Im Mai 2024 verabschiedete die EU zehn Verordnungen und Richtlinien, welche zusammen den neuen Migrations- und Asylpakt unter den Schengen-Staaten bilden. Das Ziel des Pakts bestehe darin, die sogenannte irreguläre Migration in die Schengen-Staaten zu mindern und mittels harmonisierten und funktionierenden Asylverfahren die Sekundärmigration im Schengen-Raum einzudämmen. Zudem sollen diejenigen Schengen-Staaten, welche insbesondere aufgrund ihrer geografischen Lage unter grossem Migrationsdruck stehen, durch eine fairere Verteilung der Asylsuchenden unterstützt werden (sogenannter Solidaritätsmechanismus).

Im Februar 2025 präsentierte der Bundesrat die Botschaft zur Übernahme der für die Schweiz verbindlichen Teile des Migrations- und Asylpakts in Form von vier Bundesbeschlüssen, welche die Übernahme und Umsetzung von fünf EU-Verordnungen betreffen. Für die Schweiz waren insbesondere folgende Änderungen und Neuerungen massgebend: Erstens soll die Schweiz die neuen Regeln zur Bestimmung der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens übernehmen. Damit sollen die Fristen für die Bearbeitung von Übernahmeersuchen gekürzt und die Anforderungen an den Übergang eines Asylgesuchs von einem zum anderen Dublin-Staat erhöht werden. Zweitens sollen im Falle «eines ausserordentlichen Migrationsdrucks oder einer Situation höherer Gewalt», wie beispielsweise einer Pandemie, Möglichkeiten für Ausnahmen und Abweichungen im Asylverfahren geschaffen werden. Drittens müsse die Schweiz zwar die neue Rückkehrgrenzverfahrensverordnung übernehmen, diese jedoch nicht anwenden, da das Schweizer Asylverfahren am Flughafen kein äquivalentes Verfahren zum EU-Grenzasylverfahren darstelle. Viertens wurde die Eurodac-Verordnung überarbeitet, womit neu auch von Drittstaatsangehörigen, die sich illegal im Schengen-Raum aufhalten, biometrische Daten im Eurodac-Zentralsystem gespeichert werden. Ausserdem wird das Mindestalter für die Registrierung von Personen von 14 Jahren auf sechs Jahre heruntergesetzt. Schliesslich sollen mit der Übernahme der Überprüfungsverordnung die Identitätsfeststellung und die Registrierung von sich irregulär im Schengen-Raum aufhaltenden Drittstaatsangehörigen erleichtert werden. Zudem kann bei diesen Personen ein Abgleich mit den einschlägigen Datenbanken und eine Gesundheitsüberprüfung vorgenommen werden und diese Personen sollen schneller in das richtige Verfahren (Rückführung, Asylverfahren oder Übernahme durch einen anderen Schengen-Staat) überstellt werden. Schliesslich empfahl der Bundesrat in der Botschaft auch, dass sich die Schweiz freiwillig am europäischen Solidaritätsmechanismus beteiligen soll. Mit diesem System sollen die Schengen-Staaten, welche einen hohen Migrationsdruck aufweisen, entlastet werden, indem die Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden gerechter auf die am Mechanismus teilnehmenden Staaten verteilt werden. Mit der vorliegenden Botschaft wurde ausserdem das Postulat 23.3859 Pfister (mitte, ZG) «Chancen der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems für die Schweizer Asylpolitik» zur Abschreibung beantragt.

In der Vernehmlassung waren die Vorlagen auf ein geteiltes Echo gestossen. Die Mehrheit der Kantone hatte den Entwurf grundsätzlich begrüsst, einige Kantone hatten aber auch Kritik am neu anfallenden Aufwand der Kantone in Bezug auf die Umsetzung der Eurodac- und Überprüfungsverordnung geübt. Auch die Mitte, die GLP und die FDP hatten die Reform unterstützt. Bei der SVP war die Übernahme des Migrations- und Asylpakts in der vorliegenden Form hingegen auf Ablehnung gestossen. Die Schweiz müsse unabhängige Kontrollen an ihren Aussengrenzen durchführen können. Zudem dürfe «illegalen» Einwandernden kein Asyl mehr gewährt werden. Die SP hatte die Übernahme des EU-Migrations- und Asylpakts zwar insgesamt unterstützt, forderte aber dazu auf, dass die Schweiz ihren nationalen Spielraum maximal nutze, um die Verbundenheit mit den Geflüchteten und deren Rechte zu stärken. Die Grünen und die EVP wiederum hatten Kritik am EU-Grenzverfahren geäussert und eine Verletzung der Grundrechte und der Menschenwürde befürchtet. Ähnliche Argumente griffen auch flüchtlingsnahe Organisationen wie etwa Amnesty International Schweiz, die EKM, HEKS oder das SRK auf. Diese Organisationen bemängelten unter anderem, dass der Migrations- und Asylpakt auf restriktiven Grenzverfahren und Abschottung basiere, anstatt Schutz und Solidarität zu bieten. Dies habe zur Folge, dass Schutzsuchende, insbesondere verletzliche Gruppen, einem erhöhten Risiko von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt seien. Zudem bringe der Pakt keine Lösungen für die bestehenden Mängel des Dublin-Systems, wie die fehlende Solidarität mit den Grenzstaaten.