Jahresrückblick 2024: Aussenpolitik

In der Schweizer Aussenpolitik zeigten sich im Berichtsjahr unterschiedliche Schwerpunkte, was sich auch in der Medienkonjunktur (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse) widerspiegelte. Zum einen waren die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ein in Bundesbern sowie in den Medien viel diskutiertes Thema: Im März 2024 starteten die Verhandlungen für ein weiteres Abkommenspaket (auch Bilaterale III genannt), die Ende Jahr zu einem Abschluss kamen. Dieses Paket beinhaltete neue sektorielle Abkommen (z.B. im Strombereich), institutionelle Elemente, Regeln für staatliche Beihilfen sowie die regelmässige Zahlung der Schweiz an ausgewählte EU-Mitgliedsstaaten. Im nächsten Jahr wird sich das Parlament und voraussichtlich in einigen Jahren auch die Stimmbevölkerung mit diesem Geschäft auseinandersetzen.

Zum anderen waren auch der Umgang mit den Konflikten im Nahen Osten sowie in der Ukraine zentrale Themen der Aussenpolitik. Bezüglich des Konflikts im Nahen Osten legte der Bundesrat im September die Botschaft zum Gesetz für ein Verbot der Hamas vor, wie dies die beiden sicherheitspolitischen Kommissionen in zwei identischen Motionen (Mo. 23.4312 und Mo. 23.4329) gefordert hatten. Das Gesetz wurde von den beiden Kammern in der Wintersession gutgeheissen. Zwei weitere Vorstsösse der beiden sicherheitspolitischen Kommissionen forderten auch ein Verbot der Hisbollah (Mo. 24.4263 und Mo. 24.4255). Sowohl der Ständerat als auch der Nationalrat befürworteten die Motion ihrer jeweiligen Kommission in der Wintersession. Bundesrat und Parlament beschäftigten sich auch mit der humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen. Dabei stellte die Rolle der UNRWA einen Spaltpilz dar: Während vor allem das links-grüne Lager argumentierte, dass einzig die UNRWA in der Lage sei, im Gaza-Streifen angemessene humanitäre Hilfe zu leisten, hielt die Mehrheit des bürgerlichen Lagers dagegen, dass die finanzielle Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza nicht über die UNRWA verteilt werden dürfe, da diese teilweise durch die Hamas beeinflusst oder gar unterwandert würde. Der Nationalrat hiess im Berichtsjahr denn auch zwei Motionen (Mo. 24.3469 und Mo. 24.3194) zur Streichung der Gelder an die UNRWA gut. Die ständerätliche Kommission beschloss, eine Anhörung durchzuführen, bevor sie ihrem Rat eine Empfehlung zu den Motionen unterbreitet. Der Bundesrat sprach nach Konsultation der beiden aussenpolitischen Kommissionen 2024 insgesamt CHF 79 Mio. für die humanitäre Hilfe in der Region. Aufgrund der Skepsis gegenüber der UNRWA soll der Grossteil dieser Gelder über andere Organisationen wie etwa das IKRK in die Region fliessen.

Der Krieg in der Ukraine veranlasste den Bundesrat auch im vergangenen Jahr dazu, zahlreiche Elemente des EU-Sanktionsregimes gegenüber Russland zu übernehmen; darunter etwa weitere Sanktionierungen von natürlichen und juristischen Personen, das Verbot des Kaufs und Imports russischer Diamanten sowie Exportbeschränkungen für militärische und technologische Güter. Die Regierung setzte sich zudem mit Materiallieferungen und der Organisation einer Konferenz im Bereich der zivilen Minenräumung ein. Im April gab der Bundesrat ausserdem bekannt, dass er den Wiederaufbau in der Ukraine in den nächsten zwölf Jahren mit insgesamt CHF 5 Mrd. unterstützen werde. Weiter organisierte die Schweiz im Juni in Zusammenarbeit mit der Ukraine einen medial stark beachteten internationalen Friedensgipfel für die Ukraine (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse). Die Schweiz setzte sich im Vorfeld des Gipfels im Rahmen von zahlreichen Staatsbesuchen (z.B. aus Brasilien) stark dafür ein, eine Vielzahl von Staaten für die Teilnahme an der Konferenz auf dem Bürgenstock zu gewinnen. Auch das Parlament beschäftigte sich mit dem Ukraine-Konflikt und nahm beispielsweise eine Motion der SP an, die ein internationales Programm zur Räumung von Minen in der Ukraine fordert.

Das in diesem Themenbereich 2024 im Parlament am intensivsten debattierte Geschäft war die Strategie der internationalen Zusammenarbeit für die Jahre 2025–2028 (vgl. Tabelle 1): Der Bundesrat legte in der Botschaft ein Budget von CHF 11.27 Mrd. vor, womit die drei Pfeiler der internationalen Zusammenarbeit – humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit sowie Förderung von Frieden, Demokratie und Menschenrechten – finanziert werden sollen. In den Räten wurde darum gerungen, wie viele Mittel die IZA erhalten soll und wie viele Mittel aufgrund der angespannten Lage des Bundeshaushalts generell eingespart oder stattdessen für die Sicherheitspolitik respektive die Armee eingesetzt werden sollen. Auch die CHF 1.5 Mrd., die der Bundesrat für die Ukraine auf Kosten der allgemeinen Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen will, sorgten – neben einer grundsätzlichen Debatte um Qualität und Wirkung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit – für kontroverse Diskussionen, wurden schliesslich aber im vorgesehenen Umfang belassen. Insgesamt kürzte das Parlament den IZA-Kredit jedoch um CHF 151 Mio. Weitere Kürzungen kamen im Rahmen der Budgetdebatte 2025 hinzu.

Auf dem Gebiet der Aussenwirtschaftspolitik legte der Bundesrat im Herbst 2024 die lange erwartete Botschaft zum Freihandelsabkommen mit Indien vor – die dafür notwendigen Verhandlungen hatten circa 16 Jahre gedauert. Mit diesem Abkommen sollen für 94.7 Prozent der Schweizer Exporte nach Indien Zollerleichterungen gelten. Ausserdem ist vorgesehen, nichttarifäre Handelshemmnisse in verschiedenen Bereichen zu reduzieren. Der Ständerat sprach sich in der Wintersession einstimmig für die Genehmigung des Abkommens aus. Im Berichtsjahr hiessen auch beide Räte das FHA mit der Republik Moldau gut, wovon sich der Bundesrat und das Parlament neben der wirtschaftlichen auch eine politische Stärkung dieses Nachbarlandes der Ukraine versprachen.

Schliesslich gab es auch im Bereich der direktdemokratischen Mitwirkung in der Aussenpolitik einige Entwicklungen zu verzeichnen. Im Mai gab die Bundeskanzlei bekannt, dass die Neutralitätsinitiative von Pro Schweiz zustande gekommen war. Diese Volksinitiative möchte die immerwährende und bewaffnete Neutralität in der Bundesverfassung verankern. Damit möchte das Initiativkomitee verhindern, dass die Schweiz einem Militär- oder Verteidigungsbündnis beitreten kann. Der Bundesrat entschied indes, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Im Sammelstadium befanden sich Ende 2024 drei Volksinitiativen, die dem Bereich Aussenpolitik zugeordnet werden können: Die Kompass-Initiative verlangt, dass Staatsverträge, welche «wichtige rechtsetzende Bestimmungen» enthalten, sowohl der Stimmbevölkerung als auch den Kantonen zur Genehmigung vorgelegt werden müssen; die Europa-Initiative will eine aktive Rolle der Schweiz in der europäischen Integration und die Atomwaffenverbotsinitiative macht sich für den Beitritt der Schweiz zum Kernwaffenverbotsvertrag (TPNW) stark. Zu möglichen Auswirkungen dieses Beitritts wurde im März 2024 ein Bericht in Erfüllung eines Postulats veröffentlicht.

Dossier: Rétrospective annuelle 2024