor der Einstellung des Verfahrens zwingend angehört werden muss.
Von sieben Kantonen, der CVP, der Grünen Partei und der SP sowie von der KKPKS, der Interkantonalen Arbeitsgemeinschaft der Geschädigten- und Opfervertretung, dem Kinderschutz Schweiz, Pro Familia, der Schweizerischen Konferenz gegen häusliche Gewalt, der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, dem Städteverband, Terre des Femmes und von mehreren juristischen Vereinigungen wurde die Vernehmlassungsantwort überdies dazu genutzt, für die Einführung einer spezifischen Stalking-Strafnorm zu plädieren, obwohl – oder gerade weil – eine solche nicht Gegenstand des Vorentwurfs war.

Um den Schutz vor häuslicher Gewalt und Stalking zu verbessern, verabschiedete der Bundesrat im Oktober 2017 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen zuhanden des Parlaments. Im Zentrum des Gesetzes steht einerseits die Verbesserung der Wirksamkeit der zivilrechtlichen Gewaltschutznorm (Art. 28b ZGB) durch den Abbau zivilprozessualer Hürden. Darunter fallen der Wegfall der Gerichtskosten und des Schlichtungsverfahrens sowie die Verpflichtung des Gerichts, seinen Entscheid anderen betroffenen Behörden wie zum Beispiel den Strafverfolgungsbehörden, der KESB oder der kantonalen Kriseninterventionsstelle mitzuteilen. Um die Durchsetzung der angeordneten Schutzmassnahmen zu verbessern, soll darüber hinaus die gerichtliche Anordnung einer elektronischen Überwachungsmassnahme („Electronic Monitoring“) für Tatpersonen ermöglicht werden. Mittels einer elektronischen Fussfessel oder eines elektronischen Armbands kann die Einhaltung eines ausgesprochenen Kontakt- und Rayonverbotes überprüft und damit nicht zuletzt auch die Beweislage des Opfers verbessert werden. Andererseits sieht das Gesetz auch einige strafrechtliche Anpassungen vor. So sollen die Sistierung und die Einstellung von Strafverfahren wegen einfacher Körperverletzung, wiederholter Tätlichkeiten, Drohung oder Nötigung in Paarbeziehungen (Art. 55a StGB und Art. 46b MStG) nicht mehr allein vom Willen des Opfers abhängen. Eine Sistierung des Verfahrens soll nur dann möglich sein, wenn dadurch die Situation des Opfers stabilisiert oder verbessert wird und auf keinen Fall bei Verdacht auf wiederholte Gewalt. Ausserdem soll die beschuldigte Person verpflichtet werden können, ein Lernprogramm gegen Gewalt zu besuchen. Vor Ablauf der Sistierungsdauer soll die Behörde überdies das Opfer noch einmal anhören können, bevor sie den definitiven Entscheid fällt. Mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf trägt der Bundesrat den Erkenntnissen aus dem Bericht in Erfüllung der Motion Heim (09.3059) sowie den Anliegen der Motionen Perrin (09.4017) und Keller-Sutter (12.4025) Rechnung.

Zwei Änderungen nur brachte die RK-SR am Entwurf des Bundesrates für das Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen an, die der Ständerat in der Sommersession 2018 beide stillschweigend guthiess. Die erste Abweichung betraf die schon in der Vernehmlassung umstrittene Bestimmung, dass die Kantone für die nötige Weiterbildung der Personen sorgen müssen, die – beispielsweise im Rahmen einer Tätigkeit bei der Kriseninterventionsstelle oder bei Gerichten – mit Gewaltschutzfällen zu tun haben. Eine solche administrative Vorschrift habe im Zivilgesetzbuch nichts verloren und tangiere überdies die Autonomie der Kantone, rechtfertigte Kommissionssprecher Robert Cramer (gp, GE) deren Streichung. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hielt diese Streichung für vertretbar, zumal die Kantone angesichts der Folgekosten von häuslicher Gewalt selber ein Interesse an geschulten Fachpersonen haben sollten. Als Zweites hatte sich die Kommission Gedanken über die Kostenfolgen von den im Gesetz vorgesehenen elektronischen Überwachungsmassnahmen für häusliche Gewalt oder Stalking ausübende Personen gemacht. Gerade wenn die verursachende Person vermögend sei, sei nicht einzusehen, weshalb die Allgemeinheit die Kosten für eine solche Massnahme tragen müsse. Die Kommission ergänzte das Gesetz dahingehend, dass diese Kosten – nicht aber die Verfahrenskosten – der überwachten Partei auferlegt werden können, betonte aber, diese Regelung solle nicht dazu führen, dass bei Fällen von häuslicher Gewalt das gemeinsame Familienbudget belastet werde, da so letztlich auch das Opfer dafür bezahle. Auch hiermit zeigte sich Justizministerin Sommaruga einverstanden; auf dieser Grundlage könne der Zweitrat weiterarbeiten. Einstimmig verabschiedete der Ständerat das leicht angepasste Gesetz zuhanden des Nationalrates.

In der Herbstsession 2018 befasste sich der Nationalrat mit dem Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen, wo die Debatte jedoch deutlich weniger harmonisch verlief als im Erstrat. In der Eintretensdebatte versuchte die SVP-Fraktion, indem verschiedene ihrer Exponenten sechsmal dieselbe Zwischenfrage stellten, das Problem der häuslichen Gewalt zu einem Ausländerproblem zu stilisieren und Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu einer bestätigenden Aussage zu drängen. Darauf liess sich die Justizministerin jedoch nicht ein und erntete Beifall für ihre Replik: «[W]enn Sie das Problem unbedingt bezeichnen wollen, dann ist es ein Männerproblem». Als diesbezüglich niemand mehr das Wort ergriff, wurde Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen.
Die Detailberatung im Nationalrat konzentrierte sich auf drei Punkte: die Weiterbildungsverpflichtung für die Kantone, die Gerichtskosten und die Möglichkeit zur Sistierung des Verfahrens. Einzig bei den Gerichtskosten schuf die grosse Kammer eine Differenz, indem sie der Mehrheit ihrer Rechtskommission folgte und beschloss, dass die Gerichtskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden können, wenn diese zu einem Kontakt- oder Rayonverbot oder zu einer elektronischen Überwachungsmassnahme verurteilt wird. Der Entwurf des Bundesrates, dem der Ständerat hier gefolgt war, hatte keine Möglichkeit für eine Überwälzung der Gerichtskosten vorgesehen. In den anderen beiden Punkten schloss sich der Nationalrat dem Beschluss des Ständerates an. Die Kantone sollen, anders als vom Bundesrat ursprünglich angedacht, nicht im Zivilgesetzbuch ausdrücklich dazu verpflichtet werden, für die Weiterbildung von Personen zu sorgen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit bei Gerichten oder Kriseninterventionsstellen mit Gewaltschutzfällen zu tun haben. Wie schon der Ständerat war auch die Volkskammer der Ansicht, dass ein solcher Eingriff in die kantonale Souveränität unnötig sei, da die Kantone selber ein Interesse daran hätten, über gut geschultes Personal zu verfügen. Was die Möglichkeit zur Sistierung des Verfahrens betrifft, wurden drei Minderheitsanträge Rickli (svp, ZH) abgelehnt, deren zwei darauf zielten, die Möglichkeit zur Sistierung ganz abzuschaffen und einer die Sistierung nur bei ausgeschlossener Wiederholungsgefahr zulassen wollte. Da man einen Rückfall aber nie mit Sicherheit ausschliessen könne, laufe diese Formulierung auf dasselbe hinaus, argumentierten die Mehrheitsbefürworter, die es als wichtig erachteten, dass dem Opfer nicht jegliche Handlungsmöglichkeit genommen werde. Der Nationalrat blieb deshalb bei der Formulierung des Bundesrates, die auch vom Ständerat gutgeheissen worden war, dass die Staatsanwaltschaft oder die Gerichte ein Verfahren sistieren können, wenn das Opfer darum ersucht und die Sistierung geeignet erscheint, die Situation des Opfers zu stabilisieren oder zu verbessern. Zwei Einzelanträge Feri (sp, AG) und Regazzi (cvp, TI), welche zusätzlich die Berücksichtigung des Wohles allfällig betroffener Kinder verlangten, blieben ebenso chancenlos, da dies sowieso zur Beurteilung der Situation des Opfers gehöre. Die vom Ständerat vorgenommene Anpassung, dass die Kosten einer Überwachungsmassnahme der überwachten Partei auferlegt werden können, hiess die grosse Kammer diskussionslos und stillschweigend gut. Am Schluss ergänzte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission noch eine Bestimmung, dass der Bundesrat die Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der beschlossenen Änderungen und Massnahmen überprüfen und dem Parlament darüber spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten Bericht erstatten und gegebenenfalls Verbesserungen vorschlagen muss. In der Gesamtabstimmung nahmen 122 Nationalrätinnen und Nationalräte die Vorlage an, während sie die 62 Vertreterinnen und Vertreter der SVP-Fraktion geschlossen ablehnten.

Beim Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen waren zu Beginn der Wintersession 2018 noch zwei Differenzen ausstehend. Die Möglichkeit, dass die Gerichtskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden können, wurde sowohl von der RK-SR als auch vom Ständerat begrüsst. Die vom Nationalrat ergänzte Übergangsbestimmung jedoch, die eine Evaluation des Gesetzes nach vier Jahren vorsieht, strich der Ständerat wieder mit der Begründung, sie sei ineffektiv und überflüssig. Bundesrätin Simonetta Sommaruga betonte hier zuhanden des Protokolls, dass der Bundesrat zu gegebener Zeit eine Evaluation der neuen Regelungen plane, vier Jahre dafür allerdings eine zu kurze Zeitspanne seien.
Die Mehrheit der RK-NR beantragte ihrem Rat daraufhin, dem Ständerat zu folgen und auf die zusätzliche Übergangsbestimmung zu verzichten. Die Wirksamkeitsüberprüfung von Gesetzesänderungen sei eine grundsätzliche Aufgabe der Regierung und des Parlaments; Letzteres könne eine Evaluation jederzeit anstossen, wenn der Bundesrat nicht von sich aus tätig werde. Zudem schreibe die Übergangsbestimmung vor, dass die Ergebnisse der Evaluation vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes vorliegen müssten; in einem solch kurzen Zeitraum sei eine seriöse Datengrundlage aber noch gar nicht verfügbar. Justizministerin Sommaruga versicherte auch im Nationalrat, dass es eine Evaluation geben werde. Eine Minderheit wollte an der Evaluation nach vier Jahren festhalten, blieb im Nationalrat letztlich jedoch chancenlos. Mit 122 zu 64 Stimmen hiess die grosse Kammer das Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen ohne die umstrittene Übergangsbestimmung gut. In der Schlussabstimmung sprach sich der Nationalrat schliesslich mit 195 zu 2 Stimmen für das Gesetz aus; der Ständerat nahm es einstimmig an.

StGB-Tatbestände mit Stalking ergänzen (Pa.Iv. 19.433)

Im Rahmen der Beratung des Bundesgesetzes über den Schutz gewaltbetroffener Personen hatte die RK-NR bei der Bundesverwaltung ein «Aussprachepapier» in Auftrag gegeben, das die Frage der Kodifizierung eines Straftatbestands «Stalking» erörtern sollte. Nach Kenntnisnahme dieses Berichts sprach sich die Kommission im Mai 2019 mit 16 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung für eine Kommissionsinitiative aus, deren Ziel es war, die Tatbestände Drohung (Art. 180 StGB) und Nötigung (Art. 181 StGB) explizit um Verhaltensweisen wie Auflauern, mehrmaliges Belästigen oder Nachstellen zu ergänzen. Die Kommission entschied sich zu diesem Schritt, obwohl das Aussprachepapier ihr geraten hatte, «nicht allzu grosse Erwartungen in die Kodifizierung einer Stalking-Strafnorm» zu setzen; der Schutz der Opfer liesse sich dadurch «wohl nicht entscheidend verbessern», so das Resümee des Papiers. Als Vorteile einer solchen Anpassung des StGB waren im Bericht hingegen die Kodifizierung der bundesgerichtlichen Rechtssprechung sowie die Festschreibung, dass Stalking in seinem Gesamtzusammenhang und nicht nur in Form einzelner Delikte betrachtet werden muss, genannt worden.

Im Oktober 2019 stimmte die RK-SR mit 8 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung der Initiative ihrer Schwesterkommission zu, einen Straftatbestand «Stalking» zu kodifizieren. Sie teilte die Einschätzung ihrer Schwesterkommission, dass die explizite Verankerung der bundesgerichtlichen Rechtssprechung im Strafrecht von Vorteil sei und erhoffte sich die Schliessung allfälliger Strafbarkeitslücken.

Im Mai 2023 schickte die zuständige RK-NR einen Vorentwurf zur Kodifizierung eines Straftatbestandes «Stalking» im StGB in die Vernehmlassung. Das beharrliche Verfolgen, Belästigen oder Bedrohen führe dazu, dass die betroffene Person in ihrer Lebensgestaltungsfreiheit eingeschränkt werde. Daher schlug die Kommission vor, das so umschriebene und als «Nachstellung» verdeutschte Verhalten als separaten Straftatbestand ins StGB (neuer Art. 181b und Ergänzung Art. 55a Abs.1) sowie ins MStG (Ergänzungen Art. 46 Abs. 1 und Art. 150a) aufzunehmen. Dabei soll der Straftatbestand künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden und so die bestehenden zivilrechtlichen Instrumente ergänzen.

Mit 80 eingegangenen Stellungnahmen stiess die Vernehmlassung zur Einführung eines Straftatbestandes «Stalking» im StGB und im MStG auf reges Interesse. Bis zum Ablauf der Frist im September 2023 äusserten sich alle 26 Kantone, 7 Parteien und 47 weitere Teilnehmende zum Entwurf, wie dem im Oktober 2023 veröffentlichten und im Februar 2024 ergänzten Ergebnisbericht zu entnehmen ist. Explizit auf eine Stellungnahme verzichtet haben die Bundesanwaltschaft, das BGer, das BStGer, der SAV, das SKJV und das Schweizerische Polizeiinstitut (SPI). Die grosse Mehrheit der Rückmeldungen fiel grundsätzlich positiv aus und besonders die Einführung einer eigenständigen Strafnorm zum Stalking wurde von fast allen Teilnehmenden sowohl aus strafrechtlichen als auch aus symbolischen Überlegungen heraus begrüsst. Drei Stellungnahmen (SVP, die Schweizerische Kriminalistische Gesellschaft und die Interessegemeinschaft geschiedener und getrennt lebender Männer) lehnten den Gesetzesentwurf insgesamt ab. Alle drei vereinte die grundsätzliche Haltung, dass die bestehenden straf- und zivilrechtlichen Tatbestände bereits ausreichten und ein neuer Straftatbestand keine Lücke schliesse, sondern höchstens zu Abgrenzungsproblemen führe. Rund ein Drittel der Stellungnahmen forderte die Umbenennung des Randtitels «Nachstellung» auf «Stalking», da dieser Begriff in der Alltagssprache etabliert und auch in juristischen Abhandlungen bereits gebräuchlich sei. Knapp die Hälfte der Stellungnehmenden, darunter diverse Frauenrechtsorganisationen, kritisierte den im Vorentwurf verwendeten Begriff «beharrlich» zur Beschreibung von wiederholten Einzelhandlungen. Sie forderten, diesen durch «wiederholt» zu ersetzen, weil «wiederholt» der Istanbul-Konvention entspreche und objektiver definiert sei. Uneinigkeit herrschte zudem bei der vorgeschlagenen Formulierung der Tathandlung (Verfolgen, Belästigen und Bedrohen), wobei diverse Anregungen für eine Erweiterung der Tathandlungsliste eingereicht wurden. Unter anderem die SP forderte die Aufnahme des Begriffs «Nachstellen», um einen gewissen gerichtlichen Spielraum zu ermöglichen, falls Fälle über die «klassischen» Tathandlungen bei Stalking hinausgehen sollten. Ebenfalls umstritten war die Einordnung des neuen Straftatbestandes als Erfolgsdelikt, weil die tatsächlichen Konsequenzen für die betroffene Person präzisierungsbedürftig und sehr subjektiv seien. Bei Erfolgsdelikten würde die Strafe anhand des «Erfolgs» durch das Stalking bewertet. Darum bevorzugte rund ein Viertel der Stellungnehmenden eine Umwandlung des Straftatbestandes in ein Gefährdungsdelikt, wo die blosse Gefährdung der betroffenen Person durch die Handlung bereits als Straftat ausreicht. 11 Teilnehmende, darunter 9 Kantone und die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK), befürworteten hingegen die Ausgestaltung der Strafnorm als Tätigkeitsdelikt, um einen besseren Opferschutz zu ermöglichen. Somit würde die Handlung an sich bereits strafbar.

Nach Auswertung und Diskussion der Vernehmlassungsergebnisse entschied sich die RK-NR dazu, die neue Strafnorm grundsätzlich als Antragsdelikt auszugestalten und somit die Strafverfolgung von einer Anzeige abhängig zu machen. Jedoch sollen diejenigen Taten von Amtes wegen verfolgt werden, die in einer Paarbeziehung begangen wurden. In allen anderen Punkten blieb die Kommission bei ihrer ursprünglichen Variante und nahm den revidierten Erlassentwurf im Februar 2024 mit 22 zu 2 Stimmen an.

In seiner Stellungnahme vom 15. Mai 2024 anerkannte der Bundesrat das Bedürfnis nach der Einführung von «Stalking» als Straftatbestand, warnte jedoch vor zu hohen Erwartungen an die konkreten juristischen Auswirkungen der neuen Strafnorm. Einzelne Handlungen des Stalkings seien für sich allein oft nicht strafrechtlich relevant, womit es in der Realität schwierig einzuschätzen sei, ab wann das Opfer strafrechtlich wirksam in der eigenen Lebensgestaltung eingeschränkt werde. Die Regierung verlangte daher eine dahingehende Präzisierung der Nachstellung, dass diese nur dann gegeben sei, wenn das Opfer «auf unzumutbare Weise» eingeschränkt werde. Zudem beantragte sie, dass auch bei Stalking-Fällen in Paarbeziehungen die Taten nur auf Antrag des Opfers verfolgt werden sollen, da nur die betroffene Person selbst beurteilen könne, ob ihr Sicherheits- oder Freiheitsgefühl beeinträchtigt worden sei. Weil das Zivilrecht greife, falls Delikte nicht im MStG abgedeckt werden, und weil bei Stalking mit Folgedelikten ausserhalb des Militärdienstes gerechnet werden müsse, beantragte der Bundesrat, die von der Kommission angedachten Anpassungen im MStG ersatzlos zu streichen. Ausserdem sei mit einem allfälligen Mehraufwand und höheren Kosten für die Strafverfolgung zu rechnen. In der französischen Version beantragte der Bundesrat zudem folgende zwei Änderungen im Wortlaut: Der Randtitel «harcèlement» soll ohne den Zusatz «obsessionel» auskommen und bei der Formulierung des Tatbestandes (Art. 181b Abs. 2 StGB) soll analog dem Antrag der Minderheit Docourt (sp, NE) «harcèlement» mit «importune» ersetzt werden.

In der Sommersession 2024 behandelte der Nationalrat erstmals die Kodifizierung eines Straftatbestandes «Stalking», die von einer Kommissionsmotion der RK-NR gefordert worden war. Mit 159 zu 30 Stimmen – letztere allesamt aus der SVP-Fraktion – wurde entgegen der Minderheit Bühler (svp, BE) Eintreten beschlossen.
Wie Kommissionssprecherin Sibel Arslan (basta, BS) anschliessend ausführte, beantragte die Kommission analog zum Vorschlag und der Begründung des Bundesrates, die Strafnorm nicht ins MStG aufzunehmen, da es sich dabei um Fortsetzungsdelikte über die Zeit des Militärdienstes hinaus handle und daher das StGB sowieso zur Anwendung käme. Dies wurde so einstimmig vom Nationalrat bestätigt. Entgegen des bundesrätlichen Antrags beantragte die RK-NR sodann, Stalking in Paarbeziehungen von Amtes wegen zu verfolgen, da es sich dabei um häusliche Gewalt handle, die dementsprechend geahndet werden müsse. Eine Minderheit Steinemann (svp, ZH) hatte ähnlich wie der Bundesrat erfolglos damit argumentiert, dass die betroffene Person in jedem Fall selber über eine Anzeige entscheiden können sollte. Mit 127 zu 61 Stimmen bei einer Enthaltung, wobei nur die SVP-Fraktion für den bundesrätlichen Vorschlag votierte, bestätigte der Nationalrat die Variante der Kommission. Weiter war die RK-NR auch mit der bundesrätlichen Präzisierung der Einschränkung der Lebensgestaltung des Opfers «auf unzumutbare Weise» nicht einverstanden. Kommissionssprecherin Arslan erklärte, dass diese Ergänzung gegenüber des Kommissionsentwurfes eine zusätzliche Schwelle einbaue und suggeriere, dass ein gewisses Mass an Einschränkung der Lebensgestaltung zu tolerieren sei. Zudem sei «unzumutbar» rechtlich sehr schwammig. Die Volkskammer folgte mit 135 zu 53 Stimmen ebenfalls ihrer Kommission, wobei erneut nur die SVP-Fraktion für die bundesrätliche Variante stimmte. Eine Minderheit Arslan scheiterte daran, «Stalking» als Randtitel einzuführen. Mit 130 zu 59 Stimmen blieb der Nationalrat bei «Nachstellung», wobei Links-Grün unterlag.
In der Gesamtabstimmung nahm die Volkskammer als Erstrat die Vorlage mit 151 zu 29 Stimmen bei 9 Enthaltungen an, wobei die Gegenstimmen und Enthaltungen ausschliesslich von der SVP-Fraktion stammten – mit Ausnahme einer Enthaltung von Maja Riniker (fdp, AG). Das Geschäft ging in den Ständerat.
Die Parlamentsdebatte wurde medial aufmerksam verfolgt und die Arbeit am neuen Straftatbestand beispielsweise in Le Temps in einem Meinungsbeitrag positiv gewürdigt.