Während die meisten im Jahr 2023 vom Parlament beratenen Vorstösse für eine Verschärfung der Asylpolitik bereits im Erstrat abgelehnt und nur in wenigen Fällen überwiesen worden waren, änderte sich diese Situation 2024. Zwar scheiterte nach wie vor eine Mehrheit der Vorstösse bereits in der erstbehandelnden Kammer – darunter die meisten Vorstösse aus der SVP-Fraktion –, allerdings erhielten im Berichtsjahr deutlich mehr Vorstösse Zustimmung durch das Parlament. So wurden 2023 sechs überwiesene Geschäfte gezählt, darunter vier Postulate (Po. 23.3084; Po. 23.3203; Po. 23.3837; Po. 23.3859) und zwei Motionen (Mo. 23.3032; Mo. 23.3176), wobei Letztere erst in der Wintersession und somit vom neu zusammengesetzten Nationalrat überwiesen worden waren. Im Jahr 2024 erhöhte sich diese Zahl auf 16, wobei mit der Überweisung von elf Motionen zahlreiche Gesetzesänderungen beantragt wurden.

Die 2024 vom Parlament überwiesenen Vorstösse betrafen dabei zum einen Fragen zur grundsätzlichen Ausrichtung der Asylpolitik. So wollte eine Motion der FDP-Fraktion unter anderem sicherstellen, dass auf Asylgesuche von Personen, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen, in keinem Fall eingetreten wird (Mo. 23.3533). Gegen diese Forderung opponierte der Ständerat hingegen mit hauchdünner Mehrheit, womit die Motion lediglich teilweise, beziehungsweise mit den übrigen fünf Forderungen zur Bekämpfung der Sekundärmigration überwiesen wurde. Darüber hinaus fordern vier überwiesene Postulate die Überprüfung der Einführung von Bezahlkarten für Asylsuchende (Po. 24.3478; Po. 24.3165), das Abwägen von Kosten und Nutzen der Abkommen von Schengen und Dublin (Po. 24.3946) sowie eine Auslegeordnung zur Möglichkeit der Durchführung von Asylverfahren an EU-Aussengrenzen oder in Drittstaaten (Po. 23.4490).

Vier überwiesene und von je zwei Mitgliedern der FDP- und SVP-Fraktion angestossene Motionen verlangen ferner Verbesserungen bei den Rückführungen. Zum einen wurde der Bundesrat mit der Erarbeitung eines Konzepts beauftragt, um die Zahl der Rückführungen und Ausweisungen deutlich zu erhöhen (Mo. 23.3082). Darüber hinaus wird als konkrete Massnahme der Abschluss von Migrationspartnerschaften oder -abkommen verlangt, um die Zahl der Rückübernahmen von Personen mit abgewiesenen Asylgesuchen zu steigern (Mo. 23.3838; Mo. 23.4038). Aufgrund bekannter Schwierigkeiten bei der Rückführung von abgewiesenen Menschen aus Eritrea verlangte eine weitere Motion den Abschluss eines Transitabkommens mit einem Drittstaat, an den die betroffenen Personen für eine bestimmte Dauer übergeben werden sollen, um von dort in das Herkunftsland zurückgeführt zu werden (Mo. 23.4440). Einen effizienteren Vollzug forderte schliesslich auch die FK-SR in einer eigenen Motion, um Massnahmen für Kostenbremsen im Asylbereich vorzunehmen, zusätzlich erachtete sie jedoch auch die Steigerung der Erwerbsquote bei Personen mit Status S sowie bei Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen als massgeblich Kosten dämpfend (Mo. 23.4351). Auch diese Motion fand im Berichtsjahr in beiden Räten mehrheitlich Zuspruch.

Zusätzlich lancierte die SPK-NR eine Kommissionsmotion, mit welcher sie die Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Personen mit Schutzstatus S bezweckte (Mo. 23.3968) und die vom Parlament im aktuellen Jahr ebenfalls überwiesen wurde. Darüber hinaus verlangen weitere drei 2024 überwiesene Motionen – darunter zwei identische Motionen von Mitgliedern der Mitte-Fraktion (Mo. 24.3022; Mo. 24.3035) sowie eine von einem SVP-Mitglied lancierte Motion (Mo. 24.3378) – Anpassungen beim Schutzstatus S mit dem Ziel der Verhinderung von Missbräuchen.

Die von den Printmedien begleiteten gewalttätigen Auseinandersetzung innerhalb der eritreischen Gemeinschaft nahm die FDP zum Anlass, eine Motion einzureichen, die ausländerrechtliche Massnahmen gegen Personen verlangt, die «gewaltsam dasjenige Regime unterstützen, vor dem sie angeblich geflohen sind» (Mo. 23.4447). Auch dieses Anliegen wurde vom Parlament im Berichtsjahr überwiesen, ebenso wie ein von einem Mitte-Mitglied lanciertes Postulat zum Umgang mit kriminellen Ausländerinnen und Ausländern und solchen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit stören (Po. 24.3934).

Alles in allem zeigt sich bei der parlamentarischen Beratung von Vorstössen zur Verschärfung im Asylrecht 2024 somit ein anderes Bild als noch 2023. Ist das Finden von Mehrheiten für Verschärfungen in der Asylpolitik durch die Sitzverschiebungen bei den eidgenössischen Wahlen 2023 also einfacher geworden? Tatsächlich lassen sich Vorstösse eruieren, die das Parlament vor den Wahlen noch abgelehnt hatte, die im Berichtsjahr jedoch erfolgreich waren. So hatte es eine Mehrheit im Nationalrat in der Sommersession 2023 noch abgelehnt, den Bundesrat ein Konzept für eine «Rückführungsoffensive» ausarbeiten zu lassen (Mo. 23.3073), zu Beginn der neuen Legislatur stimmte die grosse Kammer einer solchen Forderung durch teilweise Annahme einer Motion Salzmann (svp, BE; Mo. 23.3082) aber zu. Und während der Ständerat in der Herbstsession 2022 eine Motion Stark (svp, TG; Mo. 22.3516), welche eine nach Herkunftsregion differenzierte Anwendung des Schutzstatus S verlangte, noch abgelehnt hatte, befürwortete er in der Sommersession 2024 eine ähnliche Forderung einer Motion von Esther Friedli (svp, SG; Mo. 24.3378); der Nationalrat tat es ihm in der Wintersession gleich. Auch von einem systematischen Datenaustausch betreffend Sans-Papiers, gefordert von einer Motion der SVP (Mo. 21.3492), hatte der Nationalrat im Frühjahr 2023 noch nichts wissen wollen, im September des Folgejahres indes einer neuen Fraktionsmotion mit exakt demselben Anliegen aber zugestimmt (Mo. 24.3059).

Dieses Umschwenken ist jedoch kaum den zusätzlichen bei den eidgenössischen Wahlen errungenen Sitzen für die SVP geschuldet, da die fragilen Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat dadurch ja nicht gekippt worden sind. Vielmehr liegt der Kursänderung wohl ein Umdenken bei den Ratsmitgliedern der FDP und teilweise auch der Mitte zugrunde. Dies zeigt sich exemplarisch an der Forderung nach einer nach Herkunftsregion differenzierten Anwendung des Schutzstatus S sowie an derjenigen für einen systematischen Datenaustausch betreffend Sans-Papiers. Beide Anliegen unterstützte die SVP im ersten Anlauf alleine, fand im zweiten Anlauf jedoch bei der gesamten FDP-Fraktion und allen Mitte-Nationalratsmitgliedern (Sans Papiers) sowie bei der Hälfte der ständerätlichen Mitte-Vertretenden (Schutzstatus S) Unterstützung. Zudem lancierte die FDP eigene Forderungen nach Verschärfungen in der Asylpolitik, für die sie in den Räten auch Mehrheiten fand: Insgesamt stammen 6 der 15 im Berichtsjahr überwiesenen Vorstösse aus ihrer Feder, dazu kommen die 2 eingangs erwähnten Motionen, die bereits in der Wintersession 2023 überwiesenen worden waren.